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BFH-Urteil vom 21.6.1989 (II R 135/85) BStBl. 1989 II S. 731

Wird zur Befriedigung eines geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs ein Grundstück an Erfüllungs Statt hingegeben und verpflichtet sich der Pflichtteilsberechtigte wegen des seinen Anspruch übersteigenden Werts des Grundstücks zu Leistungen, so ist der Wert des Grundstücks nur in dem Ausmaß der Besteuerung des Erwerbs von Todes wegen zugrunde zu legen, in dem der Pflichtteilsberechtigte das Grundstück aufgrund seines Pflichtteilsanspruchs erworben hat.

ErbStG 1974 § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 12 Abs. 2; BewG § 121a.

Vorinstanz: FG Berlin

Sachverhalt

Der am 27. November 1975 verstorbene Erblasser hatte einen leiblichen Sohn und einen Adoptivsohn. Der Adoptivsohn ist aufgrund letztwilliger Verfügung Alleinerbe. Der leibliche Sohn hatte mit dem Erblasser einen Erbverzichtsvertrag geschlossen.

Der leibliche Sohn machte nunmehr geltend, daß der Erbverzicht nichtig sei und forderte vom Erben den Pflichtteil. Der Zivilrechtsstreit zwischen dem Alleinerben und dem Pflichtteilsberechtigten wurde vor dem Bundesgerichtshof (BGH) dahin verglichen, daß der Alleinerbe zur Abgeltung des Pflichtteilsanspruchs 370.000 DM und 60.000 Südafrikanische Rand zahlt. Die DM-Schuld sollte dadurch erfüllt werden, daß der Pflichtteilsberechtigte das Eigentum an dem zum Nachlaß gehörenden Grundstück an Erfüllungs Statt erhält. Der Pflichtteilsberechtigte übernahm eine auf dem Grundstück lastende Grundschuld samt der gesicherten Verbindlichkeit in Höhe von rd. 75.000 DM. Er verpflichtete sich außerdem, an den Alleinerben als Wertausgleich 150.000 DM zu zahlen.

Bei der vorläufigen Erbschaftsteuerfestsetzung gegen den Alleinerben berücksichtigte das Finanzamt (FA) den Pflichtteilsanspruch vorbehaltlich der gerichtlichen Klärung mit 360.000 DM als Nachlaßverbindlichkeit. Der Bescheid ist mit dem Einspruch angefochten.

Gegen den Pflichtteilsberechtigten setzte das FA zuletzt mit Einspruchsentscheidung vom 13. April 1982 Erbschaftsteuer in Höhe von 25.396 DM fest. Die Besteuerungsgrundlage berechnete es dabei wie folgt:

Pflichtteilsabgeltung gemäß § 3 Abs. 1

 

Nr. 1 des Erbschaftsteuergesetzes

 

(ErbStG) 1974

 

 

a)

370.000 DM

 

b) 60.000 Rand, Kurs am Tag der

 

Geltendmachung des Pflicht-

 

teilsanspruchs 2,73 DM =

163.800 DM

 

- - - - - - - - -

 

533.800 DM

 

abzüglich Rechtsstreit-

 

kosten 80.963 DM

 

abzüglich

 

Freibetrag 90.000 DM

170.963 DM

- - - - - - - -

- - - - - - - - -

steuerpflichtiger Erwerb (gerundet)

362.800 DM.

Mit der Klage begehrte der Pflichtteilsberechtigte, die Erbschaftsteuerfestsetzung gegen ihn ersatzlos aufzuheben. Zur Begründung führte er aus, bei der Berechnung der Besteuerungsgrundlage müsse das Grundstück mit dem Einheitswert sowie weiter die Schuldübernahme und die Ausgleichszahlung berücksichtigt werden. Außerdem sei der Kurs für die 60.000 Rand vom FA zu hoch angenommen.

Das Finanzgericht (FG) hat den Alleinerben zum Klageverfahren des Pflichtteilsberechtigten beigeladen.

Das FG hat der Klage stattgegeben. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, entsprechend den Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 30. September 1981 II R 64/80 (BFHE 134, 370, BStBl II 1982, 76) und vom 17. Februar 1982 II R 160/80 (BFHE 135, 336, BStBl II 1982, 350) sei das an Erfüllungs Statt hingegebene Grundstück mit seinem Einheitswert der Besteuerung zugrunde zu legen. Es bestehe keine Veranlassung, darüber zu entscheiden, ob dies auch dann gelte, wenn der Pflichtteilsberechtigte neben der Übernahme eines Grundpfandrechtes zum Ausgleich der Wertdifferenz zwischen seinem Anspruch und dem Wert des Grundstückes an den Erben noch einen Geldbetrag zahle. Denn eine Auslegung des vor dem BGH geschlossenen Prozeßvergleichs ergebe, daß die darin vereinbarte Zahlung unbeschadet der Bezeichnung als "Wertausgleich für das Grundstück" dazu dienen sollte, dem Alleinerben dringend benötigtes Bargeld zukommen zu lassen. Die Zahlung in Höhe von 150.000 DM sei bei wirtschaftlicher Betrachtung - habe sich doch der Pflichtteilsberechtigte nicht auf eine Forderung in ausländischer Währung einlassen müssen - ein Ausgleich für die in Rand begründete Forderung. Da der Wert des Erwerbs des Pflichtteilsberechtigten auf der Aktivseite höchstens mit 326.760 DM (Einheitswert: 162.960 DM zuzüglich 163.800 DM) und auf der Passivseite mit mindestens 306.061 DM (Grundpfandrecht: 75.098 DM zuzüglich 150.000 DM zuzüglich Rechtsstreitkosten wie vom FA angesetzt) anzusetzen sei, könne für den Pflichtteilsberechtigten unter Berücksichtigung des Freibetrags in Höhe von 90.000 DM in keinem Fall Erbschaftsteuer entstanden sein.

Mit der Revision begehrt der beigeladene Alleinerbe (Revisionskläger) die Klage unter Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils abzuweisen. Er rügt Verletzung von § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 10 Abs. 1, 5 und § 12 Abs. 1 und 2 ErbStG 1974. Dadurch, daß das angefochtene Urteil verbindlich über die Höhe der im Rahmen der Erbschaftsteuerfestsetzung gegen ihn zu berücksichtigenden Pflichtteilsschuld entscheide, werde er durch das angefochtene Urteil beschwert.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Das FA erklärt, die vom Beigeladenen in seiner Revision vertretene Rechtsauffassung entspreche der von ihm im Verfahren vor dem FG vertretenen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist zulässig. Der Revisionskläger bleibt mit seinem Antrag im Revisionsverfahren i.S. des § 60 Abs. 6 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) innerhalb der Anträge eines Hauptbeteiligten, weil sein Antrag dem des FA im vorinstanzlichen Verfahren entspricht. Der Revisionskläger ist auch in seinen rechtlichen Interessen nach den Steuergesetzen beschwert, weil das FA aufgrund einer angenommenen Wechselwirkung in der den Revisionskläger betreffenden Erbschaftsteuersache aus der Entscheidung des FG für den Revisionskläger ungünstige Folgerungen ziehen könnte.

Die Revision ist auch begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie zur Zurückverweisung der Sache an das FG zu anderweitiger Verhandlung und Entscheidung.

1. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben, weil das FG unzutreffend die vom Pflichtteilsberechtigten im Prozeßvergleich vor dem BGH übernommenen Verpflichtungen abgezogen hat.

Als Erwerb von Todes wegen gilt nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974 u.a. der Erwerb "auf Grund eines geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs". Das FG hat zutreffend angenommen, daß der Erwerb des Pflichtteilsberechtigten dem Grunde nach der Erbschaftsteuer nach dieser Vorschrift unterliegt. Denn der vor dem BGH abgeschlossene Prozeßvergleich, der den Streit über das Bestehen und die Höhe der erbrechtlichen Ansprüche des Pflichtteilsberechtigten beendete, beinhaltet auch die in diesem Rahmen erklärte Anerkennung des geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs.

Hinsichtlich der Höhe des geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs spricht der Vergleich dem Pflichtteilsberechtigten zwei selbständig nebeneinandertretende Ansprüche zu, nämlich einen in Deutscher Mark bezifferten Anspruch und einen weiteren Anspruch auf 60.000 Rand. Hinsichtlich der Erfüllung dieser Ansprüche sind jeweils selbständige Regelungen getroffen. Das FG geht davon aus, die Verpflichtung des Pflichtteilsberechtigten zur Zahlung eines Wertausgleichs stehe wirtschaftlich im Zusammenhang mit der Begründung der auf Südafrikanische Rand lautenden Forderung und erhalte dadurch den Charakter "eines gegenüber der das Grundstück betreffenden Vereinbarung verselbständigten Vorgangs". Damit hat es die Grenzen der möglichen Auslegung des Prozeßvergleichs überschritten; denn das Ergebnis des Vergleichs war die Begründung von zwei selbständigen nebeneinander bestehenden Forderungen. Die Vereinbarungen über die Erfüllung dieser Forderungen können nicht deren Selbständigkeit aufheben.

Neben der eingeräumten Forderung auf 60.000 Rand hat der Pflichtteilsberechtigte das Grundstück unter gleichzeitiger Begründung einer Leistungsverpflichtung über 150.000 DM und bei gleichzeitiger Übernahme der Verbindlichkeit, zu deren Sicherung das Grundpfandrecht eingetragen war, an Erfüllungs Statt für den von ihm geltend gemachten und im Vergleich auf (zusätzlich) 370.000 DM bezifferten weiteren Anspruch erhalten.

Das FG ist in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. Urteil in BFHE 135, 336, BStBl II 1982, 350; s. auch Urteil in BFHE 134, 370, BStBl II 1982, 76) davon ausgegangen, daß bei Hingabe an Erfüllungs Statt für einen geltend gemachten Pflichtteilsanspruch der Besteuerung des Pflichtteilsberechtigten nach dem ErbStG die an Erfüllungs Statt hingegebenen Wirtschaftsgüter mit ihrem erbschaftsteuerrechtlichen Wert (§ 12 ErbStG 1974) zugrunde zu legen sind. Das gilt im vorliegenden Fall nicht nur für die auf 60.000 Rand bezifferte Forderung, sondern auch für die Grundstücksleistung an Erfüllungs Statt. Es hat bei seiner Entscheidung jedoch übersehen, daß der Pflichtteilsberechtigte wegen des überschießenden Werts des hingegebenen Grundstücks den Alleinerben von einer Verbindlichkeit in Höhe von rd. 75.000 DM befreit hat und es hat weiter in diesem Zusammenhang - rechtlich unzutreffend - die Zahlung des Pflichtteilsberechtigten in Höhe von 150.000 DM außer acht gelassen.

Dem Pflichtteilsberechtigten ist das Grundstück nicht nur aufgrund des von ihm geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs an Erfüllungs Statt hingegeben worden, sondern auch um der von ihm zu erbringenden Leistungen wegen. Der Wert des Grundstücks (§ 12 Abs. 2 ErbStG 1974 i.V.m. § 121a des Bewertungsgesetzes - BewG -) kann deshalb nicht in vollem Umfang der Besteuerung des Erwerbs des Pflichtteilsberechtigten zugrunde gelegt werden, sondern nur in dem Ausmaß, in dem der Pflichtteilsberechtigte das Grundstück lediglich aufgrund des Pflichtteilsanspruchs erworben hat. Dabei können die Leistungen des Pflichtteilsberechtigten, die ihren Grund im überschießenden Verkehrswert des Grundstückes gegenüber dem zu befriedigenden Anspruch aus Pflichtteilsrecht haben, jedoch nicht vom Wert des Grundstücks abgezogen werden. Denn der Erwerb des Grundstücks aufgrund geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs kann nur soweit reichen, als es anteilig um dieses Anspruches willen hingegeben wurde. Das bedeutet im vorliegenden Fall, daß der Wert des Grundstücks nur in dem Verhältnis der Besteuerung des Erwerbs von Todes wegen zugrunde gelegt werden kann, in dem die vergleichsweise begründete und durch die Hingabe des Grundstücks erloschene Forderung zu den Leistungen des Pflichtteilsberechtigten steht.

2. Die Sache ist nicht spruchreif, weil das FG den zutreffenden Wert der Forderung auf 60.000 Rand nicht festgestellt und auch keine Feststellungen zum Wert der vom Pflichtteilsberechtigten übernommenen Verbindlichkeit getroffen hat. Die Sache ist deshalb an das FG zurückzuverweisen.