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BFH-Urteil vom 26.4.1989 (VI R 95/85) BStBl. 1989 II S. 616

Aufwendungen eines Berufsoffiziers für ein erstmaliges Hochschulstudium, das nicht Gegenstand eines sog. Ausbildungsdienstverhältnisses ist, sind Ausbildungskosten i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG.

EStG § 9, § 10 Abs. 1 Nr. 7.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist seit 1963 Berufsoffizier bei der Bundesmarine. Im Jahr 1977 nahm er an der Universität A das Studium der Sozialwissenschaften auf. Im Juli 1979 bestand er die Diplomvorprüfung und im April 1982 die Diplomhauptprüfung. Während des Studiums versah der Kläger weiterhin seinen Dienst. Sein Dienstherr bestätigte ihm, daß ihm für sein zur Weiterbildung aufgenommenes Studium keinerlei Kosten ersetzt würden. Es werde ihm aber die Möglichkeit geboten, seinen Erholungsurlaub studienbedarfsgemäß aufzuteilen und nach Dienstschluß - im Rahmen gleitender Arbeitszeit - die Universität zu besuchen. Die dienstliche Nutzbarkeit seines Studiums ergebe sich aus den Zentralen Dienstvorschriften.

In seinen Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre 1977 und 1978 machte der Kläger die Kosten des Studiums in Höhe von 14.116 DM bzw. 11.333 DM als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) gewährte ihm lediglich den Sonderausgabenhöchstbetrag nach § 10 Abs. 1 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) von jeweils 900 DM.

Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) beurteilte die streitigen Aufwendungen als in vollem Umfang zu berücksichtigende Fortbildungskosten. Es führte hierzu im wesentlichen aus: Kosten eines Hochschulstudiums gehörten nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) grundsätzlich zu den nicht abziehbaren Kosten der Berufsausbildung. Ausnahmsweise könnten sie aber Werbungskosten sein, wenn sie durch die Berufsausübung eines Arbeitnehmers veranlaßt seien. So würden die Aufwendungen für ein Hochschulstudium bei Offizieren der Bundeswehr als Werbungskosten anerkannt, wenn sich das bisherige Dienstverhältnis zur Bundeswehr durch Abkommandierung oder Beurlaubung zum Studium in ein Ausbildungsdienstverhältnis umgewandelt habe. Aber auch ohne das Vorliegen eines solchen Ausbildungsdienstverhältnisses könnten die Kosten eines Hochschulstudiums bei Bundeswehroffizieren Fortbildungskosten sein, wenn ein enger und unmittelbarer Zusammenhang mit der Berufsausübung als Offizier gegeben sei, insbesondere, wenn mit dem Studium kein Berufswechsel, sondern lediglich eine höhere Qualifikation im ausgeübten Beruf als Offizier angestrebt werde. Dabei sei zu berücksichtigen, daß seit 1972 alle Berufsoffiziere der Bundeswehr ein Hochschulstudium zu absolvieren hätten und bei ihnen somit das Studium eine normale Fortbildungsmaßnahme sei. In der weiteren beruflichen Laufbahn müsse erkennbar sein, daß der Offizier nach dem Studium entsprechend den erworbenen besonderen Kenntnissen und Fertigkeiten eingesetzt werde.

Diese Voraussetzungen lägen im Streitfall vor. Zwar habe der Kläger nicht in einem besonderen Ausbildungsdienstverhältnis gestanden; sein Studium sei aber vom Dienstherrn durch eine entsprechende Einteilung der Dienstzeit gefördert und unterstützt worden. Er habe regelmäßig um 15.00 Uhr seinen Dienst beenden und ab 16.00 Uhr sein Studium aufnehmen können. Außerdem habe er sich während des Semesters durch Aufteilung des Urlaubs einen Tag je Woche freinehmen können. Der Kläger habe keinen Berufswechsel angestrebt, sondern sich als Offizier der Marine weiter qualifizieren wollen. Die Wahl des Studiums "Sozialwissenschaften" und die von ihm ausgesuchten Schwerpunktfächer "Bildungsforschung und Bildungsplanung" ließen erkennen, daß er seine Kenntnisse in seinem bereits ausgeübten Beruf habe vertiefen und zeitgemäß ergänzen wollen. Auch das Thema seiner Diplomarbeit sei aus seiner Tätigkeit als Stabsoffizier bei der Marine entstanden. Für die Erledigung der ihm hier gestellten Aufgaben sei ein möglichst breitgefächertes sozialwissenschaftliches Wissen wünschenswert gewesen. Aus dieser Sicht erscheine die Fortbildung in den Fächern Soziologie, Politik- und Wirtschaftswissenschaften sowie Bildungsforschung und -planung besonders sachdienlich. Im Hinblick auf die Konkurrenz zu jüngeren Berufsoffizieren, die ab 1972 ein Hochschulstudium zu absolvieren hätten, sei es für seinen beruflichen Aufstieg als Stabsoffizier erforderlich gewesen, eine gleiche wissenschaftliche Qualifikation nachzuweisen. Der Kläger sei auch entsprechend seinen durch das Studium erworbenen Kenntnissen beruflich eingesetzt worden. Nach dem Einsatz als Prüfungsstabsoffizier sei er seit 1. Oktober 1981 in eine Organisationsabteilung versetzt worden, wofür laut Dienstpostenbeschreibung ein Studium der Wirtschafts- und Organisationswissenschaften erforderlich sei. Schließlich solle der Kläger ab 1985 bei einer Schule der Bundeswehr als Lehrstabsoffizier eingesetzt werden. Ohne ein Studium der Sozialwissenschaften könne er diese Lehrtätigkeit nicht ausüben.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

Es beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt sinngemäß, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Denn das FG hat die Aufwendungen des Klägers zu Unrecht als Werbungskosten angesehen. Bei ihnen handelt es sich vielmehr um Ausbildungskosten i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG.

Aufwendungen für die berufliche Fort- und Weiterbildung sind nach ständiger Rechtsprechung Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG. Hierunter fallen Ausgaben, die ein Steuerpflichtiger tätigt, um in dem ausgeübten Beruf auf dem Laufenden zu bleiben, den jeweiligen Anforderungen gerecht zu werden und so in dem ausgeübten Beruf besser vorwärts zu kommen (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 7. November 1980 VI 50/79, BFHE 132, 49, BStBl II 1981, 216; vom 28. November 1980 VI R 195/79, BFHE 132, 53, BStBl II 1981, 309, und vom 13. März 1981 VI R 26/79, BFHE 132, 570, BStBl II 1981, 439, jeweils m.w.N.). Hiervon zu unterscheiden sind die Berufsausbildungskosten. Solche liegen vor, wenn die Aufwendungen dem Ziel dienen, die Kenntnisse zu erwerben, die als Grundlage für einen künftigen Beruf notwendig sind (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 28. September 1984 VI R 44/83, BFHE 142, 262, BStBl II 1985, 94). Sie erwachsen nahezu jedem Steuerpflichtigen und gehören nach ständiger Rechtsprechung zu den nicht abzugsfähigen Kosten der Lebensführung. Hierzu zählen auch Aufwendungen zum Erwerb von Kenntnissen, die die Grundlage dafür bilden sollen, von einer Berufs- oder Erwerbsart zu einer anderen überzuwechseln. Berufsausbildungskosten in diesem Sinne sind nach § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG als Sonderausgaben nur bis zu den dort genannten Höchstbeträgen zu berücksichtigen.

Die Kosten eines Hochschulstudiums gehören nach der Rechtsprechung des BFH (vgl. insbesondere Urteil vom 16. März 1967 IV R 266/66, BFHE 89, 511, BStBl III 1967, 723) grundsätzlich zu den nicht abziehbaren Kosten der Berufsausbildung, weil das Hochschulstudium dem Steuerpflichtigen eine andere berufliche, gesellschaftliche und wirtschaftliche Stellung eröffnet. Im Berufsleben stehende Steuerpflichtige schaffen sich in der Regel durch den erfolgreichen Abschluß eines erstmaligen Studiums die Grundlagen für die Ausübung eines gegenüber der bisherigen Tätigkeit anders gearteten und herausgehobenen Berufs und ggf. die Qualifikation für die Aufnahme in eine gewisse betriebliche oder behördliche Führungsschicht (vgl. v. Bornhaupt, Finanz- Rundschau - FR - 1972, 497). Bei Hochschulabsolventen ist regelmäßig die Möglichkeit gegeben, die vormalige Berufstätigkeit zugunsten einer veränderten, besseren Position aufzugeben (vgl. Stolz, FR 1979, 242). Wie der BFH insbesondere im Urteil vom 10. Dezember 1971 VI R 160/70 (BFHE 104, 231, BStBl II 1972, 255) ausgeführt hat, müssen Aufwendungen für ein akademisches Studium steuerrechtlich grundsätzlich einheitlich bewertet werden, da andernfalls kaum zu bewältigende Abgrenzungsschwierigkeiten entstehen und der Grundsatz der gleichmäßigen Besteuerung gefährdet würde. Der BFH hat an dieser Auffassung auch in der Folgezeit festgehalten (vgl. BFH-Urteil in BFHE 142, 262, BStBl II 1985, 95 m.w.N.).

Entsprechend diesen Grundsätzen sind auch im Streitfall die Aufwendungen des Klägers für sein erstmaliges Studium mit dem Ziel eines Hochschulabschlusses den Ausbildungskosten i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG zuzuordnen. Dem Kläger wurde damit eine andere berufliche Ausgangsbasis eröffnet als bei seinem bisherigen Ausbildungsstand. Nach den Feststellungen des FG wurden ihm nunmehr berufliche Tätigkeitsbereiche eröffnet, die er ohne Studium teilweise nur mit Schwierigkeiten und teilweise überhaupt nicht hätte erreichen können. Der Kläger erwarb zudem die Möglichkeit, nach der Pensionierung als Offizier seine berufliche Tätigkeit als Sozialwissenschaftler fortzusetzen. Dem steht nicht entgegen, daß die Studieninhalte auch für den ausgeübten Beruf von Interesse gewesen sein mögen und der Dienstherr das Studium des Klägers durch eine entsprechende Gestaltung der Dienstzeiten gefördert hat. Soweit das FG darauf verwiesen hat, daß seit 1972 alle Berufsoffiziere der Bundeswehr ein Hochschulstudium absolvieren müssen und bei ihnen somit das Studium eine normale Fortbildung sei, verkennt es, daß es sich auch dort regelmäßig nicht um berufliche Fortbildung, sondern um Berufsausbildung handelt (vgl. BFH-Urteil vom 28. September 1984 VI R 127/80, BFHE 142, 255, BStBl II 1985, 87). Ein Dienstverhältnis, dessen Inhalt eine solche Berufsausbildung ist (Ausbildungsdienstverhältnis) und bei dem deshalb Ausbildungskosten ausnahmsweise als Werbungskosten berücksichtigt werden können (vgl. BFH-Urteil in BFHE 142, 255, BStBl II 1985, 87, und vom 28. September 1984 VI R 144/83, BFHE 142, 258, BStBl II 1985, 89) liegt im Streitfall nicht vor. Das FA hat danach zutreffend die Aufwendungen des Klägers im Rahmen der Höchstbeträge des § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG als Sonderausgaben berücksichtigt.