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BFH-Urteil vom 8.7.1988 (III R 108/84) BStBl. 1988 II S. 845

Für ein Wirtschaftsgut, das unmittelbar der fernabsatz-orientierten Datenverarbeitung dient, wird eine erhöhte Investitionszulage nur gewährt, wenn es sich im Anlagevermögen eines Betriebs (einer Betriebstätte) des Dienstleistungsgewerbes befindet. Freie Berufe gehören dazu nicht.

BerlinFG § 19 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 Buchst. a/cc.

Vorinstanz: FG Berlin (EFG 1984, 595)

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betreibt in der Rechtsform einer Sozietät (Gesellschaft bürgerlichen Rechts) die Unternehmensberatung in Berlin (West). Sie erbringt überwiegend Leistungen an Auftraggeber außerhalb von Berlin. Im Dezember 1980 erwarb sie einen Computer nebst Zubehör zu einem Preis von netto 125.449 DM, den sie bei ihrer Beratungstätigkeit einsetzt. Die Gesellschafter der Klägerin sind beratende Betriebswirte, die nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) im Rahmen der Sozietät freiberuflich tätig sind.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) gewährte der Klägerin mit Bescheid vom 6. April 1981 zunächst die erhöhte Investitionszulage nach § 19 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 Buchst. a/cc des Berlinförderungsgesetzes (BerlinFG) von 25 v.H. der Anschaffungskosten. Im Anschluß an eine Außenprüfung änderte das FA seinen ursprünglichen Bescheid und setzte die Zulage auf 10 v.H. fest. Es vertrat die Auffassung, die erhöhte Zulage stünde nur Gewerbetreibenden nicht aber Freiberuflern zu.

Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte Erfolg. Das FG hat in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1984, 595 veröffentlichten Urteil u.a. ausgeführt, der Gesetzeszweck spreche dafür, daß mit dem Begriff "Dienstleistungsgewerbe" ganz allgemein der Wirtschaftsbereich Dienstleistungen gefördert werden sollte. Die Wortfassung des Gesetzes "Dienstleistungsgewerbe" müsse gegenüber dem klaren Gesetzeszweck zurückstehen. Auch lasse sich ein beschäftigungspolitischer Grund, Gewerbebetriebe bevorzugt zu fördern und die freien Berufe von der erhöhten Zulage auszuschließen, nicht erkennen.

Das FA rügt mit der Revision die Verletzung von Bundesrecht. Es macht geltend, die Anwendung von § 19 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 Buchst. a/cc BerlinFG sei auf Betriebe beschränkt, deren Tätigkeit auf die Erzielung von Einkünften i.S. von § 15 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gerichtet sei. Für diese Auslegung spreche der Gesetzeswortlaut und die Entstehungsgeschichte.

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Der Senat teilt nicht die Auffassung der Vorinstanz, daß der Klägerin für die von ihr angeschafften Wirtschaftsgüter die erhöhte Investitionszulage nach § 19 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 Buchst. a/cc BerlinFG zusteht. Nach dieser Vorschrift erhalten Betriebe des Dienstleistungsgewerbes, deren Umsatz überwiegend auf Leistungen an Auftraggeber außerhalb von Berlin entfällt, für die Anschaffung von unmittelbar der Datenverarbeitung dienenden Wirtschaftsgütern die erhöhte Berlinzulage von 25 v.H.

Im Streitfall dient zwar der von der Klägerin angeschaffte Computer unmittelbar der Datenverarbeitung; auch erbringt die Klägerin nach den Feststellungen der Vorinstanz ihre Leistungen überwiegend an Auftraggeber außerhalb von Berlin. Jedoch unterhält die Klägerin keinen Betrieb des Dienstleistungsgewerbes; ihre Gesellschafter üben vielmehr einen freien Beruf aus.

2. Die von der Vorinstanz geäußerte Ansicht, zum Dienstleistungsgewerbe i.S. des § 19 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 Buchst. a/cc BerlinFG gehörten auch die freien Berufe, teilt der Senat nicht.

Zunächst spricht der Gesetzeswortlaut gegen diese Ansicht. Das Gesetz spricht ausdrücklich vom Dienstleistungsgewerbe. Das Wort "Dienstleistungsgewerbe" ist zwar im BerlinFG nicht definiert. Jedoch muß mangels anderer eindeutiger Anhaltspunkte insoweit an einkommensteuerrechtliche Begriffe angeknüpft werden, da der Begriff des Gewerbebetriebs und der Begriff des Gewerbetreibenden im Einkommensteuerrecht verwendet wird (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 1. Dezember 1970 VI R 386/69, BFHE 100, 573, BStBl II 1971, 164). Nach den im Einkommensteuerrecht maßgebenden Kriterien ist ein Gewerbe i.S. des § 15 EStG aber nur dann zu bejahen, wenn die Betätigung nicht als Ausübung eines freien Berufs anzusehen ist (vgl. jetzt auch die Legaldefinition in § 15 Abs. 2 EStG). Die Auslegung des FG liefe demgegenüber ganz allgemein auf eine Förderung des Dienstleistungsbereichs hinaus. Eine so weite Förderungsabsicht des Gesetzgebers hat im Gesetzeswortlaut jedoch keinen Niederschlag gefunden.

3. Etwas anderes kann auch den Materialien über die Entstehung des Gesetzes nicht entnommen werden. Die Regelung des § 19 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 Buchst. a/cc BerlinFG wurde durch Gesetz vom 20. April 1979 (BGBl I 1979, 477, BStBl I 1979, 218) in das BerlinFG aufgenommen. Zwar ist in der Gesetzesbegründung (BTDrucks 8/2380 S. 3) und im Bericht des Finanzausschusses (BTDrucks 8/2630 S. 8) außer vom Dienstleistungsgewerbe auch vom Dienstleistungsbereich die Rede. Daraus schließt das FG, daß der Gesetzeszweck über die Förderung des Dienstleistungsgewerbes hinausgehe und die freien Berufe mit einschließe. Dabei wird jedoch nicht berücksichtigt, daß an anderer Stelle der Gesetzesbegründung von Dienstleistungsbetrieben und Dienstleistungsabteilungen gesprochen wird. Diese unterschiedliche Ausdrucksweise kann nach Auffassung des Senats nur in dem Sinne verstanden werden, daß damit der Gesetzgeber ganz allgemein die mit der Gesetzesinitiative verfolgten neuen Förderziele umschreiben wollte. Jedoch ist aufgrund des in der Gesetzesbegründung erwähnten Dienstleistungsbereichs nicht der weitgehende Schluß des FG erlaubt, daß auch die freien Berufe erhöht begünstigt sein sollen.

4. Der Senat kann schließlich die Auffassung des FG nicht teilen, der Gesetzgeber hätte die Beschränkung in § 19 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 Buchst. a/cc BerlinFG auf Gewerbebetriebe deutlicher zum Ausdruck bringen müssen, nachdem gemäß § 19 Abs. 1 BerlinFG ganz allgemein Steuerpflichtige i.S. des EStG und des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) begünstigt sind, die in Berlin einen Betrieb oder eine Betriebstätte haben, und darunter außer den Gewerbetreibenden und Landwirten auch die freien Berufe zu verstehen sind (vgl. Sönksen/Söffing, Berlinförderungsgesetz, Kommentar, § 19 Anm. 41 und § 14 Anm. 14a). Der Senat ist der Meinung, daß mit der Wahl des Ausdrucks "Dienstleistungsgewerbe" die einschränkende Regelungsabsicht des Gesetzgebers mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck gekommen ist.

5. Der Klägerin, die kein Dienstleistungsgewerbe i.S. des BerlinFG betreibt, war somit die erhöhte Investitionszulage von 25 v.H. zu versagen. Da das FG von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, war seine Entscheidung aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Klage war abzuweisen.