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BFH-Urteil vom 30.3.1989 (IV R 45/87) BStBl. 1989 II S. 509

Benutzt die Witwe eines Schriftstellers dessen häusliches Arbeitszimmer zu Abwicklungszwecken, so können die Aufwendungen für dieses Zimmer als Betriebsausgaben abziehbar sein.

EStG § 4 Abs. 4.

Sachverhalt

Der Ehemann der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) war nebenberuflich als Schriftsteller tätig. Er hatte in seiner etwa 70 qm großen Wohnung ein 16 qm großes Arbeitszimmer, das mit einer Schrankhochwand, Bücherregalen, einem Arbeitstisch, einem Schreibmaschinentisch, vier Stühlen und einem Sessel ausgestattet war. Der Ehemann der Klägerin ist am 27. Oktober 1980 gestorben. Er ist von der Klägerin allein beerbt worden. Nach den unbestrittenen Angaben der Klägerin hat sie das Arbeitszimmer ihres Ehemannes nach dessen Tod zur Verwaltung des Nachlasses benutzt. Dabei habe sie allgemeine Büro- und Verwaltungsarbeiten erledigt, Manuskripte und Akten durchgearbeitet; der Schriftverkehr (u.a. mit dem X-Verlag und dem Schriftstellerverband) habe einen erheblichen Umfang gehabt. Eine private Nutzung des Zimmers habe nicht stattgefunden.

Im Rahmen ihrer Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr 1981 setzte sie als Einkünfte aus selbständiger Arbeit folgende Beträge an:

Betriebseinnahmen:

   

Honorare

634,74 DM

 

Erlöse aus

   

Buchverkäufen

190,00 DM

824,74 DM

 

- - - - - - - -

 

   

Betriebsausgaben:

   

Postgebühren

20,00 DM

 

Telefonkosten

60,00 DM

 

Aufwendungen für

   

das häusliche

   

Arbeitszimmer

1.857,65 DM

./. 1.937,65 DM

 

- - - - - - - - -

- - - - - - - - - -

Einkünfte insgesamt

 

./. 1.112,91 DM.

Bei der Veranlagung der Klägerin zur Einkommensteuer für das Streitjahr lehnte es der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) ab, die Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer als Betriebsausgaben anzuerkennen.

Die - nach erfolglosem Einspruchsverfahren eingelegte - Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte aus, der verstorbene Ehemann der Klägerin sei freiberuflich tätig gewesen. Obwohl er bis zu seinem Tode nur Verluste erklärt habe, habe es sich bei seiner schriftstellerischen Tätigkeit nicht um Liebhaberei gehandelt. Das Gesamtergebnis der schriftstellerischen Tätigkeit hätte nicht mit einem Verlust abgeschlossen; aus Buchverkäufen bestehe noch immer eine Forderung von etwa 28.000 DM.- Die Aufwendungen, die die Klägerin für das häusliche Arbeitszimmer im Streitjahr 1981 gehabt habe, seien als Betriebsausgaben abziehbar gewesen. Mit dem Tode ihres Ehemannes sei das der selbständigen Arbeit dienende Betriebsvermögen nicht sofort in das Privatvermögen der Klägerin übergegangen, sondern als wirtschaftlicher Organismus erhalten geblieben. Die Klägerin habe das dem freien Beruf ihres Ehemannes dienende Betriebsvermögen seit dessen Tod zunächst unverändert fortgeführt. Erst mit dem 31. Dezember 1981 sei das Betriebsvermögen als in das Privatvermögen überführt anzusehen; bis zu diesem Zeitpunkt hätte es liquidiert sein können.

Mit der - vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen - Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Von einer beruflichen Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers durch die Klägerin könne nicht ausgegangen werden. Die Klägerin habe nicht anstelle ihres verstorbenen Ehemannes freiberuflich tätig werden können. Da aber die Verwendungsmöglichkeit des Raumes als häusliches Arbeitszimmer entfallen sei, sei bereits vom Zeitpunkt des Todes des Ehemannes der Klägerin das Betriebsvermögen (insbesondere die Bibliothek) als entnommen anzusehen. Allein das Vorhandensein der Bibliothek und verschiedener Manuskripte nähme dem Raum nicht den Charakter eines üblichen Wohnraums.

Das FA beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das FG hat zu Recht entschieden, daß die im Streitjahr gemachten Aufwendungen für den von der Klägerin als "häusliches Arbeitszimmer" bezeichneten Raum als Betriebsausgaben abziehbar sind.

1. Aufwendungen für das Wohnen gehören zwar zu den nicht abziehbaren Kosten der Lebensführung i.S. des § 12 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Sie sind grundsätzlich auch dann nicht als Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG) abziehbar, wenn sie der Steuerpflichtige zur Förderung seines Berufs oder seiner Tätigkeit macht. Anders liegt es jedoch, wenn Räume ausschließlich oder nahezu ausschließlich für betriebliche (berufliche) Zwecke genutzt werden; in diesen Fällen können die auf die Raumnutzung entfallenden Aufwendungen als Betriebsausgaben abgezogen werden.

Das gilt insbesondere auch für ein Arbeitszimmer innerhalb einer Wohnung. Ob ein solches Zimmer so gut wie ausschließlich für betriebliche (berufliche) Zwecke verwendet wird und seine Benutzung als Wohnraum so gut wie ausgeschlossen ist, hängt nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - (Urteile vom 28. Oktober 1964 IV 168/63 S, BFHE 81, 45, BStBl III 1965, 16; vom 18. Oktober 1983 VI R 180/82, BFHE 139, 518, BStBl II 1984, 110, und vom 26. April 1985 VI R 68/82, BFHE 144, 31, BStBl II 1985, 467) von den Umständen des Einzelfalls ab. Für die steuerliche Anerkennung eines häuslichen Arbeitszimmers ist hiernach von Gewicht, daß die übrigen Räume der Wohnung für die Wohnbedürfnisse der Familie des Steuerpflichtigen ausreichen, das Arbeitszimmer von den übrigen Räumen der Wohnung getrennt und seine Einrichtung auf den Beruf des Steuerpflichtigen zugeschnitten ist. Nicht erforderlich dagegen ist, daß Art und Umfang der Tätigkeit des Steuerpflichtigen einen besonderen häuslichen Arbeitsraum erfordern (Urteil in BFHE 144, 31, BStBl II 1985, 467).

2. Stirbt der Steuerpflichtige, der bisher ein häusliches Arbeitszimmer für betriebliche (berufliche) Zwecke benutzte, so wird mit dem Wegfall der bisherigen Tätigkeit vielfach auch die Funktion des Raumes als häusliches Arbeitszimmer entfallen, es sei denn, die Erben des Steuerpflichtigen setzen dessen Tätigkeit fort (vgl. BFH-Urteil vom 19. Mai 1981 VIII R 143/78, BFHE 133, 396, BStBl II 1981, 665).

Die Raumnutzung kann allerdings auch dann i.S. des § 4 Abs. 4 EStG "betrieblich veranlaßt" sein und deshalb zum Abzug der hierfür gemachten Aufwendungen führen, wenn die Tätigkeit des verstorbenen Steuerpflichtigen nicht fortgesetzt, sondern der Raum zur Abwicklung des bisherigen Betriebs (der bisherigen Tätigkeit) genutzt wird. Die Einstellung oder Beendigung der bisherigen Tätigkeit ist im allgemeinen noch kein Grund für die Annahme, der Betrieb sei aufgegeben (vgl. BFH-Urteil vom 28. März 1985 IV R 88/81, BFHE 143, 559, BStBl II 1985, 508). Das gilt auch für den Fall, daß die Tätigkeit des Steuerpflichtigen durch dessen Tod beendet wird. Mit dem Tode eines freiberuflich tätigen Steuerpflichtigen geht dessen "Betrieb" - d.h. die Wirtschaftsgüter des der freien Berufstätigkeit dienenden Vermögens - auf seine Erben als Gesamtrechtsnachfolger über (Urteil in BFHE 133, 396, BStBl II 1981, 665). Solange diese den Betrieb nicht aufgeben oder veräußern (§ 18 Abs. 3 i.V.m. § 16 Abs. 1 und 3 EStG), kann sich - je nach den Umständen des einzelnen Falles - noch eine mit dem bisherigen Beruf des verstorbenen Steuerpflichtigen zusammenhängende - allerdings zeitlich begrenzte - Abwicklungstätigkeit anschließen. Aufwendungen hierfür - insbesondere für eine entsprechende Raumnutzung - können i.S. des § 4 Abs. 4 EStG betrieblich veranlaßt sein.

Findet eine Abwicklungstätigkeit nicht mehr statt, so können die Erben des Steuerpflichtigen zwar noch "Einkünfte aus einer ehemaligen Tätigkeit" i.S. des § 24 Nr. 2 EStG beziehen; sie können demgemäß auch noch Betriebsausgaben haben (näher hierzu Schmidt, Einkommensteuergesetz, 7. Aufl., § 16 Anm. 55, 56). Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer kommen indessen in diesem Stadium in aller Regel nicht mehr in Betracht.

3. Im Streitfall sind die Kosten, die die Klägerin als Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer zum Abzug bringen will, als Betriebsausgaben abziehbar. Denn die Verwendung des bisherigen Arbeitsraums ihres Ehemanns ist als "betrieblich veranlaßt" anzusehen; eine etwaige private Mitbenutzung des Raums ist nach dem vom FG festgestellten Sachverhalt nur von untergeordneter Bedeutung.

Der Senat teilt nicht die von einem Senat des FG Berlin vertretene Auffassung (Urteil vom 22. September 1986 VIII 152/85, Entscheidungen der Finanzgerichte 1987, 244), nach der bereits der Tod eines Schriftstellers in jedem Fall als Aufgabe seines Betriebs anzusehen sein soll (mit der Folge, daß etwaige Honoraransprüche nunmehr zu Wirtschaftsgütern des Privatvermögens werden). Der "Betrieb" eines Schriftstellers ist zwar in besonderem Maße auf seine Person zugeschnitten. Gleichwohl verlieren die Bestandteile seines Betriebsvermögens, insbesondere seine vertraglichen Honoraransprüche, durch seinen Tod nicht die Eigenschaft als Betriebsvermögen (vgl. Glanegger, Finanz-Rundschau 1987, 406). Demgemäß kann auch die Tätigkeit der Erben eines Schriftstellers zur Abwicklung des vererbten Betriebsvermögens (insbesondere zur Realisierung von Verlagsrechten, Einzug von Honoraransprüchen sowie zum Sichten einer etwaigen literarischen Hinterlassenschaft) noch als "betriebliche" Tätigkeit anzusehen sein. Die Benutzung eines Wohnraums zur betrieblichen Abwicklung führt allerdings nur dann zum Abzug von Raumkosten, wenn eine private Mitbenutzung dieses Raums so gut wie ausgeschlossen ist.

So lag es im Streitfall. Der Klägerin diente das ehemalige Arbeitszimmer ihres verstorbenen Ehemannes nach ihren unwidersprochenen Angaben sowohl zur Abwicklung des schriftstellerischen Nachlasses als auch zur Aufbewahrung von Manuskripten, Akten und anderen Unterlagen sowie von Büchern; diese bestanden zu etwa einem Drittel aus Mehrfachexemplaren eigener Werke und zu etwa zwei Dritteln aus Büchern, die der verstorbene Ehemann der Klägerin für seine Arbeit benötigte. Wenn auch nach den Feststellungen des FG die Nutzung des Zimmers zu Abwicklungsarbeiten geringer gewesen ist als seine Verwendung zu Aufbewahrungszwecken, so steht das der Annahme einer nahezu ausschließlich betrieblich veranlaßten Nutzung des Zimmers nicht entgegen.

Die steuerliche Anerkennung eines häuslichen Arbeitszimmers setzt nicht voraus, daß Art und Umfang der Tätigkeit einen besonderen häuslichen Arbeitsraum erfordern (Urteil in BFHE 144, 31, BStBl II 1985, 467). Auch eine tätigkeitsbezogene Nutzung in geringerem Ausmaß kann ausreichen, zumal dann, wenn der Raum auch zur "betrieblich veranlaßten" Aufbewahrung der literarischen Hinterlassenschaft sowie der zur früheren Arbeit benötigten Bücher dient.

Da im Streitfall eine nennenswerte private Nutzung des Arbeitszimmers nicht festgestellt ist, waren - jedenfalls noch im Streitjahr - die Aufwendungen für dieses Zimmer als Betriebsausgaben abziehbar.