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BFH-Urteil vom 20.4.1989 (IV R 95/87) BStBl. 1989 II S. 863

Wer einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb entgeltlich erwirbt, ihn aber nicht selbst bewirtschaftet, sondern im unmittelbaren Anschluß an den Erwerb verpachtet, kann als Verpächter nur Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, nicht Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft beziehen. Ein sog. Verpächterwahlrecht wie im Fall der Verpachtung eines bislang selbst bewirtschafteten land- und forstwirtschaftlichen Betriebes steht ihm nicht zu (entgegen Abschnitt 139 Abs. 5 Satz 18 EStR 1987).

EStG §§ 13, 14, 16, 21.

Vorinstanz: FG Schleswig-Holstein

Sachverhalt

I.

1. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute. Der Kläger ist freiberuflich tätig. Mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 20. September 1972 erwarben die Kläger als Miteigentümer je zur ideellen Hälfte einen landwirtschaftlichen Hof (X-Hof) - 62,7699 ha - mit Gebäuden und sonstigen baulichen Anlagen, aber ohne das Inventar, für einen Kaufpreis von 750.000 DM. Der Hof wurde am 1. November 1972 übergeben.

Die Kläger bewirtschafteten den X-Hof von Anfang an nicht selbst, sondern verpachteten die landwirtschaftlichen Flächen des Hofes sowie zwei Wirtschaftsgebäude auf sechs Jahre bis zum 31. Oktober 1978 an den Landwirt B; der Pachtzins betrug jährlich 28.000 DM. Für 30 ha Grünland wurde die Pacht bis zum 31. Oktober 1981 verlängert. Eine mitverpachtete Scheune ist im Jahre 1975 abgebrannt.

Aufgrund einer von der Voreigentümerin eingeholten Genehmigung brachen die Kläger im Jahre 1973 das Wohnhaus mit Zwischenbau und Garage, einen Schweinestall, Siloanlagen und zwei Gewächshäuser ab und errichteten stattdessen in den Jahren 1975 bis 1977 einen Wohnhaus-Neubau, der im Mai 1977 bezugsfertig wurde.

Mit Wirkung vom 1. Januar 1978 vermieteten sie eine der Wohnungen des Wohnhauses, und zwar die Hauptwohnung, für eine Monatsmiete von 500 DM an ihren ledigen Sohn C. Dieser, ein ausgebildeter Landwirtschaftsgehilfe, pachtete am 1. August 1978 den gesamten X-Hof mit Ausnahme des verpachteten Grünlandes unter Fortfall der gesonderten Wohnungsmiete für eine Jahrespacht von 32.000 DM auf die Dauer von 12 Jahren. Gleichzeitig pachtete er für diesen Zeitraum 20,61 ha Ländereien aus dem im Eigentum des Klägers stehenden Hof J-Hof für eine Jahrespacht von 20.000 DM.

2. Die Kläger hatten ihrem Wohnsitzfinanzamt (Finanzamt - FA -) mit Schreiben vom 15. August 1973 mitgeteilt, sie hätten gemeinsam den landwirtschaftlichen Betrieb X-Hof erworben; dieser sei verpachtet. Bei der Abgabe der Einkommensteuererklärungen für die Jahre 1972 und 1973 erklärten die Kläger Verluste aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 40.725 DM (1972) und 84.968 DM (1973). Danach richtete der Kläger unter dem Datum vom 4. März 1975 an das Wohnsitz-FA folgendes Schreiben:

"In meiner Einkommensteuererklärung für 1972 habe ich die Einkünfte aus meinem landwirtschaftlichen Betrieb X-Hof bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung erklärt. Da ich den Betrieb nur vorübergehend verpachtet habe und ihn nach Ablauf des Pachtvertrages selbst bewirtschaften will, bin ich daran interessiert, den Hof nicht im Privatvermögen, sondern als Betriebsvermögen zu führen. Ich bitte Sie, dementsprechend bei der Veranlagung die Einkünfte bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft anzusetzen. Diese Grundsätze gelten auch für die Einkommensteuererklärung 1973."

Dementsprechend veranlagte das Wohnsitz-FA die Kläger gemäß § 100 Abs. 1 der Reichsabgabenordnung (AO) vorläufig zur Einkommensteuer 1972 und 1973 und erfaßte hierbei die Einkünfte aus dem X-Hof als solche aus Land- und Forstwirtschaft.

Im August 1976 forderte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das zuständige Betriebs-FA) den Kläger auf anzugeben, ob und ggf. wo er einkommensteuerlich geführt werde. Unter Hinweis darauf, daß die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft gemäß § 180 Abs. 1 Nr. 2b der Abgabenordnung (AO 1977) gesondert festzustellen seien und er gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 für den Betrieb der Land- und Forstwirtschaft zuständig sei, bat er den Kläger, die für die Besteuerung notwendigen Besteuerungsgrundlagen zu erklären, und zwar erstmals ab Wirtschaftsjahr 1977/78. Dieser Aufforderung kamen die Kläger ab dem Veranlagungszeitraum 1977 nach.

Feststellungsbescheide erließ das Betriebs-FA nicht.

Nach einer Außenprüfung gelangte das Wohnsitz-FA zu der Auffassung, die Kläger hätten das ihnen in Abschn. 139 Abs. 4 Satz 7 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) 1972 eingeräumte Wahlrecht dahin ausgeübt, der X-Hof solle dem Privatvermögen zugeführt werden und die Einkünfte daraus seien solche aus Vermietung und Verpachtung. Es erließ entsprechende Feststellungsbescheide. Die nach erfolglos gebliebenem Einspruchsverfahren gegen das Wohnsitz-FA erhobene Klage auf Feststellung der im X-Hof erzielten Einkünfte als solche aus Land- und Forstwirtschaft wies das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht (FG) durch - inzwischen rechtskräftiges - Teil- und Zwischenurteil vom 11. Dezember 1986 V 27/84 ab; es fehle das Rechtsschutzinteresse. Für die begehrte Feststellung sei nicht das Wohnsitz-FA, sondern das Betriebs-FA zuständig. Über den Hilfsantrag, die bezifferten Verluste als negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung festzustellen, hat das FG noch nicht entschieden.

3. Mit Rücksicht auf die im Urteil des FG vom 11. Dezember 1986 (Az. V 27/84) zum Ausdruck gelangte Auffassung, für die gesonderte und einheitliche Feststellung von Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft sei das Betriebs-FA als Belegenheits-FA für den X-Hof zuständig, beantragten die Kläger mit Schreiben vom 9. Januar 1987 beim Betriebs-FA, für sie Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft festzustellen mit der Maßgabe, daß diese ihnen als Miteigentümer je zur Hälfte zuzurechnen seien. Mit Bescheid vom 4. März 1987 lehnte es das beklagte Betriebs-FA ab, für die Jahre 1972 bis 1984 für die Kläger Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft festzustellen, weil die Einkünfte aus dem X-Hof der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung zuzuordnen seien.

Nach erfolglos gebliebenem Einspruchsverfahren verfolgten die Kläger mit der Klage weiterhin das Ziel, das Betriebs-FA zu verpflichten, für sie Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft gesondert und einheitlich festzustellen.

Die Klage hatte keinen Erfolg.

Mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision machen die Kläger die Verletzung des materiellen Rechts geltend.

Die Kläger beantragen, das beklagte Betriebs-FA zu verpflichten, die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft für die Jahre 1972 bis 1984 in folgender Höhe gesondert und einheitlich festzustellen und ihnen je zur Hälfte zuzuordnen:

1972 ./.                  27.349 DM

1973 ./.                  79.716 DM

1974 ./.                  97.207 DM

1975 ./.                  50.895 DM

1976 ./.                    1.870 DM

1977 ./.                  82.068 DM

1978 ./.                 106.055 DM

1979 ./.                  84.996 DM

1980 ./.                  14.520 DM

1981 ./.                 104.447 DM

1982 ./.                  38.985 DM

1983 ./.                  40.770 DM

1984 ./.                  14.646 DM

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet.

Zu Recht hat es das Betriebs-FA abgelehnt, die geltend gemachten Verluste als Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft (§ 13 des Einkommensteuergesetzes - EStG -) festzustellen. Zwar wäre das beklagte FA für diese Feststellung sachlich und auch örtlich zuständig (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977; § 72 Nr. 1 AO; § 180 Abs. 1 Nr. 2b AO 1977; § 215 Abs. 2 AO). Aber die Kläger bezogen in den Streitjahren keine Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft.

1. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) hat der Steuerpflichtige im Fall der Verpachtung seines Betriebes ein Wahlrecht, ob er den Vorgang als Betriebsaufgabe i. S. des § 16 Abs. 3 EStG behandeln und damit die Wirtschaftsgüter seines Betriebes unter Auflösung der stillen Reserven in sein Privatvermögen überführen oder (ob und wie lange er) das Betriebsvermögen während der Verpachtung fortführen und daraus Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft erzielen will (BFH-Urteil vom 13. November 1963 GrS 1/63 S, BFHE 78, 315, BStBl III 1964, 124). Das gilt auch für die Verpachtung land- und forstwirtschaftlicher Betriebe (BFH-Urteil vom 18. März 1964 IV 114/61 S, BFHE 79, 195, BStBl III 1964, 303). Dieses Recht des Steuerpflichtigen findet nach der angeführten Rechtsprechung seine Rechtfertigung darin, daß die Einstellung der eigenen betrieblichen Tätigkeit im Falle der Verpachtung nicht endgültig sein muß, solange die Möglichkeit der Wiederaufnahme durch die Beendigung des Pachtverhältnisses besteht (BFH-Urteil vom 13. März 1986 IV R 176/84, BFHE 146, 399, BStBl II 1986, 601). Die Rechtsprechung wollte damit zugunsten der Steuerpflichtigen vermeiden, daß bei der Betriebsverpachtung im ganzen zwangsläufig durch die Annahme einer Betriebsaufgabe steuerpflichtige stille Reserven aufgelöst werden, ohne daß dem Steuerpflichtigen - wie z.B. bei einer Betriebsveräußerung - Mittel zufließen, mit denen er die auf den Aufgabegewinn entfallende Einkommensteuer bezahlen könnte.

Danach kann das Wahlrecht im Falle der Betriebsverpachtung nur dem bisherigen Unternehmer des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes zustehen, nicht hingegen dem Erwerber eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes, der den Betrieb zu keinem Zeitpunkt selbst bewirtschaftet, sondern in unmittelbarem Anschluß an den entgeltlichen Erwerb verpachtet. Ein solcher Erwerber hat keine Land- und Forstwirtschaft betrieben, die er bei Verpachtung entweder aufgeben oder dessen Betriebsvermögen er als aussetzenden Betrieb ohne Auflösung der stillen Reserven fortführen könnte. Er besitzt grundsätzlich überhaupt kein Betriebsvermögen mit im Lauf der Jahre angewachsenen stillen Reserven, deren Auflösung er vermeiden könnte (vgl. Leingärtner/Zaisch, Die Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirte, Rdnr. 530; Schmidt/Seeger, Einkommensteuergesetz, 7. Aufl., § 13 Anm. 8a). Er erwirbt käuflich nur Vermögen, das er weiter verpachtet, ohne mit diesem Vermögen durch eigene betriebliche Tätigkeit als Land- und Forstwirt Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft erzielt zu haben, bzw. erzielen zu wollen. Eine vielleicht ursprünglich vorhandene, aber nicht verwirklichte dahingehende Absicht ist nicht beachtlich. Nur sein Pächter erzielt Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft. Der Erwerber eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes, der nur das Eigentum erwirbt, aber zu keinem Zeitpunkt als Land- und Forstwirt tätig wird, kann daher im Falle der sofortigen Verpachtung des erworbenen Betriebes nur Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung beziehen.

2. Daraus folgt für den Streitfall, daß die Kläger durch den Erwerb des X-Hofes allein nicht land- und forstwirtschaftliche Unternehmer geworden sind. Sie haben den X-Hof, den sie ohne Inventar erworben haben, nicht selbst bewirtschaftet und, wie sich aus den gemäß § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) den Senat bindenden Feststellungen des FG ergibt, auch nicht für sich durch andere bewirtschaften lassen. Durch die Verpachtung des X-Hofes können die Kläger daher nur Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt haben.

Die EStR räumen allerdings (vgl. Abschn. 139 Abs. 4 Satz 7 EStR 1972 jetzt Abschn. 139 Abs. 5 Satz 18 EStR 1987) dem Steuerpflichtigen das sog. Verpächterwahlrecht bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen auch in den Fällen ein, in denen er einen erworbenen Betrieb im unmittelbaren Anschluß an den Erwerb verpachtet oder einen verpachteten Betrieb erworben hat und diesen neu verpachtet oder der Erwerber eines verpachteten Betriebes in ein bestehendes Pachtverhältnis eintritt (zum Wahlrecht bei unentgeltlichem Erwerb vgl. BFH-Urteil vom 15. Oktober 1987 IV R 66/86, BFHE 152, 62, BStBl II 1988, 260).

Im Streitfall ist nur zu entscheiden, ob der Erwerber eines Betriebes, der diesen im unmittelbaren Anschluß an den entgeltlichen Erwerb verpachtet, als Verpächter nur Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft oder aus Vermietung und Verpachtung beziehen oder alternativ nach den Grundsätzen der Rechtsprechung zur Betriebsverpachtung (BFHE 79, 195, BStBl III 1964, 303) auch Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft beziehen kann. Letzteres verneint der Senat, weil die Verpachtung eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes für sich gesehen in der Person des Eigentümers und Verpächters, der die Land- und Forstwirtschaft vorher nicht selbst betrieben hat, nicht die Tatbestandsmerkmale des § 13 EStG, sondern die des § 21 EStG erfüllt. Da das land- und forstwirtschaftliche Anwesen in der Hand des nicht als Land- und Forstwirt unternehmerisch tätigen Erwerbers keinen Betrieb und kein Betriebsvermögen darstellt, kommt eine Betriebsunterbrechung, bei der das Betriebsvermögen fortgeführt werden kann, nicht in Betracht. Es sind in einem solchen Falle auch keine stillen Reserven vorhanden, deren steuerliche Erfassung unbillig sein könnte (vgl. Leingärtner/Zaisch, a.a.O., und Kanzler, Finanz-Rundschau - FR - 1983, 285).

Als lediglich norminterpretierende Verwaltungsvorschrift bindet Abschn. 139 Abs. 4 EStR 1972 bzw. Abschn. 139 Abs. 5 Satz 18 EStR 1987 die Gerichte nicht. Zu Recht hat daher die Vorinstanz dem Begehren der Kläger auch nicht wegen einer den EStR zuerkannten Bindungswirkung stattgegeben.

3. Ob ein erworbener land- und forstwirtschaftlicher Betrieb dann von Anfang an notwendiges Betriebsvermögen sein kann, wenn ein Steuerpflichtiger ein land- und forstwirtschaftliches Anwesen nach dem Erwerb zwar nicht sofort selbst bewirtschaftet, aber mit der bekundeten Absicht erworben hat, den Betrieb alsbald selbst zu übernehmen und seinen diesbezüglichen Willen auch verwirklicht, braucht hier nicht entschieden zu werden.

Im Streitfall ist ein solcher Sachverhalt nicht gegeben. Vielmehr haben die Kläger den ohne Inventar 1972 erworbenen X-Hof unmittelbar nach dem Erwerb auf sechs Jahre verpachtet. Entgegen der Ankündigung im Schreiben vom 4. März 1975 haben sie auch nach den sechs Jahren den X-Hof nicht selbst bewirtschaftet, sondern weiterhin verpachtet, und zwar zum 1. August 1978 an ihren Sohn C. Offenbar kam es den Klägern mit diesem Schreiben nur darauf an, die Aussichten für die begehrte Investitionszulage zu verbessern.

Ebenso ist nicht zu entscheiden, ob, wie die Kläger unter Berufung auf Herrmann/Heuer/Raupach (Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 2 EStG Anm. 102) meinen, Wahlrechte bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung vor der Tatsacheninstanz ausgeübt, zurückgenommen und geändert werden können. Denn - wie oben ausgeführt - stand den Klägerin im Streitfall bei der Betriebsverpachtung des erworbenen landwirtschaftlichen Anwesens hinsichtlich der Einkunftsart kein Wahlrecht zu.