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BFH-Urteil vom 28.6.1989 (II R 14/86) BStBl. 1989 II S. 896

Keine Berichtigung des Erbschaftsteuerbescheides bei Verzicht des Nießbrauchsberechtigten auf das geerbte Nießbrauchsrecht.

BewG § 14; ErbStG 1974 § 23 Abs. 1.

Vorinstanz: FG Köln

Sachverhalt

I.

Die Beteiligten streiten darum, ob der Verzicht auf ein geerbtes Nießbrauchsrecht Einfluß auf die vom Nießbrauchsberechtigten erhobene Erbschaftsteuer hat.

Der Kläger erwarb 1962 durch Erbanfall ein Nießbrauchsrecht an einem Grundstück. Auf seinen Antrag setzte das Finanzamt (FA) die entsprechende Erbschaftsteuer gemäß § 30 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) 1959 auf jährlich X DM fest.

Durch notariell beglaubigte Erklärung vom September 1981 beantragte und bewilligte der Kläger die Löschung des Nießbrauchsrechtes im Grundbuch. Dies geschah unentgeltlich.

Der Kläger beantragte beim FA, den Jahressteuerbescheid (über den Erbanfall 1962) mit Wirkung ab 1982 aufzuheben.

Das FA lehnte diesen Antrag ab und wies auch den Einspruch zurück. Das Nießbrauchsrecht habe dem Kläger beim Erwerb lebenslänglich zugestanden und sei damals entsprechend bewertet worden. Der spätere freiwillige Verzicht habe keinen Einfluß auf diese Bewertung; die Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes (BewG) lägen nicht vor.

Der Klage gab das Finanzgericht (FG) statt. Es hob die Festsetzung der Jahressteuer ab 1982 auf und dementsprechend auch die jetzige ablehnende Entscheidung des FA in Gestalt der Einspruchsentscheidung.

Mit der vom FG zugelassenen Revision beantragt das FA, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet.

1. Das angefochtene Urteil muß aufgehoben werden, weil das FG § 14 BewG nicht richtig angewendet hat.

Das Nießbrauchsrecht, das dem Kläger nach dem festgestellten Sachverhalt ohne zeitliche Einschränkung und daher lebenslänglich zustand, ist nach § 14 Abs. 1 (vorher § 16 Abs. 1) BewG zu bewerten. § 14 Abs. 2 (vorher § 16 Abs. 3) BewG erlaubt die Berücksichtigung später eintretender Umstände nur für solche Fälle, in denen das Nutzungsrecht durch den Tod des Berechtigten oder des Verpflichteten wegfällt. Gleichermaßen gilt § 5 Abs. 2 BewG nur für einen begrenzten Bereich, nämlich für die auflösende Bedingung.

Der Verzicht des Nutzungsberechtigten auf das Nutzungsrecht rechtfertigt somit nicht die Berichtigung der Steuerfestsetzung und damit der Bewertung nach § 14 Abs. 1 BewG.

Diese Auslegung nach dem Wortlaut des Gesetzes, der die Berichtigungsmöglichkeiten auf wenige ausdrücklich genannte Fälle begrenzt, entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers, wie § 14 Abs. 2 BewG zeigt. Danach darf selbst beim Tode des Berechtigten oder des Verpflichteten die Festsetzung einer einmalig veranlagten Steuer nicht ausnahmslos, sondern nur dann berichtigt werden, wenn das Nutzungsrecht jeweils eine bestimmte Zeit nicht überschritten hat. Diese Einschränkung läßt erkennen, daß der Gesetzgeber nur in ausdrücklich genannten Ausnahmefällen die Berichtigung zulassen will. Die Einschränkung wäre unverständlich, wenn § 14 Abs. 2 BewG nur der Ausdruck des allgemeinen Grundsatzes sein sollte, daß jede Bewertung eines Nutzungsrechtes nachträglich berichtigt werden kann.

Daß der Gesetzgeber bei Entrichtung der Steuer vom Jahreswert der Nutzung nach § 23 ErbStG 1974 (bisher § 30 ErbStG 1959) nach anderen als den vorgenannten Grundsätzen verfahren will, ist nicht ersichtlich.

Diese Entscheidung widerspricht nicht dem Urteil des Senats vom 12. Juli 1979 II R 26/78 (BFHE 128, 266, BStBl II 1979, 631). Der Senat hat dort die Auffassung vertreten, die Kündigung eines auf unbestimmte Zeit zinslos gegebenen Darlehens sei ein Ereignis i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO 1977), soweit es um die unentgeltliche Zuwendung in Form der zinslosen Kapitalnutzung gehe. In dem dort entschiedenen Fall durften beide Vertragspartner gemäß § 609 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) jederzeit das Vertragsverhältnis kündigen. Damit konnte dem Begünstigten sein Nutzungsrecht an dem Darlehenskapital auch gegen seinen Willen entzogen werden. Diese Möglichkeit des unfreiwilligen Verlustes war daher Bestandteil des Vertragsverhältnisses. Das hier zu beurteilende Nießbrauchsverhältnis stellte den Kläger dagegen in dieser Hinsicht anders. Er konnte es zwar jederzeit durch einseitige Erklärung aufgeben (§ 875 BGB), nicht aber gegen seinen Willen durch einseitige Erklärung des Nießbrauchsverpflichteten verlieren.

2. Der Senat entscheidet selbst in der Sache. Das angefochtene FG-Urteil ist aufzuheben und die Klage abzuweisen.