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BFH-Urteil vom 21.7.1988 (IX R 86/84) BStBl. 1988 II S. 938

Der Nutzungswert eines Einfamilienhauses, das der bisherige Eigentümer unter Vorbehalt des lebenslänglichen Nießbrauchs für sich und seine Ehefrau als Gesamtberechtigte im Sinne von § 428 BGB an ein gemeinsames Kind übertragen hat, ist weiterhin allein dem bisherigen Eigentümer (gemäß § 21 Abs. 2 Alternative 1 i.V.m. § 21a EStG) zuzurechnen, wenn sich an der tatsächlichen Nutzung des Hauses nichts geändert hat (Abweichung vom BFH-Urteil vom 11. Oktober 1983 VIII R 200/80, BFHE 140, 175, BStBl II 1984, 266).

EStG 1974 § 21 Abs. 2 Alternative 1, § 21a.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die zur Einkommensteuer zusammenveranlagt werden. Der Kläger schenkte seiner damals sechsjährigen Tochter am 7. November 1973 ein mit einem kleinen Einfamilienhaus bebautes Grundstück unter Vorbehalt des Nießbrauchs für sich und seine Ehefrau (Klägerin) als Gesamtberechtigte auf Lebenszeit. Nach dem Vertrag gelten für den Nießbrauch die gesetzlichen Regelungen. Die Tochter wurde bei Vertragsschluß von einer Person vertreten, deren Willenserklärung durch eine Ergänzungspflegerin genehmigt wurde. Das Grundstück, das der Kläger im Jahre 1967 für 42.628 DM erworben hatte, wurde und wird von ihm und seiner Familie an Wochenenden als Ferienhaus genutzt. Es ist nicht mit Hypotheken oder Grundschulden belastet. Im Einheitswertbescheid auf den 1. Januar 1974 ist das Grundstück der Tochter zugerechnet worden.

Bis zur Schenkung ermittelte der Kläger die Einkünfte aus diesem Grundstück nach der Verordnung über die Bemessung des Nutzungswerts der Wohnung im eigenen Einfamilienhaus (EinfHausV), danach durch Gegenüberstellung von Einnahmen und Ausgaben. Als Einnahmen setzte er für den Nießbrauch einen Nutzungswert von 1.200 DM jährlich an. Nach Abzug der Werbungskosten ergaben sich in den Streitjahren 1974 bis 1978 geringe Einnahmeüberschüsse, die der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) bei den Veranlagungen unverändert übernahm. Nachdem das FA aufgrund der Feststellungen einer Betriebsprüfung aus anderen Gründen Änderungsbescheide für die Streitjahre erlassen hatte, beantragte der Kläger, die Einkünfte aus diesem Grundstück nach § 21a des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1974 zu ermitteln. Das FA wies die Einsprüche als unbegründet zurück. Dagegen hatte die Klage der Eheleute im wesentlichen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) ging davon aus, daß die Kläger zwar als Nießbraucher keine wirtschaftlichen Eigentümer des Grundstücks seien. Bewohne jedoch jemand, der sein Einfamilienhaus unter dem Vorbehalt des Nießbrauchs an sein Kind verschenkt habe, dieses Einfamilienhaus aufgrund des Vorbehaltsnießbrauchs selbst, sei ihm der Nutzungswert der Wohnung gemäß § 21 Abs. 2 Alternative 1 EStG zuzurechnen. Der Nutzungswert sei nach § 21a EStG zu ermitteln. Hierbei komme es nicht darauf an, wem das Einfamilienhaus im Einheitswertbescheid zugerechnet worden sei (Hinweis auf Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 7. Dezember 1982 VIII R 153/81, BFHE 138, 180, BStBl II 1983, 627). Außerdem übten hier die Kläger das Recht in der Weise aus, daß sie das Einfamilienhaus selbst bewohnten. Da es sich um einen Fall von geringerer Bedeutung i.S. von § 180 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO 1977) handle, sei eine gesonderte Feststellung der Einkünfte nicht erforderlich.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Das FG-Urteil beruhe auf einer unrichtigen Anwendung der §§ 7, 9 Abs. 1, 21 Abs. 2 und 21a Abs. 1 EStG. Das FG habe bei der Klägerin für den vom Kläger als vormaligem Alleineigentümer unentgeltlich zugewendeten anteiligen Nießbrauch am an die Tochter übertragenen Einfamilienhaus zu Unrecht die Pauschalierungsregelung nach § 21a EStG angewandt und ihr damit Absetzungen für Abnutzung (AfA) nach § 7 EStG zugestanden. Nur der Eigentümer-Ehegatte und jetzige Vorbehaltsnießbraucher erfülle die Voraussetzungen für die Anwendung des § 21a EStG. Nur sein Nießbrauchsrecht stamme unmittelbar aus seinem früheren Eigentum, so daß bei ihm von einem Nutzungswert im eigenen Haus (§ 21 Abs. 2 Alternative 1 EStG) gesprochen werden könne. Die Klägerin dagegen sei Zuwendungsnießbraucherin, die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 21 Abs. 2 Alternative 2 EStG erziele (Hinweis auf BFH-Urteile vom 27. Juni 1978 VIII R 54/74, BFHE 125, 535, BStBl II 1979, 332, und vom 28. Juli 1981 VIII R 141/77, BFHE 134, 409, BStBl II 1982, 454).

§ 21a EStG sei auch bei der nur teilweisen Selbstnutzung eines Einfamilienhauses anwendbar. Dies lasse sich für den gemeinschaftlichen Nießbrauch aus der entsprechenden Anwendung der Rechtsprechungsgrundsätze zum Miteigentum an Einfamilienhäusern entnehmen. Danach seien die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung immer dann und soweit nach § 21a EStG zu ermitteln, als der Besteuerungstatbestand des § 21 Abs. 2 Alternative 1 EStG gegeben sei (Hinweis auf BFH-Urteile vom 5. Dezember 1978 VIII R 29/76, BFHE 127, 319, BStBl II 1979, 476, und vom 1. Februar 1983 VIII R 184/79, BFHE 138, 60, BStBl II 1984, 128).

Die Einkünfte aus dem Grundstück seien einheitlich und gesondert festzustellen (§ 180 Abs. 1 Nr. 2 a i.V.m. § 179 Abs. 2 AO 1977). Es handle sich nicht um einem Fall von geringerer Bedeutung.

Das FA beantragt, unter Aufhebung des FG-Urteils die Sache an das FG mit der Maßgabe zurückzuverweisen, daß gemäß § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) das Verfahren in der Einkommensteuersache so lange auszusetzen sei, bis das Ergebnis der vom FA noch durchzuführenden einheitlichen und gesonderten Feststellung der Mieteinkünfte der Kläger aus dem Grundstück vorliege.

Die Kläger beantragen sinngemäß, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Nach einer Änderung der Einkommensteuerbescheide für 1974 und 1976 gemäß § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 haben die Kläger diese Bescheide gemäß § 68 FGO zum Gegenstand des Verfahrens gemacht und erklärt, daß die tatsächlichen Grundlagen des Streitfalls dadurch nicht berührt worden sind.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das FG hatte das Klageverfahren entgegen der Ansicht des FA nicht entsprechend § 74 FGO auszusetzen, da die Durchführung eines gesonderten und einheitlichen Feststellungsverfahrens ausscheidet. Denn der Nutzungswert der Wohnung ist allein dem Kläger gemäß § 21 Abs. 2 Alternative 1 EStG i.V.m. § 21a EStG zuzurechnen.

Das FG ist zutreffend mit der neueren Rechtsprechung des BFH, der auch der erkennende Senat gefolgt ist, davon ausgegangen, daß der Vorbehaltsnießbraucher Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung auch dann erzielen kann, wenn er nicht wirtschaftlicher Eigentümer geblieben ist (vgl. Urteil vom 28. Juli 1981 VIII R 35/79, BFHE 134, 133, BStBl II 1982, 380). Dasselbe gilt für den Vorbehaltsnießbraucher, der den Tatbestand der Selbstnutzung nach § 21 Abs. 2 EStG verwirklicht. Bezieht sich der Vorbehaltsnießbrauch auf ein vom Vorbehaltsnießbraucher selbst bewohntes Einfamilienhaus, ist dessen Nutzungswert nach § 21a EStG zu ermitteln (BFH-Urteile in BFHE 138, 180, BStBl II 1983, 627, und vom 2. Oktober 1984 IX R 50/81, BFH/NV 1985, 24). Ist der Nießbrauch für den bisherigen Grundstückseigentümer und dessen Ehefrau bestellt worden, sind die Einkünfte demjenigen zuzurechnen, der durch die tatsächliche Ausübung des Nießbrauchs den Tatbestand des Einkunftsart Vermietung und Verpachtung verwirklicht hat (Urteil des erkennenden Senats vom 24. September 1985 IX R 62/83, BFHE 144, 446, BStBl II 1986, 12 unter Abweichung von den BFH-Urteilen vom 27. Juli 1982 VIII R 176/80, BFHE 136, 466, BStBl II 1983, 6, und vom 11. Oktober 1983 VIII R 200/80, BFHE 140, 175, BStBl II 1984, 266). Das ist hier allein der Kläger. Denn der Zuwendungsnießbrauch der Klägerin ist tatsächlich nicht durchgeführt worden. Das Einfamilienhaus wird nach wie vor vom Kläger mit seiner Familie als Wochenendhaus genutzt. Die Nutzung des Hauses durch die Klägerin hat sich in Art, Umfang oder Dauer nicht geändert. Da alles beim alten geblieben ist, ist davon auszugehen, daß nur der Kläger seinen Vorbehaltsnießbrauch als Gesamtgläubiger in vollem Umfang in Anspruch genommen hat. Die Klägerin nutzt das Wochenendhaus weiterhin im Rahmen der Wohnungsgemeinschaft mit dem Kläger (vgl. § 1353 des Bürgerlichen Gesetzbuches). Eine Selbstnutzung im Sinne des § 21 Abs. 2 Alternative 1 EStG liegt nach ständiger Rechtsprechung auch insoweit vor, als die Wohnung im Haus des Steuerpflichtigen von dessen Familienangehörigen mitbenutzt wird (vgl. BFH-Urteil vom 29. November 1983 VIII R 215/79, BFHE 40, 199, BStBl II 1984, 366).

Soweit der VIII. Senat im Urteil in BFHE 140, 175, BStBl II 1984, 266 abweichend entschieden hat, folgt dem der erkennende Senat nicht. Eine Anrufung des Großen Senats erübrigt sich, weil der IX. Senat für Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung allein zuständig ist.