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BFH-Urteil vom 15.2.1989 (X R 97/87) BStBl. 1989 II S. 604

Ein Gebäude ist wirtschaftlich verbraucht, wenn - ungeachtet einer fortbestehenden technischen Verwendbarkeit - für Erwerber und Veräußerer die Möglichkeit einer wirtschaftlich sinnvollen Verwendung durch Nutzung oder anderweitige Veräußerung endgültig entfallen ist.

EStG § 6 Abs. 1 Nr. 1.

Vorinstanz: FG Schleswig-Holstein

Sachverhalt

Entscheidungserheblich ist die Frage, ob ein mit der Verpflichtung zum Abbruch erworbenes Gebäude im Erwerbszeitpunkt wirtschaftlich verbraucht war.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Gesamtrechtsnachfolgerin nach ihrem im Dezember 1983 verstorbenen Ehemann A.J.

Mit Kaufvertrag vom 10. November 1976 erwarben die Klägerin und ihr verstorbener Ehemann von der Gemeinde H als Miteigentümer je zur Hälfte das ehemalige Schulgrundstück "K". Der Kaufpreis betrug 450.000 DM. Das 2.823 qm große Grundstück war mit einem jeweils ca. 70 Jahre alten Schul- und Turnhallengebäude bebaut.

§ 10 des Kaufvertrages lautet wie folgt:

"Die Käufer betreiben in K ein Einzelhandelsgeschäft, von dem wegen des starken, vornehmlich dänischen Kundenverkehrs unvermeidbare Beeinträchtigungen für die Bewohner von K ausgehen. Um diese Beeinträchtigungen zu beseitigen, soll das Geschäft auf das erworbene Grundstück verlegt und dort fortgeführt werden.

Die Käufer verpflichten sich deshalb, auf dem erworbenen Grundstück ein Ladengeschäft nach dem den vertragsschließenden Parteien vorliegenden Vorentwurf zu errichten. Mit dem Bau dieses Ladengeschäftes soll im Frühjahr 1977 begonnen werden.

Die für die Errichtung des Ladengeschäfts erforderliche Baugenehmigung werden die Käufer unverzüglich nach Vertragsabschluß bei der Baugenehmigungsbehörde beantragen...

Sollte für das geplante Bauvorhaben eine Baugenehmigung durch das Kreisbauamt nicht erteilt werden, steht den Käufern ein Rücktrittsrecht von diesem Vertrage zu.

Die Käufer verpflichten sich, nach Erteilung der Baugenehmigung im Zuge des Neubauvorhabens alle auf dem erworbenen Grundstück vorhandenen Gebäude auf ihre Kosten abzubrechen und den Abbruch zu entfernen."

Laut § 11 des Vertrages sollten die Erwerber innerhalb von 14 Tagen nach Eröffnung des neuen Ladengeschäfts das bisherige schließen. Für den Fall, daß sie die in §§ 10 und 11 des Vertrages aufgeführten Verpflichtungen nicht erfüllen konnten oder den unbebauten Kaufgegenstand weiterveräußerten, verpflichteten sie sich, "den Kaufgegenstand gegen Erstattung des ... vereinbarten Kaufpreises auf Verlangen der Verkäuferin an diese ... wieder zu verkaufen und aufzulassen".

Im Frühjahr 1977 wurden Schulgebäude und Turnhalle abgerissen. Im Herbst 1977 wurde mit dem Bau eines Selbstbedienungsmarktes begonnen. Die Schlußabnahme für den Neubau fand am 27. November 1978 statt.

Mit Verträgen vom 27. September und 19. Oktober 1977 erwarben die Eheleute J von der Gemeinde H sowie von einer Grundstücksgemeinschaft zwei weitere insgesamt 500 qm große unbebaute Trennstücke, die an das ehemalige Schulgrundstück angrenzen, zu einem qm-Preis von 28 DM.

Der verstorbene Ehemann der Klägerin behandelte den auf ihn entfallenden Kaufpreisanteil in Höhe von 225.000 DM zunächst als Anschaffungskosten für Grund und Boden. Nach Bekanntwerden des Beschlusses des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 12. Juni 1978 GrS 1/77 (BFHE 125, 516, BStBl II 1978, 620) minderte er in der Bilanz per 31. Dezember 1978 den Wertansatz für Grund und Boden um 156 407,19 DM. Um diesen Betrag und die anteiligen Abbruchkosten erhöhte er die Herstellungskosten des errichteten Neubaus und damit die Bemessungsgrundlage der Absetzung für Abnutzung (AfA).

Nach einer Außenprüfung rechnete der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) den anteiligen Kaufpreis des alten Schulgrundstücks in vollem Umfang den Anschaffungskosten des Grund und Bodens zu. Mit den Einsprüchen gegen die berechtigten Einkommensteuer- und Gewerbesteuermeßbescheide trug die Klägerin u.a. vor: Schulgebäude sowie Turnhalle seien zum Zeitpunkt des Erwerbes weder technisch noch wirtschaftlich objektiv wertlos gewesen. Dies ergebe sich nicht zuletzt aus der Nutzung zu Wohnzwecken und teilweise auch zu Lagerzwecken. Auch wenn Investitionen der Gemeinde H erforderlich gewesen wären, um das Schulgebäude einer anderen Nutzung zuzuführen, (z.B. für Gemeinschaftseinrichtungen, Club- oder Jugendzentrum), spräche dies nicht dafür, daß die Gemeinde den Gebäuden keinen Wert beigemessen habe, sondern ausschließlich dafür, daß die Gemeinde keine entsprechenden Haushaltsmittel gehabt habe. Der Wert des Grund und Bodens lasse sich mit Hilfe des qm-Preises von 28 DM ermitteln. Der Architekt S habe den Wert von Schulgebäude und Turnhalle zum Kaufzeitpunkt mit 300.000 DM bis 320.000 DM ermittelt.

Die Einsprüche hatten keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klagen abgewiesen. Es hat u.a. ausgeführt: Die Gebäude seien im Hinblick auf die vertragliche Nutzungsbeschränkung wirtschaftlich verbraucht gewesen; ihre Nutzung erscheine betriebswirtschaftlich sinnlos. Letztlich könne es keinen Unterschied machen, ob die Gemeinde H selbst die Gebäude abreiße und das Grundstück sodann verkaufe oder ob das noch bebaute Grundstück mit der Abbruchverpflichtung veräußert werde, sofern der Grundstückspreis - ggf. erhöht um die Abbruchkosten - gleichbleibe. Dafür, daß die Gemeinde einen anderen (niedrigeren) Kaufpreis verlangt hätte, wenn die Gebäude bereits abgerissen worden wären, sei nichts ersichtlich. Zwar genüge die bloße Abbruchabsicht des Erwerbers allein nicht, um einen Teilwert des Gebäudes von Null DM anzunehmen. Hier indes verdeutliche die vereinbarte Abbruchverpflichtung den Willen beider Vertragsparteien, den Gebäuden keinen Wert beizumessen.

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 6 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und das Übergehen von Beweisanträgen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, unter Aufhebung der angefochtenen Urteile und Änderung der angefochtenen Einkommensteuerbescheide und Gewerbesteuermeßbescheide für die Jahre 1978 bis 1980 nach den vor dem FG gestellten Anträgen zu erkennen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Die Feststellung des FG, der Kaufpreis sei wegen wirtschaftlichen Verbrauchs des Schul- und Turnhallengebäudes in voller Höhe für die Anschaffung des Grund und Bodens gezahlt worden, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

1. Erwirbt jemand ein Grundstück mit aufstehendem Gebäude, ist der einheitliche Kaufpreis nach objektiven Gesichtspunkten auf Grund und Boden einerseits und das Gebäude andererseits aufzuteilen (ständige Rechtsprechung, zuletzt BFH-Urteile vom 15. Januar 1985 IX R 81/83, BFHE 143, 61, 65, BStBl II 1985, 252; vom 17. Dezember 1985 IX R 73/84, BFH/NV 1986, 453, jeweils mit Nachweisen). Im betrieblichen Bereich ist im Zweifel nach dem Verhältnis der Teilwerte und bei Wirtschaftsgütern des Privatvermögens nach dem Verhältnis der Verkehrswerte aufzuteilen (Beschluß des Großen Senats in BFHE 125, 516, 526, BStBl II 1978, 620, Abschn. D II 3; BFH-Urteil vom 16. Dezember 1981 I R 131/78, BFHE 135, 185, 187, BStBl II 1982, 320). Das FG hat rechtsfehlerfrei entschieden, daß die mit Abbruchverpflichtung veräußerten Gebäude nach übereinstimmender Auffassung der Vertragsparteien wirtschaftlich verbraucht und damit objektiv wertlos waren. Unter dieser Voraussetzung entfällt der volle Kaufpreis auf Grund und Boden (vgl. BFH-Urteile vom 6. November 1968 I 64/65, BFHE 93, 551, BStBl II 1969, 35; vom 7. Oktober 1986 IX R 93/82, BFHE 148, 495, 501, am Ende, BStBl II 1987, 330).

2. a) Ein Gebäude ist jedenfalls dann wirtschaftlich verbraucht, wenn für Erwerber und Veräußerer - ungeachtet einer fortbestehenden technischen Verwendbarkeit (BFH-Beschluß vom 26. November 1973 GrS 5/71, BFHE 111, 245, 253, BStBl II 1974, 132) - die Möglichkeit einer wirtschaftlich sinnvollen Verwendung durch Nutzung oder anderweitige Veräußerung endgültig entfallen ist. Ob dies der Fall ist, beurteilt sich nach den Verhältnissen des Einzelfalles (vgl. BFH-Urteil vom 28. März 1973 I R 115/71, BFHE 109, 326, BStBl II 1973, 678). Diese Beurteilung obliegt in erster Linie dem Tatrichter. Das FG hat den Rechtsbegriff des wirtschaftlichen Verbrauchs zutreffend angewandt. Seine verfahrensfehlerfrei getroffene Feststellung, die Gebäude seien nach übereinstimmender Auffassung beider Vertragsparteien objektiv wertlos gewesen, ist möglich; es ist revisionsrechtlich nicht erforderlich, daß diese Feststellung zwingend ist.

b) Mit dem Abbruch eines Gebäudes bringt der Kaufmann in der Regel zum Ausdruck, daß das abgebrochene Gebäude für ihn wirtschaftlich verbraucht ist (BFH-Urteile vom 3. Dezember 1964 IV 422/62 S, BFHE 82, 214, BStBl III 1965, 323; in BFHE 109, 326, BStBl II 1973, 678; Beschluß in BFHE 125, 516, 523, BStBl II 1978, 620, Abschn. B II). Schul- und Turnhallengebäude waren vom Ehemann der Klägerin im hier maßgeblichen Zeitpunkt des Kaufvertrages nicht zur betrieblichen Nutzung, sondern zum sofortigen Abbruch bestimmt. Der Vortrag der Klägerin, ihr Ehemann habe zeitweilig erwogen, die vorhandenen Gebäude für betriebliche Zwecke lediglich umzubauen, ist unbeachtlich. Die Abbruchabsicht der Erwerber reicht indes für sich allein nicht aus, den Wert der Gebäude mit Null DM anzusetzen. Beim Erwerb von bebauten Grundstücken zum Zwecke des Abbruchs ist nach der ständigen Rechtsprechung des BFH die Abbruchabsicht des Erwerbers für den Veräußerer kein Anlaß, das Gebäude ohne ein marktgerechtes - auch anderweitig erzielbares - Entgelt zu veräußern. Der Erwerber würde daher - selbst wenn ihn der Grund und Boden allein interessiert - in der Regel das Grundstück nicht zum Wert des Grund und Bodens erwerben können, sondern das Gebäude mitbezahlen müssen (BFH-Urteil vom 21. Januar 1971 IV 123/65, BFHE 102, 464, BStBl II 1971, 682). Anderes gilt dann, wenn ein Gebäude - wie vorliegend - objektiv wirtschaftlich verbraucht und daher auch für den Veräußerer wertlos ist (vgl. BFH-Urteil vom 7. Dezember 1978 I R 142/76, BFHE 128, 178, BStBl II 1979, 729).

c) Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, daß eine eigene Nutzung des Gebäudes durch die Gemeinde H insbesondere aus Haushaltsgründen weder möglich noch - im Zeitpunkt der Veräußerung - beabsichtigt war. Das bebaute Grundstück hätte einen Ertragswert allenfalls nach einer Funktionsänderung in ein Mietwohngrundstück, Geschäftsgrundstück oder gemischt genutztes Grundstück (wieder) erlangen können. Das FG hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, daß, soweit bis zum Abbruch Einnahmen aus Vermietung erzielt wurden, diese "durch Grundstückslasten mehr als kompensiert" wurden. Es konnte hieraus den Schluß ziehen, daß eine Nutzung "nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen sinnlos erschien".

d) Das FG hat verfahrensfehlerfrei festgestellt, daß das vertraglich abgesicherte Interesse der Gemeinde H an einem Abbruch der Gebäude auf deren Willen schließen ließ, den Gebäuden keinen Wert beizumessen. Die Vereinbarung eines Abbruchs durch die Erwerber ist für die Gemeinde H die Konsequenz aus einer langjährigen vergeblichen Suche nach anderweitigen Nutzungs- bzw. Verwertungsmöglichkeiten, die u.a. wegen der Nachfragesituation auf dem Grundstücksmarkt nicht zu realisieren waren. Bereits diese verminderte Verwendbarkeit führte zu einer wirtschaftlichen Minderung des Sachwerts (vgl. § 88 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes - BewG -; §§ 15 ff., 18 der Verordnung über Grundsätze für die Ermittlung des Verkehrswerts von Grundstücken - WertV - i. d. F. vom 15. August 1972, BGBl I 1972, 1.416, die anerkannte Grundsätze für die Schätzung der Verkehrswerte von Grundstücken beinhalten). Eine anderweitige, auf die Bausubstanz des "außer Dienst gestellten" Schulgebäudes - ggf. nach Umbau - abgestimmte, wirtschaftlich sinnvolle Nutzung durch die Gemeinde und Dritte war nach den Feststellungen des FG praktisch ausgeschlossen. Darüber hinaus war die einzig mögliche Verwertung des Grund und Bodens für die Gemeinde mit dem zusätzlichen Vorteil verbunden, durch Verlagerung des Gewerbebetriebs J ein dringliches kommunalpolitisches Problem zu lösen. Durch den Verkauf mit Abbruchverpflichtung brachte die Gemeinde H zum Ausdruck, daß der gemeine Wert des Baugrundstücks den wirtschaftlichen Ertrag des Grundstücks mit Gebäuden überstieg (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs vom 3. Oktober 1934 VI A 676/33, RStBl 1935, 333). Mithin waren die Vertragsparteien - wenn auch aus unterschiedlichen Motiven - einig darüber, daß der Abbruch der Gebäude die aus ihrer Sicht wirtschaftlich sinnvollste Lösung war.

e) Ohne Erfolg verweist die Klägerin auf das BFH-Urteil vom 15. Dezember 1981 VIII R 116/79 (BFHE 135, 267, BStBl II 1982, 385). In diesem Urteilsfalle hatte sich der Steuerpflichtige der veräußernden Stadt gegenüber verpflichtet, binnen zwei Jahren nach Übergang von Besitz und Nutzungen - nach Abriß der aufstehenden Altbauten (Mietshäuser) - mit dem Bau eines neuen Geschäfts- und Wohnhauses zu beginnen. Der VIII. Senat führte aus, eine Verkürzung der Nutzungsdauer des Gebäudes wegen des beabsichtigten Abbruchs sei nicht zulässig. Die Revision führte zur Aufhebung und Zurückverweisung, da das FG hatte dahingestellt sein lassen, ob der Kaufpreis - so die Darlegung des FA - nur für den Grund und Boden entrichtet worden war oder zum Teil auch für die aufstehenden Gebäude. Für die rechtlich gebotene Aufteilung nach dem Verhältnis der Verkehrswerte der verschiedenen Wirtschaftsgüter könne "dem Umstand, daß die Gebäude abgesprochen werden sollen" keine Bedeutung beigemessen werden, "weil auf den objektiven Wert von Grund und Boden und Gebäude abzustellen" sei. Dem hiermit angesprochenen Grundsatz stimmt der Senat zu, da ein vom Veräußerer - z.B. im Rahmen von Sanierungsmaßnahmen - gewünschter Abbruch von Gebäuden nicht notwendigerweise Folge eines wirtschaftlichen Verbrauchs der Bausubstanz ist. Im übrigen ließ der Hinweis des VIII. Senats für die weitere Sachbehandlung im zweiten Rechtszug Raum für die Feststellung, daß der "objektive Wert der Gebäude" wegen technischen und/oder wirtschaftlichen Verbrauchs mit Null DM anzusetzen war.

3. Die Angriffe der Revision gegen die Sachverhaltswürdigung des FG greifen nicht durch. Das Vorbringen der Klägerin, ein über den ortsüblichen Preis für vergleichbare unbebaute Grundstücke hinaus gezahlter Mehrpreis sei verlangt und gezahlt worden, "weil das Grundstück mit noch intaktem Gebäudebestand bebaut war, welcher auch wirtschaftlich von der Klägerin hätte genutzt werden können", ist ein revisionsrechtlich unbeachtlicher neuer Vortrag. Die Rüge, das FG habe den Bürgermeister der Gemeinde H und den Leiter des Bauamtes nicht als Zeugen gehört, ist nicht ordnungsgemäß erhoben. Die Klägerin hat nicht dargetan, welche Tatsachen im einzelnen sie in erster Instanz in das Wissen dieser Zeugen gestellt hatte.