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BFH-Urteil vom 2.3.1989 (IV R 128/86) BStBl. 1989 II S. 543

Der Hinzurechnungsbetrag nach § 2 Abs. 1 Satz 3 AIG unterliegt der Besteuerung nach dem Tarif auch dann, wenn er sich aus einem Gewinn aus der Veräußerung der ausländischen Betriebstätte ergibt.

AIG § 2; EStG § 4 Abs. 1, §§ 15, 16, 34.

Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind zur Einkommensteuer zusammenveranlagte Eheleute. Der Kläger beteiligte sich an einer KG, die eine gewerbliche Betriebstätte in den USA unterhielt. Bei den Einkommensteuerveranlagungen für die Jahre 1976 bis 1980 wurden auf Antrag des Klägers entsprechend den Feststellungsbescheiden des für die KG zuständigen Finanzamts (FA) gewerbliche Verluste aus der in den USA belegenen Betriebstätte in Höhe von insgesamt 30.636 DM gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 und 2 des Auslandsinvestitionsgesetzes (AIG) vom 18. August 1969 (BGBl I, 1211, 1214) bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte abgezogen. Für das Streitjahr 1981 stellte das Betriebs-FA der KG durch Bescheid vom 19. April 1984 für den Kläger folgendes fest:

"Inlandseinkünfte

- 1.046,17 DM

Gesamteinkünfte Inland

- 1.046,17 DM

 

laufende Einkünfte aus aus-

 

ländischen Betriebsstätten

 

nach § 2 AIG / 32b EStG (USA)

- 385,56 DM

 

außerordentliche Einkünfte

 

aus ausländischen Betriebs-

 

stätten nach § 2 AIG (USA)

19.870,15 DM."

Bei den außerordentlichen Einkünften handelt es sich um einen Gewinn aus der Veräußerung der ausländischen Betriebstätte.

In einer Mitteilung an das Wohnsitz-FA des Klägers vom 19. April 1984 führte das Betriebs-FA zusätzlich folgendes aus:

"Versteuerung der außerordentlichen Einkünfte aus ausländischen Betriebstätten nach § 2 AIG (USA):

Hiervon ist ein Betrag bis zur Höhe der in den Vorjahren nach § 2 AIG (USA) geltend gemachten Verluste voll nachzuversteuern. Ein darüber hinausgehender Betrag unterliegt als außerordentliche Einkunftsart i.S. des § 34 Abs. 2 EStG eingeschränkt dem Progressionsvorbehalt (Abschn. 185 Abs. 3 Satz 2 EStR)."

In dem gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderten Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr rechnete der Beklagte und Revisionsbeklagte (das FA) der Summe der Einkünfte der Kläger einen Betrag in Höhe von 19.484 DM gemäß § 2 Abs. 1 Satz 3 AIG hinzu. Dieser Betrag ergab sich als Unterschiedsbetrag aus den laufenden und den außerordentlichen Einkünften aus der ausländischen Betriebstätte der KG. Die Einkommensteuer wurde nach der Splittingtabelle festgesetzt.

Einspruch und Klage, mit denen die Kläger geltend machten, der Gewinn aus der us-amerikanischen Betriebstätte in Höhe von 19.484 DM sei nicht dem vollen, sondern dem halben Steuersatz zu unterwerfen, blieben ohne Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) zugelassen.

Gegen das FG-Urteil richtet sich die Revision der Kläger, mit der geltend gemacht wird, aus dem Sinn und Zweck des § 2 Abs. 1 AIG ergebe sich, daß im Falle der Berücksichtigung eines Veräußerungsgewinns die §§ 16, 34 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auf Antrag angewendet werden müßten. In diesem Sinne sei auch der Feststellungsbescheid des Betriebs-FA auszulegen, denn der Betrag von 19.870 DM werde deshalb als "außerordentliche Einkünfte" bezeichnet, weil es sich um einen Veräußerungsgewinn handele, auf den §§ 16, 34 EStG anzuwenden seien.

Die Kläger beantragen, das FG-Urteil und die Einspruchsentscheidung des FA vom 18. Dezember 1984 aufzuheben und unter Änderung des angefochtenen Steuerbescheids die Einkommensteuer für das Streitjahr auf den Betrag festzusetzen, der sich ergibt, wenn der nach § 2 AIG hinzugerechnete Veräußerungsgewinn dem ermäßigten Steuersatz gemäß §§ 16, 34 EStG unterworfen wird.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Das FA ist der Auffassung, der Feststellungsbescheid des Betriebs-FA verneine die Anwendung der §§ 16, 34 EStG. Daran sei das FA gebunden. Eine Vergünstigung für Betriebsveräußerungsgewinne sei bei der Hinzurechnungsbesteuerung nach § 2 Abs. 1 Satz 3 AIG nicht vorgesehen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet und muß deshalb zurückgewiesen werden (§ 126 Abs. 2 FGO).

1. Auf Antrag des Klägers sind bei den Einkommensteuerveranlagungen der Jahre 1976 bis 1980 Anteile am Verlust aus der in den USA belegenen gewerblichen Betriebstätte der KG, an der der Kläger sich als Kommanditist beteiligt hatte, in Höhe von insgesamt 30.636 DM bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 AIG abgezogen worden. Dies hatte gemäß § 2 Abs. 1 Satz 3 AIG zur Folge, daß der abgezogene Betrag, soweit sich in einem späteren Veranlagungszeitraum aus gewerblichen Betriebstätten in den USA insgesamt ein Gewinn ergab, im Jahr der Gewinnentstehung wieder hinzuzurechnen war. Ebenso wie der Abzugsbetrag nach § 2 Abs. 1 Satz 1 AIG ist auch der Hinzurechnungsbetrag nach § 2 Abs. 1 Satz 3 AIG nach den Vorschriften des deutschen Einkommensteuerrechts zu ermitteln (h.M., vgl. z.B. Conradi in Littmann/Bitz/Meinke, Das Einkommensteuerrecht, 15. Aufl., § 2 AIG Rdnr. 37; Mayer-Wegelin in Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 2 AIG Rz. 35). Das ergibt sich daraus, daß Gegenstand der Hinzurechnung (§ 2 Abs. 1 Satz 3 AIG) der nach Satz 1 abgezogene Betrag ist und für diesen die Ermittlung nach den Vorschriften des deutschen Einkommensteuerrechts ausdrücklich vorgeschrieben ist. Danach mußte auch ein Gewinn aus der Veräußerung des Betriebs oder der ausländischen Betriebstätte bei der Ermittlung des Hinzurechnungsbetrags nach § 2 Abs. 1 Satz 3 AIG berücksichtigt werden. Zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb i.S. des § 15 EStG gehört auch der Gewinn aus der Veräußerung des Betriebs; die Vorschrift des § 16 EStG stellt dies lediglich klar. Daß der Veräußerungsgewinn zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehört, ergibt sich materiell bereits aus der Bestimmung des Gewinnbegriffs in § 4 Abs. 1 EStG (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 16. September 1966 VI 118,119/65, BFHE 87, 134, BStBl III 1967, 70).

2. Für den Hinzurechnungsbetrag nach § 2 Abs. 1 Satz 3 AIG sieht das Gesetz eine Tarifvergünstigung, wie sie § 34 Abs. 2 EStG für Gewinne aus der Veräußerung eines Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils zuläßt, nicht vor. Ohne eine ausdrückliche gesetzliche Regelung dieser Art muß der Hinzurechnungsbetrag nach dem Tarif besteuert werden (ebenso Flick/Wassermeyer/Becker, Kommentar zum Außensteuerrecht, § 2 AIG Anm. 164; Conradi in Littmann/Bitz/Meinke, a.a.O., § 2 AIG Rdnr. 43 ff.; Blümich, Einkommensteuergesetz / Körperschaftsteuergesetz / Gewerbesteuergesetz, § 2 AIG Anm. 55; Mayer-Wegelin in Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, a.a.O., § 2 AIG Rz. 52). Gegenstand der Hinzurechnungsbesteuerung ist nämlich nicht der Gewinn aus einer ausländischen Betriebstätte. Eine Besteuerung dieses Gewinns wäre mit dem Doppelbesteuerungsabkommen DBA-USA, das Verluste wie Gewinne aus der Betriebstätte in den USA der Besteuerung in den USA unterwirft, nicht vereinbar. Mit der Hinzurechnungsbesteuerung wird nach dem Wortlaut des Gesetzes lediglich ein früherer Verlustabzug rückgängig gemacht, wobei sowohl laufende als auch außerordentliche Gewinne aus allen (gewerblichen) Betriebstätten in demselben DBA-Staat zu berücksichtigen sind. Dem Sinn und Zweck der Hinzurechnungsbesteuerung entspricht es, den hinzugerechneten Betrag nach dem Tarif zu besteuern; denn der zuvor nach § 2 Abs. 1 Satz 1 AIG abgezogene Betrag hat (jedenfalls im Regelfalle) tarifbesteuerte Einkünfte gemindert. Etwas anderes kann entgegen der Revision auch nicht daraus hergeleitet werden, daß Gewinne aus der Veräußerung eines Betriebs in einem Staat, mit dem ein DBA nicht abgeschlossen ist, den §§ 16, 34 EStG unterliegen. Mit der Regelung in § 2 AIG hat der Gesetzgeber die Besteuerung von Gewinnen und Verlusten ausländischer Betriebstätten in DBA-Staaten nicht der Besteuerung von Gewinnen und Verlusten aus Betriebstätten in Nicht-DBA-Staaten gleichstellen wollen. Dies wäre mit den bestehenden DBA unvereinbar gewesen. In Übereinstimmung mit dieser Rechtslage enthält auch der Bescheid des Betriebs-FA keine Feststellung des Inhalts, auf den streitigen Gewinn sei § 34 Abs. 1 uns 2 EStG anzuwenden.