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BFH-Urteil vom 8.6.1988 (I R 101/84) BStBl. 1988 II S. 974

Wird eine freiberufliche Praxis in eine Kapitalgesellschaft eingebracht (§ 17 Abs. 1 UmwStG 1969 = § 20 Abs. 1 UmwStG 1977), sind Rentenzahlungen durch die Kapitalgesellschaft auch dann nicht deren Gewerbeertrag gemäß § 8 Nr. 2 GewStG hinzuzurechnen, wenn die Zahlungen auf Rentenverpflichtungen beruhen, die im Zuge der Einbringung auf die Kapitalgesellschaft übergingen und vor der Einbringung zu einer Hinzurechnung geführt hätten, wenn Gewerbesteuerpflicht gegeben gewesen wäre.

GewStG § 8 Nr. 2; UmwStG 1969 § 17 Abs. 1; UmwStG 1977 § 20 Abs. 1.

Vorinstanz: FG München

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) wurde 1971 mit einem Stammkapital von 50.000 DM gegründet, wobei Dr. S. eine Stammeinlage von 20.000 DM übernahm. Die Stammeinlage Dr. S. wurde durch Einbringung seiner Wirtschaftsprüferpraxis erbracht.

Dr. S. hatte die Wirtschaftsprüferpraxis seit Januar 1971 allein und bis dahin mit Herrn B betrieben. Anläßlich des Ausscheidens von B und der Übernahme der Sozietät mit allen Aktiven und Passiven durch Dr. S. erhielt B eine Rente "für seine Verdienste um die Kanzlei und zum Zwecke der Versorgung". Die Rentenverpflichtung ist weder in der Bilanz der Wirtschaftsprüferpraxis Dr. S. noch in der Eröffnungsbilanz der Klägerin ausgewiesen. Die Rentenzahlungen in Höhe von 31.237 DM wurden im Streitjahr als Aufwand gebucht.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) vertritt die Auffassung, daß die Rentenzahlungen gemäß § 8 Nr. 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) dem Gewinn aus Gewerbebetrieb zuzurechnen seien.

Der Einspruch gegen den Gewerbesteuermeßbescheid, dem diese Auffassung des FA zugrunde lag, blieb erfolglos.

Die von der Klägerin erhobene Klage sah das Finanzgericht (FG) als begründet an.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts (§§ 20 Abs. 4, 11 Abs. 4 Satz 2 des Umwandlungs-Steuergesetzes - UmwStG 1969 - und § 8 Nr. 2 GewStG).

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG hat der Klage zu Recht stattgegeben. Die Rentenzahlungen an B können dem Gewinn aus Gewerbebetrieb nicht gemäß § 8 Nr. 2 GewStG zugerechnet werden.

Die Rentenverpflichtung wurde nicht anläßlich eines Erwerbs eines Betriebes (Teilbetriebes) bzw. eines Anteils eines Betriebs durch die Klägerin begründet.

Der Übergang der Verpflichtung auf die Klägerin anläßlich ihrer Gründung führt nicht zu einer Hinzurechnung. Dies ist durch § 20 Abs. 4 UmwStG 1969 (entspricht § 23 Abs. 4 UmwStG 1977) i.V.m. § 11 Abs. 4 UmwStG 1969 (entspricht § 18 Abs. 3 UmwStG 1977) ausgeschlossen.

Die Vorschrift des § 20 Abs. 4 UmwStG 1969 findet bei der Einbringung einer freiberuflichen Praxis in eine Kapitalgesellschaft Anwendung. § 20 Abs. 4 UmwStG 1969 setzt eine Sacheinlage i.S. des § 17 Abs. 1 UmwStG 1969 (entspricht § 20 Abs. 1 UmwStG 1977) voraus. Eine Sacheinlage liegt danach vor, wenn ein Betrieb in eine unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft eingebracht wird und der Einbringende hierfür neue Anteile an der Gesellschaft erhält.

Unter einem Betrieb ist dabei auch ein freiberuflicher Betrieb zu verstehen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 13. September 1979 IV R 69/79, BFHE 129, 380, BStBl II 1980, 239 zu der entsprechenden die Einbringung in eine Personengesellschaft betreffenden Vorschrift des § 22 UmwStG 1969, entspricht § 24 UmwStG 1977).

Die Vorschrift des § 20 Abs. 4 UmwStG 1969 verhindert im Falle der Einbringung eines Betriebes in eine Kapitalgesellschaft, daß die den Betrieb belastenden Rentenverpflichtungen, die auf die Kapitalgesellschaft übergehen, zu einer Hinzurechnung bei der Kapitalgesellschaft führen. Die Vorschrift erklärt sich aus der Rechtsprechung des BFH vor Inkrafttreten des UmwStG 1969. Danach führten bei einem Erwerb eines Betriebes (Teilbetriebes) oder eines Anteils am Betrieb mit dem erworbenen Vermögen verbundene Pensionsverpflichtungen zu einer Hinzurechnung zum Gewerbeertrag bzw. Gewerbekapital, obwohl es sich nicht um Verpflichtungen handelte, die bereits bei dem erworbenen Vermögen eine Hinzurechnung auslösten und die auch nicht anläßlich des Erwerbs begründet wurden (vgl. BFH-Urteil vom 21. Oktober 1966 IV 293/64, BFHE 87, 421, BStBl III 1967, 185, und noch BFH-Urteil vom 23. Juli 1975 I R 236/73, BFHE 116, 514, BStBl II 1975, 860; der BFH ist erst in dem Urteil vom 18. Januar 1979 IV R 194/74, BFHE 126, 560, BStBl II 1979, 266 von dieser Auffassung abgerückt).

Die Hinzurechnung zum Gewerbeertrag ist gemäß § 20 Abs. 4 UmwStG 1969 i.V.m. § 11 Abs. 4 Satz 2 UmwStG 1969 wiederum vorzunehmen, wenn bezüglich der übergehenden Rentenverpflichtungen die Voraussetzungen der Hinzurechnung bereits bei dem eingebrachten Betrieb gegeben waren. Die Voraussetzungen des § 20 Abs. 4 UmwStG 1969 i.V.m. § 11 Abs. 4 Satz 2 UmwStG 1969 liegen im Streitfall nicht vor. Eine Hinzurechnung der Rentenzahlungen zum Gewerbeertrag kam bei dem eingebrachten Betrieb nicht in Betracht, weil dieser nicht der Gewerbesteuer unterlag. § 20 Abs. 4 UmwStG 1969 i.V.m. § 11 Abs. 4 Satz 2 UmwStG 1969 verhindert, daß die Voraussetzungen für eine Zurechnung zum Gewerbeertrag bzw. Gewerbekapital, die beim eingebrachten Betrieb gegeben waren, durch die Einbringung in eine Kapitalgesellschaft unterlaufen werden können. Aus der Regelung kann nicht entnommen werden, daß es zu einer Hinzurechnung kommt, wenn zwar die Voraussetzungen für die Hinzurechnung beim eingebrachten Betrieb nicht gegeben waren, jedoch vorgelegen hätten, wenn der Betrieb bereits von der aufnehmenden Kapitalgesellschaft geführt worden wäre. Die Voraussetzungen für die Hinzurechnung zum Gewerbeertrag nach § 8 Nr. 2 GewStG, auf die § 20 Abs. 4 i.V.m. § 11 Abs. 4 Satz 2 UmwStG 1969 hinsichtlich des eingebrachten Betriebs abstellt, können nur gegeben sein, wenn der eingebrachte Betrieb ein Gewerbebetrieb ist, denn die Hinzurechnung setzt einen Gewinn aus Gewerbebetrieb voraus (vgl. den Anfangssatz in § 8 GewStG).

Soweit das FA geltend macht, daß die vom FG und vom Senat vertretene Auffassung nur zutreffend wäre, wenn in § 11 Abs. 4 Satz 2 UmwStG darauf abgestellt wäre, daß die Renten und dauernden Lasten nach den bezeichneten Vorschriften hinzugerechnet worden seien, wird übersehen, daß eine derartige Formulierung auf die tatsächliche Hinzurechnung abstellt. Eine solche Gesetzesformulierung liegt jedoch der Auffassung des FG und des erkennenden Senats nicht zugrunde. Die Auffassung läßt vielmehr entscheidend sein, ob die Voraussetzungen der Hinzurechnung bei dem eingebrachten Betrieb vorliegen, ohne zu überprüfen, ob eine Hinzurechnung tatsächlich vorgenommen wurde. Es kommt damit auch dann zu einer Hinzurechnung bei der aufnehmenden Kapitalgesellschaft, wenn die Hinzurechnung bei dem eingebrachten Betrieb zu Unrecht nicht vorgenommen wurde.

Auch der Hinweis auf das Wort "sinngemäß" in § 20 Abs. 4 UmwStG 1969 steht der vom Senat vertretenen Auffassung nicht entgegen. Eine nur sinngemäße Anwendung der §§ 6 und 11 Abs. 4 UmwStG 1969 kam deshalb in Betracht, weil die §§ 6 und 11 Abs. 4 UmwStG 1969 - wie sich aus § 1 und § 3 UmwStG 1969 ergibt - den Fall der Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft nach dem Umwandlungsgesetz betreffen, während sich § 20 UmwStG 1969 auf die in § 17 Abs. 1 UmwStG 1969 angesprochene Sacheinlage in eine Kapitalgesellschaft bezieht. Daß dem Wort "sinngemäß" darüber hinaus eine Bedeutung zukommt, läßt sich aus dem Gesetz nicht entnehmen. Wenn auch in dem Fall, den die sinngemäß anwendbaren Vorschriften der §§ 6 und 11 Abs. 4 UmwStG 1969 in erster Linie betreffen, der bisherige Inhaber des übergehenden Vermögens als Kapitalgesellschaft stets der Gewerbesteuer unterliegt, kann daraus nicht entnommen werden, daß für die sinngemäße Anwendung des § 11 Abs. 4 UmwStG 1969 eine hinsichtlich des eingebrachten Betriebes nicht bestehende Gewerbesteuerpflicht fingiert wird.