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BFH-Urteil vom 31.5.1989 (III R 166/86) BStBl. 1989 II S. 658

Im Veranlagungszeitraum der Trennung sind Aufwendungen für den Unterhalt des dauernd getrennt lebenden Ehegatten nicht gemäß § 33a Abs. 1 EStG als außergewöhnliche Belastung abziehbar.

EStG 1980 §§ 26, 26a, 26b, 32a Abs. 5, 33a Abs. 1.

Vorinstanz: FG Köln

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) - Ehegatten - lebten im Streitjahr 1980 ab Mai dauernd getrennt. Sie erzielten beide Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Der Klägerin verblieben nach Abzug der Lohn- und Kirchensteuer 3.578,91 DM. Der Kläger gewährte der Klägerin ab Mai des Streitjahres für dieses Unterhalt in Höhe von insgesamt 3.600 DM. Diesen Betrag machten die Kläger in ihrem Antrag auf Durchführung des gemeinsamen Lohnsteuer-Jahresausgleichs gemäß § 33a Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) als außergewöhnliche Belastung geltend.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) berechnete im Bescheid über den Lohnsteuer-Jahresausgleich 1980 die Jahressteuer zwar unter Anwendung der Splitting-Tabelle, versagte jedoch den Abzug der Unterhaltsleistungen als außergewöhnliche Belastung.

Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage teilweise statt. Es anerkannte 2.400 DM (= 8/12 von 3.600 DM) als außergewöhnliche Belastung. Zur Begründung seiner Entscheidung führte es u.a. aus: Das FA habe sich für die Versagung des Abzugs zu Unrecht darauf berufen, daß die Steuerermäßigung des § 33a Abs. 1 EStG durch die Anwendung der Splitting-Tabelle ausgeschlossen sei. Mit dem Splitting-Tarif und der damit zusammenhängenden Verdoppelung des Grundfreibetrags bei der Zusammenveranlagung bzw. dem gemeinsamen Lohnsteuer-Jahresausgleich unbeschränkt steuerpflichtiger, nicht dauernd getrennt lebender Ehegatten habe der Gesetzgeber bezweckt, Benachteiligungen auszugleichen, die ohne Splitting bei Zusammenrechnung der Einkünfte durch die Tarifprogression eintreten könnten. Der Splitting-Tarif und die Verdoppelung des Grundfreibetrags seien hingegen nicht eingeführt worden, um Unterhaltsleistungen zwischen den Ehegatten steuerlich zu berücksichtigen (Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 22. Juni 1979 VI R 85/76, BFHE 128, 236, BStBl II 1979, 660).

Mit der vom erkennenden Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision rügt das FA einen Verstoß der Vorentscheidung gegen § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG und mangelnde Sachaufklärung. Das FA macht geltend, durch die Anwendung der Vorschriften über die Ehegattenbesteuerung würden Ehegatten so gestellt, als ob sie ganzjährig in einer intakten Ehe gelebt hätten und jeder Ehegatte entsprechend seiner Aufgabenstellung in der Familie zum Unterhalt des anderen Ehegatten beigetragen hätte. Dies stehe der Berücksichtigung der Unterhaltsleistungen gemäß § 33a Abs. 1 EStG entgegen. Im übrigen habe das FG keine hinreichenden tatsächlichen Feststellungen zur Höhe der "anderen" Einkünfte und Bezüge der Klägerin getroffen.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger vertreten demgegenüber die Auffassung, die Steuerermäßigung des § 33a Abs. 1 EStG komme für Unterhaltsleistungen an den dauernd getrennt lebenden Ehegatten auch dann in Betracht, wenn die Jahressteuerschuld nach der Splitting-Tabelle zu berechnen sei.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Anwendung des § 33a Abs. 1 EStG auf Unterhaltsleistungen an den dauernd getrennt lebenden Ehegatten ist für den Veranlagungszeitraum der Trennung durch die Vorschriften über die Ehegattenbesteuerung (§§ 26 bis 26b, § 32a Abs. 5 EStG) ausgeschlossen.

1. Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig (§ 33 Abs. 2 EStG) Aufwendungen für den Unterhalt ... von Personen, für die im Veranlagungszeitraum weder der Steuerpflichtige noch eine andere Person Anspruch auf Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz (BKGG) ... hat, so wird auf Antrag - soweit die übrigen Voraussetzungen des § 33a Abs. 1 EStG erfüllt sind - die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, daß die Aufwendungen, höchstens jedoch ein Betrag von 3.600 DM im Kalenderjahr für jede unterhaltene Person, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden.

a) Leistungen, die ein Steuerpflichtiger aufgrund seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht für den üblichen Lebensunterhalt seines dauernd getrennt lebenden (auch geschiedenen) Ehegatten zu erbringen hat, erfüllen die vorstehend angeführten Tatbestandsmerkmale des § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG. Ihre Anerkennung als außergewöhnliche Belastung entspricht auch dem Gesetzeszweck, zwangsläufig erwachsende Aufwendungen zur Abdeckung eines in typisierender Weise bemessenen Existenzminimums anderer Personen als für den Steuerzugriff nicht verfügbares Einkommen zu behandeln. In Rechtsprechung und Schrifttum ist es demzufolge auch nicht streitig, daß Unterhaltsleistungen an den dauernd getrennt lebenden Ehegatten gemäß § 33a Abs. 1 EStG im Grundsatz als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen sind, wenn nicht der Abzug als Sonderausgaben (sog. begrenztes Realsplitting gemäß § 10 Abs. 1 EStG) in Anspruch genommen wird (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 25. März 1986 IX R 4/83, BFHE 146, 403, BStBl II 1986, 603; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19. Aufl., § 33a EStG Anm. 61).

b) Hingegen sind Aufwendungen, die ein Steuerpflichtiger für den üblichen Lebensunterhalt seines nicht dauernd getrennt lebenden, unbeschränkt steuerpflichtigen Ehegatten erbringt, nach ständiger Rechtsprechung des BFH nicht gemäß § 33a Abs. 1 EStG abziehbar (vgl. z.B. Urteile vom 13. Dezember 1961 VI 245/60 U, BFHE 74, 273, BStBl III 1962, 104; vom 19. August 1966 VI 268/65, BFHE 87, 70, BStBl III 1967, 21; vom 30. Juli 1971 VI R 142/68, BFHE 103, 69, BStBl II 1971, 764, und Beschluß des Großen Senats vom 28. November 1988 GrS 1/87, BFHE 154, 556, BStBl II 1989, 164). Diese Rechtsauffassung wird damit begründet, daß die allgemeine Vorschrift über den Unterhaltsabzug (§ 33a Abs. 1 EStG) bei Unterhaltsleistungen zwischen nicht dauernd getrennt lebenden, unbeschränkt steuerpflichtigen Ehegatten durch die Sondervorschriften über die Ehegattenbesteuerung (§§ 26 bis 26b, 32a Abs. 5 EStG) verdrängt würden (BFH-Beschluß in BFHE 154, 556, BStBl II 1989, 164, mit weiteren Hinweisen).

c) Nach einer weitverbreiteten Ansicht sollen Unterhaltsleistungen, die ein Ehegatte nach der Trennung (Scheidung) im Trennungs-(Scheidungs-)jahr an seinen anderen Ehegatten leistet, auch dann gemäß § 33a Abs. 1 EStG abziehbar sein, wenn - wie im Streitfall - für das Trennungs-(Scheidungs-)jahr der Splitting-Tarif in Anspruch genommen wird (vgl. Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 7. Aufl., § 33a Anm. 2d; Fitsch in Lademann/Söffing/Brockhoff, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 33a Anm. 27 am Ende; Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 33a EStG Anm. 32; so auch FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15. November 1979 III 353/78, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1980, 184; anderer Ansicht Hartz/Meeßen/Wolf, ABC-Führer Lohnsteuer, "Unterhaltsleistungen", Anm. C III 5; Blümich/Oepen, Einkommensteuergesetz, § 33a Anm. III/2, S. 18/19; Urteil des FG Bremen vom 21. Juli 1978 I 60/77, EFG 1978, 545; Urteil des FG München vom 13. Mai 1986 XII 33/84 E, EFG 1986, 568). Die Befürworter der Anwendung des § 33a Abs. 1 EStG auf Unterhaltsleistungen, die ein Ehegatte an den anderen Ehegatten nach Eintritt der Trennung im Trennungsjahr geleistet hat, stützen sich zur Begründung ihrer Auffassung - wie auch die Vorentscheidung - auf das Urteil des VI. Senats in BFHE 128, 236, BStBl II 1979, 660. Danach soll die Verdoppelung des Grundfreibetrags im Rahmen des Splitting-Tarifs nicht der steuerlichen Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen dienen (z.B. Schmidt/Drenseck, a.a.O., Anm. 2d; Fitsch, a.a.O., § 33a Anm. 27).

d) Geht man indes auf der Grundlage der Entscheidung des Großen Senats in BFHE 154, 556, BStBl II 1989, 164 davon aus, daß die allgemeine Vorschrift über den Unterhaltsabzug (§ 33a Abs. 1 EStG) bei Unterhaltsleistungen zwischen nicht dauernd getrennt lebenden, unbeschränkt steuerpflichtigen Ehegatten durch die Sonderregelungen über die Ehegattenbesteuerung (§§ 26 bis 26b, 32a Abs. 5 EStG) verdrängt wird, ist auch die Anwendung der Steuerermäßigung des § 33a Abs. 1 EStG auf Unterhaltszahlungen an den dauernd getrennt lebenden Ehegatten für den Veranlagungszeitraum der Trennung zu verneinen. Denn gemäß § 26 Abs. 1 EStG sind bei Ehegatten, die beide unbeschränkt steuerpflichtig sind und nicht dauernd getrennt leben und bei denen diese Voraussetzungen zu Beginn des Veranlagungszeitraums vorgelegen haben oder im Laufe des Veranlagungszeitraums eingetreten sind, die Vorschriften über die Ehegattenbesteuerung (§§ 26 bis 26b, § 32a Abs. 5 EStG) für den gesamten Veranlagungszeitraum anzuwenden. Die Vorschriften über die Ehegattenbesteuerung behandeln mithin Ehegatten im Jahr des Eintritts der dauernden Trennung für den gesamten Veranlagungszeitraum steuerlich noch als Gemeinschaft des Erwerbs und Verbrauchs. Sie werden steuerlich so gestellt, als nähme auch im gesamten Veranlagungszeitraum des Eintritts der dauernden Trennung jeder Ehegatte noch an den Einkünften und Lasten des anderen wirtschaftlich jeweils zur Hälfte teil. Diese im Einkommensteuerrecht weitestgehende Berücksichtigung der Einkünfte- und Lastenverteilung zwischen Ehegatten konsumiert den allgemeinen Unterhaltsabzug gemäß § 33a Abs. 1 EStG (vgl. Beschluß des Großen Senats in BFHE 154, 556, BStBl II 1989, 164). Unbeschränkt steuerpflichtige Ehegatten sind mithin im Jahr ihrer Trennung (Scheidung) hinsichtlich der Berücksichtigung außergewöhnlicher Belastungen so zu behandeln, als ob sie ganzjährig in einer intakten Ehe gelebt hätten und jeder Ehegatte nach seiner Aufgabenstellung in der Familie zum Unterhalt des anderen Ehegatten beigetragen hätte. Sind jedoch die Vorschriften über die Ehegattenbesteuerung auf den Veranlagungszeitraum der Trennung uneingeschränkt anzuwenden, kann die durch die §§ 26 bis 26b, 32a Abs. 5 EStG verdrängte allgemeine Vorschrift über den Abzug von Unterhaltsleistungen (§ 33a Abs. 1 EStG) im Streitfall nicht eingreifen.

2. Die Vorentscheidung ist aufzuheben, da ihr eine abweichende Rechtsauffassung zugrunde liegt. Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist abzuweisen, da die geltend gemachten Aufwendungen nicht gemäß § 33a Abs. 1 EStG berücksichtigungsfähig sind.