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BFH-Urteil vom 7.6.1989 (X R 186/87) BStBl. 1989 II S. 932

Unter dem Begriff "Höchstbeträge" i.S. des § 10c Abs. 8 Satz 2 EStG 1983 ist nicht nur der absolute, sondern auch der variable (relative) Höchstbetrag i.S. des § 10 Abs. 3 Nr. 3 EStG 1983 zu verstehen.

EStG 1983 §§ 10, 10c.

Vorinstanz: FG Köln

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger zu 1. (Kläger) wird mit seiner Ehefrau, der Klägerin und Revisionsklägerin zu 2. (Klägerin), zusammen veranlagt. Im Streitjahr 1983 erzielte der Kläger als Rentenversicherungspflichtiger Lohneinkünfte von brutto 35.715 DM, seine Ehefrau als Beamtin Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit von 37.328 DM. In der Einkommensteuererklärung machten die Eheleute Vorsorgeaufwendungen von 9.536 DM geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) berücksichtigte die Vorsorgeaufwendungen mit dem nach § 10 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1983 - wie folgt - berechneten Höchstbetrag von 7.408 DM:

Grundhöchstbetrag

   

(1 Kind)

 

5.280 DM

   

zuzüglich:

   

   

Gesamtaufwendungen

9.536 DM

 

./. Grundhöchstbetrag

5.280 DM

 
 

- - - - - - -

 

verbleiben

4.256 DM

 

davon 1/2

 

2.128 DM

   

- - - - - - -

   

7.408 DM

   

=======

Mit der Sprungklage begehrten die Kläger den Abzug der Vorsorgepauschale, die nach ihrer nachfolgenden Berechnung 7.882 DM betragen soll:

I. Ausgangswert

   

   

1. Ehemann, renten-

   

versicherungspflichtig

   

Arbeitslohn (§ 10c

   

Abs. 3 Satz 5 EStG):

35.115 DM

 

   

davon 18 v.H. gemäß

   

§ 10c Abs. 8

   

Nr. 1 EStG

 

6.320 DM

   

2. Ehefrau, Beamtin

   

Arbeitslohn (§ 10c

   

Abs. 3 Satz 5 EStG):

36.728 DM

 

   

davon a) 9 v.H.

   

höchstens

 

1.600 DM

   

b) 9 v.H.

   

höchstens

 

1.300 DM

   

- - - - - - -

   

9.220 DM

   

=======

   

II. Höchstbetrag

   

   

Grundhöchstbetrag

   

(§ 10 Abs. 3 Nr. 1 EStG)

 

5.280 DM

   

zusätzlicher Betrag

   

(§ 10 Abs. 3 Nr. 3 EStG)

 

2.640 DM

   

- - - - - - -

   

7.920 DM

Aufrundung auf einen

   

durch 54 teilbaren

   

Betrag

   

(§10c Abs. 3 Satz 4 EStG)

 

7.882 DM

   

(richtig: 7.884 DM).

Demgegenüber machte das FA geltend, wie nachfolgende Berechnung ergebe, betrage die Vorsorgepauschale lediglich 7.236 DM und sei damit niedriger als der nach § 10 Abs. 3 EStG im Streitfall abziehbare Höchstbetrag:

Grundhöchstbetrag

 

5.280 DM

   

zuzüglich:

   

Ausgangswert

9.220 DM

 

./. Grundhöchstbetrag

5.280 DM

 
 

- - - - - - -

 

verbleiben

3.940 DM

 

   

davon 1/2

 

1.970 DM

   

- - - - - - -

   

7.250 DM

nach Abrundung

 

7.236 DM.

   

=======

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen.

Mit der Revision verfolgen die Kläger ihr bisheriges Begehren weiter.

Sie beantragen sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben, weitere Vorsorgeaufwendungen in Höhe von 476 DM als Sonderausgaben anzuerkennen und die Einkommensteuer 1983 entsprechend herabzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das FG war zu Recht der Ansicht, daß die von den Klägern geltend gemachten Versicherungsbeiträge nur in Höhe von 7.408 DM abziehbar sind, weil die Vorsorgepauschale lediglich 7.236 DM beträgt.

1. Beziehen im Fall der Zusammenveranlagung beide Ehegatten Arbeitslohn und gehört nur ein Ehegatte dem in § 10c Abs. 7 des im Streitfall maßgeblichen EStG 1983 genannten Personenkreis an, z.B. als Beamter, so beträgt gemäß § 10c Abs. 8 die Vorsorgepauschale

1. 18 v.H. des bereinigten Arbeitslohns des rentenversicherungspflichtigen Ehegatten,

2. vom bereinigten Arbeitslohn des beamteten Ehegatten

a) 9 v.H., höchstens 1.000 DM, zuzüglich 600 DM Kinderzuschlag,

b) 9 v.H., höchstens 1.000 DM, zuzüglich 300 DM Kinderzuschlag.

Dabei dürfen gemäß § 10c Abs. 8 Satz 2 EStG 1983 die Höchstbeträge des § 10 Abs. 3 Nr. 1 und 3 EStG nicht überschritten werden.

2. Der Höchstbetrag nach § 10 Abs. 3 Nr. 1 EStG beträgt für zusammen veranlagte Ehegatten mit einem Kind stets 5.280 DM. Der Höchstbetrag nach § 10 Abs. 3 Nr. 3 EStG hängt von der Höhe der tatsächlichen Vorsorgeaufwendungen ab. Soweit diese die nach § 10 Abs. 3 Nr. 1 und 2 EStG abziehbaren Beträge übersteigen, sind sie zusätzlich zur Hälfte abziehbar, höchstens bis zu 50 v.H. des Höchstbetrages nach § 10 Abs. 3 Nr. 1 EStG, bei zusammenveranlagten Ehegatten mit einem Kind höchstens bis zu 2.640 DM.

3. Umstritten ist, ob sich die Verweisung in § 10c Abs. 8 Satz 2 EStG auf den Höchstbetrag nach § 10 Abs. 3 Nr. 3 EStG auf den festen Höchstbetrag - im Streitfall 2.640 DM - bezieht (so z.B. Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19. Aufl., § 10c EStG Anm. 96 m.w.N.), oder ob der Höchstbetrag entsprechend der Berechnungsmethode des § 10 Abs. 3 Nr. 3 EStG individuell zu ermitteln ist. Als zusätzlicher Höchstbetrag wäre dann abziehbar die Hälfte des Unterschiedsbetrags zwischen Vorsorgepauschale nach § 10c Abs. 8 Satz 1 EStG und Grundhöchstbetrag nach § 10 Abs. 3 Nr. 1 und 2 EStG (so z.B. Abschn. 114 Abs. 6 der Einkommensteuer-Richtlinien - EStR -; Stephan in Littmann/Bitz/Meincke, Das Einkommensteuerrecht, 15. Aufl., § 10c Anm. 38). Im Streitfall würde der zusätzliche Höchstbetrag nach § 10 Abs. 3 Nr. 3 EStG dann nur 1.970 DM (9.220 DM - 5.280 DM : 2) betragen.

4. Nach Auffassung des Senats verweist § 10c Abs. 8 Satz 2 EStG nicht nur auf den absoluten Höchstbetrag - von im Streitfall 2.640 DM -, sondern auf den individuell entsprechend der Systematik der Höchstbetragsberechnung von Vorsorgeaufwendungen ermittelten Betrag. Für diese Auslegung sprechen Systemzusammenhang und Zweck der Vorschrift.

§ 10c Abs. 8 EStG wurde in Zusammenhang mit der Einführung einer begrenzten Vorsorgepauschale für nicht rentenversicherungspflichtige Arbeitnehmer durch das Haushaltsbegleitgesetz 1983 vom 20. Dezember 1982 (BGBl I 1982, 1857, BStBl I 1982, 972) geschaffen. Mit dieser begrenzten Vorsorgepauschale wollte der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung tragen, daß die betroffenen Steuerpflichtigen im Regelfall keine privaten Vorsorgeaufwendungen in Höhe der Versorgungspauschale erbringen (vgl. hierzu im einzelnen Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 10c EStG Rdnr. 3 f.). Dies verdeutlicht das Bestreben des Gesetzgebers, die Höhe der Vorsorgepauschale unter Beachtung des Wesens einer solchen Pauschalierung möglichst den tatsächlichen Verhältnissen anzunähern. Die Neuregelung erforderte eine Sondervorschrift für die Ermittlung der begrenzten Vorsorgepauschale bei Arbeitnehmer-Ehegatten, von denen einer nicht rentenversicherungspflichtig ist (vgl. dazu Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 10c EStG Rdnr. 93; Kieschke, Deutsche Steuer-Zeitung - DStZ - 1983, 4, 11; Bals, Betriebs-Berater - BB - 1983, 302, 304).

Die Sonderregelung soll gewährleisten, daß die Vorsorgepauschale für diese Ehegatten nicht niedriger ist, als sie es wäre, wenn der rentenversicherungspflichtige Ehegatte allein Arbeitslohn bezogen hätte. Die Art der Berechnung kann bei entsprechendem Arbeitslohn eines Ehegatten zu gleich hohen oder sogar höheren Beträgen führen als bei der Vorsorgepauschale für zwei rentenversicherungspflichtige Ehegatten (vgl. Laux, BB 1984, Beilage 7, S. 28). Deshalb hat der Gesetzgeber die nach § 10c Abs. 8 Satz 1 EStG ermittelte Vorsorgepauschale auf "die Höchstbeträge des § 10 Abs. 3 Nr. 1 und 3" begrenzt.

Der Höchstbetrag nach § 10 Abs. 3 Nr. 3 EStG steht jedoch nicht von vornherein zahlenmäßig fest, sondern hängt von der Höhe der tatsächlichen Aufwendungen ab. Da bei der Berechnung einer Pauschale tatsächliche Aufwendungen nicht berücksichtigt werden und auch nicht bekannt sind, kann die Verweisung auf den Höchstbetrag nach § 10 Abs. 3 Nr. 3 EStG nur bedeuten, daß bei der Berechnung des Höchstbetrags anstelle der tatsächlichen Aufwendungen die nach § 10c Abs. 8 Satz 1 EStG ermittelte Pauschale zu setzen ist. Auf diese Weise wird die Systematik der Höchstbetragsberechnung für Vorsorgeaufwendungen (Grundhöchstbetrag zuzüglich hälftiger Abzug) auch in die Berechnung der begrenzten Vorsorgepauschale nach § 10c Abs. 8 EStG einbezogen. Eine Verweisung auf den absoluten Höchstbetrag des § 10 Abs. 3 Nr. 3 EStG - wie die Kläger meinen - widerspräche dem mit der Gesetzesänderung verfolgten Zweck, eine mit der allgemeinen Vorsorgepauschale verbundene Freibetragsregelung für nicht rentenversicherungspflichtige Arbeitnehmer zu beseitigen; denn eine solche Auslegung würde bei bestimmten Einkommensverhältnissen eine gleich hohe oder sogar höhere Vorsorgepauschale ergeben als die allgemeine Vorsorgepauschale für rentenversicherungspflichtige Ehegatten mit gleichem Einkommen (vgl. das Beispiel bei Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 10c EStG Anm. 96). Diese Begünstigung von Arbeitnehmer-Ehepaaren mit nur einem rentenversicherungspflichtigen Arbeitnehmer vermeidet die vom Senat vertretene Auslegung. Sie führt im Regelfall dazu, daß Vorsorgeaufwendungen - im Rahmen der Höchstbeträge des § 10 Abs. 3 EStG - nur berücksichtigt werden, soweit sie dem Steuerpflichtigen tatsächlich erwachsen sind. Der Umstand, daß § 10c Abs. 8 EStG eine Pauschalregelung darstellt, steht dieser Auslegung nicht entgegen. Die vom Gesetzgeber angestrebte Gleichbehandlung hat insoweit Vorrang. Zudem sieht das EStG auch an anderer Stelle (vgl. § 10 Abs. 3, § 10c Abs. 3) die Möglichkeit einer individuellen Berechnung vor. Damit ist auch der Einwand der Kläger unbegründet, der Charakter des § 10c Abs. 8 Satz 2 EStG als einer Vereinfachungsregelung gebiete es, die Vorschrift in seinem Sinn auszulegen. Dies würde überdies voraussetzen, daß ein möglicher Wille des Gesetzgebers, der Vereinfachung den Vorrang vor der gleichmäßigen Behandlung beider Personengruppen hinsichtlich der streitigen Höchstbeträge zu geben, im Gesetz selbst seinen Niederschlag gefunden hätte. Das ist jedoch nicht der Fall.