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BFH-Urteil vom 12.4.1989 (II R 121/87) BStBl. 1989 II S. 547

Ausgangspunkt für die sog. Teilwertvermutungen sind die nicht um Investitionszulagen und -zuschüsse gekürzten Anschaffungs- oder Herstellungskosten der bezuschußten Wirtschaftsgüter.

Zur Entkräftung der Teilwertvermutungen reicht es nicht aus, daß nur darauf hingewiesen wird, es seien Investitionszulagen aufgrund des § 1 InvZulG und Investitionszuschüsse aufgrund des Gesetzes über die Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" gezahlt worden (Fortentwicklung von BFHE 133, 567, BStBl II 1981, 702, und BFHE 133, 572, BStBl II 1981, 700).

BewG § 109 Abs. 1, § 10.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg

Sachverhalt

Streitig ist die Feststellung des Einheitswerts für den gewerblichen Betrieb der Klägerin auf den 1. Januar 1976.

Durch Bescheid unter Vorbehalt der Nachprüfung vom 4. August 1978 hatte das beklagte Finanzamt (FA) den Einheitswert entsprechend den Angaben in der Vermögensaufstellung auf ... DM festgestellt. Nach einer Außenprüfung erließ das FA einen Änderungsbescheid und stellte den Einheitswert auf ... DM fest. Worauf die Verminderung des Einheitswertes zurückzuführen ist, ist nicht festgestellt worden.

Die Klägerin legte Einspruch ein und beantragte, die ihr zugeflossenen Investitionszuschüsse nach dem Gesetz über die Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" sowie die Investitionszulagen nach § 1 des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) "teilwertmindernd" zu berücksichtigen. Die Wertansätze der entsprechenden Wirtschaftsgüter seien um ... DM zu kürzen.

Das FA wies die Einsprüche als unbegründet zurück. Im Tatbestand der Einspruchsentscheidung vom 2. Januar 1985 teilte es mit, daß die Klägerin bisher bei der Ermittlung des Teilwertes des beweglichen Anlagevermögens entsprechend Abschn. 49 der Vermögensteuer-Richtlinien (VStR) verfahren sei. Die Investitionszuschüsse habe sie bis zum Jahre 1973 von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten abgesetzt und Absetzung für Abnutzung (AfA) vom verminderten Betrag vorgenommen. Ab 1974 vereinnahme sie die Zuschüsse erfolgswirksam.

Die Klägerin hat Klage erhoben und beantragt, den Einheitswert auf ... DM herabzusetzen. Sie hat ihre Klage damit begründet, daß "die staatlichen Förderungen die Teilwerte der geförderten Wirtschaftsgüter mindern". Ein gedachter Erwerber ihres Unternehmens werde von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten der beweglichen Wirtschaftsgüter einen Abschlag in Höhe der staatlichen Subventionen machen. Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben.

Das FA hat Revision eingelegt und beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Bundesminister der Finanzen (BMF) ist dem Revisionsverfahren beigetreten. Er ist der Auffassung, daß eine "Teilwertminderung" nur dann in Betracht komme, wenn die Subventionierung von Wirtschaftsgütern derart in das Marktgeschehen eingreife, daß sie eine allgemeine preismindernde Wirkung habe. Das sei hinsichtlich der der Klägerin gewährten Zulagen und Zuschüsse nicht der Fall.

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage. Denn die Klägerin hat die von der Rechtsprechung entwickelten Teilwertvermutungen nicht entkräftet.

Die Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens sind bei der Feststellung des Einheitswertes für den gewerblichen Betrieb der Klägerin gemäß § 109 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) mit dem Teilwert anzusetzen. Teilwert ist der Betrag, den ein Erwerber des ganzen Unternehmens im Rahmen des Gesamtkaufpreises (ohne daß eine Gesamtbewertung erforderlich ist, vgl. das Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 30. November 1988 II R 237/83, BFHE 155, 140, BStBl II 1989, 183) für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde, wobei von der Fortführung des Unternehmens auszugehen ist (§ 10 Sätze 2 und 3 BewG).

Im Interesse der Objektivierung und der erforderlichen Vereinfachung und Vereinheitlichung der Bewertung hat die Rechtsprechung Teilwertvermutungen entwickelt, die dazu führen, daß die Steuerpflichtigen die objektive Feststellungslast für die Tatsachen trifft, mit denen Teilwertvermutungen entkräftet werden sollen (BFH-Urteile vom 8. Mai 1981 III R 26/79, BFHE 133, 567, BStBl II 1981, 702, III R 109/76, BFHE 133, 572, BStBl II 1981, 700; vgl. ferner Beck'scher Bilanzkommentar, § 253 HGB Tz. 307).

Die Teilwertvermutungen gehen dahin, daß die Anschaffungs- oder Herstellungskosten im Zeitpunkt der Anschaffung oder Fertigstellung dem Teilwert entsprechen und daß der Teilwert zu einem späteren Zeitpunkt den Wiederbeschaffungskosten bzw. bei bestimmten Wirtschaftsgütern ohne Marktpreis den um die AfA verminderten Anschaffungs- oder Herstellungskosten entspricht (vgl. die BFH-Urteile vom 20. Mai 1988 III R 151/86, BFHE 153, 566, BStBl II 1989, 269, und in BFHE 155, 140, BStBl II 1989, 183).

Werden für die Anschaffung oder Herstellung bestimmter Wirtschaftsgüter von der öffentlichen Hand Zulagen oder Zuschüsse gezahlt, so ändert dies grundsätzlich nichts daran, daß den genannten Teilwertvermutungen die ungekürzten Anschaffungs- oder Herstellungskosten zugrunde zu legen sind. Davon gehen im Ergebnis auch die Urteile des III. Senats aus, die letztlich Anlaß für das vorliegende und andere Revisionsverfahren waren (BFHE 133, 567, BStBl II 1981, 702; BFHE 133, 572, BStBl II 1981, 700). Denn für die dort entschiedenen Fälle ist jeweils angenommen worden, daß die Entkräftung der auf den vollen Anschaffungskosten basierenden Teilwertvermutungen den jeweiligen Klägern gelungen ist.

Nichts anderes folgt daraus, daß bilanzsteuerrechtlich hinsichtlich der öffentlichen Investitionszuschüsse ein Wahlrecht des Steuerpflichtigen dahingehend angenommen wird, diese Zuschüsse entweder erfolgswirksam zu vereinnahmen, so daß eine Minderung der zu aktivierenden Anschaffungs- oder Herstellungskosten nicht eintritt, oder sie dadurch erfolgsneutral zu behandeln, daß von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten der geförderten Wirtschaftsgüter ein Betrag in Höhe der Zuschüsse abgezogen wird (vgl. das BFH-Urteil vom 17. September 1987 III R 225/83, BFHE 151, 373, 376, BStBl II 1988, 324). Die dort mögliche erfolgsneutrale Vereinnahmung, die im Ergebnis dazu dient, die ertragsmäßigen Auswirkungen der Bezuschussung auf die Abschreibungszeit zu verteilen, ist nicht geeignet, die Grundlage für die Teilwertvermutungen zu verändern. Sollen die Teilwertvermutungen ihren Sinn behalten, so müssen sie trotz Zahlung von Zuschüssen und Zulagen von den vollen Anschaffungs- oder Herstellungskosten ausgehen.

Dies gebietet auch ein Vergleich mit der bilanzsteuerrechtlichen Behandlung der Zulagen. Denn hier ist vom Gesetzgeber durchweg angeordnet worden, daß sie die steuerlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten nicht mindern (vgl. z.B. § 5 Abs. 2 Satz 2 InvZulG, § 19 Abs. 4 Satz 4 des Berlinförderungsgesetzes - BerlinFG -, § 4 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes über eine Investitionszulage für Investitionen in der Eisen- und Stahlindustrie - StahlInvZulG -). Da es nicht denkbar ist, für die Teilwertvermutungen unterschiedliche Anschaffungs- oder Herstellungskosten anzusetzen, je nachdem, ob Zulagen oder Zuschüsse gezahlt worden sind, für die nicht die Aktivierung gewählt worden ist, spricht auch dieser Umstand dafür, für die Teilwertvermutungen von den ungekürzten Anschaffungs- oder Herstellungskosten auszugehen.

Hieran ändert auch der Umstand nichts, daß der IV. Senat jüngst die Auffassung vertreten hat (vgl. Urteil vom 14. Juli 1988 IV R 78/85, BFHE 154, 212, BStBl II 1989, 189), daß öffentliche Investitionszuschüsse grundsätzlich zu einer Minderung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten führen, und sich dabei auf § 255 Abs. 1 Satz 3 des Handelsgesetzbuches (HGB) gestützt hat. Unabhängig davon, ob dieser Auffassung zu folgen sein wird, ist sie nicht anders zu beurteilen als das sonst vertretene Wahlrecht. Sie zielt auf die Verteilung der Zuschüsse auf die Nutzungsdauer der angeschafften oder hergestellten Wirtschaftsgüter, nicht aber auf die Ermittlung der Teilwerte, für die die Teilwertvermutungen von Bedeutung sind. Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn feststände, daß die Zahlung von Investitionszulagen oder von Investitionszuschüssen der Verminderung der Marktpreise für die Investitionsgüter diente und somit preisregulierende Funktion hätte. Dies aber ist nicht der Fall. Denn die Zulagen und Zuschüsse der hier zu beurteilenden Art werden nicht allgemein, sondern nur unter bestimmten Voraussetzungen gezahlt.

Unter den vorgenannten Umständen wäre die Klage der Klägerin nur dann begründet, wenn ihr die Entkräftung der Teilwertvermutungen gelungen wäre. Dabei geht der Senat für die Prüfung der Revision des FA und der Klage davon aus, daß die vom FA für die abnutzbaren Wirtschaftsgüter angesetzten Werte, deren Höhe vom FG nicht festgestellt worden ist, nach Abschn. 52 VStR ermittelt worden sind, wobei Ausgangspunkt für die Ermittlung der Werte die ungekürzten Anschaffungs- oder Herstellungskosten waren. Da die Klägerin nicht vorgetragen hat, daß und warum die so ermittelten Werte im Einzelfall die Teilwerte übersteigen, kann der Senat nur prüfen, ob die Teilwertvermutungen bei der Gewährung von Zulagen nach § 1 InvZulG bzw. von Zuschüssen aufgrund des Gesetzes über die Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" allgemein als entkräftet gelten. Das ist, wie der BMF zu Recht ausgeführt hat, nicht der Fall.

Die Investitionszulagen nach § 1 InvZulG werden für bestimmte Investitionen im Zonenrandgebiet und in anderen förderungsbedürftigen Gebieten und somit nicht jedem Unternehmer für alle Wirtschaftsgüter seiner Wahl gezahlt. Deshalb kann nicht davon ausgegangen werden, daß diese Zahlungen allgemein in das Marktgeschehen eingegriffen und den Marktwert neuer Wirtschaftsgüter negativ beeinflußt haben.

Die Zulagen sind auch nicht mit besonderen Verwendungsauflagen verknüpft, die den Belastungen vergleichbar wären, die z.B. in den seinerzeit vom III. Senat entschiedenen Fällen angenommen worden sind. Der Senat verweist hierzu vor allem auf die erheblichen Bindungen bei der Errichtung und dem Betrieb von Kohlekraftwerken. Auch in dem Seeschiffsfall bestand eine zehnjährige Bindungsfrist, innerhalb welcher der Reeder über das Schiff nur bedingt verfügen konnte und überdies das Schiff die deutsche Flagge führen mußte. Die nur dreijährige Bindung in den Fällen des § 1 InvZulG ist hiermit nicht vergleichbar. Der BMF hat im übrigen im Seeschiffsfall Zweifel, ob die Entkräftung der Teilwertvermutung gelungen ist. Diese Frage braucht hier jedoch nicht vertieft zu werden.

Auch hinsichtlich der Zuschüsse nach dem Gesetz über die Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" ist nicht ersichtlich, daß die in bestimmten benachteiligten Regionen gezahlten Zuschüsse allgemein die Marktpreise für Investitionsgüter negativ beeinflußt haben, so daß auch hier keine Kürzung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten um die Zuschüsse bei Anwendung der Teilwertvermutungen in Betracht kommt.

Der in diesem Zusammenhang gemachte Hinweis, ein gedachter Erwerber werde für die einzelnen Wirtschaftsgüter deshalb weniger zahlen, weil er selbst bei einer Neuanschaffung eine Zulage oder einen Zuschuß erhalten könne, ist nicht stichhaltig. Es wird übersehen, daß es beim Ansatz der Teilwerte nicht um den Aufbau eines neuen Unternehmens geht, sondern um den gedachten Erwerb eines lebenden Unternehmens, in dessen Betriebsvermögen sich auch bezuschußte Wirtschaftsgüter befinden. Der Hinweis könnte allenfalls dann Bedeutung haben, wenn allgemein gesagt werden könnte, daß bezuschußte Wirtschaftsgüter einen geringeren Teilwert haben, als ihre Anschaffungs- oder Herstellungskosten. Dies aber ist nach Auffassung des Senats nicht der Fall, wenn die Zuschüsse und Zulagen nicht allgemein der Verminderung des Marktpreises, sondern der Förderung des Unternehmens dienen, das die Zuschüsse und Zulagen erhält.

Der Senat entscheidet in der Sache selbst (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die Klage ist abzuweisen. Sie ist unbegründet. Denn die Klägerin hat sich nur allgemein darauf berufen, daß die Teilwertvermutungen grundsätzlich durch die Zahlung von Zulagen und Zuschüssen beeinflußt werden, darüber hinaus aber keine konkreten Tatsachen geltend gemacht, aus denen sich ergeben könnte, daß die in dem angefochtenen Bescheid angesetzten Werte die Teilwerte übersteigen.