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BFH-Urteil vom 23.6.1988 (V R 203/83) BStBl. 1988 II S. 920

1. Ist über die Grundstücke des Schuldners die Zwangsverwaltung angeordnet, so sind die infolge der Verwaltungstätigkeit des Zwangsverwalters begründeten positiven und negativen Umsatzsteueransprüche gegen den Zwangsverwalter bzw. von ihm geltend zu machen.

2. Der an den Zwangsverwalter zu richtende Umsatzsteuerbescheid muß neben der Bezeichnung der der Zwangsverwaltung unterliegenden Grundstücke die Person des Vollstreckungsschuldners angeben.

UStG 1980 § 2 Abs. 1, § 13 Abs. 2, §§ 16, 18 Abs. 1 Satz 4; AO 1977 § 33 Abs. 1, § 34 Abs. 1 und 3, § 157 Abs. 1; ZVG § 20 Abs. 1, § 146 Abs. 1, § 148 Abs. 2, §§ 150, 152 Abs. 1, § 155 Abs. 1.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG (EFG 1984, 317)

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist seit ... 1982 gemäß § 150a des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung (ZVG) Zwangsverwalter der im Grundbuch des Amtsgerichts A für N-burg Bd ... Bl ..., Bd ... Bl ..., Bd ... Bl ..., auf den Namen der K-GmbH eingetragenen Grundstücke bestellt. In seiner Eigenschaft als Zwangsverwalter hatte der Kläger die Grundstücke mit Zubehör ab ... 1982 zu einem monatlichen Mietzins von ... DM zuzüglich Umsatzsteuer vermietet. Dem Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt - FA -) hatte er die Höhe der nach seiner Auffassung steuerpflichtigen Umsätze aus der Verwaltung der Grundstücke mitgeteilt. Das FA hat am ... 1983 Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide für die Monate ... 1982 bis ... 1983 erlassen und die Umsatzsteuervorauszahlungen auf insgesamt 9.577,20 DM festgesetzt. Die Bescheide sind gerichtet an Peter N als Zwangsverwalter der Grundstücke G-Straße usw., N-burg, Bd ... Bl ..., Bd ... Bl ..., Bd ... Bl ...

Die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage hatte Erfolg. Mit ihr hatte der Kläger geltend gemacht, daß nicht er, sondern der Grundstückseigentümer (Vollstreckungsschuldner) die Umsatzsteuererklärungen abzugeben habe und daß die Umsatzsteuer nicht zu den nach § 155 Abs. 1 ZVG vorweg zu bestreitenden Kosten des Verfahrens gehöre. Das Finanzgericht (FG) hob die angefochtenen Bescheide auf, weil sie nicht an den Kläger als Zwangsverwalter, sondern an den Vollstreckungsschuldner als Steuerschuldner zu richten gewesen seien. Dieser und nicht der Zwangsverwalter sei der Unternehmer und damit gemäß § 13 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1980) Steuerschuldner. Durch die Anordnung der Zwangsverwaltung sei dem Vollstreckungsschuldner die Verwaltung und Nutzung der betroffenen Vermögensgegenstände zwar entzogen, er verliere aber nicht seine Unternehmereigenschaft. Aus § 34 Abs. 1 und 3 der Abgabenordnung (AO 1977) ergebe sich nichts anderes. Danach habe zwar der Zwangsverwalter die steuerlichen Pflichten des Grundstückseigentümers zu erfüllen. Er sei verpflichtet, dem FA Auskunft über die Umsätze zu geben. Das habe der Kläger getan. Er werde aber dadurch nicht zum Adressaten von Umsatzsteuerbescheiden, die nicht nur die Umsätze aus den beschlagnahmten Grundstücken, sondern sämtliche Umsätze des Unternehmens erfassen müßten.

Hiergegen wendet sich das FA mit der Revision, mit der Verletzung von § 34 Abs. 1 und 3 AO 1977 gerügt wird.

Das FA beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage als unbegründet abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet (§ 126 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Zwar hat das FG zu Unrecht angenommen, daß die angefochtenen Umsatzsteuervoranmeldungsbescheide aufzuheben seien, weil sie nicht an den Kläger, sondern an den Vollstreckungsschuldner zu richten gewesen seien. Die Entscheidung selbst stellt sich aber als richtig dar, weil aus den Bescheiden nicht hervorgeht, für wen als Vollstreckungsschuldner der Kläger in seiner Eigenschaft als Zwangsverwalter im Rahmen seines Verwaltungs- und Verfügungsrechts in Anspruch genommen worden ist (§ 34 Abs. 1 und 3, § 157 Abs. 1 Satz 2 AO 1977; § 13 Abs. 2 UStG 1980; § 148 Abs. 2, § 152 Abs. 1 ZVG).

1. Der erkennende Senat folgt nicht der Auffassung des FG, die Umsatzsteuervoranmeldungsbescheide seien fehlerhaft, weil sie nicht an den Kläger als Zwangsverwalter sondern an den Vollstreckungsschuldner als Steuerschuldner zu richten gewesen seien. Das FG hat dabei den Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis und die Frage, wem gegenüber der Steueranspruch geltend zu machen ist, nicht auseinandergehalten.

a) Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, daß dem Vollstreckungsschuldner und nicht dem Zwangsverwalter auch die Umsätze als Unternehmer zuzurechnen sind, die der Zwangsverwalter im Rahmen seiner Verwaltungstätigkeit nach § 152 Abs. 1 ZVG bewirkt. Der Übergang der Verwaltungsbefugnis auf den Zwangsverwalter läßt das Eigentum und eine etwaige Unternehmereigenschaft des Grundstückseigentümers (Vollstreckungsschuldners) unberührt (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 19. Dezember 1985 V R 139/76, BFHE 146, 484, BStBl II 1986, 500; ebenso zur Unternehmereigenschaft des Gemeinschuldners im Konkurs BFH-Urteil vom 16. Juli 1987 V R 80/82, BFHE 150, 211, BStBl II 1987, 691, m. w. N.). Mit der Anordnung der Zwangsverwaltung wird dem Vollstreckungsschuldner lediglich die Verwaltung und Benutzung des Grundstücks entzogen (§ 148 Abs. 2 i.V. m. § 146 Abs. 1, § 20 Abs. 1 ZVG); die dem Schuldner untersagte tatsächliche und rechtliche Verfügung über das beschlagnahmte Grundstück wird durch den Zwangsverwalter ausgeübt (§§ 150, 152 Abs. 1 ZVG); er handelt mit Wirkung für und gegen den Vollstreckungsschuldner.

b) Wie der erkennende Senat im Urteil in BFHE 146, 484, BStBl II 1986, 500 weiter ausgeführt hat, sind die infolge der Verwaltungstätigkeit des Zwangsverwalters begründeten positiven und negativen Umsatzsteueransprüche gegen den Zwangsverwalter bzw. von ihm geltend zu machen. Der Vollstreckungsschuldner bleibt zwar als Unternehmer i. S. des Umsatzsteuerrechts Steuerschuldner (§ 13 Abs. 2 UStG 1980) und damit Steuerpflichtiger nach § 33 Abs. 1 AO 1977. Neben ihn tritt aber gemäß § 34 Abs. 3 i.V. m. Abs. 1 AO 1977 der Zwangsverwalter als Steuerpflichtiger (§ 33 Abs. 1 AO 1977), soweit seine Verwaltung reicht (Offerhaus in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 33 AO 1977 Anm. 26, § 34 AO 1977 Anm. 3; Kühn/Kutter/Hofmann, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 15. Aufl., § 34 AO 1977 Anm. 3). Insoweit ist der Zwangsverwalter mit eigenen Pflichten ausgestattet; er hat die durch seine Verwaltungstätigkeit begründete Umsatzsteuer zu entrichten. Soweit der Vollstreckungsschuldner außerhalb des Unternehmensbereichs, auf den sich die Beschlagnahme erstreckt, Umsätze ausführt, ist die hieraus entstandene Umsatzsteuer - allein - durch einen an den Vollstreckungsschuldner zu richtenden Umsatzsteuerbescheid geltend zu machen.

Zwar sehen die §§ 16 bis 18 UStG 1980 eine getrennte Berechnung und Festsetzung der Umsatzsteuer nach verschiedenen Tätigkeitsbereichen eines Unternehmers nicht vor; denn das Unternehmen umfaßt die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers (§ 2 Abs. 1 Satz 2 UStG 1980). Die Zulässigkeit von sowohl gegen den Vollstreckungsschuldner als auch gegen den Zwangsverwalter je deren Tätigkeitsbereiche - d.h. den der Zwangsverwaltung unterliegenden und den der Zwangsverwaltung nicht unterliegenden Unternehmensbereich - getrennt erfassenden Umsatzsteuerbescheiden folgt jedoch aus der Besonderheit der Zwangsverwaltung. Diese führt, um die Erfüllung der in § 155 Abs. 2 ZVG bezeichneten Ansprüche zu gewährleisten, zu einer Sonderung des beschlagnahmten Grundbesitzes von dem übrigen Vermögen des Schuldners. Die bei der Verwaltung dieses Sondervermögens von dem Zwangsverwalter begründeten Ansprüche gehören zur Zwangsverwaltungsmasse (Urteil in BFHE 146, 484, BStBl II 1986, 500). Ausgaben der Verwaltung sind vom Zwangsverwalter aus den Nutzungen der beschlagnahmten Grundstücke zu bestreiten (§ 155 Abs. 1 ZVG). Zu diesen Ausgaben gehört auch die Umsatzsteuer, der die Lieferungen oder sonstigen Leistungen im Rahmen der Verwaltung durch den Zwangsverwalter unterliegen (Urteil des Reichsfinanzhofs - RFH - vom 23. Dezember 1932 V A 923/32, RStBl 1933, 71; FG Hamburg, Urteil vom 12. April 1985 V 228/83, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1986, 44; Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 24. September 1986 IV 76/84, EFG 1987, 151; Offerhaus, a.a.O., § 34 Anm. 68; Zeller/Stöber, Zwangsversteigerungsgesetz, 12. Aufl., § 152 Anm. 4.13; Forgach, Der Betrieb - DB - 1986, 1.037 ff., 1.093 ff. zu IV 2, V 2). Insbesondere fällt darunter die Umsatzsteuer, die - wie im Streitfall - im Zusammenhang mit der Vermietung oder Verpachtung der beschlagnahmten Grundstücke entsteht. Die Vermietung oder Verpachtung der Grundstücke ist die regelmäßige Form der dem Verwalter obliegenden ordnungsgemäßen Nutzung (§ 152 ZVG; § 5 Abs. 2 der Verordnung über die Geschäftsführung und Vergütung der Zwangsverwalter vom 16. Februar 1970, BGBl 1970, 185).

2. Zu Recht hat das FA entsprechend den Ausführungen zu 1. zwar die Umsätze aus der Vermietung der beschlagnahmten Grundstücke durch den Kläger der Umsatzsteuer unterworfen und die Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide an den Kläger in seiner Eigenschaft als Zwangsverwalter gerichtet. Die Bescheide sind aber gleichwohl fehlerhaft, weil in ihnen nur die der Zwangsverwaltung unterliegenden Grundstücke, nicht aber der Vollstreckungsschuldner und Eigentümer der Grundstücke angegeben ist; die Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide sind deshalb - als jedenfalls rechtswidrig - aufzuheben. Gemäß § 157 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 umfaßt der notwendige Inhalt schriftlich zu erteilender Steuerbescheide, wie sie im Streitfall vorliegen (§ 157 Abs. 1 Satz 1 AO 1977, § 18 Abs. 1 Satz 4 UStG 1980), die Angabe dessen, der die Steuer schuldet. Steuerschuldner ist, unbeschadet der Stellung des Zwangsverwalters als Steuerpflichtiger (§ 34 Abs. 1 und 3 AO 1977; vgl. die Ausführungen zu 1.), der Vollstreckungsschuldner, denn dieser und nicht der Zwangsverwalter ist der Unternehmer und als solcher Steuerschuldner (§ 13 Abs. 2 UStG 1980; vgl. auch Offerhaus, a.a.O., § 34 AO 1977 Anm. 3, 4).

Zur Klarstellung weist der Senat abschließend darauf hin, daß es ausreicht, wenn sich der Vollstreckungsschuldner aus dem Inhalt des Steuerbescheides mit einer jeden Zweifel ausschließenden Sicherheit entnehmen läßt (vgl. BFH-Urteil vom 17. Mai 1974 VI R 197/71, BFHE 112, 452, BStBl II 1974, 648); dagegen genügt es nicht, daß der Vollstreckungsschuldner aufgrund der Angaben über die beschlagnahmten Grundstücke ermittelt werden könnte.