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BFH-Urteil vom 29.6.1988 (X R 33/82) BStBl. 1988 II S. 922

Umsätze aus einem Tierzuchtbetrieb werden dann nicht im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebs i. S. des § 24 UStG 1967/1973 ausgeführt, wenn dem Unternehmer für die Tierhaltung nicht in ausreichendem Umfang selbst bewirtschaftete Grundstücksflächen zur Verfügung stehen.

UStG 1967/1973 § 24; BewG § 51.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger), der jeweils zum 30. Juni bilanziert, betreibt eine Hühnerfarm, in der er Junghennen aufzieht. Er hat im hier interessierenden Zeitraum zwischen 37.000 und 77.000 Stück davon pro Wirtschaftsjahr verkauft:

Dem Kläger stand an eigenen landwirtschaftlichen Flächen nur die zunächst 1,29,85 ha und ab Dezember 1969 1,67,80 ha große Hofstelle mit den Hühnerställen zur Verfügung. In den etwa 10 bis 12 km hiervon entfernt liegenden Gemarkungen A und B hatte der Kläger außerdem zwischen 1966 und 1975 von fünf verschiedenen Verpächtern landwirtschaftliche Flächen in einer Gesamtgröße von 30,28,17 ha gepachtet. Zu ihrer Bewirtschaftung setzte der Kläger, weil er selbst keine geeigneten Maschinen besaß, andere Landwirte ein: bis zum Wirtschaftsjahr 1971/1972 den Nebenerwerbslandwirt X aus A und im Anschluß hieran den Landwirt Y, ebenfalls aus A.

In den Verträgen mit diesen Landwirten heißt es jeweils im Anschluß an die Feststellung, daß der Kläger die Vertragsobjekte (in einer Größe von "39 Morgen" bzw. "ca. 60 Viertelhektar") "zum Zwecke des Futteranbaus für seine Geflügelzucht" gepachtet habe, folgendermaßen:

1. In dem Vertrag mit X vom 1. Februar 1964:

"Da die Bewirtschaftung von Haus aus für ... (den Kläger) zu umständlich und kostspielig sein würde, hat Herr X sich bereiterklärt, die Bearbeitung dieser Grundstücke nach den Grundsätzen einer ordnungsmäßigen Wirtschaftsführung zu übernehmen. Hierfür bekommt Herr X je nach Umfang, Art und Wert des Arbeitsaufwandes die übliche Entschädigung ...";

2. in dem mit Y geschlossenen Vertrag:

"Herr Y hat sich bereiterklärt, die Bewirtschaftung dieser Grundstücke nach den Grundsätzen einer ordnungsmäßigen Wirtschaftsführung zu übernehmen. Das Entgelt für die Arbeitsleistungen wurde in Anlehnung an die Kostensätze festgelegt.

Der Vertrag wird fest geschlossen vom 1. 1. 1972 bis 1. 1. 1975. Erfolgt nicht wenigstens vor Ablauf der vereinbarten Vertragszeit eine schriftliche Kündigung, so läuft der Vertrag um ein Jahr weiter ..."

Dieser Vertrag ist später wie folgt ergänzt worden:

"... Die Abrechnung der bewirtschafteten Fläche wird wie folgt vorgenommen: Nach der Ernte werden die Ausgabenposten (Kunstdünger, Einsaat, Spritzmittel und Bewirtschaftung) den Einnahmen gegenübergestellt. Der Pachtzins wird bei den Ausgaben herausgenommen. Den dabei ermittelten geldlichen Überschuß erhält Herr Y. Herr Y erhält überdies den gezahlten Ausgleichsbetrag des Staates. Sollte bei einer schlechten Ernte kein Überschuß erzielt werden, geht dieser zu Lasten des Pächters. Ansonsten soll die Zusammenarbeit eine Vertrauenssache sein und für beide Seiten positiv bleiben."

Diese "Ergänzungsvertrag" ist seinerzeit nur vom Kläger unterschrieben und nach Auskunft des Klägers im Beweis- und Erörterungstermin vom 8. Dezember 1981 nicht mehr durchgeführt worden.

Im Rahmen der Bewirtschaftung dieser Ackerflächen sind außer einem Gewinn im Wirtschaftsjahr 1970/1971 nur Verluste erzielt worden.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) vertrat die Ansicht, vom Wirtschaftsjahr 1970/1971 an liege keine Selbstbewirtschaftung und daher keine landwirtschaftliche, sondern eine gewerbliche Tierhaltung vor, und setzte die Umsatzsteuer des Klägers wie folgt fest: ...

Einspruch und Klage blieben erfolglos.

Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung formellen und materiellen Rechts. Zur Begründung trägt er im wesentlichen vor: Er unterhalte nicht mehrere Betriebe, sondern nur einen Betrieb, und der sei unter Einbeziehung der hinzugepachteten Flächen als landwirtschaftlicher Betrieb anzusehen. Für die Beantwortung der Frage, ob eine ausreichende landwirtschaftliche Betriebsfläche vorhanden sei, die vom Betriebsinhaber regelmäßig genutzt werde, komme es nur auf deren ausreichende Größe, nicht aber darauf an, daß auf dieser Fläche das für die Tierhaltung benötigte Futter auch tatsächlich erzeugt werde. Außerdem werde nach § 51 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) - anders als nach § 51a Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a BewG - nicht Selbstbewirtschaftung im Sinne aktiver, hauptberuflicher Tätigkeit als Landwirt verlangt. Hinzugepachtete landwirtschaftliche Nutzflächen seien in die Feststellung der regelmäßig landwirtschaftlich genutzten Flächen einzubeziehen, sofern der Pächter das volle Bewirtschaftungsrisiko trage. Das aber sei hier der Fall. X und Y seien nur als Lohnunternehmer tätig gewesen. Einen möglichen Verlust habe er, der Kläger, zu tragen gehabt.

Zu diesem Ergebnis hätte, so meint der Kläger schließlich, das Finanzgericht (FG) bei gehöriger Sachaufklärung kommen müssen.

Der Kläger beantragt, das erstinstanzliche Urteil sowie die angefochtenen Bescheide aufzuheben und seine Umsatzsteuerschuld für die Jahre 1970 bis 1975 auf 0 DM festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet.

1. Die Verfahrensrügen sind nicht substantiiert dargetan worden (§ 120 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Von einer näheren schriftlichen Begründung dieses Teils seiner Entscheidung hat der Senat abgesehen (Art. 1 Nr. 8 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs - BFHEntlG - vom 8. Juli 1975, BGBl I 1975, 1861, in der Fassung des Gesetzes vom 3. Dezember 1987, BGBl I 1987, 2442).

2. Materielles Recht ist durch das angefochtene Urteil nicht verletzt.

Zutreffend hat das FG die angefochtenen Bescheide als rechtmäßig angesehen. Der Kläger unterliegt mit seinen Umsätzen aus der Junghennenzucht der Regelbesteuerung. Die Vorschrift des § 24 des Umsatzsteuergesetzes 1967/1973 (UStG 1967/1973) ist nicht anwendbar. Die Junghennenzucht des Klägers ist der gewerblichen Tierhaltung zuzuordnen, weil ihr im streitigen Zeitraum keine ausreichende Bodenfläche zur Verfügung stand. Die vom Kläger gepachteten und zur Bewirtschaftung anderen überlassenen Ländereien müssen bei dieser Beurteilung unberücksichtigt bleiben.

Eine Besteuerung der in Frage stehenden Umsätze gemäß § 24 UStG 1967/1973 nach Durchschnittsätzen (mit der Folge, daß Umsatzsteuer und Vorsteuer einander ausgleichen) setzt voraus, daß die Umsätze im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes ausgeführt werden (§ 24 Abs. 1 Satz 1 UStG 1967/1973). Als land- und forstwirtschaftlicher Betrieb gilt gemäß § 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UStG 1967/1973 auch ein Tierzucht- und ein Tierhaltungsbetrieb, soweit dessen Tierbestand gemäß § 51 BewG zur landwirtschaftlichen Nutzung gehört.

Tierbestände sind gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 BewG der landwirtschaftlichen Nutzung zuzuordnen, wenn im Wirtschaftsjahr bestimmte Vieheinheiten je Hektar der vom Inhaber des Betriebes regelmäßig landwirtschaftlich genutzten Flächen erzeugt oder gehalten werden. Zur Ermittlung dieser Obergrenzen sind die Tierbestände nach dem Futterbedarf in Vieheinheiten umzurechnen (§ 51 Abs. 1 Satz 2 BewG).

a) Damit ist allgemein, für den Geltungsbereich des BewG deutlich zum Ausdruck gebracht, daß die landwirtschaftliche Tierhaltung ihre Grundlage in der eigenen Bodenbewirtschaftung durch den Steuerschuldner haben und auf diese Weise eine ausreichende eigene Futtergrundlage zur Verfügung stehen muß (vgl. die Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 16. November 1978 IV R 191/74, BFHE 126, 220, BStBl II 1979, 246, 247; vom 30. September 1980 VIII R 22/79, BFHE 132, 29, BStBl II 1981, 210, 211, und vom 12. August 1982 IV R 69/79, BFHE 136, 470, BStBl II 1983, 36, 37; Schmidt/Seeger, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 7. Aufl., 1988, § 13 Anm. 20). Dieses Gesetzesverständnis entspricht dem Zweck der Regelung; es ermöglicht eine sachgerechte und praktikable Abgrenzung zwischen landwirtschaftlichem und gewerblichem Unternehmen und wird bestätigt durch die Entstehungsgeschichte (vgl. dazu Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 1950/1982, § 13 EStG Tz. 96 f.).

aa) Dabei kann dahingestellt bleiben, ob - wie der Kläger meint - die Notwendigkeit, das Futter (im wesentlichen) tatsächlich aus dem selbst bewirtschafteten Boden zu gewinnen, mit der Änderung des § 51 BewG und des § 13 des Einkommensteuergesetzes (EStG) durch das Gesetz vom 22. Juli 1970 (BGBl I 1970, 1118, BStBl I 1970, 911) durchweg entfallen ist, oder für den Fall der speziellen Tierhaltung noch fortgilt (vgl. dazu Kleeberg in Kirchhof/Söhn, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 13 Tz. B 26, und BFH in BFHE 132, 29, BStBl II 1981, 210, 211); denn selbst wenn die Gesetzesänderung im Sinne des Klägers zu deuten wäre, könnte dieser mit seinem Begehren keinen Erfolg haben, weil die in jedem Fall weiterhin erforderliche Beziehung zwischen landwirtschaftlichem Betrieb und Tierhaltung im Streitfall fehlt.

bb) Durch die Neuregelung sollte zwar eine Vereinfachung und Vereinheitlichung erreicht, aber nicht auf das für die Landwirtschaft charakteristische Kriterium der Bodenbewirtschaftung und auf den Zusammenhang zwischen ihr und der Tierhaltung verzichtet werden: Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers, die in der Vereinfachungsregelung deutlichen Ausdruck gefunden haben, sollten zum einen nur die vom Inhaber des Betriebes selbst regelmäßig landwirtschaftlich genutzten Flächen berücksichtigt werden (Amtliche Begründung zu § 39a des Entwurfes zum BewG, BT-Drucks. IV/1488 S. 45). Auch sollten Tierzucht oder Tierhaltung nur dann zur Landwirtschaft gehören, wenn sie im Zusammenhang mit einer Bodenbewirtschaftung und einer eigenen Futtergrundlage betrieben werden (Amtliche Begründung, a.a.O., S. 46; vgl. auch zu § 13 EStG, BT-Drucks. IV/3568 S. 6). Zum anderen sollte aufgrund der Änderung lediglich die häufig mit praktischen Schwierigkeiten verbundene Notwendigkeit entfallen, die tatsächliche Nutzung einer solchen Futtergrundlage für die Tierhaltung nachzuweisen (vgl. auch Kleeberg, a.a.O, Tz. B 26; Gürsching/Stenger, Kommentar zum Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, § 51 BewG Tz. 7 ff.; Leingärtner, Die Information über Steuer und Wirtschaft - Inf - 1981, 121, 122). Daher sind regelmäßig genutzte landwirtschaftliche Flächen im Sinne der Neuregelung nur nachhaltig eigengenutzte und zugepachtete, nicht aber z.B. nachhaltig weiterverpachtete Flächen (Kleeberg, a.a.O., Rz. B 28; Schmidt/Seeger, a.a.O., Anm. 21).

b) aa) Eine entsprechende Beschränkung gilt infolge der Verweisung des § 24 UStG auf das BewG auch für die Abgrenzung Land- und Forstwirtschaft/Gewerbebetrieb im Umsatzsteuerrecht. Auch hier setzt die Annahme eines landwirtschaftlichen (Neben-) Betriebes das Vorhandensein einer ausreichenden eigenen Futtergrundlage voraus (BFH-Urteil vom 16. Juli 1987 V R 22/78, BFHE 151, 204, BStBl II 1988, 83, 85/86, zu Buchst. 1b und 87; Schöll in Sölch/Ringleb/List, Umsatzsteuergesetz, § 24 Tz. 20; Schuhmann in Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, Umsatzsteuergesetz (Mehrwertsteuer), Kommentar, 5. Aufl., 1987, § 24 Tz. 31 f.; vgl. auch Abschn. 264 Abs. 4 Satz 2 der Umsatzsteuer-Richtlinien - UStR -). Eine weitere Notwendigkeit zur Einschränkung ergibt sich aus der Eigenart der Umsatzsteuer: Wegen ihres tätigkeitsbezogenen Charakters (vgl. BFH-Urteile vom 16. Dezember 1976 V R 107/73, BFHE 121, 106, BStBl II 1977, 273, 274; vom 19. April 1979 V R 11/72, BFHE 127, 447, BStBl II 1979, 420, 421, und vom 21. Februar 1980 V R 113/73, BFHE 131, 104, BStBl II 1980, 613; Kleeberg, a.a.O., Rdnr. A 29) fällt z.B. die Verpachtung eines landwirtschaftlichen Betriebes nicht unter § 24 UStG (Urteil in BFHE 131, 104, BStBl II 1980, 613).

bb) Hieraus folgt für den Streitfall, daß - unabhängig von der ertragsteuerlichen und von der bewertungsrechtlichen Abgrenzung - nur solche Grundstücksflächen in die Betrachtung einbezogen werden dürfen, die dem Kläger zur Ausführung der Umsätze aus seiner Tierhaltung tatsächlich zur Verfügung standen.

Das war nach den insoweit unangefochtenen tatsächlichen Feststellungen des FG hinsichtlich der vom Kläger hinzugepachteten und seinen Vertragspartnern zur Bearbeitung überlassenen Flächen nicht der Fall: Unabhängig davon, wie die hierzu abgeschlossenen Verträge rechtlich einzuordnen sind und wie sie im einzelnen abgewickelt wurden, dienten die Objekte der mit X und Y getroffenen Abreden in keiner Weise der unternehmerischen Betätigung des Klägers. Sie sind nicht zur Ausführung der Umsätze aus der Hühnerfarm eingesetzt oder sonst nutzbar gemacht worden. Allein aus diesem Grunde müssen die in Frage stehenden Grundstücksflächen bei der umsatzsteuerrechtlichen Beurteilung der Tierhaltung seitens des Klägers in den Streitjahren unberücksichtigt bleiben, mit der Folge, daß die Junghennenaufzucht als gewerbliche Betätigung i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1967/1973 anzusehen ist.

Auf die Frage, bei wem das Bewirtschaftungsrisiko lag und ob - wie der Kläger meint - seine Vertragspartner als "Lohnunternehmer" zu qualifizieren sind, kommt es unter diesen Umständen nicht an.