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BFH-Urteil vom 24.5.1989 (V R 127/84) BStBl. 1989 II S. 912

Ein Hotelunternehmer nimmt Hotelgäste und erwachsene Arbeitnehmer (bei Gewährung von Kost und Logis) nicht "für Erziehungs-, Ausbildungs- oder Fortbildungszwecke" bei sich auf (§ 4 Nr. 23 UStG 1973). Die Befreiungsvorschrift greift daher ein, soweit er die von ihm zur Ausbildung beschäftigten Jugendlichen "zu Ausbildungszwecken" bei sich aufnimmt.

UStG 1973 § 4 Nr. 23.

Vorinstanz: FG Münster

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betrieb in den Streitjahren 1976 bis 1978 ein Hotel-Restaurant. Er gewährte den bei ihm zur Ausbildung beschäftigten Jugendlichen als Teil ihrer Ausbildungsvergütung (neben einer Barvergütung) Kost und Unterbringung in den Hotelräumen. Diese Leistungen behandelte der Kläger als gemäß § 4 Nr. 23 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1973 steuerfrei.

Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) waren in den Streitjahren ständig mehr jugendliche Auszubildende als sonstige Arbeitnehmer beim Kläger beschäftigt.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) vertrat nach einer Außenprüfung die Auffassung, § 4 Nr. 23 UStG 1973 sei nicht anwendbar. Die Voraussetzung, daß überwiegend Jugendliche zu Ausbildungszwecken aufgenommen würden, sei nicht erfüllt, weil die Zahl der Gästeübernachtungen zu berücksichtigen sei. Das FA teilte die Leistungen des Klägers nach den lohnsteuerlichen Werten für Sachbezüge in steuerfreie Unterbringung (§ 4 Nr. 12 Buchst. a UStG 1973) und in nichtsteuerfreie Verpflegungsleistungen auf. Entsprechend ordnete es die Vorsteuerbeträge als nicht abziehbare und abziehbare zu.

Der Einspruch des Klägers hatte keinen Erfolg.

Mit der Klage beantragte der Kläger, die angefochtenen Bescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidung aufzuheben, die Umsatzsteuer 1976, 1977 und 1978 um ... DM herabzusetzen. Bei diesem Antrag berücksichtigte der Kläger die im Hinblick auf seine Beurteilung nicht abziehbaren Vorsteuerbeträge.

Das FG gab der Klage statt. Es ging davon aus, daß der Begriff der "Aufnahme" in § 4 Nr. 23 UStG 1973 im Hinblick auf die begünstigten Zwecke grundsätzlich neutral sei. Es gebe Aufnahmen zu diesen und zu anderen Zwecken. Mit dieser Auffassung könne man zwar die herrschende Ansicht der Verwaltung (Verfügung der Oberfinanzdirektion - OFD - Frankfurt vom 23. November 1979 - S 7.181 A-2-St-IV 2, Der Betrieb - DB - 1980, 714) und des der Verwaltung folgenden Schrifttums begründen. Danach dürfe das Hotel- und Gaststättengewerbe in der Regel von der Befreiung nach § 4 Nr. 23 UStG 1973 nicht Gebrauch machen, weil eine überwiegende Aufnahme zu den begünstigten Zwecken nur vorliege, wenn die Beherbergung von auszubildenden Jugendlichen im Verhältnis zur Gesamtheit der gewährten Übernachtungen überwiege. Dieser Auffassung sei jedoch nicht zu folgen, weil sie dem Gebot der steuerlichen Gleichbehandlung widerspreche. Wenn auch das Lehrlingsheim eines Industrieunternehmens begünstigt werde, so müsse das auch für Beherbergungsbetriebe gelten, die neben der nur vorübergehenden Beherbergung von Gästen auch eigenes Personal bei sich unterbrächten. Hier sei zwischen Gästen und Personal zu unterscheiden. Begrifflich sei das damit zu begründen, daß der Aufnahme im Sinn der Begünstigungsvorschrift grundsätzlich auch ein Moment zeitlicher Dauer zukomme, während Aufnahme im Sinn des Gastgewerbes in der Regel eine vorübergehende Beherbergung sei.

Das FA rügt mit der Revision Verletzung des § 4 Nr. 23 UStG 1973. Es hält an seiner Auffassung fest, daß im Hotel- und Gaststättengewerbe regelmäßig, so auch hier, eine "überwiegende Aufnahme" zu Ausbildungszwecken im Sinn der Befreiungsvorschrift nur dann vorliege, wenn die Beherbergung von auszubildenden Jugendlichen überwiege. Da die Leistungen des Unternehmers eine Einheit bildeten, könne der Abgrenzung zwischen Aufnahmeleistungen und sonstigem Unternehmensbereich (Beherbergung und Beköstigung von Hotelgästen) nicht gefolgt werden. Auch das zeitliche Moment spiele keine Rolle. Nach dem Wortlaut der Vorschrift sei es für die Steuerbefreiung ohne Belang, ob die Jugendlichen auf Dauer oder nur kurzfristig zu den genannten Zwecken aufgenommen würden.

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger tritt der Revision entgegen. Seiner Auffassung nach entspricht zum einen die Revisionsbegründung des FA nicht den Anforderungen des § 120 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO), weil eine sachliche Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Urteils nicht ersichtlich sei. Zum anderen hält der Kläger das Urteil des FG in der Sache für zutreffend.

Entscheidungsgründe

II.

1. Die Revision ist zulässig. Das FA setzt sich in seiner Revisionsbegründung hinreichend mit den Gründen des angefochtenen Urteils auseinander (Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 25. Oktober 1973 V R 38/72, BFHE 110, 324, BStBl II 1974, 13).

2. Die Revision des FA ist unbegründet. Das Urteil des FG hält im Ergebnis der Revision stand.

Nach § 4 Nr. 23 UStG 1973 ist steuerfrei die Gewährung von Beherbergung, Beköstigung und der üblichen Naturalleistungen durch Personen und Einrichtungen, wenn sie überwiegend Jugendliche für Erziehungs-, Ausbildungs- oder Fortbildungszwecke ... bei sich aufnehmen, soweit die Leistungen an die Jugendlichen oder an die bei ihrer Erziehung, Ausbildung, Fortbildung oder Pflege tätigen Personen ausgeführt werden. Jugendliche im Sinne dieser Vorschrift sind alle Personen vor Vollendung des 27. Lebensjahres.

Die Steuerbefreiung (deren Fassung im wesentlichen auf der Neufassung des § 4 Nr. 13 UStG 1951 durch das Zweite Umsatzsteueränderungsgesetz vom 30. Juli 1952, BGBl I 1952, 393 beruht) soll umfassend Einrichtungen im Bereich der Jugenderziehung und -ausbildung (vgl. z.B. Eckhardt/Weiß, Umsatzsteuergesetz, Kommentar, § 4 Nr. 23 Tz. 1, und Knopp, Deutsche Steuer-Zeitung/Ausgabe A 1953, 310) zugute kommen.

Wie zudem der Senat im Beschluß vom 26. Juli 1979 V B 15/79 (BFHE 128, 421, BStBl II 1979, 721) ausgeführt hat, begünstigt die Vorschrift diejenigen Unternehmer, die nicht schon von den Befreiungsvorschriften des § 4 Nr. 18, 21, 24 und 25 UStG 1967/73 erfaßt werden, aber ebenfalls im Bereich der Jugendarbeit tätig werden - nämlich durch die Aufnahme von Jugendlichen zu Erziehungs-, Ausbildungs- oder Fortbildungszwecken bei sich -. Diese Tätigkeit muß nicht der alleinige Gegenstand der begünstigten Unternehmer sein (wie in BFHE 128, 421, BStBl II 1979, 721 im Hinblick auf nur diesen in Betracht kommenden Fall vorausgesetzt wurde), sie muß auch nicht den Haupt-Gegenstand des Unternehmens bilden, muß aber zum Bereich der unternehmerischen Betätigung gehören. In welchem Umfang oder in welcher Organisationsform diese Tätigkeit betrieben wird, ist unerheblich, wie sich aus dem weiten Begriffsinhalt der "Einrichtungen", auf die § 4 Nr. 23 UStG 1967/73 abstellt, ergibt.

Von den im Gesetz genannten begünstigten Aufnahmezwecken (Erziehungs-, Ausbildungs- oder Fortbildungszwecke) erfüllt der Kläger mit der Aufnahme von Jugendlichen zur Ausbildung in seinem Unternehmen die Ausbildungszwecke.

Umsatzsteuerbefreit sind die Beherbergungs- und Beköstigungsleistungen sowie die üblichen Naturalleistungen dann, wenn der Unternehmer überwiegend Jugendliche für die begünstigten Aufnahmezwecke bei sich aufgenommen hat. Für die Beurteilung der Frage des "Überwiegens" ist nach dem Wortzusammenhang der Vorschrift auf den Kreis der Personen abzustellen, die zu Erziehungs-, Ausbildungs- oder Fortbildungszwecken aufgenommen worden sind. Im Streitfall ist das Tatbestandsmerkmal des "Überwiegens" zu bejahen, weil der Kläger nur Jugendliche zu Ausbildungszwecken bei sich aufgenommen hat. Andere Personen sind im Unternehmen des Klägers nicht zu begünstigten Zwecken im Sinne der Vorschrift aufgenommen. Weder die Hotelgäste noch die ausgelernten, beim Kläger untergebrachten Arbeitnehmer sind zu Zwecken im Sinn der Vorschrift aufgenommen. Dabei kann offenbleiben, welche Bedeutung dem Begriff "Aufnahme" im einzelnen zukommt, insbesondere, ob er, wie das FG meint, ein Moment zeitlicher Dauer voraussetzt, dessen Vorliegen das FG für den Fall der bloßen Hotel- oder Gaststättenbeherbergung verneint.