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BFH-Urteil vom 9.8.1989 (II R 116/86) BStBl. 1989 II S. 870

1. Grundstücksflächen, die als Kleingartenland verpachtet und genutzt werden, sind in der Regel wegen des weitgehenden Pachtschutzes als land- und forstwirtschaftliches Vermögen zu bewerten, es sei denn, daß aus besonderen Umständen zu entnehmen ist, daß das Land demnächst einer Bebauung oder einer anderen nichtgärtnerischen Nutzung zugeführt werden soll (Bestätigung des Abschn. 2 Abs. 8 BewRGr).

2. Eine Kleingartenanlage ist im vergleichenden Verfahren gemäß § 37 BewG zu bewerten.

BewG §§ 33, 34 Abs. 2 Nr. 1d, 37, 68, 69.

Vorinstanz: FG Münster

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) verpachtet seit dem Jahre 1932 ein Grundstück an die Stadt G, die es an Kleingartenvereine weiterverpachtet. Der im Jahre 1932 vereinbarte Pachtzins betrug für den Morgen 30 Reichsmark. Zur Zeit erhält die Klägerin einen Pachtzins von 2,5 Pfennigen pro qm. Die auf dem Grundstück befindliche Kleingartenanlage enthält überwiegend Ziergärten, aber auch Nutzgärten. Im Flächennutzungsplan ist die Anlage als Dauerkleingartenland ausgewiesen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) bewertete das Grundstück zum 1. Januar 1964 als Betrieb der Land- und Forstwirtschaft - Stückländerei -. Den Wirtschaftswert ermittelte das FA, indem es die Fläche als Kleingartenland im Sinne von Abschn. 6.22 der Richtlinien für die Bewertung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens (vom 17. Januar 1968 - BewRL -, BStBl I 1968, 223) sah. Es setzte einen Einheitswert von 29.000 DM fest.

Der hiergegen gerichtete Einspruch führte zu einer Ermäßigung des Einheitswerts auf 28.500 DM, weil Teilflächen, die wegen der darauf errichteten Kleingartenhäuser als Grundvermögen zu bewerten waren, aus der wirtschaftlichen Einheit ausschieden.

Die gegen die Einspruchsentscheidung erhobene Klage hatte keinen Erfolg.

Mit der - vom Finanzgericht (FG) zugelassenen - Revision beantragt die Klägerin, das Urteil aufzuheben, den Einheitswert auf Null DM herabzusetzen und dem FA die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet; sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Das FG hat zutreffend die Bewertung der im Streit befindlichen Grundstücke als land- und forstwirtschaftliches Vermögen, so wie es das FA vorgenommen hat, bestätigt.

1. Die allgemeine Abgrenzung zwischen den Vermögensarten Grundvermögen und land- und forstwirtschaftliches Vermögen ergibt sich aus den §§ 68, 33 des Bewertungsgesetzes (BewG). Zum Grundvermögen gehören nach § 68 Abs. 1 BewG der Grund und Boden, die Gebäude, die sonstigen Bestandteile und das Zubehör, soweit es sich nicht gemäß § 33 BewG um land- und forstwirtschaftliches Vermögen handelt. Der Begriff des Grundvermögens wird demgemäß in § 68 Abs. 1 BewG zum Begriff des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens negativ abgegrenzt, während § 33 BewG positiv bestimmt, welcher Grundbesitz als land- und forstwirtschaftliches Vermögen anzusehen ist (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 5. Dezember 1980 III R 56/77, BFHE 133, 212, 215, BStBl II 1981, 498). Zu diesem gehören alle Wirtschaftsgüter, die einem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft dauernd zu dienen bestimmt sind (§ 33 Abs. 1 BewG), insbesondere der Grund und Boden (§ 33 Abs. 2 BewG).

Unter Landwirtschaft wird die Nutzung des Grund und Bodens zur Gewinnung pflanzlicher oder tierischer Erzeugnisse verstanden, sowie deren unmittelbare Verwertung. Der bewertungsrechtliche Begriff des Betriebs der Land- und Forstwirtschaft setzt keine Mindestgröße voraus; entscheidend ist vielmehr die tatsächliche nachhaltige Nutzung und deren Zweckbestimmung durch den Eigentümer (BFH-Urteil vom 4. März 1987 II R 8/86, BFHE 149, 71, 74, BStBl II 1987, 370).

Grundstücksflächen, die als Kleingartenland verpachtet und genutzt werden, sind in der Regel wegen des weitgehenden Pachtschutzes als land- und forstwirtschaftliches Vermögen zu bewerten. Die in Abschn. 2 Abs. 8 der Richtlinien für die Bewertung des Grundvermögens vom 19. September 1966 - BewRGr - (BStBl I, 890) vorgesehene Regelung entspricht insoweit der Rechtslage (BFH-Urteil vom 19. Januar 1979 III R 42/77, BFHE 127, 220, 221, BStBl II 1979, 398).

2. Nach den tatsächlichen und insoweit bindenden Feststellungen des FG wurden die der Klägerin gehörenden Grundstücke als Gärten genutzt, überwiegend als Ziergärten, aber auch als Nutzgärten. Die Kleingartenanlage wurde, wie das FG festgestellt hat, im Flächennutzungsplan als Dauerkleingartenland ausgewiesen und nach der Kleingarten- und Kleinpachtordnung vom 31. Juli 1919 (RGBl I, 1371) an die Stadt verpachtet, die das Land parzellenweise an Kleingärtner unterverpachtete.

3. Wirtschaftliche Einheit des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens ist das gesamte verpachtete Kleingartengelände. Dieses wurde in Übereinstimmung mit der Widmung im Flächennutzungsplan und unter dem Schutz der Kleingarten- und Kleinpachtverordnung vom 31. Juli 1919 zum Stichtag 1. Januar 1964 gärtnerisch genutzt. Dabei ist darauf abzustellen, daß die ganze Anlage dem Nutzungscharakter einer gärtnerischen Nutzung zum Bewertungsstichtag 1. Januar 1964 entsprach. Solange nicht aus besonderen Umständen, die hier nicht festgestellt sind, zu entnehmen ist, daß das Land demnächst der Bebauung oder einer anderen nichtgärtnerischen Nutzung zugeführt wird, ist das Grundstück allein schon wegen des weitgehenden Pachtschutzes als gärtnerisch genutztes Land zu bewerten (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs - RFH - vom 7. Dezember 1939 III 147/39, RFHE 48, 62, RStBl 1940, 9). Der Senat hält die in Abschn. 2 Abs. 8 BewRGr vorgenommene Abgrenzung des Grundvermögens vom land- und forstwirtschaftlichen Vermögen für richtig (vgl. Urteil in BFHE 127, 220, BStBl II 1979, 398; ebenso Moench/Glier/Knobel/Werner, Bewertungsgesetz, Kommentar, Anm. 10 zu § 69; Rössler/Troll, Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 14. Aufl., Anm. 40 ff. zu § 69 BewG). Zwar dienen Kleingärten zur nichtgewerbsmäßigen gärtnerischen Nutzung (vgl. jetzt § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Bundeskleingartengesetzes vom 28. Februar 1983, BGBl I, 210) - diese Nutzung entsprach auch der Nutzung zum Stichtag 1. Januar 1964 -; eine gewerbsmäßige Nutzung ist jedoch nicht Wesensbestandteil der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung. Bereits mit dem Urteil vom 10. Februar 1956 III 72/55 U (BFHE 62, 208, BStBl III 1956, 78) hat der BFH ausgeführt, daß ein landwirtschaftlicher Betrieb auch dann gegeben ist, wenn der Landwirt für den eigenen Bedarf erzeugt. Auch Liebhaberbetriebe - Betriebe, die ohne Gewinnabsicht betrieben werden - sind dem land- und forstwirtschaftlichen Vermögen und nicht ohne weiteres dem Grundvermögen zuzurechnen (vgl. RFH-Urteil vom 17. Dezember 1931 III A 825/31, RStBl 1932, 329; FG München, Urteil vom 19. Juli 1984 IV 148/81 EW, Entscheidungen der Finanzgerichte 1985, 11; Senatsbeschluß vom 18. Dezember 1985 II B 35/85, BFHE 145, 440, BStBl II 1986, 282).

Zutreffend hat das FG die Grundstücke der Klägerin nicht dem Grundvermögen gemäß § 69 BewG zugeordnet. § 69 BewG betrifft nur die Grundstücke, die zwar noch land- und forstwirtschaftlich genutzt werden, bei denen aber anzunehmen ist, daß sie in absehbarer Zeit anderen als land- und forstwirtschaftlichen Zwecken dienen werden (§ 69 Abs. 1 BewG). Dies liegt im Streitfall nicht vor, denn die Grundstücke sind weiterhin im Flächennutzungsplan als Kleingartenland ausgewiesen. Aus diesem Grund ist § 69 Abs. 3 BewG nicht anwendbar.

Dem FG ist darin zuzustimmen, daß das vergleichende Verfahren (§ 37 BewG) vom FA zu Recht angewendet worden ist. Das vergleichende Verfahren besitzt Vorrang vor dem Einzelertragswertverfahren (§ 37 Abs. 2 BewG). Ein Fall des § 37 Abs. 1 Satz 2 BewG liegt nicht vor. Angesichts der Zahl der Kleingärten kann der Ertragswert der Nutzungen durch ein vergleichendes Verfahren festgestellt werden.