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BFH-Urteil vom 30.3.1989 (IV R 81/87) BStBl. 1989 II S. 558

1. Hat eine Personengesellschaft ihren Betrieb veräußert, so ist der Anteil eines Gesellschafters am Veräußerungsgewinn auch dann gemäß §§ 16, 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG begünstigt, wenn ein anderer Gesellschafter § 6b EStG in Anspruch genommen hat.

2. Soll im Wege der Bilanzänderung eine bisher gebildete Rücklage nach § 6b EStG rückgängig gemacht werden, um einem Gesellschafter, der binnen der Zweijahresfrist keine Ersatzbeschaffung tätigen konnte, die tarifbegünstigte Besteuerung seines Anteils am Veräußerungsgewinn zu ermöglichen, so handelt das FA nicht ermessensfehlerhaft, wenn es die Zustimmung zur Bilanzänderung versagt, weil der Gesellschafter sonst neben dem Kaufvorteil auch den Vorteil aus der Steuerstundung genießen würde.

EStG 1979 § 6b Abs. 3, § 16, § 34 Abs. 1.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

Der Kläger war Kommanditist der beigeladenen KG, die ein Küstenmotorschiff betrieb. Die Beigeladene verkaufte das Schiff im Jahre 1979 und stellte ihren Betrieb ein. Der entstandene Veräußerungsgewinn wurde von einigen Gesellschaftern auf Reinvestitionsobjekte in anderweitigem Betriebsvermögen übertragen. In Höhe des auf drei weitere Gesellschafter entfallenden Veräußerungsgewinns von 793.910 DM bildete die Beigeladene in ihrer Bilanz zum 31. Dezember 1979 eine Rücklage gemäß § 6b des Einkommensteuergesetzes (EStG). Dementsprechend erklärte die Beigeladene in ihrer Gewinnfeststellungserklärung für 1979 keinen Veräußerungsgewinn. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) stellte den Gewinn nach dieser Erklärung fest; der Feststellungsbescheid steht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. In der Gewinnfeststellung 1981 löste das FA die Rücklage zugunsten des laufenden Gewinns auf.

Zuvor hatte die Beigeladene beantragt, die Gewinnfeststellung 1979 zu ändern und den Anteil des Klägers am Gewinn aus der Veräußerung des Seeschiffes in Höhe von 308.758 DM als tarifbegünstigten Veräußerungsgewinn in die Gewinnfeststellung einzubeziehen; sie hatte in diesem Zusammenhang eine Ergänzungsbilanz für den Kläger eingereicht, in der ein entsprechender Gewinn ausgewiesen wird. Zur Begründung ihres Antrags führte die Beigeladene aus, daß sie als Ersatz für das verkaufte Schiff einen Neubau bei einer ausländischen Werft in Auftrag gegeben habe, der aber wegen eines Vertragsbruchs der Werft nicht abgeliefert worden sei. Pläne des Klägers, sich an einem anderen Neubau zu beteiligen, hätten sich zerschlagen; erst im Jahre 1983 habe ein neues Schiff erworben werden können. Das FA lehnte demgegenüber eine Zustimmung zur Bilanzänderung und zur Änderung des Gewinnfeststellungsbescheids 1979 ab.

Die hiergegen gerichtete Klage blieb erfolglos.

Hiergegen richtet sich die vom FG zugelassene Revision des Erben des Klägers, mit der die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet; das FA hat den Antrag der Beigeladenen auf Änderung der Gewinnfeststellung 1979 zu Recht abgelehnt.

1. Die Beigeladene hat mit der Veräußerung ihres einzigen Schiffes ihre wesentliche Betriebsgrundlage und damit ihren Gewerbebetrieb im ganzen veräußert (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 4. Februar 1982 IV R 150/78, BFHE 135, 202, BStBl II 1982, 348). Der hieraus entstandene Veräußerungsgewinn (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 EStG) war von den Gesellschaftern in Gestalt ihrer Gewinnanteile zu versteuern (§ 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG); der Gewinnanteil war tarifbegünstigt (§ 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG).

Der Ausweis eines Veräußerungsgewinns ließ sich jedoch dadurch vermeiden, daß die Gesellschafter von den Möglichkeiten des § 6b EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung Gebrauch machten, indem sie den Veräußerungsgewinn von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten geeigneter Reinvestitionsobjekte abzogen oder für ihn eine Rücklage bildeten. Von der ersten Möglichkeit haben eine Reihe der Gesellschafter Gebrauch gemacht, indem sie den auf sie entfallenden Veräußerungsgewinn auf Wirtschaftsgüter in einem anderen Betriebsvermögen übertrugen. Dieses Vorgehen ist gerechtfertigt, weil es sich bei § 6b EStG um eine auf die Person des Steuerpflichtigen bezogene Vergünstigung handelt und deshalb nicht verlangt werden kann, daß die Personengesellschaft die Reinvestition vornimmt (BFH-Urteile vom 10. Juli 1980 IV R 136/77, BFHE 131, 313, BStBl II 1981, 84; vom 25. April 1985 IV R 83/83, BFHE 144, 25, BStBl II 1986, 350). Von der zweiten Möglichkeit hat die Beigeladene im Interesse der übrigen Gesellschafter Gebrauch gemacht, indem sie für den verbleibenden Veräußerungsgewinn in ihrer Handelsbilanz zum 31. Dezember 1979 eine gewinnmindernde Rücklage bildete (§ 6b Abs. 3 Satz 6 EStG); ob sie sich zu diesem Zeitpunkt bereits in der Liquidation befand, hat keine Bedeutung.

2. Die Beigeladene will die Rücklage zum 31. Dezember 1979 nunmehr um den auf den Kläger entfallenden Anteil am Veräußerungsgewinn verringern, um diesem nachträglich die tarifbegünstigte Versteuerung seines Gewinnanteils zu ermöglichen. Dem würde entgegen der Ansicht des FG nicht im Wege stehen, daß für andere Gesellschafter die Möglichkeiten des § 6b EStG in Anspruch genommen worden sind. Denn § 34 Abs. 1 Satz 3 EStG versagt die Tarifbegünstigung nur, wenn der Steuerpflichtige von § 6b EStG Gebrauch macht; dies ist im Falle einer Personengesellschaft der einkommensteuerpflichtige Gesellschafter, der die Möglichkeiten des § 6b EStG entweder selbst oder mittels der Personengesellschaft in Anspruch nimmt. Der Gesellschafter steht insoweit nicht anders als im Falle der Veräußerung seines Mitunternehmeranteils (dazu Urteil in BFHE 144, 25, BStBl II 1986, 350). Ob die verbleibende Rücklage noch auf Reinvestitionen der Gesellschaft übertragen werden kann, wenn ein Gesellschafter seinen Gewinnanteil versteuert und an der Rücklage keinen Anteil hat, ist nicht zu entscheiden; diese Frage stellt sich auch, wenn einzelne Gesellschafter ihren Anteil am Veräußerungsgewinn auf andere Wirtschaftsgüter übertragen und nur für den verbleibenden Gewinn eine Rücklage nach § 6b Abs. 3 EStG gebildet wird.

3. Die tarifbegünstigte Versteuerung durch den Kläger setzt jedoch voraus, daß in der einheitlichen Gewinnfeststellung der Beigeladenen für 1979 ein Anteil des Klägers am Veräußerungsgewinn ausgewiesen wird (§ 180 Abs. 1 Nr. 2a, § 175 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung - AO 1977 -). Das ist bisher nicht geschehen. Die Beigeladene und der Kläger haben eine Änderung des unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Gewinnfeststellungsbescheids gemäß § 164 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 erstrebt. Da über die Inanspruchnahme der Rücklage in der Handelsbilanz der Beigeladenen entschieden wird (§ 6b Abs. 3 Satz 6 EStG), müßte zu diesem Zweck die Rücklage ermäßigt und die Handelsbilanz insoweit geändert werden. Die Beigeladene hat allerdings nicht ihre Handelsbilanz geändert, sondern nachträglich eine "Ergänzungsbilanz" des Klägers zum 31. Dezember 1979 eingereicht, in der für diesen ein Veräußerungsgewinn ausgewiesen und gleichzeitig als entnommen angesehen wird. Ob dies einer Änderung der von allen Gesellschaftern zu beschließenden Handelsbilanz gleichzustellen ist, kann offenbleiben. Denn nach § 4 Abs. 2 EStG kann eine dem FA eingereichte Bilanz nur mit dessen Zustimmung geändert werden, soweit es sich nicht um eine im Streitfall nicht in Betracht kommende Berichtigung von Bilanzierungsfehlern handelt. Das FA hat seine Zustimmung in rechtlich nicht zu beanstandender Weise versagt.

4. Bei der Versagung handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, die von den Steuergerichten nur im Rahmen des § 102 der Finanzgerichtsordnung (FGO) überprüft werden kann; hierbei ist vor allem dem Zweck der Ermächtigung in § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG Rechnung zu tragen.

Die Rechtsprechung hat angenommen, daß das FA die Zustimmung zu einer Bilanzänderung erteilen müsse, wenn sich die Grundlagen, auf denen die bisherige Bilanzierung durch den Steuerpflichtigen beruht, wesentlich geändert haben (vgl. BFH-Urteil vom 30. März 1983 I R 178/79, BFHE 138, 236, BStBl II 1983, 512). In einem solchen Zusammenhang ist auch eine Bilanzänderung durch nachträgliche Bildung einer Rücklage nach § 6b EStG anerkannt worden (BFH-Urteile vom 25. Juli 1979 I R 175/76, BFHE 129, 17, BStBl II 1980, 43; vom 14. Dezember 1982 VIII R 53/81, BFHE 137, 339, BStBl II 1983, 303). Der Senat läßt offen, ob eine wesentliche Änderung von Bilanzierungsgrundlagen dementsprechend auch anzunehmen ist, wenn sich eine ursprünglich beabsichtigte Reinvestition des Veräußerungsgewinns nicht durchführen läßt und im Hinblick hierauf eine Rücklage nach § 6b Abs. 3 EStG gebildet worden war und dies nunmehr rückgängig gemacht werden soll. Im Streitfall bestehen besondere Umstände, die die Entscheidung des FA als sachgerecht erweisen.

Die Beigeladene hat hinsichtlich des auf den Kläger entfallenden Veräußerungsgewinns zum 31. Dezember 1979 zunächst eine Rücklage gebildet, die das FA zum 31. Dezember 1981 aufgelöst hat; dies ist zutreffend unter Erhöhung des laufenden Gewinns geschehen (Urteil in BFHE 135, 202, BStBl II 1982, 348). Der Kläger hat durch die Inanspruchnahme der Rücklage während der Jahre 1980 und 1981 eine Steuerstundung in Anspruch genommen; § 6b Abs. 6 EStG in der nunmehr geltenden Fassung war für diese Jahre noch nicht anwendbar. Er will zusätzlich erreichen, daß der nunmehr bei ihm zu erfassende Veräußerungsgewinn tarifbegünstigt versteuert wird und damit sowohl die Tarifvergünstigung als auch den Vermögensvorteil aus der Steuerstundung in Anspruch nehmen; er stände damit besser, als hätte er sich von vornherein für die Besteuerung des Veräußerungsgewinns entschieden. Aus § 34 Abs. 1 Satz 3 EStG ergibt sich aber, daß die Steuervorteile des § 34 Abs. 1 EStG und des § 6b EStG nicht nebeneinander gewährt werden sollen. Ein Steuervorteil aus § 6b EStG ergibt sich auch, wenn die Rücklage mangels einer Reinvestition nach Ablauf von zwei Jahren aufgelöst werden muß, auch wenn dieser Vermögensvorteil nur begrenzten Umfang hat. Wenn das FA verhindern will, daß der Kläger zusätzlich auch noch die Tarifbegünstigung erlangt und deshalb die Zustimmung zur Bilanzänderung versagt, ist dies rechtlich nicht zu beanstanden; seine Entscheidung entspricht den Wertungen des § 34 Abs. 1 Satz 3 EStG.