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BFH-Urteil vom 6.9.1989 (II R 62/87) BStBl. 1989 II S. 1021

Wird ein Prozeßbevollmächtigter, der noch keine Prozeßvollmacht vorgelegt hat, einstweilen zur Prozeßführung zugelassen, so darf ein Endurteil erst erlassen werden, nachdem eine für die Beibringung der Vollmacht gesetzte Frist abgelaufen ist.

FGO § 155 i.V.m. § 89 Abs. 1 Satz 2 ZPO.

Vorinstanz: FG Köln

Sachverhalt

Die beiden Kläger sind Erben der 1976 verstorbenen A. Zu ihrem Nachlaß gehörten u.a. Anteile an der Metallwerke A GmbH und der B GmbH. Über den gemeinen Wert dieser Anteile wird gestritten.

Gegenstand des Klageverfahrens wurden auf Antrag der Kläger (vgl. § 68 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) Änderungsbescheide vom 13. November 1985, die das beklagte Finanzamt (FA) während des finanzgerichtlichen Verfahrens erlassen hatte.

Die Kläger waren zunächst im Klageverfahren nicht durch Prozeßbevollmächtigte vertreten. Als das Finanzgericht (FG) am 8. Januar 1987 Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 28. Januar 1987 bestimmte, schrieben die Kläger, daß sie im Frühjahr 1986 einen Rechtsanwalt mit ihrer Vertretung beauftragt hätten. Ihre Erwartungen seien jedoch leider enttäuscht worden, so daß sie sich genötigt gesehen hätten, diesem Rechtsanwalt das Mandat wieder zu entziehen. Es habe dann sehr lange gedauert, bis sie aufgrund besonderer Empfehlungen einen anderen Rechtsanwalt gefunden hätten, der jedoch mitgeteilt habe, er könne das Mandat noch nicht übernehmen, da die Zeit bis zur mündlichen Verhandlung nicht ausreichend sei, um sich in die Materie einzuarbeiten. Sie bäten deshalb um Aufhebung des Termins.

Der Termin wurde nicht aufgehoben. Zur mündlichen Verhandlung erschien für die Kläger Rechtsanwalt C ohne schriftliche Vollmacht, ordnungsgemäße Bevollmächtigung versichernd, und beantragte die Vertagung des Termins. Das FG lehnte den Vertagungsantrag ab und verband die beiden Klagesachen miteinander.

Nunmehr beantragte Rechtsanwalt C für die Kläger, die Erbschaftsteuer entsprechend ihrem Vortrag festzusetzen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Das FG hat die Klagen abgewiesen und die Revision zugelassen.

Die Kläger haben Revision eingelegt und mangelndes rechtliches Gehör geltend gemacht. Sie haben im einzelnen geschildert, warum es nicht bis zum 28. Januar 1987 gelungen sei, einen Prozeßbevollmächtigten zu bestellen, der sich noch rechtzeitig in die Materie hätte einarbeiten können. Sodann haben sie vorgetragen, was sie bei ausreichendem rechtlichen Gehör im einzelnen noch an Tatsachen geltend gemacht hätten.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Kläger führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

Die Revision ist zulässig. Die Revisionsbegründung erfüllt die Anforderungen des § 120 Abs. 2 FGO.

Das angefochtene Urteil ist bereits deshalb aufzuheben, weil das FG den Rechtsanwalt C zwar stillschweigend zur mündlichen Verhandlung zugelassen hat, ihm aber keine Frist für die Nachreichung der schriftlichen Vollmacht gesetzt hat. Unter diesen Umständen durfte gemäß § 155 FGO i.V.m. § 89 Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO) noch kein Endurteil ergehen. Es durfte vielmehr erst nach Ablauf der für die Beibringung der Genehmigung seitens der Partei gesetzten Frist erlassen werden.

Daß § 89 ZPO im verwaltungsgerichtlichen Verfahren allgemein anwendbar ist, ist in der Rechtsprechung anerkannt (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/ Hartmann, Zivilprozeßordnung, 47. Aufl., § 89 Anm. 4). Auch für das finanzgerichtliche Verfahren gilt nichts anderes (vgl. Gräber, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 62 Tz. 72).

Die stillschweigende Zulassung des Rechtsanwalts C zur einstweiligen Prozeßführung ist darin zu sehen, daß das FG ihm gestattet hat, für die Kläger Anträge zu stellen. Das FA hat dem nicht widersprochen.

Die Entscheidung über die einstweilige Zulassung des Rechtsanwaltes C hatte das FG nach seinem pflichtgemäßen Ermessen zu treffen. Nachdem es ihn aber einstweilen zugelassen hatte, mußte es mit einem Endurteil warten, bis er Gelegenheit gehabt hatte, eine Prozeßvollmacht beizubringen.