| Home | Index | EStG | Neuzugang | Impressum  
       

 

 

 

 

 

 

BFH-Urteil vom 16.3.1989 (IV R 153/86) BStBl. 1989 II S. 557

Zahlt der Betriebserwerber den vereinbarten Kaufpreis vor Übergabe des Betriebs mit befreiender Wirkung an eine vom Veräußerer bevollmächtigte Person, so sind bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns die Vermögensverhältnisse des Bevollmächtigten zu berücksichtigen.

EStG §§ 4, 5, 16.

Vorinstanz: FG Berlin

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), der mit der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) zur Einkommensteuer zusammen veranlagt wird, veräußerte im Streitjahr seinen Gewerbebetrieb (Imbißstube) gegen Zahlung von 45.000 DM. Mit dem Erwerber war vereinbart, dieser solle den noch offenen Teil der Kaufpreisforderung in Höhe von 32.680 DM bar an den Makler zahlen, der den Kaufvertrag vermittelt hatte. Diese Zahlung erfolgte am 28. August 1981, dem Tag vor der Übergabe des Betriebs durch den Kläger an den Erwerber (29. August 1981). Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß durch diese Zahlung der Kaufpreisanspruch des Klägers erloschen ist. Der Makler leitete das vereinnahmte Entgelt pflichtwidrig nicht an den Kläger weiter, sondern behielt es für sich. Der Kläger hatte bereits am Tag der Betriebsübergabe vergeblich versucht, den Makler zu erreichen und von ihm die Herausgabe des Geldes zu verlangen. Der Makler ist nach Strafanzeige des Klägers später u.a. wegen Unterschlagung des für den Kläger vereinnahmten Kaufpreises zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden. Wegen der schlechten Vermögensverhältnisse des Maklers konnte der Kläger seinen Ersatzanspruch nicht verwirklichen.

Der Kläger erklärte aus der Betriebsveräußerung zunächst einen - nach § 16 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerfreien - Veräußerungsgewinn in Höhe von 24.672 DM, machte dann jedoch mit dem Einspruch gegen den Steuerbescheid des Beklagten und Revisionsklägers (Finanzamt - FA -) geltend, es sei ein Veräußerungsverlust entstanden, den er durch Abzug des vom Makler unterschlagenen Betrags (32.680 DM) vom ursprünglich erklärten und vom FA übernommenen Veräußerungsgewinn (24.672 DM) mit 8.008 DM errechnete. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

Auf die Klage setzte das Finanzgericht (FG) die Einkommensteuer für das Streitjahr abweichend vom Einkommensteuerbescheid des FA vom 27. Juni 1983 und der Einspruchsentscheidung vom 25. März 1985 unter Berücksichtigung eines Veräußerungsverlusts von 8.008 DM fest. Das FG war der Auffassung, der Verlust sei dem betrieblichen Bereich des Klägers zuzuordnen, und ließ die Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) wegen Abweichung seiner Entscheidung vom Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 24. September 1976 I R 41/75 (BFHE 120, 212, BStBl II 1977, 127) zu.

Dagegen richtet sich die vom FG zugelassene Revision des FA. Das FA rügt Abweichung des FG-Urteils vom BFH-Urteil in BFHE 120, 212, BStBl II 1977, 127. Die Leistung des Käufers/Schuldners an den von den Klägern/Gläubigern bevollmächtigten Makler gelte als Leistung an sie selbst. Wenn der Schuldner nach dem Inhalt des Vertrags oder durch besondere Erklärung der Gläubiger ermächtigt gewesen sei, an den Makler zu zahlen, so habe er seine Schuld mit befreiender Wirkung geleistet (§ 362 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -). Den Klägern seien die Einnahmen zugeflossen, als der von ihnen beauftragte Makler das Geld in Empfang genommen habe. Gehe ein Forderungsbetrag an einen Empfangsbevollmächtigten, so werde die Einnahme den Gläubigern zugerechnet, als hätten sie sie selbst empfangen (§ 11 EStG, Abschn. 116 Abs. 1 der Einkommensteuer-Richtlinien - EStR -). Daraus folge, daß den Klägern der Kaufpreis zuzurechnen sei und der Verlust des Geldes im Privatvermögen der Kläger liege.

Das FA beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Zur Begründung beziehen sie sich auf die Ausführungen des FG im angefochtenen Urteil.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet und muß deshalb zurückgewiesen werden (§ 126 Abs. 2 FGO).

1. Nach den tatsächlichen und den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO mangels zulässiger und begründeter Verfahrensrügen bindenden Feststellungen des FG ist davon auszugehen, daß der vereinbarungsgemäß an den Makler zu entrichtende Restkaufpreis diesem am 28. August 1981 gezahlt wurde, daß der Betrieb am 29. August 1981 übergeben wurde und daß der Erwerber von seiner Verpflichtung gegenüber dem Kläger durch die am 28. August 1981 erfolgte Zahlung an den Makler als Empfangsbevollmächtigten freigeworden war. Der Vermögensverlust des Klägers ist somit nicht dadurch entstanden, daß die Forderung gegen den Erwerber des Betriebs ausgefallen ist oder an Wert verloren hat. Der Vermögensverlust ist vielmehr dadurch eingetreten, daß der vom Kläger mit der Entgegennahme des Kaufpreises beauftragte Makler den empfangenen Betrag unterschlagen oder veruntreut hat und der Kläger seinen Schadensersatzanspruch gegen den Makler wegen dessen schlechter Vermögensverhältnisse nicht realisieren konnte.

2. Ob und in welcher Höhe der Kläger durch diese Vorgänge einen Veräußerungsgewinn i.S. des § 16 EStG erzielt hat, ist nach den für die Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich geltenden Grundsätzen (§§ 4 Abs. 1, 5 EStG) zu beurteilen, und zwar auch dann, wenn der Kläger seinen laufenden Gewinn durch Überschußrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt haben sollte. Denn nach § 16 Abs. 2 EStG wird der Veräußerungsgewinn als Unterschiedsbetrag zwischen dem Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten und dem Wert des Betriebsvermögens ermittelt, wobei der Wert des Betriebsvermögens für den Zeitpunkt der Veräußerung nach § 4 Abs. 1 oder nach § 5 EStG ermittelt wird. Danach gilt folgendes:

Die Übergabe des Geldbetrags an den Makler führte noch nicht zur Entstehung eines Veräußerungsgewinns. Denn der Kläger hatte zu diesem Zeitpunkt (28. August 1981) die ihm obliegende Leistung (Übergabe des Betriebs) noch nicht erbracht und durfte somit die Kaufpreisforderung noch nicht als realisiert ausweisen. Bilanziell handelte es sich um eine Vorauszahlung des Betriebserwerbers, der ein entsprechender Passivposten (erhaltene Vorauszahlung) gegenüberstand. Zur Gewinnrealisierung konnte es erst mit der Übergabe des Betriebs an den Erwerber kommen, da nunmehr die Kaufpreisforderung entstanden war und die Rückzahlungspflicht aus der passivierten Vorauszahlung entfiel. Unabhängig hiervon bestand aus der Vorauszahlung eine Forderung gegen den Makler, da dieser verpflichtet war, das vereinnahmte Entgelt an den Kläger weiterzuleiten. In die auf den 29. August 1981 aufzustellende Schlußbilanz des Klägers durfte die Forderung gegen den Makler nicht mit dem Nennwert, sondern nur mit dem gemeinen Wert, der ihr am 29. August 1981 beizulegen war, aufgenommen werden (vgl. BFH-Urteil vom 19. Januar 1978 IV R 61/73, BFHE 124, 327, 329, BStBl II 1978, 295, 296). Der Kläger hat im Verfahren vor dem FG vorgetragen, er habe schon am Tage der Betriebsübergabe vergeblich versucht, den Makler zu erreichen und die Restzahlung zu erhalten; er sei sich deshalb schon bei der Übergabe des Betriebs bewußt gewesen, daß er den Restkaufpreis wohl nicht erhalten werde. Das FA hat diesem Vortrag nicht widersprochen. Der Senat geht danach in tatsächlicher Hinsicht von einem diesem Vortrag entsprechenden Verlauf der Dinge aus, zumal es auch der Lebenserfahrung entspricht, daß der Kläger um die alsbaldige Auszahlung des Restkaufpreises bemüht war. Daraus und aus dem weiteren Umstand, daß der Makler auch danach den vereinnahmten Betrag nicht an den Kläger gezahlt hat, vielmehr wegen Unterschlagung des Betrags rechtskräftig verurteilt wurde und der Kläger seinen Ersatzanspruch wegen der schlechten Vermögensverhältnisse des Maklers nicht durchsetzen konnte, folgt aber weiter, daß der Anspruch schon am 29. August 1981 nicht mit dem Nennbetrag angesetzt werden durfte. Das FG ist in Übereinstimmung mit dem Vortrag des Klägers davon ausgegangen, der Anspruch gegen den Makler sei, da nicht realisierbar, wertlos. Das FA hat dem nicht widersprochen. Der Senat geht danach mit den Beteiligten davon aus, daß der Anspruch des Klägers gegen den Makler in der Tat wertlos war, und zwar von Anfang an, da nichts dafür spricht und auch nichts dafür vorgetragen ist, daß der Anspruch wegen einer nach dem 29. August 1981 eingetretenen Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Maklers zunächst werthaltig war und erst danach seinen Wert verloren hat. Das FA hat allerdings geltend gemacht, der Verlust sei im Privatvermögen des Klägers eingetreten. Dem Kläger sei die Einnahme zugeflossen, als der Makler das Geld in Empfang genommen habe. Dabei übersieht das FA, daß die Zahlung an den Makler, wie dargelegt, zunächst als erfolgsneutrale Vorauszahlung anzusehen war. Erst mit der Übergabe des Betriebs an den Erwerber kam es zur Gewinnrealisierung, wobei jedoch, da der Erwerber von seiner Verpflichtung freigeworden war, auf die Vermögensverhältnisse des zur Weiterleitung des Kaufpreises verpflichteten Maklers abzustellen war.

3. Damit erweist sich die Entscheidung des FG im Ergebnis als zutreffend. Die vom FG für entscheidend gehaltene Frage, welchen Einfluß auf die Besteuerung eines Betriebsveräußerungsgewinns der nach der Betriebsveräußerung eintretende Verlust der Kaufpreisforderung gegen den Erwerber hat, stellt sich jedoch nicht. Der Senat braucht sich deshalb auch nicht mit den Einwendungen gegen die ständige Rechtsprechung des BFH (vgl. Urteile vom 23. November 1967 IV R 173/67, BFHE 90, 378, BStBl II 1968, 93; in BFHE 120, 212, 216, BStBl II 1977, 127, 129; in BFHE 124, 327, 329, BStBl II 1978, 295, 296; vom 28. Januar 1981 I R 234/78, BFHE 133, 30, 32, BStBl II 1981, 464, 465; vom 26. Juni 1985 IV R 22/83, BFH/NV 1987, 24, 25) auseinanderzusetzen, nach der die Forderung aus der Veräußerung des Betriebs im ganzen mit der Bewirkung der vom Veräußerer geschuldeten Leistung (Betriebsübertragung) unmittelbar in das Privatvermögen des Veräußerers übergeht.