| Home | Index | EStG | Neuzugang | Impressum  
       

 

 

 

 

 

 

BFH-Urteil vom 15.2.1989 (II R 250/83) BStBl. 1989 II S. 403

1. Zur Feststellung der Ertragsfähigkeit ist unter Berücksichtigung der Wertverhältnisse vom Hauptfeststellungszeitpunkt der Bestand der gegendüblichen Viehhaltung als wirtschaftliche Ertragsbedingung mit dem tatsächlichen Zustand des Betriebs zum Feststellungszeitpunkt zu vergleichen.

2. Bei der Einheitsbewertung eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft kommt ein Zuschlag wegen verstärkter Tierhaltung nur dann nicht in Betracht, wenn es sich insoweit um eine Fehlmaßnahme handelt.

BewG § 41.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

Streitig ist bei der Einheitsbewertung des Betriebs der Land- und Forstwirtschaft auf den 1. Januar 1979, ob ein Zuschlag wegen verstärkter Tierhaltung vorzunehmen ist.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Rechtsnachfolger seines am 15. März 1986 verstorbenen Vaters. Dieser war Eigentümer eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft. Er hatte den Betrieb seit dem 1. April 1967 an den Kläger verpachtet. Die landwirtschaftliche Nutzfläche beträgt 25,73 ha. Im Rahmen dieses Betriebs hielt der Kläger Rindvieh. Eine Zurechnung wegen des Umfangs der Tierhaltung zu den Ergebnissen der Bodenschätzung erfolgte nicht.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) führte zum 1. Januar 1979 eine Wertfortschreibung durch und stellte den Einheitswert auf 71.900 DM fest. In diesem Einheitswert ist ein Zuschlag wegen verstärkter Tierhaltung in Höhe von 8.703 DM enthalten. Den Zuschlag errechnete das FA wie folgt:

Tatsächlicher Tierbestand in Vieh-

   

einheiten (VE)

 

53,51 VE

   

./. gegendüblicher Bestand

   

(1,3 x 25,73 ha):

 

33,44 VE

   

- - - - - - - -

Zwischenergebnis für einen

   

Zuschlag

20,07 VE

 

   

./. 20 v.H. von 33,44 VE

   

gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 1

   

des Bewertungsgesetzes

   

(BewG)

6,68 VE

 
 

- - - - - - -

 

Grundlage für einen Zuschlag:

13,39 VE

 

(Überbestand)

   

   

Ermittlung des Zuschlags:

   

13,39 VE x 650 DM

   

(Wertansatz je VE

   

gemäß Tabelle L 30

   

der Richtlinien für die

   

Bewertung des land- und

   

forstwirtschaftlichen

   

Vermögens - BewRL -):

8.703 DM.

 

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren wandte sich der Vater des Klägers gegen die Höhe des Zuschlags. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Es sah die Voraussetzungen des § 41 BewG für einen Zuschlag als gegeben an. Der Einheitswertbescheid sei auch nicht deshalb unrichtig, weil der Vater den Hof an seinen Sohn verpachtet habe und dieser Eigentümer des Viehs sei. Der im ganzen verpachtete Betrieb bilde zusammen mit den dem Pächter gehörenden Betriebsmitteln eine wirtschaftliche Einheit. Diese sei dem Verpächter zuzurechnen. Gemäß § 34 Abs. 4 BewG seien die dem Eigentümer des Grund und Bodens nicht gehörenden Betriebsmittel in die Bewertung einzubeziehen.

Mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision beantragt der Kläger sinngemäß, das finanzgerichtliche Urteil aufzuheben. Er rügt Verletzung des Art. 3 des Grundgesetzes (GG) sowie die fehlerhafte Anwendung des § 41 BewG. Alle Ertragsbedingungen seien auf den 1. Januar 1964 umgerechnet worden. Die Tabelle L 30 BewRL sei nur für die Anwendung des BewG auf den 1. Januar 1964 geschaffen worden. Zur damaligen Zeit hätten die landwirtschaftlichen Betriebe eine breite Streuung in der Viehhaltung gehabt. Weiter sei die Nutzung des Bodens aufgeteilt gewesen in Acker- und Grünland, so daß sich eine übernormale Viehhaltung in den meisten Fällen nicht ergeben habe. Dadurch, daß sich viele Betriebe spezialisiert hätten, sei bei Wegfall der Nutzung des Bodens als Acker eine intensive Nutzung der Grünlandflächen erfolgt. Es könnten nicht einseitig Zuschläge gemacht werden, wenn der Wegfall der Ackernutzung nicht berücksichtigt würde. Bei den Grünlandbetrieben handle es sich um spezialisierte Betriebe, deren Betriebsausrichtung nur auf die Haltung von Weidevieh abgestellt sei. Hierzu sei nur eine geringe Maschinenausstattung erforderlich, während bei anderen Spezialbetrieben, z.B. Ackerbau, die Steigerung der Ernteerträge nur möglich sei durch den Einsatz von großen Maschinen. Im Vergleich dieser verschiedenen Spezialbetriebe sei der Grünlandbetrieb erheblich benachteiligt. Daher seien bei konsequenter Anwendung des § 41 BewG bei Grünlandbetrieben Abschläge beim Vergleichswert wegen geringer Maschinenausstattung im Vergleich zur Normalausstattung mit Maschinen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs zu machen oder bei Betrieben mit großer Maschinenausstattung Zuschläge. Hinsichtlich dieser unterschiedlichen Behandlung der verschiedenen Spezialbetriebe in der Land- und Forstwirtschaft sei eindeutig eine Verletzung des Art. 3 GG sowie die fehlerhafte Anwendung des § 41 BewG gegeben.

Das FA tritt diesem Antrag entgegen.

Entscheidungsgründe

1. Die Revision ist unbegründet.

Der Einheitswert eines Betriebes der Land- und Forstwirtschaft mit landwirtschaftlicher Nutzung wird gemäß § 36 Abs. 1 BewG auf der Grundlage des Ertragswertes ermittelt. Dabei ist von der Ertragsfähigkeit auszugehen. Darunter ist der bei ordnungsmäßiger und schuldenfreier Bewirtschaftung mit entlohnten fremden Arbeitskräften gemeinhin und nachhaltig erzielbare Reinertrag zu verstehen (§ 36 Abs. 2 BewG). Der Ertragswert wird durch ein vergleichendes Verfahren ermittelt (§ 37 Abs. 1 Satz 1 BewG). Die Unterschiede der Ertragsfähigkeit der gleichen Nutzung werden durch Vergleich der Ertragsbedingungen beurteilt (§ 38 Abs. 1 BewG). Dabei sind gemäß § 38 Abs. 2 Nr. 1 BewG für die natürlichen Ertragsbedingungen und im Gesetz einzeln aufgeführte wirtschaftliche Ertragsbedingungen die tatsächlichen Verhältnisse zugrunde zu legen. Für die in § 38 Abs. 2 Nr. 1 BewG nicht genannten wirtschaftlichen Ertragsbedingungen, insbesondere die Betriebsorganisation und die Betriebsmittel sind die in der Gegend als regelmäßig anzusehenden Verhältnisse maßgebend (§ 38 Abs. 2 Nr. 2 BewG). Zu diesen wirtschaftlichen Ertragsbedingungen gehört auch der Viehbestand. Weichen die tatsächlichen Verhältnisse bei einer Nutzung oder einem Nutzungsteil von den bei der Bewertung unterstellten regelmäßigen Verhältnissen der Gegend um mehr als 20 v.H. ab, so ist unter den weiteren Voraussetzungen des § 41 BewG (Mindestgrenzen) ein Abschlag oder ein Zuschlag am Vergleichswert zu machen. Dabei kommt nach der Auffassung des erkennenden Senats dem § 41 Abs. 2 BewG besondere Bedeutung zu.

Danach ist ein Abschlag oder ein Zuschlag nach der durch die Abweichung bedingten Minderung oder Steigerung der Ertragsfähigkeit zu bemessen.

2. Der vormals zuständige III. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat in seinen Entscheidungen vom 23. November 1979 III R 78/77 (BFHE 129, 197, BStBl II 1980, 92) und III R 86/76 (BFHE 129, 192, BStBl II 1980, 90) zur Frage der Zurechnung und des Zuschlags wegen eines Mehrbestands an VE bei der Feststellung des Einheitswerts eines Betriebes der Land- und Forstwirtschaft ausführlich Stellung genommen. Er kam dabei zu dem Ergebnis, daß bei zunehmender Größe der Tierbestände die Ertragsfähigkeit je VE ansteigt und bestätigte die Richtigkeit des Zahlenwerks der Tabellen L 18 und L 30 in Abschn. 2.11 und 2.20 der BewRL. Der nunmehr zuständige II. Senat des BFH schließt sich dieser Rechtsprechung an. Zu Recht führt das FG hierzu aus, daß weder der gesetzlich festgelegte Ertragswert je 100 Vergleichszahlen für die landwirtschaftliche Nutzung (§ 40 Abs. 2 BewG) noch die ermittelte Höhe der Zuschläge je VE während des Hauptfeststellungszeitraums verändert werden dürfen. Dieses Zahlenwerk ist bei der Bewertung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens Ausdruck des Ertrags-Aufwands-Gefüges, das für die Ermittlung der Ertragswerte auf den 1. Januar 1964 zugrunde gelegt wurde. Es ist für den gesamten Hauptfeststellungszeitraum als "Wertverhältnisse" bei Fortschreibungen und Nachfeststellungen unverändert anzuwenden (§ 27 BewG). Eine Änderung könnte nur durch eine neue Hauptfeststellung herbeigeführt werden.

3. Es entspricht privatwirtschaftlichen Grundsätzen, daß derjenige, der eine bestimmte Betriebsorganisation wählt und seinen Betrieb danach ausrichtet, die Absicht hat, die objektive Ertragsfähigkeit seines Betriebs nachhaltig und wesentlich zu steigern. Darauf gründen sich u.a. die Entscheidungen in BFHE 129, 197, BStBl II 1980, 92 und in BFHE 129, 192, BStBl II 1980, 90. Dieses Ergebnis stützt sich außerdem auf die gesetzliche Förderungsmaßnahme der Landwirtschaft in § 51 BewG, durch die es Inhabern von Betrieben der Land- und Forstwirtschaft ermöglicht werden sollte, die Ertragsfähigkeit durch Intensivtierhaltung zu verbessern, ohne Gefahr zu laufen, aufgrund der Tierhaltung als Gewerbetreibende behandelt zu werden (vgl. Art. 2 Abs. 5 des Gesetzes zur Änderung des Bewertungsgesetzes vom 13. August 1965 - BewÄndG 1965 -, BStBl I 1965, 375, und Urteil des BFH vom 7. Oktober 1977 III R 13/75, BFHE 123, 519, BStBl II 1978, 89). Eine Ausnahme ist nur dann gegeben, wenn die danach erfolgte verstärkte Tierhaltung eine Fehlmaßnahme darstellt. Im Streitfall wurde dies weder behauptet noch vom FG festgestellt. Entgegen der Auffassung des Klägers hat das FG zu Recht den ihm als damaligen Pächter gehörenden Viehbestand (Betriebsmittel), der der Bewirtschaftung des Betriebs diente, in die Einheitsbewertung des Betriebs einbezogen (§ 34 Abs. 4 BewG).

Der vom Kläger behauptete Verstoß gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) ist nicht gegeben. Soweit der Kläger meint, im Streitfall sei die Intensivierung der Nutzung des Bodens als Grünland deswegen wertmindernd zu berücksichtigen, weil dadurch die Ackernutzung entfalle, kann dem nicht gefolgt werden. Ein Ausgleich zwischen der angeblichen Unterbewertung eines reinen Ackerbaubetriebs im Hinblick auf den für den Ackerbau erforderlichen höheren Maschinenbesatz und der Bewertung eines Betriebs mit hohem Viehbestand bei Grünlandnutzung ist nicht möglich. Der Kläger verkennt, daß bei der Ermittlung des Einheitswerts eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft nicht vom tatsächlich erzielten Ertrag, sondern von der Ertragsfähigkeit des einzelnen Betriebs auszugehen ist. Darunter ist der Reinertrag zu verstehen, der bei ordnungsmäßiger und schuldenfreier Bewirtschaftung mit entlohnten fremden Arbeitskräften gemeinhin und nachhaltig zu erzielen ist (vgl. oben unter 1.). Der dem vergleichenden Verfahren danach zugrunde liegende objektive Bewertungsmaßstab stellt nur darauf ab, was der Boden zu tragen in der Lage ist, nicht darauf, was auf ihm tatsächlich produziert wird, da sonst individuelle, in der Person des Betriebsleiters liegende Ursachen die Bewertung beeinflussen würden.