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BFH-Urteil vom 1.2.1989 (I R 73/85) BStBl. 1989 II S. 522

1. Die Anteile (Stimmrechte) von Ehegatten an einer Kapitalgesellschaft können bei der Beurteilung einer beherrschenden Stellung nur dann zusammengerechnet werden, wenn konkrete Anhaltspunkte für gleichgerichtete Interessen der Eheleute bestehen (Anschluß an BFH-Urteil vom 23. Oktober 1985 I R 230/82, BFH/NV 1986, 490).

2. Ist für Ausschüttungen die Ausschüttungsbelastung herzustellen (§ 27 KStG 1977), so kann das Revisionsgericht die Rechtmäßigkeit eines Körperschaftsteuerbescheids abschließend nur prüfen, wenn das FG die für die Ausschüttungsbelastung maßgebenden Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals festgestellt hat.

KStG 1977 §§ 8 Abs. 3 Satz 2, 27.

Vorinstanz: FG des Saarlandes

Sachverhalt

I.

Streitig ist die körperschaftsteuerliche Behandlung verzögerter Pachtzahlungen an einen Gesellschafter.

Die mit Wirkung vom 1. Januar 1980 errichtete Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) handelt mit Kfz. und führt Reparaturarbeiten an Fahrzeugen aus. Am Stammkapital sind die Eheleute HK und IK mit je 45 v.H. und deren volljährige Tochter SK mit 10 v.H. beteiligt. Jeweils allein vertretungsberechtigte, von der Beschränkung des § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) befreite Geschäftsführer sind die Eheleute HK und IK.

Die Klägerin nutzt für ihren Geschäftsbetrieb Grundstücksflächen, die den Eheleuten K je zur Hälfte gehören. Die aufstehenden Gebäude stehen nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) im Alleineigentum des Gesellschafters HK. HK hat den hälftigen Grundstücksanteil seiner Ehefrau seit Juli 1974 gepachtet. Am 28. Dezember 1979 schloß die Klägerin mit HK einen Mietvertrag über Grundstück und Gebäude. Die dem FG vorgelegte Vertragsausfertigung trägt die Unterschriften aller Gesellschafter der Klägerin. Der nach dem Vertrag zu entrichtende Mietzins beträgt "monatlich 4.000 DM" zuzüglich Umsatzsteuer.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) stellte im Rahmen einer Außenprüfung fest, daß die für 1980 geschuldeten Mietzinsen dem Gesellschafterverrechnungskonto erst im Rahmen der Abschlußarbeiten in einem einmaligen Betrag von 48.000 DM gutgeschrieben wurden. Das FA hat den gebuchten Mietaufwand als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) gewertet, da der Mietvertrag nicht vertragsgemäß durchgeführt worden sei.

Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage blieb erfolglos.

Die Klägerin stützt ihre gegen das Urteil des FG eingelegte Revision auf Verletzung materiellen Rechts.

Die Klägerin beantragt,

a) das Urteil des FG, den Körperschaftsteuerbescheid und den Gewerbesteuermeßbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung aufzuheben und die Körperschaftsteuer 1980 nach Berücksichtigung des Verlustrücktrages 1981 auf 0 DM und den Gewerbesteuermeßbetrag 1980 nach dem Gewerbeertrag ebenfalls auf 0 DM festzusetzen,

b) hilfsweise, das Urteil des FG aufzuheben und die Sache an das FG zurückverweisen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

A. Die Revision der Klägerin ist begründet.

Das FG ist zu Unrecht von einer vGA in Höhe von 48.000 DM ausgegangen.

1. Eine vGA i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1977 ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung oder eine verhinderte Vermögensmehrung, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt sind, sich auf die Höhe des Einkommens auswirken und in keinem Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung stehen. Bei einem beherrschenden Gesellschafter ist eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis auch dann anzunehmen, wenn es an einer klaren und von vornherein abgeschlossenen Vereinbarung darüber fehlt, ob und in welcher Höhe ein Entgelt von der Kapitalgesellschaft gezahlt werden soll (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 23. Mai 1984 I R 294/81, BFHE 141, 266, BStBl II 1984, 673).

2. Im Streitfall ist der Mietaufwand der Klägerin zugunsten von HK nicht nach den besonderen Anforderungen für Zuwendungen an beherrschende Gesellschafter zu beurteilen, da HK die Klägerin im Streitjahr nicht beherrschte.

Ein Gesellschafter beherrscht eine Kapitalgesellschaft, wenn er den Abschluß des zu beurteilenden Rechtsgeschäfts erzwingen kann. Das ist der Fall, wenn der Gesellschafter aufgrund der ihm aus seiner Gesellschafterstellung fließenden Stimmrechte den entscheidenden Beschluß durchsetzen kann (vgl. BFH-Urteile vom 8. Januar 1969 I R 91/66, BFHE 95, 215, BStBl II 1969, 347; vom 21. Juli 1976 I R 223/74, BFHE 119, 453, BStBl II 1976, 734). Dabei können die Stimmrechte mehrerer Gesellschafter zusammengerechnet werden, wenn die Interessen dieser Gesellschafter für das zu beurteilende Rechtsgeschäft so gleichgerichtet sind, daß das Rechtsgeschäft als Ausdruck dieser gleichgerichteten Interessen anzusehen ist (BFH-Urteile vom 26. Juli 1978 I R 138/76, BFHE 125, 557, BStBl II 1978, 659; vom 29. April 1987 I R 192/82, BFHE 150, 412, BStBl II 1987, 797).

Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor. HK hält nur 45 v.H. der Anteile und der Stimmrechte. Er könnte als beherrschender Gesellschafter nur anzusehen sein, wenn Anteile eines anderen Gesellschafters für das zu beurteilende Rechtsgeschäft mit seinen Anteilen zusammenzurechnen wären. Das ist nicht der Fall. Die Anteile der Ehegatten K könnten nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - (Beschluß vom 12. März 1985 1 BvR 571/81 u.a., BVerfGE 69, 188, BStBl II 1985, 475) nur zusammenzurechnen sein, wenn konkrete Anhaltspunkte für gleichgerichtete wirtschaftliche Interessen der Eheleute bestünden (vgl. auch BFH-Urteil vom 23. Oktober 1985 I R 230/82, BFH/NV 1986, 490). Derartige Anhaltspunkte bestehen im Streitfall nicht. Die Gesellschafterin IK besitzt aus der Vermietung ihres Miteigentumsanteils an ihren Ehemann einen Anspruch auf Mietzahlung. Die zwischen HK und der Klägerin vereinbarten Mietzahlungen können diesen Anspruch der Gesellschafterin IK nicht beeinflussen. Andererseits verringern die Zahlungen der Klägerin an HK den Gewinn der Klägerin und damit mögliche Ausschüttungen an IK.

Auch zwischen HK und seiner volljährigen Tochter SK sind keine gleichgerichteten Interessen bezüglich der Mietzahlungen erkennbar. Das Interesse der Gesellschafterin SK als "Nur-Gesellschafterin" der Klägerin ist nicht auf die Zahlung von Mietzinsen an HK, sondern vielmehr auf einen möglichst ungeschmälerten Gewinn der Klägerin gerichtet.

3. Es besteht kein Anlaß, an der betrieblichen Veranlassung des von der Klägerin passivierten Mietaufwands zu zweifeln.

a) Die Mietvereinbarungen weichen nach den Feststellungen des FG von der unter Fremden üblichen Gestaltung nicht ab. Für die Wirksamkeit des Mietvertrages war es nicht erforderlich, die Funktion der den Vertrag unterzeichnenden Personen besonders hervorzuheben. Die Wirksamkeit eines Vertrages ergibt sich aus der durch die Unterschrift bestätigten Übereinstimmung der Beteiligten. Es kann dabei dahinstehen, ob die Mitwirkung der Gesellschafterin SK vor Entstehung der Klägerin zur Wirksamkeit des Mietvertrages erforderlich war. Jedenfalls beeinträchtigt ihre Beteiligung die Wirksamkeit des Vertrages nicht.

b) Auch die Verzögerung der Mietzahlungen an HK führt nicht dazu, die betriebliche Veranlassung der Aufwendungen zu verneinen. Da HK die Klägerin nicht beherrscht, ist aus den gegenüber den Vereinbarungen verzögerten Zahlungen nicht zu schließen, daß die Zuwendungen auf dem Gesellschaftsverhältnis beruhen. Das FG hat zwar den Mietvertrag ohne Verstoß gegen Rechtsgrundsätze oder Denkgesetze dahingehend ausgelegt, daß er monatliche Mietzahlung vorsieht. Diese Regelung konnte jedoch durch ergänzende Vereinbarungen modifiziert werden, solange dadurch keine Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Vereinbarung überhaupt entstehen. Das ist nicht der Fall, da die an HK zu zahlenden Mietzinsen ihm bereits im Rahmen der Abschlußarbeiten auf dem Verrechnungskonto gutgeschrieben wurden, über das er verfügen konnte.

B. Die Sache ist nicht entscheidungsreif. Das FG hat die Einzelbeträge des verwendbaren Eigenkapitals zum 1. Januar 1980 und zum 31. Dezember 1980 nicht festgestellt. Diese Beträge beeinflussen jedoch die Höhe der für den Veranlagungszeitraum 1980 festzusetzenden Körperschaftsteuer einschließlich der herzustellenden Ausschüttungsbelastung. Gemäß §§ 28 Abs. 2 Satz 2, 54 Abs. 7 KStG 1977 i.d.F. der Bekanntmachung vom 10. Februar 1984 (BGBl I 1984, 217, BStBl I 1984, 158) konnte im übrigen die Klägerin beantragen, die vGA des Veranlagungszeitraums 1980 mit dem verwendbaren Eigenkapital zum Schluß des Wirtschaftsjahres 1980 zu verrechnen. Das FG hat nicht festgestellt, ob ein entsprechender Antrag gestellt wurde. Die Feststellungen zum verwendbaren Eigenkapital und zu einem evtl. Antrag der Klägerin nach § 54 Abs. 7 KStG 1977 müssen deshalb noch nachgeholt werden.