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BFH-Beschluß vom 7.3.1989 (IX R 82/86) BStBl. 1989 II S. 766

Dem Großen Senat wird gemäß § 11 Abs. 3 und 4 FGO folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt:

Liegt bei einer Vermögensübertragung zur vorweggenommenen Erbfolgeregelung ein teilentgeltliches Rechtsgeschäft vor, wenn der Vermögensempfänger im Zusammenhang mit der Übertragung eines der Einkünfteerzielung dienenden Einfamilienhauses eine Zahlung an den Übertragenden leisten und die den Grundpfandrechten zugrunde liegenden Schulden übernehmen muß, mit der Folge, daß er insoweit eigene Anschaffungskosten hat, von denen er erhöhte Absetzungen nach § 7b EStG vornehmen kann?

EStG § 21a, § 7b; EStDV § 11d.

Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz

Sachverhalt

I. Sachverhalt

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Durch notariell beurkundeten "Übergabevertrag" vom 21. Januar 1982 erhielten sie vom Vater der Klägerin ein Grundstück mit aufstehendem Gebäude (Einfamilienhaus, Baujahr 1966) übertragen. Als "Gegenleistung" verpflichteten sich die Kläger zur Zahlung von je 50.000 DM an den Vater und die Schwester der Klägerin. Außerdem übernahmen sie eine zur Zeit des Vertragsabschlusses noch mit 9.249 DM valutierte Darlehensverbindlichkeit und die zur Sicherung dieser Forderung am Grundstück bestehende Buchhypothek sowie ein am Grundstück bestehendes - von der Berechtigten jedoch nicht ausgeübtes - dingliches Wohnrecht. Soweit der - nicht bezifferte - Wert des Grundstücks die Leistungen der Kläger überstieg, sollte die Übertragung im Wege der Schenkung erfolgen.

Die Kläger nutzen das Einfamilienhaus selbst. Sie machten in ihrer Einkommensteuererklärung für 1982 als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung erhöhte Absetzungen nach § 7b Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes 1981 (EStG) von Anschaffungskosten in Höhe von 109.249 DM und nachträglichen Herstellungskosten von 3.435 DM geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) würdigte die Grundstücksübertragung als Schenkung unter Auflage und lehnte die Gewährung der erhöhten Absetzungen ab.

Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage teilweise statt. Die Zahlung an den Vater der Klägerin (50.000 DM) und die Übernahme der Schuld (9.249 DM) seien Gegenleistungen im Rahmen einer gemischten Schenkung. Es handele sich dabei um Anschaffungskosten, die zusammen mit nachträglichen Herstellungskosten in Höhe von 3.435 DM die Bemessungsgrundlage der erhöhten Absetzungen bildeten. Die Verpflichtung zur Zahlung von 50.000 DM an die Schwester der Klägerin sei eine der Schenkung beigefügte Auflage, die nicht zu Anschaffungskosten führe.

Mit seiner vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Es macht geltend, daß die Grundstücksübertragung nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) als Schenkung unter Auflage und damit insgesamt als unentgeltlicher Erwerb anzusehen sei.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II. Stellungnahme des Senats zu der vorgelegten Rechtsfrage

1. Bisherige Rechtsprechung des BFH zur einkommensteuerrechtlichen Beurteilung von vorweggenommenen Erbfolgeregelungen.

Der vorlegende Senat verweist insoweit auf seine Ausführungen im Vorlagebeschluß vom 7. März 1989 in der Sache IX R 300/87 unter II Nr. 1.

2. Auffassung der FG und der Literatur zur bisherigen Rechtsprechung des BFH

Der vorlegende Senat verweist insoweit ebenfalls auf die Darstellung im Vorlagebeschluß vom 7. März 1989 in der Sache IX R 300/87 unter II Nr. 2.

3. Auffassung des vorlegenden Senats

Der Senat bejaht die Vorlagefrage. Er ist der Ansicht, daß bei einer Vermögensübertragung zur vorweggenommenen Erbfolgeregelung ein teilentgeltliches Rechtsgeschäft vorliegt, wenn der Vermögensempfänger im Zusammenhang mit der Übertragung des Vermögens eine Zahlung an den Übertragenden leisten und die den Grundpfandrechten zugrundeliegenden Schulden übernehmen muß. In Höhe dieser Verpflichtungen entstehen dem Empfänger Anschaffungskosten für das übertragene Vermögen.

Wie der vorlegende Senat in seinem Beschluß vom 7. März 1989 IX R 300/87 (a.a.O) dargelegt hat, will er die bisherige Rechtsprechung zur vorweggenommenen Erbfolgeregelung, wonach die Vermögensübertragung unentgeltlich ist, wenn der Empfänger zu Aufwendungen verpflichtet wird, die bürgerlich-rechtlich als Auflagen (§ 525 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -) gewertet werden können, nicht mehr aufrechterhalten. Er nimmt insoweit auf seine Ausführungen unter II Nr. 3 des genannten Beschlusses Bezug.

Dem Vermögensempfänger entstehen bei einer vorweggenommenen Erbfolgeregelung Anschaffungskosten, wenn er im Zusammenhang mit der Übertragung eine - wertmäßig geringere - Leistung an den Übertragenden erbringen muß. Entsprechendes gilt, wenn er nach der im Übergabevertrag enthaltenen Vereinbarung dessen Schulden zu übernehmen hat. Es macht bei wirtschaftlicher Betrachtung keinen Unterschied, ob der Vermögensempfänger dem Übertragenden einen - gegebenenfalls durch Kredit finanzierten - Betrag zur Ablösung der Schulden zahlt oder diese selbst übernimmt. In beiden Fällen erbringt er eine Leistung im Rahmen eines teilentgeltlichen Rechtsgeschäfts.

III. Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage

Die Beantwortung der Vorlagefrage ist für die Entscheidung des IX. Senats erheblich.

Der Erwerber eines Einfamilienhauses, das er selbst nutzt, kann gemäß § 21a Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 7b Abs. 1 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung erhöhte Absetzungen von den Anschaffungskosten des Gebäudes als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehen.

Bejaht man die Vorlagefrage, so hätte das FG zwar rechtsfehlerfrei die Zahlung an den Vater der Klägerin und die Übernahme der Schulden als Anschaffungskosten des Grundstücks beurteilt. Es hat jedoch zu Unrecht diese Aufwendungen als Bemessungsgrundlage für die erhöhten Absetzungen nach § 7b Abs. 1 EStG angesehen; erhöhte Absetzungen nach § 7b Abs. 1 EStG können nur von den Anschaffungskosten des Gebäudes vorgenommen werden. Ob sich die Vorentscheidung gleichwohl im Ergebnis als zutreffend erweisen würde, weil die Anschaffungskosten des Grundstücks - und damit auch anteilig die Anschaffungskosten des Gebäudes - bei Bejahung der Vorlagefrage zusätzlich um das an die Schwester der Klägerin gezahlte Gleichstellungsgeld zu erhöhen wären, könnte der vorlegende Senat nicht entscheiden; denn mangels tatsächlicher Feststellungen des FG zu den Verkehrswerten wäre eine Aufteilung der Anschaffungskosten auf Grund und Boden und Gebäude nicht möglich. Außerdem fehlen tatsächliche Feststellungen zu den nachträglichen Herstellungskosten. Die Vorentscheidung wäre deshalb aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Verneint man die Vorlagefrage, so wäre die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO). Der Übergabevertrag, der insgesamt der vorweggenommenen Erbfolgeregelung diente, wäre als unentgeltliches Rechtsgeschäft zu beurteilen. Das FG hätte den Klägern zu Unrecht die erhöhten Absetzungen nach § 7b Abs. 1 EStG gewährt. Mangels eines entgeltlichen Erwerbs kämen auch keine erhöhten Absetzungen auf nachträgliche Herstellungskosten in Betracht (vgl. § 7b Abs. 3 EStG). Absetzungen für Abnutzung gemäß § 7 Abs. 4 EStG sind beim selbstgenutzten Einfamilienhaus durch § 21a Abs. 3 EStG vom Abzug als Werbungskosten ausgeschlossen.

IV. Rechtsgrundlage der Vorlage

Der vorlegende Senat stützt seine Anrufung des Großen Senats des BFH auf § 11 Abs. 3 und 4 FGO.

1. Vorlage wegen Abweichung von der Rechtsprechung anderer Senate des BFH

a) Der Senat weicht mit der von ihm vertretenen Auffassung von den Urteilen des VIII. Senats des BFH vom 6. Februar 1979 VIII R 62/76 (BFHE 127, 43) und vom 7. Oktober 1980 VIII R 14/79 (nicht veröffentlicht - NV -) ab. Der Annahme einer Abweichung i.S. von § 11 Abs. 3 FGO steht nicht entgegen, daß die Zuständigkeit des VIII. Senats für Einkommensteuer, soweit es sich um Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung handelt, seit 1984 auf den vorlegenden Senat übergegangen ist. Dieser verweist insoweit auf seine Ausführungen im Vorlagebeschluß vom 7. März 1989 IX R 300/87 unter IV Nr. 1 Buchst. a.

b) Der vorlegende Senat weicht ferner von den Urteilen des IV. Senats vom 23. April 1971 IV 201/65 (BFHE 102, 488, BStBl II 1971, 686) und des I. Senats vom 2. Mai 1974 I R 190/72 (n.v.) ab.

c) Er verneint eine Abweichung von dem Urteil des VII. Senats vom 8. August 1978 VII R 125/74 (BFHE 125, 500, BStBl II 1978, 663). In ihm hat der VII. Senat zwar eine Grundstücksübertragung unter dem Vorbehalt eines Nießbrauchs und der Übernahme der bestehenden dinglichen Belastungen als unentgeltlichen Erwerb gewürdigt. Im Vorlagefall ist aber auch die persönliche Schuldübernahme und damit ein anderer Sachverhalt zu beurteilen.

d) Der vorlegende Senat sieht von der Durchführung des Anfrageverfahrens nach § 2 Abs. 2 der Geschäftsordnung des BFH ab. Zur Begründung nimmt er auf seine Ausführungen im Vorlagebeschluß vom 7. März 1989 IX R 300/87 unter IV Nr. 1 Buchst. d (BFHE 157, 332, 340, BStBl II 1989, 768) Bezug.

2. Vorlage wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsfrage

Der vorgelegten Rechtsfrage kommt deshalb grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 11 Abs. 4 FGO zu, weil sie sich nicht nur im Bereich der Überschußeinkünfte stellt, sondern auch im Bereich der Gewinneinkünfte, für welchen ihre Beantwortung wegen der Korrespondenz von Anschaffungs- und Veräußerungsvorgang noch weiterreichende Auswirkungen hat. Bei den Gewinneinkünften tritt zu der oben dargelegten Rechtsfrage noch die einkommensteuerrechtliche Beurteilung des Übertragungsvorganges auf der Übergeberseite hinzu.