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BFH-Urteil vom 9.8.1989 (II R 145/86) BStBl. 1989 II S. 981

Behauptet ein Kläger, der gegen einen Grunderwerbsteuerbescheid Anfechtungsklage erhoben hat, daß der strittige Grundstückserwerb inzwischen rückgängig gemacht worden sei, so darf er den hieraus folgenden Anspruch auf Aufhebung des Steuerbescheides im Wege des Verpflichtungsantrages in dem anhängigen finanzgerichtlichen Verfahren geltend machen, wenn für diesen Anspruch alle Prozeßvoraussetzungen erfüllt sind.

FGO §§ 44, 45, 67; GrEStG 1983 § 16.

Vorinstanz: FG Münster

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) mit drei Gesellschaftern, die am 20. August 1982 gegründet worden ist. Die drei Gesellschafter kauften durch notariell beurkundeten Vertrag vom 26. August 1982 "im Rechtsverhältnis einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts" ein bebautes Grundstück.

Gegen die Festsetzung der Grunderwerbsteuer durch das beklagte Finanzamt (FA) legte die Klägerin Einspruch ein.

Durch seine Einspruchsentscheidung ermäßigte das FA die Grunderwerbsteuer.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin die Aufhebung des angefochtenen Bescheides in der Gestalt der Einspruchsentscheidung beantragt.

Während des finanzgerichtlichen Verfahrens ist durch privatschriftlichen Vertrag vom 1. November 1983 die Aufhebung des Kaufvertrages vom 26. August 1982 vereinbart und am 1. Dezember 1983 ein neuer notariell beurkundeter Kaufvertrag abgeschlossen worden, durch den nunmehr die beiden Gesellschafter, die Bürgschaft geleistet haben sollen, das Grundstück in GbR kauften. Die Klägerin hat im finanzgerichtlichen Verfahren die Meinung vertreten, daß der Steuerbescheid jedenfalls wegen der Rückgängigmachung des Erwerbsvorganges aufgehoben werden müsse. Das FA hat dem widersprochen.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Es hat die Klage insoweit als unzulässig angesehen, als die Klägerin ihren Klageantrag auf § 17 GrEStG gestützt hat, im übrigen sei die Klage unbegründet.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist unbegründet.

1. Der erkennende Senat beurteilt die von den drei Gesellschaftern (in GbR) erhobene Klage und die entsprechende Revision als von der GbR erhoben (vgl. hierzu das Senatsurteil vom 11. Februar 1987 II R 103/84, BFHE 149, 12, BStBl II 1987, 325).

2. Der Senat folgt dem FG darin, daß der Antrag der Klägerin, den Steuerbescheid wegen Rückgängigmachung des Erwerbs aufzuheben, im vorliegenden Fall unzulässig war.

Der Senat ist allerdings der Auffassung, daß ein Kläger unter bestimmten Voraussetzungen die während des finanzgerichtlichen Verfahrens eintretende Rückgängigmachung eines Erwerbs noch in diesem Verfahren geltend machen darf, wobei es unerheblich ist, ob bereits § 16 GrEStG 1983 oder noch der frühere § 17 GrEStG anzuwenden ist. Der Anspruch aus § 17 GrEStG bzw. § 16 GrEStG 1983 tritt als ein weiterer (gegenläufiger) Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis i.S. des § 37 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) selbständig neben den Steueranspruch (vgl. Schultze/Förger, Grunderwerbsteuer-Kommentar, Bundesrecht, 4. Aufl., § 17 Tz. 1), über den regelmäßig gesondert entschieden wird (vgl. das Senatsurteil vom 9. November 1983 II R 71/82, BFHE 140, 13, BStBl II 1984, 446). Hieran hat sich nach Auffassung des Senats auch durch das neue GrEStG 1983 nichts geändert (anderer Meinung Boruttau/Egly/Sigloch, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 12. Aufl., § 16 Tz. 327). Es ist nicht ersichtlich, daß die geänderte Fassung der Vorschrift (vgl. hierzu BTDrucks 9/2114) bewirken sollte, daß die Rückgängigmachung eines Erwerbsvorganges von Amts wegen in ein wegen der Anfechtung des Steuerbescheids anhängiges finanzgerichtliches Verfahren einzubeziehen sei. Der Senat bleibt deshalb dabei, daß das prozessuale Anliegen in diesem Falle durch die Verpflichtungsklage in der Gestalt der Vornahmeklage zu verfolgen ist (vgl. BFHE 140, 13, BStBl II 1984, 446).

Der Kläger darf allerdings einen entsprechenden prozessualen Anspruch im Wege der Klageänderung nach § 67 der Finanzgerichtsordnung (FGO) neu in einen Anfechtungsprozeß einführen (so auch Hofmann, Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz, 5. Aufl., § 16 Tz. 9), wenn der Beklagte einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält. Zu den Fällen der Klageänderung gehören auch die Fälle, in denen im Wege der Klagehäufung ein weiterer Klagegegenstand in das Verfahren eingeführt wird, hier: im Sinne der eventuellen Klagenhäufung (vgl. Gräber, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 67 Tz. 6).

Dies ändert aber nichts daran, daß auch hinsichtlich der geänderten (neuen) Klage alle Prozeßvoraussetzungen vorliegen müssen. Das bedeutet im vorliegenden Fall, daß wegen des Anspruchs aus § 17 GrEStG bzw. § 16 GrEStG 1983 regelmäßig das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren abgeschlossen sein muß (vgl. § 44 Abs. 1 FGO), ehe der entsprechende prozessuale Anspruch in das Verfahren eingeführt werden darf. Daran fehlt es im vorliegenden Falle.

Ausnahmsweise ist allerdings auch eine Sprungverpflichtungsklage i.S. des § 45 Abs. 1 FGO möglich (vgl. zur Sprungverpflichtungsklage den Beschluß vom 21. Januar 1985 GrS 1/83, BFHE 143, 112, BStBl II 1985, 303). Die Sprungverpflichtungsklage setzt aber voraus, daß das FA zuvor einen Antrag auf Erlaß eines entsprechenden Verwaltungsaktes durch Verwaltungsakt abgelehnt hat. Das ist hier nicht der Fall. Die Klägerin hat vielmehr ihren behaupteten Anspruch sofort beim FG geltend gemacht, ohne daß zuvor eine Entscheidung des FA über diesen Anspruch herbeigeführt worden ist. Auch die schriftlichen Äußerungen des FA gegenüber dem FG zu dieser Frage beinhalten keinen ablehnenden Verwaltungsakt. Unter diesen Umständen hat es das FG im Ergebnis zu Recht abgelehnt, über einen Anspruch aus § 17 GrEStG bzw. § 16 GrEStG 1983 zu entscheiden.