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BFH-Urteil vom 30.8.1988 (IX R 115/85) BStBl. 1989 II S. 827

Eine Maßnahme i.S. von § 82a EStDV kann auch dann ausschließlich dem Zwecke des Wärmeschutzes dienen, wenn hierdurch zugleich notwendige Reparaturen ausgeführt werden.

EStDV § 82a.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) - zusammen veranlagte Ehegatten - sind Eigentümer einer 1972 fertiggestellten und von ihnen selbst genutzten Eigentumswohnung. Die Fenster und Fensterelemente waren aus Holz in Verbund-Konstruktion gefertigt. Im Jahre 1978 ließen sie für 81.991,84 DM Aluminium-Isolierglas-Fenster einbauen. In ihrer Einkommensteuererklärung für 1979 begehrten die Kläger, nach § 82a Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 3 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung 1979 (EStDV 1979) 8.199 DM als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abzusetzen.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) lehnte dies ab.

Der Einspruch des Klägers und die Klage der Eheleute blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) ist der Auffassung, daß § 82a EStDV 1979 nur die erstmalige Isolierverglasung von einfach verglasten Fenster begünstige. Es könne zu keiner anderen Beurteilung führen, daß im Streitfall die ursprünglichen Verbundglasfenster nicht den Bauvorschriften und den tatsächlichen Anforderungen entsprochen hätten.

Mit der Revision verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter. Sie beantragen sinngemäß, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Einkommensteuer von 91.552 DM auf 87.040 DM herabzusetzen.

Das FA beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

I.

Die Revision der Klägerin ist unbegründet; ihre Klage war mangels Vorverfahrens unzulässig.

Das FG durfte in eine sachliche Überprüfung des Steuerbescheids, soweit er die Klägerin betraf, nicht eintreten, weil dem finanzgerichtlichen Verfahren in bezug auf die Klägerin kein außergerichtliches Vorverfahren (§ 44 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) vorausgegangen war. Der Einspruch ist nur für den Kläger eingelegt worden und die Einspruchsentscheidung vom 4. Mai 1982 nur gegen ihn ergangen. Sie hat auch unter Berücksichtigung der Gründe nur den ausschließlich vom Kläger eingelegten Einspruch behandelt. Die Durchführung eines Vorverfahrens ist als Sachurteilsvoraussetzung von Amts wegen in jeder Verfahrenslage zu prüfen (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 22. Oktober 1975 I R 214/73, BFHE 117, 139, BStBl II 1976, 76, und vom 18. November 1984 VI R 176/82, BFHE 143, 27, BStBl II 1985, 266, jeweils mit weiteren Nachweisen).

II.

Die Revision des Klägers führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

Das FG ist rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, daß eine Maßnahme, die erstmalig zum Zwecke des Wärmeschutzes durchgeführt wird, nur dann gegeben ist, wenn einfach verglaste Fenster durch isolierverglaste Fenster ersetzt werden. Der Senat hat durch sein Urteil vom 30. August 1988 IX R 134/85 (BFHE 154, 519, Der Betrieb 1989, 24) entschieden, daß die erhöhten Absetzungen nach § 82a Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Nr. 2 EStDV 1979 auch für die Ersetzung von Doppelfenstern mit einfachem Glas durch Isolierglasfenster in Anspruch genommen werden können. Er verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf seine Ausführungen dort. Es kommt nur darauf an, ob die Isolierglasfenster gegenüber den zuvor vorhanden gewesenen Verbundglasfenstern einen qualitativ besseren Wärme- oder Lärmschutz darstellen.

Der Anwendung des § 82a Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Nr. 2 EStDV 1979 steht nicht entgegen, daß die zuvor vorhandenen Fenster nicht den Bauvorschriften und den an sie zu stellenden tatsächlichen Anforderungen entsprachen bzw. von vornherein eine Fehlkonstruktion waren.

Eine begünstigte Maßnahme zum Wärmeschutz liegt allerdings nur vor, wenn durch sie ein Verlust geschaffener Wärme verhindert oder vermindert wird (vgl. BFH-Urteil vom 12. März 1985 IX R 32/84, BFHE 143, 537, 538, BStBl II 1985, 507) und wenn sie ausschließlich diesem Zweck dient. Kann die Maßnahme - objektiv gesehen - auch anderen Zwecken dienen, entfällt die Begünstigung (vgl. BFH-Urteil vom 4. Februar 1986 IX R 16/85, BFHE 150, 117, BStBl II 1987, 615, mit weiteren Rechtsprechungshinweisen). Durch dieses Erfordernis wird bezweckt, daß sich die Begünstigung auf Maßnahmen des Wärmeschutzes beschränkt und daß mit der Maßnahme keine anderen Zwecke in der Funktion des Gebäudes verfolgt werden (vgl. BFH-Urteil vom 20. Oktober 1981 VIII R 178/80, BFHE 134, 306, BStBl II 1982, 67).

Sind die vorgenannten Voraussetzungen erfüllt, so ist es unschädlich, wenn die Maßnahme zugleich auch der Erneuerung der vorhandenen reparaturbedürftigen Fenster diente.

Die Vorentscheidung, die von anderen Erwägungen ausgegangen ist, ist aufzuheben. Der Senat vermag nicht in der Sache selbst zu entscheiden. Denn die Vorinstanz hat keine tatsächlichen Feststellungen dazu getroffen, ob die Aufwendungen des Klägers, für die er die erhöhten Absetzungen gemäß § 82a EStDV 1979 geltend macht, sachlich ausschließlich eine erstmalige Maßnahme des Wärme- oder Lärmschutzes betreffen. Dazu besteht in Anbetracht der außerordentlichen Höhe des Aufwands Anlaß. Begünstigt sind allerdings auch Nebenaufwendungen (vgl. BFH-Urteil vom 20. Oktober 1981 VIII R 85/79, BFHE 134, 301, BStBl II 1982, 64). Dabei wird es dem Kläger obliegen, den Zusammenhang mit dem Wärme- oder Lärmschutz und das Merkmal der Ausschließlichkeit nachzuweisen.

Betreffen die Aufwendungen des Klägers sowohl nach § 82a EStDV 1979 begünstigte als auch nicht begünstigte Maßnahmen, so sind sie, sofern die Aufteilung nicht nur rechnerisch, sondern auch sachlich - nachprüfbar - möglich ist, aufzuteilen, und zwar ggf. im Schätzungswege (vgl. BFH-Urteil vom 16. September 1986 IX R 126/84, BFH/NV 1987, 149).

Die Sache geht zur Nachholung der entsprechenden Feststellungen an das FG zurück.