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BFH-Urteil vom 23.5.1989 (VII R 110/86) BStBl. 1989 II S. 907

1. Die zeitweilige zweckfremde Benutzung eines Fahrzeugs, dessen Halten von der Kraftfahrzeugsteuer befreit ist, solange es ausschließlich zu dem begünstigten Zweck verwendet wird, läßt die Steuerbefreiung nur vorübergehend entfallen.

2. Verwendet ein Lohnunternehmer sein Fahrzeug zum Pflügen gemeindlicher Pflanzstreifen, so liegt eine kraftfahrzeugsteuerbegünstigte Nutzung "für land- oder forstwirtschaftliche Betriebe" nicht ohne weiteres vor.

KraftStG 1979 § 3 Nr. 7 Buchst. b, § 5 Abs. 2 Satz 3; KraftStDV 1979 § 7 Abs. 1; KraftStG 1972 § 2 Nr. 6 Buchst. b.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG (EFG 1987, 375)

Sachverhalt

I.

Für die Klägerin und Revisionsbeklagte - Klägerin -, die ein Lohnunternehmen zum Pflügen, Räumen und Planieren von Flächen für Land- und Forstwirte betreibt, ist eine Zugmaschine zum Verkehr zugelassen, deren Halten von dem Beklagten und Revisionskläger - Finanzamt (FA) - zunächst gemäß § 2 Nr. 6 Buchst. b des Kraftfahrzeugsteuergesetzes - KraftStG - 1972 von der Kraftfahrzeugsteuer freigestellt worden war. 1984 stellte das FA bei einer Überprüfung fest, daß die Klägerin in einer Anzahl von Fällen Lohnarbeiten nicht nur für Landwirte ausgeführt hatte, sondern auch für Gebietskörperschaften, Stadtwerke, Waldschutzgenossenschaften sowie für ein Kraftwerk. Darauf setzte das FA gegen die Klägerin Kraftfahrzeugsteuer fest. Der dagegen erhobenen Klage gab das Finanzgericht - FG - weitgehend statt (Urteil vom 24. Juli 1986 III 409/85, Entscheidungen der Finanzgerichte 1987, 375).

Mit der Revision gegen dieses Urteil rügt das FA, das FG habe die Befreiungsvorschrift - § 3 Nr. 7 Buchst. b KraftStG 1979 - zu weit ausgelegt und nicht beachtet, daß es an der ausschließlich begünstigten Verwendung fehle, wenn ein Lohnunternehmer Fahrzeuge auch zu Zwecken außerhalb der Land- oder Forstwirtschaft einsetze. Die Klägerin habe es unterlassen, die Nutzung der Maschine zu nichtbegünstigten Zwecken anzuzeigen. Da diese über einen längeren Zeitraum in wiederkehrenden Abständen für Zwecke außerhalb der Landwirtschaft eingesetzt worden sei, sei davon auszugehen, daß diese Nutzungsabsicht schon bei der Zulassung bestanden habe.

Nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist hat das FA bemängelt, daß das FG nicht aufgeklärt habe, ob die für Gemeinden oder Kirchengemeinden bearbeiteten Flächen tatsächlich land- oder forstwirtschaftlich genutzt worden seien. Im übrigen habe das FG nicht beachtet, daß nach einer steuerschädlichen Verwendung dem Halter Steuerbefreiung nur aufgrund neuen Antrags gewährt werden könne (§ 7 Abs. 1 der Kraftfahrzeugsteuer-Durchführungsverordnung - KraftStDV - 1979). Da ein solcher Antrag nicht gestellt worden sei, hätte das FG vom Fortbestehen der Steuerpflicht ausgehen müssen und nicht prüfen dürfen, ob die schädliche Verwendung vorübergehend oder auf Dauer erfolgt sei.

Entscheidungsgründe

II.

Die Sachrüge des FA führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die Vorinstanz hat zwar richtig entschieden, daß die festgestellten steuerschädlichen Verwendungen des Fahrzeugs die Kraftfahrzeugsteuerbefreiung nach § 3 Nr. 7 Buchst. b KraftStG 1979 nicht von vornherein - gänzlich - ausschließen, jedoch Verwendungen für steuerunschädlich gehalten, die nicht unter die Befreiungsvorschrift fallen. Da hinreichende Feststellungen über die in Betracht kommenden Fahrzeugeinsätze fehlen, kann der Senat nicht durcherkennen.

1. § 3 Nr. 7 Buchst. b KraftStG 1979 gehört zu den kraftfahrzeugsteuerrechtlichen Befreiungstatbeständen, die das Halten von Fahrzeugen begünstigen, solange diese ausschließlich zweckgerecht verwendet werden (hier: Zugmaschinen usw. zur Durchführung von Lohnarbeiten für land- oder forstwirtschaftliche Betriebe). Der Senat folgt der Vorinstanz darin, daß die geforderte ausschließliche Verwendung nicht schon mit Rücksicht auf die festgestellten steuerschädlichen Einsätze des Fahrzeugs für acht Aufträge ... (Planierungsarbeiten) zu verneinen ist. Wie sich aus § 5 Abs. 2 Satz 3 KraftStG 1979 ergibt, hat die vorübergehende Verwendung eines im Halten kraftfahrzeugsteuerfreien Fahrzeugs zu nichtbegünstigten Zwecken - zweckfremde Benutzung - lediglich die Folge, daß die Steuerpflicht für die Dauer dieser Benutzung, mindestens für die Dauer eines Monats, (wieder) einsetzt. Die zweckfremde Benutzung stellt die Steuerbefreiung für bereits zurückliegende Zeiten der zweckgerechten Verwendung nicht in Frage. Ist die zweckfremde Benutzung beendet und der Mindestbesteuerungszeitraum abgelaufen, so ist auch eine weitere Steuerbefreiung nicht ausgeschlossen (ebenso Möllinger, Deutsche Verkehrssteuer-Rundschau 1988, 18, 21; vgl. auch Egly/Mößlang, Kraftfahrzeugsteuer, 3. Aufl. 1981, Abschn. 41 = S. 286 a.E.). "Solange ... ausschließlich" (§ 3 Nr. 7 KraftStG 1979) bedeutet nur, daß das Fahrzeug allein dem begünstigten Zweck dienen muß, solange es zweckgerecht verwendet wird, also ohne eine anderweitige "Mit"benutzung (vgl. auch Bundesfinanzhof - BFH -, Urteil vom 12. Mai 1965 II 59/62 U, BFHE 82, 492, BStBl III 1965, 425). Ob die gleichlautende Befreiungsvorschrift in § 2 Nr. 6 Buchst. b KraftStG 1972 anders auszulegen war, wie FG und FA meinen, kann dahingestellt bleiben. § 3 Nr. 7 KraftStG 1979 muß jedenfalls unter Berücksichtigung der Regelung über die zweckfremde Benutzung (§ 5 Abs. 2 Satz 3 KraftStG 1979), die als solche im früheren Kraftfahrzeugsteuerrecht nicht enthalten war, im Sinne der Vorentscheidung verstanden werden. Der vom FG angeführten Entscheidung des früher für Kraftfahrzeugsteuersachen zuständigen II. Senats des BFH (Urteil vom 5. März 1980 II R 19/75, BFHE 129, 516, BStBl II 1980, 255) zu § 2 Nr. 6 Buchst. b KraftStG 1972 liegt im übrigen ein Fall zugrunde, in dem die Mehrzahl der Fahrzeugeinsätze zu nichtbegünstigten Zwecken erfolgte. Insoweit gilt auch für das neue Kraftfahrzeugsteuerrecht, daß das Merkmal der Ausschließlichkeit nicht vorliegt, wenn die steuerschädliche Benutzung nicht nur vorübergehender Art, sondern auf Dauer angelegt ist (Möllinger, a.a.O., S. 19 f.). Ein solcher Fall ist hier jedoch nicht gegeben. Nach den von der Vorinstanz getroffenen Feststellungen, die den Senat binden, weil insoweit Verfahrensrügen nicht erhoben worden sind (§ 118 Abs. 2 FGO), entfallen etwa 93 bis 95 % des Umsatzes der Klägerin auf steuerbegünstigte Lohnarbeiten "direkt für Landwirte". Die Würdigung des FG, die steuerschädlichen Einsätze seien im Verhältnis zum Besteuerungszeitraum vorübergehender Art, läßt keinen Rechtsfehler erkennen. Mit seiner abweichenden Bewertung greift das FA - vergebens - die für den Senat verbindliche Tatsachenwürdigung der Vorinstanz an.

Im Gegensatz zur Auffassung der Revision war die Steuerbefreiung für den (weiteren) steuerbegünstigten Einsatz des Fahrzeugs nicht davon abhängig, daß nach jeweiliger Beendigung der zweckfremden Benutzung erneut ein entsprechender Antrag (§ 7 Abs. 1 Satz 1 KraftStDV 1979) gestellt wurde. Das FA übersieht, daß eine Steuerfestsetzung wegen zweckfremder Benutzung die grundsätzliche Steuerfreistellung, gewährt aufgrund des ursprünglichen Antrags, unberührt läßt (vgl. auch Klein/Olbertz, Kraftfahrzeugsteuergesetz, 2. Aufl. 1987, § 5 Anm. 2: Zweckfremde Benutzung bei eingetretener Steuerbefreiung). Die zweckfremde Benutzung führt zwar zur vorübergehenden Steuerpflicht, steht jedoch einer Weitergewährung der (bereits beantragten) Steuerbefreiung nicht entgegen, sobald die Voraussetzungen dafür vorliegen. Auch ein Verstoß gegen die Anzeigepflicht nach § 7 Abs. 1 Satz 2 KraftStDV 1979, wie sie das FA in der Nichtanzeige der zweckfremden Benutzung sieht, ändert nichts daran, daß eine - weitere - Steuerbefreiung in Betracht kommt. Sie ergibt sich aus dem Gesetz; an die Erfüllung der Anzeigepflicht ist sie nicht gebunden.

2. Nicht zugestimmt werden kann der Vorinstanz, soweit sie in der Benutzung des Fahrzeugs zum Pflügen von Pflanzstreifen für Gemeinden und Kirchengemeinden eine Verwendung zum steuerbegünstigten Zweck ("Wiederaufforstung von forstwirtschaftlichen Flächen") gesehen hat. Insoweit greift die Sachrüge durch.

Für die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 7 Buchst. b KraftStG 1979 genügt es nicht, daß das Fahrzeug "wie von einem Land- oder Forstwirt" benutzt wird. Erforderlich ist vielmehr die Verwendung zur Durchführung von Lohnarbeiten für land- oder forstwirtschaftliche Betriebe (zum Begriff eines solchen Betriebs BFH, Urteil vom 19. September 1984 II R 139/82, BFHE 142, 181, 183, BStBl II 1985, 108) oder Nebenbetriebe. Das FG hat ausgeführt, die auftraggebenden Gebietskörperschaften und anderen juristischen Personen unterhielten land- oder forstwirtschaftliche Betriebe. Demgegenüber rügt das FA, daß die Vorinstanz nicht aufgeklärt habe, ob die bearbeiteten Flächen tatsächlich land- oder forstwirtschaftlich genutzt wurden. Die Verfahrensrüge ist schon deshalb unbeachtlich, weil sie verspätet erhoben worden ist (§ 120 Abs. 2 Satz 2, Abs. 1 FGO). Eine (hinreichende) tatsächliche Feststellung ist in den Ausführungen des FG aber auch nicht zu sehen. Die Vorentscheidung legt die Annahme nahe, daß das FG damit lediglich seine Rechtsansicht ausgedrückt hat, die Pflanzstreifen der Gemeinden, für die die Klägerin Lohnarbeiten durchgeführt hat, seien forstwirtschaftliche (Neben-)Betriebe ("weite Auslegung des Begriffs der Land- oder Forstwirtschaft"). Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden. Das FG geht selbst - insoweit richtig - davon aus, daß Nebenbetriebe einem land- oder forstwirtschaftlichen Hauptbetrieb zu dienen bestimmt sein müssen. Da die Vorentscheidung allein auf die nach Auffassung des FG forstwirtschaftlich genutzten Einzelflächen abstellt, könnte ihr entnommen werden, daß eine Zuordnung zu land- oder forstwirtschaftlichen Betrieben der Auftraggeber - sollten solche Betriebe überhaupt vorliegen - nicht besteht. Trifft dies zu, so erscheint es auch ausgeschlossen, die Flächen als Stückländereien - bewertungsrechtlich Betriebe der Land- und Forstwirtschaft - anzusehen (vgl. § 34 Abs. 7, § 33 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes; hinsichtlich der Zweckbestimmung von Flächen für einen Betrieb der Land- oder Forstwirtschaft auch BFH, Urteil vom 5. Dezember 1980 III R 56/77, BFHE 133, 212, 216, BStBl II 1981, 498). Zumindest fehlt es aber, soweit das FG die Flächen als forstwirtschaftliche Betriebe beurteilt, an der Angabe der dafür bestimmend gewesenen Gründe (§ 96 Abs. 1 Satz 3 FGO). Dieser Fehler ist auf die Sachrüge hin zu beachten.

Daß die Flächen für sich allein keine forstwirtschaftlichen "Betriebe" i.S. von § 3 Nr. 7 KraftStG 1979 sein können, wird durch die neuere Rechtsentwicklung bestätigt. Nach § 3 Nr. 7 Buchst. e KraftStG 1979 in der Fassung von Art. 1 Nr. 1 Buchst. b, bb des Haushaltsbegleitgesetzes 1989 vom 20. Dezember 1988 (BGBl I 1988, 2262, BStBl I 1989, 19) ist kraftfahrzeugsteuerfrei das Halten bestimmter Fahrzeuge, solange diese ausschließlich von Land- oder Forstwirten zur Pflege von öffentlichen Grünflächen ... im Auftrag von Gemeinden oder Gemeindeverbänden verwendet werden. Dieser neuen Steuerbefreiung hätte es nicht bedurft, wären solche Flächen ohnehin als begünstigte "Betriebe" zu beurteilen (vgl. § 3 Nr. 7 Buchst. a KraftStG 1979).