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BFH-Urteil vom 9.8.1989 (I R 181/85) BStBl. 1989 II S. 990

1. Der Grundsatz von Treu und Glauben ist im Steuerrecht als allgemeiner Rechtsgrundsatz uneingeschränkt anerkannt. Er gebietet, daß im Steuerrechtsverhältnis jeder auf die Belange des anderen Teiles Rücksicht nimmt und sich mit seinem eigenen früheren (nachhaltigen) Verhalten nicht in Widerspruch setzt, auf das der andere vertraut hat.

2. Eine für die Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben maßgebenden Vertrauenssituation kann sich nur in einem konkreten Rechtsverhältnis (Steuerrechtsverhältnis = Steuerpflicht- oder Steuerschuldverhältnis) bilden.

3. Weder die von der Staatsbürgerlichen Vereinigung 1954 e. V. ausgestellten Spendenquittungen noch die Zweite Spenden-VO konnten unmittelbar einen konkreten Schutz zugunsten des Spenders nach dem Grundsatz von Treu und Glauben begründen.

AO n.F. § 144 Abs. 1 Satz 1; AO 1977 § 169 Abs. 2 Satz 3, § 173 Abs. 1, § 175 Abs. 1 Satz 2; KStG 1968 § 4 Abs. 1 Nr. 6, § 6 Abs. 1, § 11 Nr. 5a; KStDV 1955/1968 § 26; Zweite Spenden-VO.

Vorinstanz: FG Münster (EFG 1985, 627)

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, machte in ihrer Körperschaftsteuererklärung für 1973 eine Spende an die Staatsbürgerliche Vereinigung 1954 e. V. in Köln, später in Koblenz (SV) von 5.000 DM zum Abzug geltend. In der "Spendenquittung" heißt es u. a.:

"...

2. Die ... verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke im Sinne der Gemeinnützigkeitsverordnung vom 24. Dezember 1953 und verwendet die ihr zugewendeten Beträge im Sinne der Zielsetzung des § 2 ihrer Satzung.

3. Die ... ist aufgrund der Zweiten Verordnung über den Abzug von Spenden zur Förderung staatspolitischer Zwecke vom 23. Oktober 1956 (BStBl 1956 I S. 457) als begünstigte juristische Person im Sinne des § 49 Abs. 1 der EStDV in der Fassung vom 13. März 1959 (BGBl I S. 120) und des § 26 Abs. 1 der KStDV in der Fassung vom 5. August 1959 (BGBl I S. 625) anerkannt.

4. Die ... bestätigt ausdrücklich, daß sie die ihr zugewendeten Beträge und ihre übrigen Mittel nur für staatspolitische Zwecke, aber nicht für die unmittelbare oder mittelbare Unterstützung oder Förderung politischer Parteien verwendet.

..."

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) ließ die Spende der Klägerin bei der Körperschaftsteuerveranlagung zum Abzug zu und setzte die Körperschaftsteuer in dem Steuerbescheid vom 25. April 1975 endgültig fest.

Aufgrund von Feststellungen der Steuerfahndungsstelle ..., dem FA mitgeteilt im Schreiben vom 8. April 1984, sah das FA die Spende nicht mehr als abzugsfähig an. Es änderte deshalb den Körperschaftsteuerbescheid gemäß § 175 Abs. 1 Satz 2 der Abgabenordnung (AO 1977) durch Bescheid vom 15. Juni 1984 und erhöhte die Körperschaftsteuer entsprechend.

Der Einspruch der Klägerin gegen den geänderten Steuerbescheid blieb erfolglos. Im Verlauf des Klageverfahrens stützte das FA die Änderung des ursprünglichen Steuerbescheides auf § 173 Abs. 1 AO 1977. Die Steueransprüche seien auch nicht verjährt; die Beträge seien im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 1 der Reichsabgabenordnung (AO) hinterzogen worden. Feststellungen zu entsprechenden Kenntnissen der Klägerin seien zwar nicht getroffen worden; Täter seien die Verantwortlichen der SV. Das Finanzgericht (FG) hat den angefochtenen Bescheid und die Einspruchsentscheidung aufgehoben. Sein Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1985, 627 abgedruckt.

Mit seiner vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts, insbesondere die unrichtige Anwendung des § 11 Nr. 5 a des Körperschaftsteuergesetzes (KStG), des § 26 Abs. 1 der Körperschaftsteuer-Durchführungsverordnung (KStDV), der Zweiten Verordnung über den Abzug von Spenden zur Förderung staatspolitischer Zwecke vom 23. Oktober 1956 (BGBl I 1956, 836, BStBl I 1956, 457) - Zweite Spenden-VO -, der Grundsätze von Treu und Glauben sowie des § 173 AO 1977.

Das FA meint, ein Schutz der Klägerin nach den Grundsätzen von Treu und Glauben bestehe nicht. Das FA habe den Körperschaftsteuerbescheid 1973 gemäß § 173 Abs. 1 AO 1977 ändern dürfen. Der Steueranspruch sei weder verjährt noch verwirkt.

Die Klägerin hält den Schutz gemäß Treu und Glauben sowohl aufgrund des Fortbestehens der Zweiten Spenden-VO als auch aufgrund des Verhaltens des FA X für gegeben. Eine auf zehn Jahre verlängerte Verjährungsfrist könne der Entscheidung nicht zugrundegelegt werden; diesbezüglich sei der älteren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) im Hinblick auf die Neuregelung dieser Fälle in § 169 Abs. 2 Satz 3 AO 1977 der Vorzug vor dem Urteil vom 4. März 1980 VII R 88/77 (BFHE 130, 131, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1980, 320) zu geben. Hilfsweise rügt die Klägerin unvollständige Sachaufklärung durch das FA hinsichtlich des Verhaltens des FA X.

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die von dem FG bisher festgestellten Tatsachen tragen die getroffene Entscheidung nicht.

I.

...

II.

Das FG hat den Grundsatz von Treu und Glauben, auf den es seine Entscheidung stützt, nicht rechtsfehlerfrei angewendet.

1. Der Grundsatz von Treu und Glauben ist im Steuerrecht als allgemeiner Rechtsgrundsatz uneingeschränkt anerkannt. Er wird unmittelbar aus der Gerechtigkeitsidee abgeleitet und ist ungeschriebenes Recht mit Rechtsquelleneigenschaft (dazu ausführlich Tipke/Kruse, Abgabenordnung, 12. Aufl., § 4 Tz. 49 bis 56). Im Schrifttum ist umstritten, welcher Rang dem Grundsatz von Treu und Glauben unter den steuerlichen Rechtsnormen jeweils zukommt (vgl. u. a. Hessdörfer, Der Grundsatz von Treu und Glauben im Abgabenrecht, S. 10 f.: Überpositives Recht; Mattern, Grundsätzliches zu Treu und Glauben im Steuerrecht, In Festgabe für Küchenhoff, Göttingen, 1967, S. 44: Verfassungsrechtliche Ebene; dies ablehnend Oswald, Finanz-Rundschau - FR - 1966, 344; Pieroth, Juristenzeitung - JZ - 1984, 971, 972: Anerkannter Verfassungsgrundsatz, Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips - vgl. auch in anderem Zusammenhang Söhn, Steuerrechtliche Folgenbeseitigung durch Erstattung, München 1973, S. 86 f., 89 f.: Rechtssicherheitsprinzip verdrängt Gesetzmäßigkeitsgrundsatz -; Tipke/Kruse, a. a. O., § 4 Tz. 18 und 51: Rang des Rechts, das ergänzt oder geändert wird). Auf diese unterschiedlichen Rechtsauffassungen braucht der Senat für seine Entscheidung nicht einzugehen.

Der Grundsatz von Treu und Glauben gibt nur Richtlinien, aus denen nach den Umständen des Einzelfalles Tatbestand und Rechtsfolgen hergeleitet werden müssen. Er kann damit zwar "unter Verdrängung des gesetzten Rechts an dessen Stelle zur selbständigen Rechtsgrundlage werden, die allein die Entscheidung des Streitfalles trägt" (so Hessdörfer, a. a. O., S. 9). Das kann aber nicht bedeuten, daß der Grundsatz von Treu und Glauben Steueransprüche und -schulden zum Entstehen oder zum Erlöschen bringt; er kann allenfalls das Steuerrechtsverhältnis modifizieren und verhindern, "daß eine Forderung oder ein Recht geltend gemacht werden darf" (vgl. Tipke/Lang, Steuerrecht, 12. Aufl., § 21, 4.1. am Ende; S. 654).

Der Grundsatz von Treu und Glauben gebietet, daß im Steuerrechtsverhältnis jeder auf die berechtigten Belange des anderen Teiles angemessen Rücksicht nimmt und sich mit seinem eigenen früheren (nachhaltigen) Verhalten nicht in Widerspruch setzt (BFH-Entscheidung vom 4. November 1975 VII R 28/72, BFHE 117, 317, 321), auf das der andere vertraut und aufgrund dessen er unwiderrufbar disponiert hat (vgl. Tipke/Lang, a. a. O., § 21, 4.1., S. 654). Die Verdrängung gesetzten Rechts durch den Grundsatz von Treu und Glauben kann indes nur in besonders liegenden Fällen in Betracht kommen, in denen "das Vertrauen des Steuerpflichtigen in ein bestimmtes Verhalten der Verwaltung nach allgemeinem Rechtsgefühl in einem so hohen Maß schutzwürdig ist, daß demgegenüber die Grundsätze der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zurücktreten müssen" (so BFH-Entscheidung vom 5. Februar 1980 VII R 101/77, BFHE 130, 90, 95, unter Hinweis auf BFH-Urteil vom 25. Oktober 1977 VII R 5/74, BFHE 124, 105, 107, 108, BStBl II 1978, 274, m. w. N. aus der Rechtsprechung; ähnlich Spanner, Steuer und Wirtschaft - StuW - 1972, 303, 306).

2. Die Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben setzt nach der Rechtsprechung des BFH regelmäßig voraus, daß sich der Steuerpflichtige und die Verwaltungsbehörde als Partner eines konkreten Rechtsverhältnisses gegenüberstehen (vgl. u. a. die Urteile vom 10. Juni 1975 VIII R 50/72, BFHE 116, 103, 105, BStBl II 1975, 789; in BFHE 117, 317, 322; in BFHE 130, 90, 95; vom 18. März 1986 VII R 55/83, BFHE 146, 294, 297, und vom 13. Mai 1987 VII R 37/84, BFHE 150, 108, 112, BStBl II 1987, 606). Das ist im Steuerrecht nur der Fall, wenn ein (konkretes) Steuerrechtsverhältnis (Steuerpflicht- und/oder Steuerschuldverhältnis, §§ 33 ff. AO 1977) besteht. Nur in einem solchen Verhältnis kann sich eine für die Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben maßgebende Vertrauenssituation herausbilden.

Der Grundsatz von Treu und Glauben richtet sich "nicht an den Staat als ganzes, sondern an seine einzelnen Repräsentanten, nicht an die Steuerpflichtigen in ihrer Gesamtheit, sondern an den einzelnen Steuerpflichtigen" (so Tipke/Kruse, a. a. O., § 4 Tz. 55). Der Grundsatz wirkt in der Regel nur zwischen natürlichen Personen. Im öffentlichen Recht sind ihm daher die in einer Behörde (der zuständigen Dienststelle) tätigen Personen unterworfen, deren Verhalten auf die Behörde als solche übertragen und dieser zugerechnet wird. Diesen Personen kann in Fällen der vorliegenden Art auch das Wissen vorgesetzter/weisungsbefugter Dienststellen und Personen zuzurechnen sein, wenn und soweit diese es pflichtwidrig unterlassen haben, das FA zu unterrichten.

...

3. Das FG hat, worauf das FA in seiner Revisionsbegründung zu Recht hinweist, die Bedeutung des konkreten (Steuer-)Rechtsverhältnisses für die Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben verkannt. Das Vorbringen der Klägerin in ihrer Revisionserwiderung, durch das die Rechtsauffassung des FG im wesentlichen übernommen und noch ergänzt wird, vermag nicht zu überzeugen.

a) Das FG ist hinsichtlich der Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben zutreffend davon ausgegangen, "daß grundsätzlich der Spender das Risiko dafür trägt, daß alle Voraussetzungen für die Abzugsfähigkeit der Spende gegeben sind ...". Es gab jedoch entgegen seiner Auffassung nach den bisher festgestellten und maßgebenden (§ 118 Abs. 2 FGO) Tatsachen kein besonderes Verhalten des FA, das ein schutzwürdiges Vertrauen der Klägerin auf das Gegebensein der Abzugsvoraussetzungen rechtfertigen könnte.

b) Die von der SV ausgestellte Spendenquittung begründete keinen Schutz zugunsten der Klägerin nach dem Grundsatz von Treu und Glauben.

(1) Nach § 26 Abs. 1 KStDV i. d. F. vom 26. März 1969 (KStDV 1968; BGBl I 1969, 270, BStBl I 1969, 158) durften Ausgaben zur Förderung staatspolitischer Zwecke nur abgezogen werden, wenn sie an eine durch besondere Rechtsverordnung der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates anerkannte juristische Person gegeben wurden, die im einzelnen festgelegte Ziele verfolgte. Die Empfängerin mußte bestätigen, daß sie die zugewendeten Beträge und ihre übrigen Mittel für staatspolitische Zwecke verwendete und damit weder unmittelbar noch mittelbar politische Parteien unterstützte und förderte.

Nach dieser Regelung (§ 26 KStDV 1968) hatte nicht der Spender, sondern die SV als Spendenempfängerin den erhaltenen Betrag unmittelbar zu dem förderungswürdigen Zweck zu verwenden. Die zugesicherte Verwendung des Betrages für staatspolitische Zwecke machte grundsätzlich den Abzug der Spende zulässig. Damit war der Abzug der Spende von einer Bestätigung der SV abhängig: Die vorgeschriebene Bestätigung war "eine unverzichtbare Voraussetzung des Spendenabzugs ..." beim Spender (BFH-Urteil vom 19. März 1976 VI R 72/73, BFHE 118, 224, 226/227, BStBl II 1976, 338, m. w. N).

(2) Diese Rechtslage macht die Besonderheiten deutlich, die für die Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben hinsichtlich des Spendenabzugs im Streitfall entscheidend sind.

Die steuerrechtliche Beurteilung des Spendenabzugs bei der Veranlagung der Klägerin konnte nicht allein in dem allgemeinen Steuerrechtsverhältnis mit den gesetzlichen Aufklärungspflichten des FA (§ 88 AO 1977) und den Mitwirkungspflichten der Klägerin (u. a. §§ 90, 93 ff. AO 1977) vollzogen werden, in dem sich die Klägerin und ihr (Veranlagungs-)FA gegenüberstanden. Es bedurfte vielmehr noch der Bestätigung des Spendenempfängers, im Streitfall der Bestätigung der durch besondere Rechtsverordnung anerkannten SV (§ 26 Abs. 2 KStDV 1968). Damit war für den Spendenabzug ein Moment entscheidend, das sich nicht aus dem (allgemeinen) Steuerrechtsverhältnis zwischen der Klägerin und ihrem FA ableiten ließ oder sich darauf gründete: Allein die SV hatte - unabhängig von dem für sie zuständigen FA und unabhängig auch von dem (Veranlagungs-)FA der Klägerin - in eigener Verantwortung die Spendenbestätigung i. S. des § 26 Abs. 2 KStDV 1968 zu erteilen. Zwischen ihr (den für sie rechtlich verantwortlichen Personen) und der Klägerin konnte sich dabei unmittelbar kein schutzwürdiges Vertrauen bilden, das für die Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben auf den Spendenabzug der Klägerin maßgebend hätte sein können. Das Vertrauen der Klägerin bezog sich vielmehr - unabhängig von dem Verhalten des für sie zuständigen FA - allein auf Bestand, Inhalt und Richtigkeit der Spendenbestätigung. Das FG hat keine konkreten tatsächlichen Feststellungen über Vorgänge und Verhaltensweisen des FA getroffen, aus denen hergeleitet werden könnte, daß dem FA bei der Steuerfestsetzung die tatsächliche Geschäftsführung der SV bekannt gewesen sei und daß das FA trotz dieses Wissens den Abzug der Spenden zugelassen habe. Es fehlen deshalb bisher Tatsachen, die Grundlage einer Vertrauenssituation zugunsten der Klägerin sein und damit die Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben rechtfertigen könnten.

An dieser Beurteilung ändert es nichts, daß das FA im Veranlagungsverfahren der Klägerin grundsätzlich zu prüfen hatte, ob alle Voraussetzungen für den Abzug des Spendenbetrags gegeben waren. Dafür genügte es in der Regel, daß die Spendenbestätigung der SV vorlag. Daher wertete das FA ursprünglich die Spendenbestätigung der SV als Teil der Besteuerungsunterlagen, berücksichtigte sie bei der Veranlagung und ließ den Spendenbetrag zum Abzug zu. Aus einer solchen allgemein-routinemäßigen und üblichen Handhabung bei der Veranlagung kann die Klägerin kein schutzwürdiges Vertrauen herleiten. Die Spendenbestätigung hat unter diesen Umständen nichts ausgelöst, was im Zusammenhang mit einem besonderen Verhalten des FA eine Vertrauenssituation geschaffen hat, die eine Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben zugunsten der Klägerin rechtfertigen könnte.

c) Die Zweite Spenden-VO konnte, wie das FA zutreffend vorträgt, keinen Vertrauensschutz in dem Steuerrechtsverhältnis zugunsten der Klägerin schaffen.

(1) Aufgrund der Ermächtigungen in § 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c EStG 1955 (BGBl I 1954, 441, BStBl I 1954, 668) und § 23a Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d KStG 1955 (BGBl I 1954, 467, BStBl I 1954, 703) sahen § 49 Nr. 3 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) 1955 (vom 21. Dezember 1955, BGBl I 1955, 756, BStBl I 1955, 710) und - gleichlautend - § 26 Nr. 3 KStDV 1955 (vom 23. Dezember 1955, BGBl I 1955, 853, BStBl I 1955, 733) vor, daß Ausgaben zur Förderung staatspolitischer Zwecke "nur abgezogen werden" können, wenn ..." 3. sie an juristische Personen gegeben werden, die nach ihrer Satzung und tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich allgemeinen staatspolitischen Zwecken dienen und die durch die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates bestimmt werden ...". Von diesem Bestimmungsrecht hat die Bundesregierung Gebrauch gemacht und mit Zustimmung des Bundesrates die SV durch die Zweite Spenden-VO als eine solche juristische Person anerkannt (zur Entstehung, Bedeutung und Organisation der SV vgl. Weinmann, Die Finanzierung politischer Parteien in steuerrechtlicher Betrachtung, Tübingen 1966, Kapitel 6, S. 120).

Die SV wurde später nach einer Satzungsänderung auch als Organisation anerkannt, die ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke verfolgt, und von der Körperschaftsteuer befreit (§ 4 Abs. 1 Nr. 6 KStG 1968).

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat einen Steuerabzug bei Verwendung gespendeter Mittel zur Parteienfinanzierung zwar ausgeschlossen, die Zweite Spenden-VO aber mit dem Grundgesetz (GG) für vereinbar erklärt (BVerfG-Urteil vom 24. Juni 1958 2 BvF 1/57, BVerfGE 8, 51, 52 - Entscheidungsformel II -, 70 unter V; vgl. dazu auch Felix/Streck, Der Betrieb - DB - 1982, 2107). Dementsprechend geht der Senat davon aus, daß das BVerfG damit auch die Verfassungsmäßigkeit der Verordnungsermächtigung des § 23a Abs. 1 Nr. 2 d KStG 1955 (stillschweigend) bejaht hat. Die in der mündlichen Verhandlung im Zusammenhang damit angesprochenen Erwägungen in dem Gutachten der unabhängigen Sachverständigenkommission zur Prüfung des Gemeinnützigkeits- und Spendenrechts (Schriftenreihe des Bundesministeriums der Finanzen, Heft 40, Bonn 1988 unter D II 4 - 7, S. 235 ff.) brauchen deshalb für die Entscheidung des Senats weder im einzelnen vertieft noch abschließend entschieden zu werden.

(2) Die Zweite Spenden-VO hat, wie ihre rechtliche Gestaltung erkennen läßt, der SV mit ihrer Anerkennung als juristische Person i. S. des § 49 Nr. 3 EStDV 1955 und des § 26 Nr. 3 KStDV 1955 u. a. das Recht eingeräumt, Beträge "zur Förderung staatspolitischer Zwecke" entgegenzunehmen ("... an ... gegeben werden ..."). Aufgrund der Entscheidung des BVerfG in BVerfGE 8, 51 durfte die SV die Spendenbeträge und ihre sonstigen Mittel jedoch nur (noch) für staatspolitische Zwecke in dem damaligen Sinne, nicht aber - wie in der Zeit davor - (auch) für die Finanzierung von Parteien verwenden. Das wurde durch die Neufassung des § 49 EStDV 1955 durch die Verordnung vom 12. März 1959 (BGBl I 1959, 89, BStBl I 1959, 87) und des § 26 KStDV 1955 durch die Verordnung vom 5. August 1959 (BGBl I 1959, 622, BStBl I 1959, 809) festgelegt.

(3) Der Senat hat keine Bedenken, die Zweite Spenden-VO bis zu ihrer Aufhebung durch die Verordnung zur Änderung der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung und zur Aufhebung anderer Verordnungen vom 7. März 1984 (Art. 2 Nr. 2; BGBl I 1984, 385, BStBl I 1984, 220, 222) mit Wirkung zum 1. Januar 1984 als gültige Rechtsverordnung, damit steuerrechtlich als Rechtsnorm und als Gesetz im materiellen Sinne (§ 2 Abs. 1 AO; jetzt § 4 AO 1977) zu werten. Der Senat braucht nicht zu prüfen, ob die Zweite Spenden-VO mit der positiven Entscheidung des BVerfG vom 24. Juni 1958 "nach § 31 Abs. 2 BVerfGG Gesetzeskraft hat" (so Felix/Streck, DB 1982, 461, 462) und damit zum formellen Gesetz geworden ist. Wesentlich für die Entscheidung des Senats ist, daß diese abstrakt eine Vielzahl steuerrechtlicher Sachverhalte regelt, nämlich die Abziehbarkeit von Spenden zur Förderung staatspolitischer Zwecke sowie deren Voraussetzungen, und die SV als anerkannte juristische Person als Empfängerin solcher Spenden bestimmt. Sie wirkt damit nicht speziell im Steuerrechtsverhältnis Klägerin und FA, sondern gilt allgemein für alle Spenden an die SV. Danach mag sich, wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung hervorhob, die Zweite Spenden-VO zwar auf konkrete Verhältnisse beziehen, indem sie die SV mit den Befugnissen i. S. des § 26 Abs. 2 KStDV 1968 anerkennt. Diese einseitige Bestimmung durch den Verordnungsgeber schafft aber allenfalls im abstrakten Bereich Klarheit darüber, daß die SV - allgemein - Spenden zur Förderung staatspolitischer Zwecke entgegennehmen und deren Verwendung bestätigen durfte. Sie reicht aber allein und ohne ein darauf bezogenes besonderes Verhalten des FA nicht dazu aus, zwischen der Klägerin und dem FA ein konkretes Rechtsverhältnis als Grundlage für die Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben zu begründen.

(4) Das FG hat sich für seine Rechtsauffassung zu Unrecht auf das Urteil des BFH vom 18. Juli 1980 VI R 167/77 (BFHE 131, 345, BStBl II 1981, 52) berufen. Dieser Entscheidung liegt ein anderer Sachverhalt zugrunde, der dem Sachverhalt des Streitfalles nicht vergleichbar ist. In jenem Fall hatte der BFH nur über eine Durchlaufspende zu entscheiden. Daraus ergaben sich andere rechtliche Wertungen und die Beurteilung anderer Rechtsfragen. Das Nichtheranziehen dieser Entscheidung durch den Senat im Streitfall erfordert daher auch keine Anrufung des Großen Senats des BFH (§ 11 Abs. 3 FGO).

d) Die Abziehbarkeit des Spendenbetrages kann - entgegen der Auffassung der Klägerin - nicht auf die Anerkennung der SV als gemeinnützige Organisation (vgl. oben (1)) gestützt werden. Dem steht § 26 Abs. 1 KStDV 1968 entgegen. Danach durften "Ausgaben zur Förderung staatspolitischer Zwecke nur abgezogen werden, wenn sie an eine durch besondere Rechtsverordnung ... anerkannte juristische Person gegeben werden". Ausgaben für solche Zwecke waren im Streitjahr nicht als Förderung der Allgemeinheit i. S. des damals geltenden Gemeinnützigkeitsrechts anerkannt (vgl. § 17 Abs. 3 des Steueranpassungsgesetzes - StAnpG - und § 1 der Verordnung zur Durchführung der §§ 17 bis 19 des Steueranpassungsgesetzes - Gemeinnützigkeitsverordnung - vom 24. Dezember 1953 - GemV -, BGBl I 1953, 1592, BStBl I 1954, 6 i. d. F. des Art. 5 des Steueränderungsgesetzes 1969 - StÄndG 1969 - vom 18. August 1969, BGBl I 1969, 1211, BStBl I 1969, 477) und allein ("... nur ..., wenn ...") bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 26 KStDV 1968 abziehbar. § 52 Abs. 2 Nr. 3 AO 1977 ist erst durch das Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die politischen Parteien (Parteiengesetz) - PartG - und anderer Gesetze vom 22. Dezember 1983 (BGBl I 1983, 1577) eingeführt worden. Auf seine Vorschriften kann sich die Klägerin deshalb nicht berufen.

Für den Streitfall ist die Bestätigung der SV in den Nrn. 1, 3 und 4 der Spendenquittung maßgebend, nicht die in den Nrn. 1 und 2. Dabei sieht der Senat davon ab zu prüfen, ob die Verwendungsbestätigung der SV in den Nrn. 2 und 4 der Spendenquittung überhaupt genau genug gefaßt und eine klare Zuordnung der Verwendung der Spenden - zum einen zur Förderung gemeinnütziger Zwecke und zum anderen zur Verwendung ausschließlich für staatspolitische Zwecke - zuläßt.

e) Das FG ist in seinem Urteil von anderen rechtlichen Gesichtspunkten ausgegangen. Seine Entscheidung war deshalb aufzuheben.

III.

Die Sache war an das FG zurückzuverweisen; sie ist nicht entscheidungsreif.

Das FG hat - von seiner Rechtsauffassung aus zu Recht - offengelassen, "ob eine Berichtigungsmöglichkeit nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 gegeben war, und ob der Steueranspruch verjährt war". Es hat dementsprechend dazu keine tatsächlichen Feststellungen getroffen. Das wird für die Entscheidung des Streitfalles nachzuholen sein. Der Senat verweist zu den damit zusammenhängenden Rechtsfragen auf sein Urteil vom 4. Februar 1987 I R 58/86 (BFHE 149, 109, 112 ff., BStBl II 1988, 215).

Das FG wird schließlich ggf. (vgl. oben II. 2. und 3. a bis c) tatsächliche Feststellungen zu einer für die Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben maßgebenden Vertrauenssituation zwischen der Klägerin und dem FA zu treffen haben. Dabei kann es z. B. auf die Kenntnis vorgesetzter Dienststellen (Ministerien, Oberfinanzdirektion) oder weisungsbefugter Personen (Minister, Leitende Beamte) von der wirklichen Geschäftsführung der SV, insbesondere von der Weiterleitung von Spenden und sonstigen Mitteln an politische Parteien ankommen, die diese pflichtgemäß mit entsprechenden Weisungen an das FA hätten weitergeben müssen. Ist das aber - aus welchen Gründen auch immer - unterblieben, so können daraus vertrauensbildende Umstände zugunsten der Klägerin abzuleiten sein, die das konkrete Rechtsverhältnis zwischen dieser und dem FA beeinflußt haben.

IV.

Bei dieser Rechtsauffassung des Senats kommt es auf das Verhalten des für die SV zuständigen FA X nicht an. Dieses FA hatte die SV zwar als spendenempfangsberechtigt anerkannt. Ihm oblag auch nach dieser Anerkennung eine gewisse (im einzelnen und zeitlich nicht festgelegte) laufende Prüfung der Verhältnisse der SV, insbesondere hinsichtlich der Satzungsmäßigkeit ihrer Tätigkeit und der tatsächlichen Geschäftsführung. Das FA X hätte die ausgesprochenen Anerkennungen widerrufen müssen, wenn sich bei seinen Prüfungen Verstöße der SV gegen die Voraussetzungen der Anerkennungen herausgestellt hätten. Das braucht der Senat jedoch nicht zu vertiefen. Selbst wenn dem FA X gewisse Nachlässigkeit bei der steuerlichen Behandlung der SV vorgeworfen werden müßten, hätte dies keinen Einfluß auf die Entscheidung des Senats. Das besondere Verhalten des FA X beeinflußt als solches weder unmittelbar noch mittelbar das (Steuerrechts-)Verhältnis der Klägerin und ihrem FA; es kann zwischen diesen kein Vertrauensverhältnis im Sinne des Grundsatzes von Treu und Glauben schaffen oder auf ein solches zugunsten der Klägerin einwirken. Der von der Klägerin geltend gemachten Aufklärungsrüge (unter B der Revisionserwiderung) kommt deshalb für die Entscheidung des Senats keine Bedeutung zu.