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BFH-Urteil vom 10.2.1989 (III R 78/86) BStBl. 1989 II S. 467

Eine Aktiengesellschaft hat nur einen einzigen (gewerblichen) Betrieb und nur ein einheitliches, nicht auf selbständige Betriebstätten (Teilbetriebe) aufteilbares Vergleichsvolumen.

InvZulG 1982 § 4b Abs. 5.

Vorinstanz: FG Nürnberg

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Aktiengesellschaft, unterhält einen Steinbruchbetrieb sowohl in A als auch in B. Sie ist außerdem an einer Arbeitsgemeinschaft in C beteiligt. Die Arbeitsgemeinschaft baut ein der Klägerin und der X-AG gemeinsam gehörendes Mineralvorkommen ab.

Am 19. Januar 1983 beantragte die Klägerin eine Beschäftigungszulage nach § 4b des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1982 für im Streitjahr 1982 getätigte Investitionen. Es handelt sich dabei um für den Steinbruchbetrieb in A angeschaffte bewegliche Wirtschaftsgüter im Nettowert von 795.200 DM. Das Vergleichsvolumen hatte die Klägerin mit 19.927 DM angegeben. Auch dabei handelt es sich ausschließlich um während des Vergleichszeitraums im Steinbruchbetrieb in A durchgeführte Investitionen.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) lehnte den Antrag mit Bescheid vom 11. Februar 1983 ab. Das FA hat die in der Arbeitsgemeinschaft in C während des Vergleichszeitraums getätigten Investitionen, soweit sie auf die Klägerin entfielen, in das Vergleichsvolumen miteinbezogen, was zu einer negativen Bemessungsgrundlage führte.

Der Einspruch hatte teilweise Erfolg. Das FA behandelte nunmehr die Arbeitsgemeinschaft als selbständiges Rechtssubjekt, für das das Vergleichsvolumen und das Begünstigungsvolumen gesondert zu ermitteln sei. Dagegen bezog es nunmehr die früheren Investitionen des Steinbruchbetriebs in B in das Vergleichsvolumen mit ein; das führte zur Festsetzung einer Zulage von 36.376 DM.

Mit der Klage begehrte die Klägerin weiterhin eine Zulage von 75.521 DM. Nach ihrer Auffassung sind die Investitionen auch des Betriebs in B während des Vergleichszeitraums außer Betracht zu lassen. Das Vergleichsvolumen im Steinbruchbetrieb A bezifferte sie nunmehr auf 39.992 DM. Im einzelnen führte sie zur Klagebegründung aus:

Es sei nicht klar, von welchem Betriebsbegriff das InvZulG ausgehe. Vermutlich liege ihm der betriebswirtschaftliche Betriebsbegriff zugrunde. Danach sei ein Betrieb im Gegensatz zu einem Unternehmen als eine in sich abgegrenzte Organisationsform zu verstehen. Gehe man hiervon aus, dann habe sie ein Unternehmen, aber zwei selbständige und voneinander unabhängige Betriebe. Lege man dagegen einkommensteuerrechtliche Begriffe zugrunde, so seien die Betriebe in A und B zumindest als selbständige Teilbetriebe anzusehen. Denn sie seien organisatorisch voneinander unabhängig und selbständig lebensfähig. In beiden Betrieben würden unterschiedliche Produkte gewonnen, für die ein unterschiedlicher Kundenkreis bestehe und für die ein unterschiedlicher Maschinenpark notwendig sei. Dementsprechend treffe jedes Werk seine Investitionsentscheidungen selbst. Jedes Werk habe auch eine eigene Geschäftsführung und besitze eigene Bilanz- und Erfolgskonten.

Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) vertrat unter Heranziehung einkommensteuerrechtlicher und körperschaftsteuerrechtlicher Grundsätze die Auffassung, daß eine Körperschaft - im Gegensatz zu einer natürlichen Person (Einzelunternehmer) - nur einen einzigen gewerblichen Betrieb habe. Davon sei auch bei der Anwendung des § 4b InvZulG 1982 auszugehen.

Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Revision. Sie ist weiterhin unter Hinweis auf Felix in Betriebs-Berater (BB) 1982, 1600 (1603) und Richter in Deutsches Steuerrecht (DStR) 1982, 517 (518) der Auffassung, daß nach dem Rechtsprinzip der Gleichmäßigkeit Kapitalgesellschaften (ebenso Personengesellschaften) nach denjenigen Regeln zu behandeln seien, wie sie für Einzelunternehmer gelten. Dafür biete sich der einkommensteuerrechtliche Teilbetriebsbegriff (§§ 14, 16 und 18 des Einkommensteuergesetz - EStG -) an. Die Beschäftigungszulage nach § 4b InvZulG 1982 sei somit für jeden selbständigen Teilbetrieb festzusetzen, unter Beschränkung auf die in der Vergangenheit und Gegenwart allein in dieser Betriebstätte getätigten Investitionen. Wegen ihrer Auffassung, daß der Steinbruchbetrieb in A und der Steinbruchbetrieb in B selbständige Teilbetriebe i.S. des § 16 EStG seien, verweist die Klägerin auf ihre Ausführungen vor dem FG.

Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung und unter Änderung des Bescheids vom 11. Februar 1983 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. Januar 1984 die Investitionszulage auf 75.521 DM festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. a) In § 4b Abs. 1 InvZulG 1982 ist die Grundregel vorausgestellt, daß einem Steuerpflichtigen für Investitionen, die er "in einem Betrieb oder einer Betriebstätte im Inland" vornimmt, auf Antrag eine Investitionszulage zu gewähren ist. Das besagt, daß ein Steuerpflichtiger, der zwei oder mehrere Betriebe oder Betriebstätten im Inland hat, entsprechend viele Anträge stellen muß und daß ihm ebenso viele Zulagen zu gewähren sind. Dabei kann die Regelung, wonach eine Zulage auch für Investitionen in einer Betriebstätte im Inland zu gewähren ist, im vorliegenden Zusammenhang außer Betracht bleiben. Denn damit sind ersichtlich Steuerpflichtige gemeint, die im Inland nur eine Betriebstätte, ansonsten aber ihren Betrieb im Ausland haben.

b) Soweit im Investitionszulagenrecht einkommensteuerrechtliche Begriffe verwendet werden (wie abnutzbare bewegliche Wirtschaftsgüter, Anschaffungs- und Herstellungskosten, Anlagevermögen), hat sie der Senat in aller Regel mit dem Inhalt übernommen, mit dem sie im Einkommensteuerrecht gebraucht werden, es sei denn, daß im Einzelfall Sinn und Zweck einer Zulagevorschrift dem entgegenstehen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 15. November 1985 III R 110/80, BFHE 145, 482, BStBl II 1986, 367). Das gilt auch für die Auslegung des Merkmals "Betrieb" in § 4b Abs. 1 InvZulG 1982. Dafür, daß dieser Begriff anders als im Einkommensteuerrecht und Körperschaftsteuerrecht, etwa betriebswirtschaftlich zu verstehen sei, gibt es keine Anhaltspunkte. Auch aus dem Sinn und Zweck des § 4b InvZulG 1982, Unternehmer zu Investitionen anzuregen (zur Gesetzesbegründung vgl. BTDrucks 9/1400, S. 10) folgt nichts anderes. Für die Übernahme des einkommensteuerrechtlichen (körperschaftsteuerrechtlichen) Betriebsbegriffs spricht insbesondere, daß das Gesetz die Steuerpflichtigen im Sinne des EStG und des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) als die Anspruchsberechtigten nennt.

c) Mit der Vorinstanz ist der Senat weiter der Auffassung, daß in § 4b Abs. 1 InvZulG 1982 der Betrieb gemeint ist, wie er der einkommensteuerlichen Gewinnermittlung in §§ 4 bis 7 EStG (für das Körperschaftsteuerrecht i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG 1977/1984) zugrunde liegt. Dafür sprechen die Einzelregelungen, mit denen in Abs. 2 die begünstigten Investitionen umschrieben werden, insbesondere daß die angeschafften oder hergestellten Wirtschaftsgüter zum Anlagevermögen, also zum Betriebsvermögen gehören müssen. Wenn der Betriebsbegriff in einzelnen einkommensteuerrechtlichen Vorschriften anders verstanden wird (vgl. dazu Schmidt/Heinicke, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 7. Aufl. § 4 Anm. 6), so sind damit besondere Zielvorstellungen des Gesetzgebers verbunden, so daß diese Bestimmungen Verallgemeinerungen nicht zugänglich sind. Ähnliches gilt für den Begriff des Teilbetriebs in §§ 14, 16 und 18 EStG, auf den die Klägerin in der Revision besonders abhebt. Damit soll eine günstigere Gewinnbesteuerung bereits für den in der Praxis nicht seltenen Fall gelten, daß nicht ein ganzer Betrieb, sondern nur ein Teilbetrieb veräußert oder aufgegeben wird. Eine solche Regelung hat in § 4b Abs. 1 InvZulG 1982 nicht Eingang gefunden. Sie wäre auch von weitreichender Bedeutung. Denn dann müßten für jeden Teilbetrieb - auch beim Einzelunternehmer - getrennte Anträge gestellt und jeweils eine besondere Zulage gewährt werden. Eine solche Vorstellung ist dem bisherigen Investitionszulagenrecht fremd. Sie im Hinblick auf das in § 4b Abs. 5 InvZulG geregelte Vergleichsvolumen zur Geltung zu bringen, wäre Sache des Gesetzgebers gewesen.

2. Die bisherigen die Grundregel des § 4b Abs. 1 InvZulG 1982 betreffenden Ausführungen gelten entsprechend für die besonderen Anspruchsvoraussetzungen, die in § 4b Abs. 2 bis 6 InvZulG 1982 geregelt sind. Nach Abs. 3 der genannten Vorschrift ergibt sich die Bemessungsgrundlage für die Beschäftigungszulage aus der positiven Differenz zwischen dem Begünstigungsvolumen (Abs. 4) und dem Vergleichsvolumen (Abs. 5). Dabei setzt sich das Vergleichsvolumen zusammen aus den durchschnittlichen Investitionen, die - im Regelfall - in den Kalenderjahren 1979, 1980 und 1981 "in dem Betrieb" vorgenommen worden sind. Der Betrieb in diesem Sinne ist mit dem Betriebsbegriff in § 4b Abs. 1 grundsätzlich identisch. Auch hier ist der "ganze Betrieb" und nicht ein jeweiliger "Teilbetrieb" gemeint. Auch aus dem mit dem Vergleichsvolumen verfolgten speziellen Gesetzeszweck, nämlich nur Mehrinvestitionen zu fördern und Mitnahmeeffekte zu vermeiden (vgl. die Gesetzesbegründung in BTDrucks 9/1400, S. 10), ergibt sich nichts anderes. In seinem Urteil vom 9. Dezember 1988 III R 160/85 (BFHE 155, 435, BStBl II 1989, 239) hat der Senat zwar entschieden, daß die Begriffe "Betrieb" in § 4b Abs. 1 und Abs. 5 InvZulG insofern voneinander abweichen, als der Betriebsbegriff in Abs. 5 "betriebsbezogen" zu verstehen sei. Das wirkt sich in den Fällen aus, in denen ein Betrieb während des Vergleichszeitraums oder Begünstigungszeitraums den Unternehmer wechselt (z.B. bei der Veräußerung eines Betriebs oder bei der Betriebsaufspaltung). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor.

3. Die gesetzliche Regelung führt dazu, daß Einzelunternehmer (ebenso z.B. juristische Personen des öffentlichen Rechts mit Betrieben gewerblicher Art nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG 1977) günstiger behandelt werden als Körperschaften nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG 1977 (und Personengesellschaften). Das rührt daher, daß Einzelunternehmer mehrere Betriebe haben können (ebenso können juristische Personen des öffentlichen Rechts mehrere selbständige Betriebe gewerblicher Art haben, vgl. insbesondere das Urteil des BFH vom 13. März 1974 I R 7/71, BFHE 112, 61, BStBl II 1974, 391; auch Blümich/Freericks, Kommentar zum Einkommensteuergesetz und Körperschaftsteuergesetz, § 4 KStG Anm. 17 und 47), während Kapitalgesellschaften nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG (ebenso Personengesellschaften) nur einen (gewerblichen) Betrieb haben können. Das wird aus § 8 Abs. 2 KStG 1977 hergeleitet, wonach bei Steuerpflichtigen, die nach den Vorschriften des Handelsgesetzbuches (HGB) zur Führung von Büchern verpflichtet sind, alle Einkünfte als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu behandeln sind (für das Gewerbesteuerrecht vgl. § 2 Abs. 2 des Gewerbesteuergesetzes - GewStG -; bezüglich der Personengesellschaften sei auf Schmidt, a.a.O., § 15 Anm. 43 verwiesen).

Der Senat sieht in dieser unterschiedlichen Behandlung keine Verletzung des Gleichheitssatzes, sondern eine Folge der grundsätzlich freien Rechtsformwahl. An die Rechtsform geknüpfte Belastungsunterschiede sind dem Steuerrecht - und dazu gehören im weiteren Sinne auch investitionszulagerechtliche Regelungen - nicht fremd. Sie sind im Gegenteil oft ausschlaggebend für die Wahl der Unternehmensform im konkreten Fall (vgl. Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmensteuerrecht, 6. Aufl., Einleitung und S. 796 ff., sowie Tipke, Steuerrecht, 11. Aufl., S. 514 ff.). Daraus folgt, daß solche mit der Rechtsformwahl verbundene Belastungsunterschiede nicht ohne weiteres am Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) gemessen werden können. Der Senat sieht auch die gesetzliche Regelung zum Vergleichsvolumen als diesem Bereich zugehörig an, so daß unterschiedliche Auswirkungen bei den verschiedenen Steuerpflichtigen hinzunehmen sind. Das Gewicht einer solchen Ungleichbehandlung wird im übrigen relativiert durch die Tatsache, daß die durch das Gesetz über steuerliche oder sonstige Maßnahmen für Arbeitsplätze, Wachstum und Stabilität (Beschäftigungsförderungsgesetz) vom 3. Juni 1982 (BGBl I 1982, 641) eingeführte Regelung des § 4b InvZulG ein Zeitgesetz mit einer nur kurzen Geltungsdauer von einem Jahr war.

4. Bei dieser rechtlichen Beurteilung kann die Frage offenbleiben, ob der Steinbruch in A und der Steinbruch in B, würden sie beide durch einen Einzelunternehmer betrieben, einkommensteuerrechtlich als ein Betrieb oder, wovon die Klägerin ausgeht, als zwei selbständige Betriebe angesehen werden könnten (vgl. zu dieser Frage BFH-Urteile vom 19. November 1985 VIII R 310/83, BStBl II 1986, 719, und vom 13. Oktober 1988 IV R 136/85, BFHE 154, 442, BStBl II 1989, 7; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19. Aufl., § 4 EStG Anm. 4 p bis 4 s; zum Gewerbesteuerrecht Abschn. 19 Abs. 2 der Gewerbesteuer-Richtlinien).