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BFH-Urteil vom 18.8.1988 (V R 18/83) BStBl. 1988 II S. 971

Eine Gemeinde kann Parkanlagen ihrem unternehmerischen Bereich - Kurbetrieb als Betrieb gewerblicher Art - zuordnen (§ 15 Abs. 1 UStG 1973).

Die (Mit-)Benutzung solcher Anlagen durch Nicht-Kurgäste führt nicht zu Verwendungseigenverbrauch der Gemeinde.

UStG 1973 § 1 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b, § 2 Abs. 3, § 15.

Vorinstanz: FG Münster

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ging zum 1. Januar 1975 aus der Vereinigung mehrerer Gemeinden, u.a. F, G und S (bisherige Stadt), hervor. Diese waren seit 1974 als Kurorte anerkannt. Die (zusätzlich beantragte) staatliche Anerkennung von F als Kneippkurort erfolgte unter der Auflage (Schriftsatz vom 15. November 1974), innerhalb von zwei Jahren einen zentral gelegenen Kurpark in entsprechender Größe aufzubauen und innerhalb eines Jahres an allen Kurwegen eine ausreichende Anzahl von Ruhebänken aufzustellen. Auch S und G erhielten die Auflage, Kurwege einzurichten und an diesen eine ausreichende Anzahl von Ruhebänken aufzustellen.

Die Klägerin - die neu gebildete Stadt S - errichtete im Kurgebiet des Ortsteils F in den Jahren 1975 und 1976 ein Kommunikationszentrum mit Restaurant, Kurhalle und Nebenräumen sowie ein Kurmittelhaus. Ferner legte sie 1975 zwei Parkanlagen neu an und erweiterte den unmittelbar neben dem Kommunikationszentrum liegenden Park. Die drei Parks haben eine Fläche von insgesamt etwa 10 ha. Zusätzlich gibt es im Ortsteil F noch den etwa 1,5 ha großen F ... park.

Im Mai 1975 beschloß der Rat der Klägerin Satzungen über die Erhebung von Kurbeiträgen in den Ortsteilen F, G und S, im April 1976 die organisatorische Zusammenfassung des Kurbetriebs in den Stadtteilen zu einem Betrieb unter der Bezeichnung "Städtischer Kurbetrieb S". Die drei neuen bzw. erweiterten Parkanlagen und die Bänke im Kurgebiet und an den Kurwegen wurden in die betriebliche Anlagenkartei aufgenommen, nicht aber auch der mit Ruhebänken und Spiel- und Freizeiteinrichtungen ausgestattete F ... park, den die Gemeinde nicht als Kur-, sondern als allgemeinen Park (im nichtunternehmerischen Bereich) behandelte. Die Spazierwege in den von der Klägerin als Kurpark betriebenen Parkanlagen wurden nicht dem öffentlichen Verkehr gewidmet; sie sind demgemäß nicht im Verzeichnis der öffentlichen Straßen und Wege der Klägerin, sondern in der Anlagenkartei des Kurbetriebs eingetragen.

Im Rahmen der Umsatzsteuererklärung 1975 für den städtischen Kurbetrieb machte die Klägerin insgesamt Vorsteuerbeträge in Höhe von 547.309,56 DM geltend. Davon entfiel der größte Teil auf die Errichtung von Kommunikationszentrum und Kurmittelhaus. Zum anderen betrafen die Vorsteuern die Errichtung der drei Parkanlagen und die Anschaffung der Parkbänke (45 überdachte und 15 nicht überdachte Bänke).

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) vertrat die Auffassung, dem Betrieb gewerblicher Art Kurverwaltung seien zwar das Kurmittelhaus und das Kommunikationszentrum zuzurechnen mit der Folge, daß die insoweit angefallenen Vorsteuerbeträge abziehbar seien. Hingegen könnten Parkanlagen und Ruhebänke, die dem Kurbetrieb nicht besonders gewidmet, sondern mehr oder weniger auch in anderen Gemeinden üblich seien, in sinngemäßer Anwendung der Grundsätze des § 12 Nr. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nur dem nichtunternehmerischen Bereich der Klägerin zugeordnet werden.

Das FA setzte demgemäß die Umsatzsteuer 1975 fest. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Mit der Klage beantragte die Klägerin, die Umsatzsteuer 1975 um 51.827,26 DM auf ./. ... DM geändert festzusetzen.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es beurteilte den Kurbetrieb der Klägerin als Betrieb gewerblicher Art i. S. des § 2 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1973) und ließ die geltend gemachten Vorsteuerbeträge zum Abzug zu.

Das FA rügt mit der Revision Verletzung des § 15 Abs. 1 UStG 1973. Nach seiner Auffassung sind die Aufwendungen für die Anlage der Parks im Jahre 1975 nicht dem unternehmerischen Bereich der Klägerin (gewerblicher Betrieb "Kurpark"), sondern ihrem hoheitlichen Bereich zuzuordnen und führen nicht zum Vorsteuerabzug. Das FA hält daran fest, daß Anlage und Erweiterung der Parks lediglich die Fortsetzung des früheren Ausbaus von Wander- und Spazierwegen und anderer dem Fremdenverkehr dienender Einrichtungen (außerhalb eines unternehmerischen Bereichs der Klägerin) seien. Wenn auch die Parks und Bänke in erheblichem Umfang von Kurgästen genutzt würden, finde aber auch ein sicherlich gewollter Gemeingebrauch durch Einwohner und Tagesgäste statt, der in Erfüllung der hoheitlichen Daseinsfürsorge gewährt werde. Da sich unternehmerischer und hoheitlicher Bereich überschnitten, sei in entsprechender Anwendung von § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG der Vorsteuerabzug insgesamt insoweit nicht zuzulassen.

Das FA stellt den (Haupt-)Antrag, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Es trägt ferner vor, nicht zwingend sei auch das - vom FG übernommene - Argument, die Aufwendungen seien erforderlich gewesen, um die Anerkennung als Kurort zu erreichen. Der Anerkennungsbescheid vom 15. November 1974 enthalte nur die Auflage, einen "zentral gelegenen Kurpark in entsprechender Größe" auszubauen, nicht aber eine solche zur Schaffung bzw. Erweiterung auf ca. 11,5 ha Parkfläche insgesamt. § 7 Abs. 2 der Kurorteverordnung - KOVO - (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Nordrhein-Westfalen - GVBl NW - 1978, 202) gebe nur einen Anhaltspunkt, weil darin "möglichst mindestens 5 ha" genannt würden. Gehe man davon aus, daß die Verordnung nicht nur so kleine Kurorte wie F im Auge habe, so sei die Fläche von 5 ha vollkommen ausreichend. Bei dieser "notwendigen" Parkfläche seien die Aufwendungen für die darüber hinausgehende Fläche von 6,5 ha dem hoheitlichen Bereich zuzurechnen.

Hilfsweise werde daher beantragt, nur den Teil der Vorsteuerbeträge zum Abzug zuzulassen, der auf Aufwendungen für die Neuanlage bzw. Erweiterung von 2 ha, zumindest aber von 3,5 ha Kurparkfläche entfalle (wenn man den F ... park als "allgemeinen" Park nicht in diese Überlegung einbeziehe).

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des FA ist unbegründet.

1. Nach § 15 Abs. 1 UStG 1973 kann ein Unternehmer als Vorsteuerbeträge abziehen: die ihm von anderen Unternehmern gesondert in Rechnung gestellte Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die für sein Unternehmen ausgeführt worden sind.

Die Klägerin als Körperschaft des öffentlichen Rechts (Gemeinde) kann gemäß § 2 Abs. 3 UStG 1973 im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art (§ 1 Abs. 1 Ziff. 6 des Körperschaftsteuergesetzes - KStG -) gewerblich oder beruflich, d.h. als Unternehmer, tätig sein. Mit ihrem "Kurbetrieb" erfüllte sie diese Voraussetzungen im Streitjahr 1975. Wenn auch erst 1976 die organisatorische Zusammenfassung der Kurbetriebe in den Stadtteilen zu einem Betrieb erfolgte, so war die Klägerin bereits vorher mit den einzelnen Betriebsteilen in den Stadtteilen in gleicher Weise tätig; denn sie übte eine nachhaltige wirtschaftliche Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen mit einer gewissen wirtschaftlichen Selbständigkeit aus (§ 1 Abs. 1 und 2 der Körperschaftsteuer- Durchführungsverordnung - KStDV - 1968). Wie der Bundesfinanzhof (BFH) bereits entschieden hat, nehmen Kurbetriebe, vergleichbar einem Versorgungsbetrieb (§ 2 KStDV 1968), wie ein privatwirtschaftliches Unternehmen am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teil; die Tätigkeit ist auf Einnahmeerzielung gerichtet, wobei es unerheblich ist, ob eine Kurtaxe z.B. als öffentlich-rechtliche Abgabe erhoben wird (vgl. Urteil vom 1. Oktober 1981 V R 34/76, Umsatzsteuer-Rundschau - UR - 1982, 32; vgl. auch Urteil vom 15. Oktober 1962 I 53/61 U, BFHE 75, 757, BStBl III 1962, 542).

Die Beurteilung des FG, die Klägerin habe die Leistungen zur Errichtung der Parkanlagen nebst Anlagebänken "für ihr Unternehmen" (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1973) in Anspruch genommen, ist umsatzsteuerrechtlich nicht zu beanstanden.

Der Senat folgt nicht der Auffassung des FA, wegen "gemischter" Nutzung der Parkanlagen und Ruhebänke sowohl für den unternehmerischen Kurbetrieb als auch für nichtsteuerbare Zurverfügungstellung zum Allgemeingebrauch sei die Inanspruchnahme dieser Leistung insgesamt dem nichtunternehmerischen Bereich zuzuordnen. Dabei kann hier offenbleiben, ob mit dem FA eine zusätzliche nichtunternehmerische Verwendung angenommen werden darf (siehe unter 2.).

Der Senat hat § 15 Abs. 1 UStG 1967/1973 als Zuordnungsvorschrift dahingehend ausgelegt, daß eine Leistung (Leistungsgegenstand), die sowohl unternehmerisch als auch nichtunternehmerisch (dies auch in abwechselnder Folge) verwendet werden kann, dann als insgesamt für das Unternehmen angeschafft anzusehen ist, wenn der Unternehmer eine entsprechende Zuordnungsentscheidung getroffen hat. Der Unternehmer darf den Leistungsbezug dem Unternehmen zuordnen, wenn die Leistung im Umfang des vorgesehenen Einsatzes für unternehmerische Zwecke in einem objektiven und erkennbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit der gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit steht und diese fördern soll. Die Bestimmungsfreiheit des Unternehmers findet dort ihre Grenze, wo der vorgesehenen Verwendung für das Unternehmen nach den Umständen des einzelnen Falles nur eine so unwesentliche Bedeutung zukommen kann, daß die Leistung/der Gegenstand insgesamt als Teil des unternehmensfremden Bereichs anzusehen ist oder wo der Bezug einer Leistung nach den gesamten Umständen allein für die nichtunternehmerische Nutzung bestimmt ist. Daß die Zuordnungsregelung des § 12 EStG (auf die das FA abstellt) - nach der (umgekehrt) nur bei unbedeutendem Hineinspielen der Lebensführung eine (insgesamt) beruflich veranlaßte Anschaffung anerkannt wird - hierauf nicht übertragbar ist, hat der Senat ebenfalls ausdrücklich ausgesprochen (vgl. Urteil vom 18. Dezember 1986 V R 176/75, BFHE 149, 78, BStBl II 1987, 350; ferner Urteil vom 30. April 1987 V R 154/78, BFHE 150, 178, BStBl II 1987, 688).

Diese Zuordnungsregeln gelten nicht nur im Hinblick auf unternehmerische und nichtunternehmerische Betätigung von natürlichen Personen, sondern auch auf solche der Körperschaften öffentlichen Rechts. Daß die hier streitigen Leistungen zur Errichtung der Parkanlagen und zur Anschaffung der Ruhebänke nach den gesamten Umständen allein für den nichtunternehmerischen Bereich der Klägerin (in ihrer Eigenschaft als öffentlich-rechtliche Gebietskörperschaft) bestimmt gewesen seien, ist weder festgestellt noch wird dies vom FA behauptet. Daß die vorgesehene Nutzung der bezogenen Leistungen nur unwesentlich für den Kurbetrieb sein sollte, macht das FA selbst nicht geltend.

Die Zuordnung der gesamten neu geschaffenen oder erweiterten Parkanlagen nebst Ruhebänken zum unternehmerischen Bereich "Kurbetriebe" durch die Klägerin wird auch insoweit nicht durch objektive Umstände beeinträchtigt, als das FA meint, einer Kurparkfläche von diesem Ausmaß (insgesamt etwa 10 ha) bedürfe es bei der Größe der Gemeinde nicht; 5 ha seien ausreichend. Ob bestimmte Maßnahmen für das Unternehmen "angemessen" sind oder nicht, insbesondere, ob die Maßnahme für das Unternehmen notwendig ist, ist grundsätzlich unerheblich (vgl. Urteile vom 25. März 1988 V R 101/83, BFHE 153, 171, BStBl II 1988, 649, und vom 19. April 1979 V R 11/72, BFHE 127, 447, BStBl II 1979, 420).

Ein Ausschluß vom Vorsteuerabzug mit der Steuer für die Lieferung und sonstigen Leistungen in bezug auf die Anlageerrichtung und die Anschaffung der Parkbänke nach § 15 Abs. 2 UStG 1973 findet nicht statt. Der Ausschluß betrifft nur die Vorsteuerbeträge für Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet. Das FG hat zutreffend unter Hinweis auf das BFH-Urteil in UR 1982, 32 ausgeführt, daß die Bereithaltung von Kureinrichtungen für Kurgäste nicht steuerbefreit ist und daß sonstige Umsätze nicht ersichtlich seien.

2. Das FG hat im Ergebnis zutreffend auch das Vorliegen von Eigenverbrauch verneint.

Die Benutzung der Parkanlagen und Parkbänke durch Nichtkurgäste, worauf das FA abstellt, könnte allenfalls Verwendungseigenverbrauch nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UStG 1973 sein. Dieser setzt voraus, daß ein Unternehmer im Inland dem Unternehmen dienende Gegenstände für Zwecke verwendet, die außerhalb des Unternehmens liegen.

Verwendung der Parkanlagen und Bänke durch die Klägerin war deren Bereitstellung zur Benutzung. Ob und in welchem Umfang der einzelne Kurgast das gesamte Leistungsangebot der Klägerin durch Benutzung der einzelnen Kureinrichtungen in Anspruch nimmt, ist unerheblich. Die Entrichtung der Kurtaxe eröffnet dem Kurgast das Recht, sämtliche von der Kurverwaltung bereitgehaltenen Kureinrichtungen in Anspruch zu nehmen (BFH-Urteil in UR 1982, 32, mit Nachweisen).

Nach den Feststellungen des FG ist zwar (in Übereinstimmung mit dem Revisionsvortrag des FA) davon auszugehen, daß die zu den Kureinrichtungen gehörenden Parkanlagen mit Parkbänken auch von sog. Nichtkurgästen in Anspruch genommen werden, und zwar ohne Entrichtung der sog. Kurtaxe. Der Umstand, daß die Nichtkurgäste (insbesondere die Einwohner des Ortes) unentgeltlich die Anlagen nutzen können, bewirkt aber für sich allein nicht, daß damit die Klägerin (im Rahmen ihres Unternehmens Kurbetriebe) diese Anlagen für Zwecke verwendet, die außerhalb des Unternehmens liegen. Da sich die Leistung der Klägerin - wie bereits ausgeführt - auf das Bereitstellen der Kureinrichtungen beschränkt, bei den Parkanlagen und den Bänken also darauf, diese "öffentlich" zur Benutzung anzubieten, läßt sich damit schwerlich eine Differenzierung nach Maßgabe der tatsächlichen Benutzung der Bänke durch Kurgäste und Nichtkurgäste vereinbaren. Insbesondere ist nicht ersichtlich, daß dieses "öffentliche" Angebot der Parkanlagen und der Bänke, soweit es die Nichtkurgäste betrifft, eine Verwendung für Zwecke "außerhalb des Unternehmens" der Klägerin bewirkt. Eine "hoheitliche" und damit nichtunternehmerische Verwendung (§ 2 Abs. 3 UStG 1973) liegt durch diese Verwendung nicht vor (anders als etwa beim sog. Schulschwimmen in einem unternehmerisch betriebenen Schwimmbad einer Gemeinde, BFH-Urteil vom 11. Januar 1979 V R 26/74, BFHE 127, 83, BStBl II 1979, 746, mit Anmerkung von Weiß, UR 1979, 85; jetzt Abschn. 23 Abs. 18 der Umsatzsteuer-Richtlinien - UStR -: die Erfassung des Schulschwimmens als einer hoheitlichen Zwecken dienenden Verwendung beruhte auf der Maßgeblichkeit der "Einzelfallüberlassung" des Schwimmbades).