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BFH-Urteil vom 18.1.1989 (II R 103/85) BStBl. 1989 II S. 427

§ 12 Abs. 3 BewG erfaßt im Bereich der Grunderwerbsteuer nur solche Fälle, in denen der Grundstücksverkäufer seine Verpflichtung aus dem Kaufvertrag erfüllt hat und trotzdem vereinbarungsgemäß die Kaufpreiszahlung des Käufers zinslos hinausgeschoben wird.

GrEStG BW § 26 Abs. 1, § 27 Abs. 1 Nr. 1 (= GrEStG 1983 § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1); BewG § 12.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg

Sachverhalt

I.

Die Kläger kauften durch notariell beurkundeten Vertrag 1981 eine vom Verkäufer noch zu erstellende Eigentumswohnung.

Der Kaufpreis von X DM war nach § 4 des Vertrages wie folgt fällig:

a)

vier Wochen nach Abschluß

 
 

des Kaufvertrages

15%

   

b)

bei Baubeginn

10%

   

c)

bei Einbringung der Kellerdecke

 
 

im Haus der erworbenen Eigen-

 
 

tumswohnung

13%

   

d)

bei Einbringung der Geschoßdecke

 
 

über der erworbenen Eigentums-

 
 

wohnung

25%

   

e)

bei Beginn der Innengipserarbeiten

 
 

in der erworbenen Eigentums-

 
 

wohnung

27%

   

f)

Zug um Zug gegen Übergabe

 
 

des Sondereigentums

10%.

Nach § 4 Abs. 3 des Kaufvertrages waren die Kaufpreisforderungen, die zu den vereinbarten Terminen nicht bezahlt wurden, von dem Käufer ab Fälligkeitszeitpunkt mit dem banküblichen Zinssatz für kurzfristige Kredite zu verzinsen. Der Verkäufer legte in einem Schreiben 1981 an die Kläger dar, daß diese Zinsen zu jenem Zeitpunkt 11 % betrugen. Außerdem bestätigte der Verkäufer, daß er Zinsen in dieser Höhe für Zahlungen vor den Fälligkeitsterminen leiste.

Bei der Durchführung des Baues ergaben sich folgende Fälligkeitsdaten:

1. Rate fällig am ...

2. Rate fällig am ...

3. Rate fällig am ...

4. Rate fällig am ...

5. Rate fällig am ...

6. Rate fällig am ...

Mit zwei Steuerbescheiden setzte das beklagte Finanzamt (FA) gegen jeden Kläger Grunderwerbsteuer fest. Es berechnete die Steuer nach dem vereinbarten Kaufpreis von X DM.

Mit den Einsprüchen machten die Kläger geltend, der vereinbarte Kaufpreis müsse für die Berechnung der Grunderwerbsteuer abgezinst werden, weil er in Raten zu zahlen und bis zur Fälligkeit nicht zu verzinsen sei.

Das FA wies die Einsprüche zurück. Der Vorteil der zinslosen Stundung des Kaufpreises werde durch den Nachteil ausgeglichen, daß die Kläger die Übergabe der Eigentumswohnung erst zu einem späteren Termin hätten verlangen können.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage zum größten Teil statt.

Der zinslos gestundete Kaufpreis sei bei der Ermittlung der Gegenleistung gemäß § 27 des Grunderwerbsteuergesetzes Baden-Württemberg (GrEStG) abzuzinsen. Gegen den Vorteil der zinslosen Stundung könne nicht die späte Übergabe der Eigentumswohnung als Nachteil aufgerechnet werden. Ein solcher aufrechnungsfähiger Nachteil müsse die Kaufpreisforderung selbst betreffen. Im vorliegenden Fall betreffe er jedoch die Gegenleistung und damit das Wechselverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung des Kaufvertrages. Der Auffassung von Martin (Der Betrieb - DB - 1980, 1414) schließe sich das FG daher nicht an.

Für die Berechnung der Gegenleistung sei die Kaufpreisforderung mit 11 % abzuzinsen. Zwar sei nach § 12 Abs. 3 Satz 2 des Bewertungsgesetzes (BewG) von 5,5 % Zinsen auszugehen. Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 17. Oktober 1980 III R 52/79 (BFHE 132, 298, BStBl II 1981, 247) sei dies jedoch nicht so zu verstehen, daß dieser Zinssatz bei einer Abzinsung nach § 12 Abs. 3 BewG immer maßgebend sei; vielmehr werde dieser Zinssatz als normal unterstellt, um zu verhindern, daß die dem Kapitalmarkt immanenten Zinsschwankungen sich auf die Bewertung auswirken. In Fällen jedoch, in denen eine private Vereinbarung einen Hinweis auf die Verzinslichkeit einer Forderung gebe, müsse danach die vom Kapitalmarktgeschehen maßgeblich beeinflußte wechselnde Zinsspanne angemessen zur Geltung kommen.

Im Streitfalle seien Hinweise auf die Verzinslichkeit der Forderung vorhanden. Vor und bei Abschluß des Kaufvertrages habe der Verkäufer darauf hingewiesen bzw. bestätigt, daß bei sofortiger Zahlung der noch nicht fälligen Kaufpreisraten 11 % an Zinsen vergütet würden. Weiter gehe aus § 4 Abs. 3 des Kaufvertrages hervor, daß nicht fristgerechte Kaufpreisraten zum banküblichen Zinssatz für kurzfristige Kredite zu verzinsen seien. Nach Kenntnis des FG habe der Zinssatz für solche kurzfristigen Kredite im Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses nicht unter 11 % gelegen.

Nach den Berechnungen des FG hatte der in Raten zu zahlende Kaufpreis bei Abschluß des Kaufvertrages einen Gegenwartswert von Y DM.

Mit der vom FG zugelassenen Revision beantragt das FA, das angefochtene FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen sinngemäß, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des FA ist begründet.

1. Das angefochtene Urteil muß aufgehoben werden, weil es § 12 Abs. 3 BewG nicht richtig angewandt hat.

Die Steuer ist vom Wert der Gegenleistung und damit vom Kaufpreis zu berechnen (§ 26 Abs. 1, § 27 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG). Die Bewertung dieses Kaufpreises richtet sich nach § 12 BewG (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 des Baden-Württembergischen Gesetzes über die Anwendung bundesrechtlicher Vorschriften des allgemeinen Abgabenrechts vom 27. Juni 1955, Gesetzblatt für Baden-Württemberg - GBl. BW - 1955, 102, BStBl II 1955, 128).

Gemäß § 12 Abs. 1 BewG ist eine Kapitalforderung grundsätzlich mit dem Nennwert anzusetzen. Ausnahmsweise ist sie abzuzinsen, wenn sie unverzinslich ist und mehr als ein Jahr läuft (§ 12 Abs. 3 BewG). Diese Ausnahme liegt hier jedoch entgegen der Auffassung des FG nicht vor.

Das Grunderwerbsteuerrecht besteuert den Umsatz von Grundstücken. Dementsprechend kann die Gegenleistung des Käufers nur unter Berücksichtigung dieses Grundstücksumsatzes und damit der Gegenleistung des Grundstücksverkäufers bewertet werden. Leistungen aus einem Grundstückskaufvertrag sind Zug um Zug auszutauschen (§ 322 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -). § 12 Abs. 3 BewG erfaßt daher im Bereich der Grunderwerbsteuer nur solche Fälle, in denen der Grundstücksverkäufer seine Verpflichtung aus dem Kaufvertrag erfüllt hat und trotzdem vereinbarungsgemäß die Kaufpreiszahlung des Käufers zinslos hinausgeschoben wird. Der Verkäufer hat seine Verpflichtung aus dem Kaufvertrag erfüllt, wenn er dem Käufer Besitz, Nutzen und Lasten des verkauften Grundstücks übertragen hat (vgl. § 446 Abs. 1 i.V.m. § 452 BGB). Gewährt der Verkäufer dann dem Käufer einen zinslosen Kredit, so rechtfertigt dies die Abzinsung der Kaufpreisforderung. Tauschen die Vertragspartner dagegen ihre Leistungen Zug um Zug aus, so entfällt dieser Rechtfertigungsgrund für die Abzinsung selbst dann, wenn dieser Leistungsaustausch und damit auch die Zahlung des Kaufpreises erst mehrere Jahre nach Vertragsabschluß geschieht. Denn der Grundstückskäufer ist nicht vorleistungspflichtig.

Um so weniger kommt eine Abzinsung in Betracht, wenn Verkäufer und Käufer ihre gegenseitigen Leistungen nicht Zug um Zug erbringen, sondern wenn der Käufer in Abänderung des § 322 Abs. 1 BGB gemäß § 3 Abs. 2 der Makler- und Bauträgerverordnung (BGBl I 1975, 1352) verpflichtet ist, entsprechend dem Baufortschritt Vorausleistungen zu erbringen. Denn in diesem Fall hat der Verkäufer dem Grundstückskäufer den Kaufpreis nicht zinslos kreditiert, sondern er fordert ihn sogar entgegen der gesetzlichen Regelung aufgrund vertraglicher Vereinbarung, bevor er seinerseits seine Leistung erbringt.

Lagen demnach die Voraussetzungen des § 12 Abs. 3 BewG hier nicht vor, so ist die Kaufpreisforderung bei der Berechnung der Steuer gemäß § 12 Abs. 1 BewG mit dem Nennwert anzusetzen; denn besondere Umstände (im Sinne der letztgenannten Vorschrift), die aus anderen Gründen einen geringeren Wert der Forderung begründen könnten, sind nicht ersichtlich und auch nicht geltend gemacht worden.

2. Der Senat entscheidet selbst in der Sache (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO). Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Klage abzuweisen.