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BFH-Urteil vom 20.4.1989 (IV R 346/84) BStBl. 1989 II S. 782

Wird die Überlassung von Erfindungen mit anderen Leistungen des Erfinders verbunden und dafür eine Gesamtvergütung vereinbart, ist dem Aufzeichnungserfordernis des § 3 Nr. 2 ErfVO mit der gesonderten Aufzeichnung des Gesamtentgelts Genüge getan. Die auf die begünstigte Erfindertätigkeit entfallenden Einnahmen müssen nachträglich geschätzt werden.

ErfVO § 3 Nr. 2.

Vorinstanz: FG Münster

Sachverhalt

Streitig ist, ob die Steuervergünstigung für freie Erfinder gemäß § 4 Nr. 3 der Verordnung über die einkommensteuerliche Behandlung der freien Erfinder (ErfVO) zu gewähren ist.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Testamentsvollstrecker für den Nachlaß der am 11. Oktober 1971 verstorbenen ... (Erblasserin), die ihren am 23. September 1971 vorverstorbenen Ehemann ... (im folgenden: Steuerpflichtiger) allein beerbt hat. Im Testament der Erblasserin vom 28. September 1971 ist eine noch zu gründende Stiftung als Erbin eingesetzt, die inzwischen im Jahre 1983 errichtet worden ist. Die Erblasserin hat die Testamentsvollstreckung in der Weise angeordnet, "daß der Testamentsvollstrecker die Verwaltung nach der Erledigung der ihm sonst zugewiesenen Aufgaben fortzuführen hat".

Der Steuerpflichtige hatte mehrere Erfindungen gemacht, die sich auf .... bezogen. Er schloß im Jahre 1951 einen Lizenzvertrag mit einem Unternehmen, das .... herstellt (im folgenden: Firma X). Aufgrund des Vertrages übertrug er der Firma X alle Rechte aus den im einzelnen aufgeführten Patenten und Warenzeichen. Zu den Warenzeichen gehörte u.a. das Wortzeichen "Y". In dem Vertrag war weiter vorgesehen, daß der Steuerpflichtige sämtliche noch in Zukunft anfallenden Patente, soweit sie in irgendeiner Zugehörigkeit mit den genannten Patenten und Warenzeichen stünden, ebenfalls der Firma X zur alleinigen Auswertung für die Dauer des Vertrages überlassen mußte. Dem Steuerpflichtigen standen als Vergütung für die ersten drei Jahre Lizenzgebühren in Höhe von 4 v.H., danach in Höhe von 5 v.H. zu; Berechnungsgrundlage waren die Rechnungsnettobeträge für die von der Firma X gefertigten Waren. Nach einer späteren Vereinbarung übernahm der Steuerpflichtige den Alleinverkauf der im Rahmen des Lizenzvertrages hergestellten ... gegen eine Provision von 6 v.H. der netto bezahlten Rechnungsbeträge. Ab 1953 verkaufte der Steuerpflichtige die ... von der Firma X zu jeweils vereinbarten Preisen auf eigene Rechnung.

Die von den Lieferrechnungen abgesetzten Beträge buchte der Steuerpflichtige als ihm zugeflossene Lizenzgebühren gesondert. Er beantragte, diese Beträge nach der ErfVO begünstigt zu versteuern.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) lehnte dies in den für die Streitjahre 1956 bis 1961 und 1965 bis 1968 ergangenen Einkommensteuerbescheiden ab.

Die Einsprüche blieben ohne Erfolg. Das FA vertrat die Auffassung, daß es an der für die Gewährung der Vergünstigung nach § 3 Nr. 2 ErfVO vorausgesetzten gesonderten Aufzeichnung der sich auf die Erfindungen beziehenden Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben gefehlt habe. Die dem Steuerpflichtigen zugeflossenen Lizenzgebühren seien sowohl für die Nutzung von Erfindungen als auch für die Benutzung des Warenzeichens "Y" gezahlt, aber nicht jeweils gesondert verbucht worden.

Mit der Klage machte der Kläger geltend, die Lizenzgebühren seien allein für die Überlassung der Patente - nicht aber auch für das Warenzeichen "Y" - gezahlt worden. Aber selbst wenn die Vergütungen auch für das genannte Warenzeichen entrichtet worden seien, stehe dies der Gewährung der Vergünstigung nicht entgegen. Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 12. Oktober 1978 IV R 68/74 (BFHE 126, 392, BStBl II 1979, 174) sei in einem solchen Fall eine Aufteilung im Wege der Schätzung geboten. Dabei sei zu berücksichtigen, daß zumindest der ganz überwiegende Teil der Lizenzgebühren für die Patente entrichtet worden sei.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab. Es führte aus, nach dem vertraglich festgelegten Willen im Lizenzvertrag vom 11. Oktober 1951 sollte ein Teil der Vergütung auch für die Überlassung des Warenzeichens "Y" gezahlt werden. Der auf die Erfindungen entfallende Teil der Vergütungen sei nicht gesondert aufgezeichnet worden; deshalb seien die Voraussetzungen des § 3 Nr. 2 ErfVO nicht erfüllt. Eine Aufteilung im Wege der Schätzung sei nicht möglich. Die im Urteil des BFH in BFHE 126, 392, BStBl II 1979, 174 vorausgesetzte Möglichkeit der schätzungsweisen Zuordnung der Einnahmen lasse sich im Streitfall nicht durchführen. Wie die Vertragsparteien in einem früheren Verfahren ausgeführt hätten, sei die Aufteilung der - in einem festgelegten Prozentsatz nach dem Gesamtumsatz pro ... bemessenen - Lizenzgebühren nicht möglich und auch nicht vorgesehen gewesen. Auch eine nachträgliche schätzungsweise Aufteilung der Vergütung, z.B. durch Einholung eines Sachverständigengutachtens über den wirtschaftlichen Wert des Warenzeichens "Y" scheide aus, weil eine Aufteilung der Vergütungen nicht dem aus dem Vertrag deutlich gewordenen Willen der Vertragspartner entspräche.

Mit der Revision rügt der Kläger fehlerhafte Anwendung der ErfVO, insbesondere des § 3 Nr. 2 ErfVO.

Der Kläger beantragt, das Urteil des FG, die Einspruchsentscheidungen und die für die Streitjahre ergangenen Bescheide aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

1. Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, daß Steuerschulden, die in der Person des Steuerpflichtigen entstanden und - wie hier - auf den Erben bzw. dessen Erben übergegangen sind, durch einen an den Testamentsvollstrecker gerichteten Steuerbescheid geltend gemacht werden können, wenn diesem die Verwaltung des gesamten Nachlasses zusteht. Dies ergibt sich aus § 2213 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), der auch im Besteuerungsverfahren entsprechend anzuwenden ist (BFH-Urteil vom 30. September 1987 II R 42/84, BFHE 151, 460, BStBl II 1988, 120). Danach konnten die angefochtenen Bescheide und die Einspruchsentscheidungen an den Kläger als Testamentsvollstrecker für den Nachlaß der verstorbenen Ehefrau des Steuerpflichtigen, die als dessen Erbin an seine Stelle getreten war, gerichtet werden. Der Kläger hat auch durch die - im Revisionsverfahren bekanntgewordene - Gründung der als Erbin eingesetzten Stiftung sein Amt als Testamentsvollstrecker und seine Stellung als Verfahrensbeteiligter nicht verloren. Nach dem Testament der verstorbenen Ehefrau des Steuerpflichtigen sollte der Testamentsvollstrecker auch "nach Erledigung der ihm sonst zugewiesenen Aufgaben", insbesondere nach Gründung der Stiftung, in seinem Amt bleiben (vgl. § 2209 BGB).

2. Das FG hat die Gewährung der Vergünstigungen nach der ErfVO zu Unrecht abgelehnt.

a) Keinen Bedenken begegnet allerdings die auf tatsächlichem Gebiet liegende Würdigung des FG, wonach angesichts des wirtschaftlichen Werts des Warenzeichens "Y" - entsprechend dem ausdrücklichen Wortlaut des Vertrages - die an den Steuerpflichtigen gezahlten Vergütungen auch auf dieses Warenzeichen entfallen sollten. Zwischen den Beteiligten besteht insoweit auch kein Streit mehr.

b) Mit der gesonderten Aufzeichnung der Gesamtvergütung ist im Streitfall den Anforderungen des § 3 Nr. 2 ErfVO genügt.

Einkünfte der freien Erfinder aus der Erfindertätigkeit werden nur dann nach den §§ 4 und 5 ErfVO steuerbegünstigt behandelt, wenn die Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben, die sich auf die Versuche und Erfindungen beziehen, gesondert aufgezeichnet werden (§ 3 Nr. 2 ErfVO). Diese Regelung soll sicherstellen, daß Einkünfte anderer Art und ohne Beziehung zu der begünstigten Erfindung nicht begünstigt werden. Sie soll auch verbürgen, daß die FÄ die Möglichkeit einer Nachprüfung der begünstigten Einkünfte haben (BRDrucks 136/51).

Eine getrennte Aufzeichnung der auf die begünstigten Erfindungen entfallenden Betriebseinnahmen kann allerdings - streng genommen - nur in Betracht kommen, wenn das Entgelt allein für die Nutzung dieser Erfindungen vereinbart ist. Wird dagegen die Überlassung der Erfindungen mit anderen Leistungen des Erfinders verbunden und dafür eine Gesamtvergütung vereinbart, lassen sich die auf die begünstigte Erfindertätigkeit entfallenden Einnahmen nur noch durch Schätzung ermitteln. Ein solcher Fall tritt vor allem auf, wenn die Einnahmen nach dem Veräußerungserlös aus einem aufgrund mehrerer Leistungen des Erfinders hergestellten Erzeugnis bemessen werden. Auch dann muß es dem Steuerpflichtigen möglich sein, entsprechende Verträge zu schließen, ohne die Vergünstigungen der ErfVO zu verlieren. Dem Aufzeichnungserfordernis ist deshalb Genüge getan, wenn der Steuerpflichtige die nach seiner Schätzung auf die Erfindung entfallenden Beträge gesondert aufzeichnet. Ebenfalls als ausreichend wird man in diesen Fällen aber auch - ohne vorherige Aufteilung - allein die gesonderte Aufzeichnung des Gesamtentgelts ansehen müssen. Die mit der Aufzeichnungspflicht verfolgten Zwecke erfordern die schätzungsweise Aufteilung durch den Steuerpflichtigen nicht. Da das FA eine vom Steuerpflichtigen selbst vorgenommene Schätzung ohnehin überprüfen muß, hat das Fehlen einer vom Steuerpflichtigen vorgenommenen Trennung keine nennenswerten zusätzlichen Schwierigkeiten für die Ermittlung der auf die Erfindung entfallenden Einnahmen zur Folge.

Der BFH hat auch schon in anderen Zusammenhängen bei Vereinbarung eines Gesamtentgelts die gesonderte Aufzeichnung von Schätzungsbeträgen genügen lassen (vgl. BFH-Urteile in BFHE 126, 392, BStBl II 1979, 174; vom 16. Mai 1973 I R 143/71, BFHE 109, 510, BStBl II 1973, 827, und vom 14. Januar 1960 IV 98/58 U, BFHE 70, 504, BStBl III 1960, 189). So hat der BFH im Urteil in BFHE 126, 392, BStBl II 1979, 174 entschieden, daß die auf die begünstige Erfindertätigkeit entfallenden Einnahmen nachträglich geschätzt werden können, wenn der Erfinder in einer Summe Lizenzeinnahmen als Entgelt für die Überlassung mehrerer (begünstigter und nicht begünstigter) Erfindungen erhält und deshalb die gesonderte Aufzeichnung der auf die einzelnen Erfindungen entfallenen Einnahmen nicht möglich ist. Die hier vom BFH eingeräumte Möglichkeit einer schätzungsweisen Aufteilung besteht auch im Streitfall; die Schwierigkeiten bei der Aufteilung des Gesamtentgelts für die Überlassung von begünstigten Erfindungen und von Warenzeichen stehen der Zulässigkeit einer Schätzung nicht entgegen. Die abweichende Rechtsauffassung, von der der BFH noch in früheren Verfahren des Klägers ausgegangen ist, ist damit überholt.

Deshalb ist es für die Gewährung der Vergünstigungen nach der ErfVO unschädlich, daß der Steuerpflichtige eine Aufteilung der von ihm bezogenen Lizenzeinnahmen nicht selbst vorgenommen hat. Es genügte die Verbuchung der Gesamtvergütung. Eine Aufteilung der Gesamtvergütung im Wege der Schätzung ist möglich und auch erforderlich. Dies hat das FG verkannt, wenn es die Aufteilung von einem dahingehenden Willen der Beteiligten abhängig machte, an dem es in den Fällen der Vereinbarung einer Gesamtvergütung gerade fehlt.

3. Die Schätzung, welcher Teil der gezahlten Lizenzgebühren begünstigt ist, setzt zunächst die Feststellung des Anteils voraus, der als Vergütung für die Warenzeichen auszuscheiden ist. Im Anschluß daran sind aus dem verbleibenden Betrag ebenfalls im Wege der Schätzung die jeweils begünstigungsfähigen Lizenzeinnahmen zu ermitteln (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 9. Dezember 1982 IV R 176/78, BFHE 138, 33, BStBl II 1983, 417).

Das FG wird nunmehr die noch erforderlichen tatsächlichen Feststellungen nachzuholen haben.