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BFH-Urteil vom 14.7.1988 (IV R 57/87) BStBl. 1989 II S. 19

Aufwendungen eines Steuerberaters für die Teilnahme an einem Steuerberater-Symposium, das auf einem Passagierfährschiff während einer Ostseefahrt stattfindet, sind nur insoweit als Betriebsausgaben abziehbar, als es sich um die Seminargebühren handelt.

EStG § 4 Abs. 4.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG (EFG 1986, 483)

Sachverhalt

Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) sind sechs Steuerberater, die sich zu einer Praxisgemeinschaft zusammengeschlossen haben. Fünf von ihnen nahmen in der Zeit vom 10. bis 13. März 1983 an einem Steuerberater-Symposium auf der Fähre "Finnjet" teil. Es handelt sich bei dieser Fähre um ein komfortables Passagierfährschiff, das regelmäßig zwischen Travemünde und Helsinki verkehrt. Nach Auskunft des Reiseveranstalters lief die "Finnjet" am Donnerstag, den 10. März 1983, um 20.00 Uhr aus Travemünde aus. Am Freitag, den 11. März 1983, begann das Seminar um 9.00 Uhr; es dauerte - von Kaffeepausen und einem Mittagessen unterbrochen - bis 17.00 Uhr. Am Samstag, den 12. März 1983, fand vormittags eine Stadtrundfahrt durch Helsinki statt; von 15.00 Uhr bis 17.30 Uhr folgte wiederum ein Seminar. Am Sonntag, den 13. März 1983, fanden Seminarveranstaltungen - unterbrochen durch eine Kaffeepause und ein Mittagessen - zwischen 9.00 Uhr und 15.30 Uhr statt; um 17.00 Uhr kam die "Finnjet" in Travemünde an. Themen der Seminarveranstaltungen waren "Aktuelle Entwicklungen im Körperschaftsteuerrecht" (Regierungsdirektor A), "Die neue Rechtsprechung und Gesetzgebung zur Einkommensteuer (Dr. B), "Steuerfragen aus dem Arbeitnehmerbereich" (Dr. C), "Familienrechtliche Vorgänge im Steuerrecht" (Dr. B) und "Diskussion zu Einzelthemen, Hörerfragen" (Dr. C, Dr. B, Regierungsdirektor A).

Die Teilnahme der Kläger an diesen Veranstaltungen wurde bescheinigt; sie ist außerdem durch die Zeugenaussage des Geschäftsführers des Verbandes der steuerberatenden Berufe in Niedersachsen bestätigt worden.

Mit ihrer Erklärung zur einheitlichen Gewinnfeststellung 1983 machten die Kläger die Aufwendungen für das Steuerseminar (je Person 300 DM Seminargebühr und 619 DM für Verpflegung und Unterkunft) als Betriebsausgaben geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) ließ dagegen nach einer Außenprüfung nur die Seminargebühr zum Abzug zu.

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren gab das Finanzgericht (FG) der Klage statt (Urteil vom 17. März 1986 X 379/85, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1986, 483). Es ging davon aus, daß die Aufwendungen für die Teilnahme an einer Gruppenreise zu Informationszwecken dann keine Betriebsausgaben sind, wenn sie nicht objektiv durch den Betrieb oder die Tätigkeit veranlaßt sind, insbesondere wenn nach dem Programm der Reise ein allgemeintouristisches Interesse befriedigt wird, das nicht von untergeordneter Bedeutung ist (Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 27. November 1978 GrS 8/77, BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213). Das FA habe die Reise im Ergebnis nicht zutreffend beurteilt. Hierzu führte das FG u.a. im einzelnen aus: "Die Auffassung, die fragliche Reise sei weitaus überwiegend aus privaten Interessen unternommen worden, läßt sich nach Ansicht des Senats nicht halten." An anderer Stelle heißt es: "Hinsichtlich des Reiseziels, der Reiseroute und der Reisezeit vermag der Senat keine Anhaltspunkte dafür zu finden, daß die Reise überwiegend aus privaten Gründen unternommen wurde." Schließlich wird ausgeführt: "Da nach alledem keine Anhaltspunkte dafür zu finden waren, daß die Seminarreise aus überwiegend privaten Gründen unternommen wurde, waren die gesamten Aufwendungen als beruflich veranlaßt anzusehen."

Mit der - auf Beschwerde zugelassenen - Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

Es beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger haben sich nicht geäußert.

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage. Dem FG kann nicht darin gefolgt werden, daß die Reiseaufwendungen der Kläger als Betriebsausgaben abziehbar sind.

1. Die Abziehbarkeit von Aufwendungen als Betriebsausgaben setzt voraus, daß sie durch den Betrieb veranlaßt sind (§ 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes - EStG -). Der Begriff der betrieblichen Veranlassung erfordert, daß ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und dem Betrieb besteht (BFH-Urteil vom 1. Juni 1978 IV R 36/73, BFHE 125, 175, BStBl II 1978, 499). Liegen diese Voraussetzungen vor, so können die Aufwendungen bei der Ermittlung des Gewinns grundsätzlich abgezogen werden.

Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn die aus betrieblichen Gründen erwachsenen Kosten zugleich Aufwendungen für die Lebensführung des Steuerpflichtigen darstellen. Diese sog. "gemischten" Aufwendungen sind nach § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG nicht abziehbar. Die Vorschrift des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG verbietet zur Wahrung der steuerlichen Gerechtigkeit die Aufteilung und damit den Abzug von Aufwendungen, die sowohl der Lebensführung dienen als auch den Beruf fördern.

Das Aufteilungs- und Abzugsverbot wird allerdings nach der Rechtsprechung des BFH in gewisser Hinsicht eingeschränkt. Gemischte Aufwendungen sind dann in vollem Umfang als Betriebsausgaben abziehbar, wenn die betriebliche Veranlassung bei weitem überwiegt und das Hineinspielen der Lebensführung nicht ins Gewicht fällt und von ganz untergeordneter Bedeutung ist (vgl. Beschlüsse des Großen Senats vom 19. Oktober 1970 GrS 2/70, BFHE 100, 309, BStBl II 1971, 17, und in BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213).

2. Für den Abzug der Kosten einer Reise als Betriebsausgaben ist maßgebend, ob die Aufwendungen objektiv durch die besonderen betrieblichen Gegebenheiten veranlaßt sind und die Befriedigung privater Interessen wie z.B. Erholung, Bildung und Erweiterung des allgemeinen Gesichtskreises nach dem Anlaß der Reise, dem vorgesehenen Programm und der tatsächlichen Durchführung nahezu ausgeschlossen ist (BFH-Urteil vom 22. Mai 1974 I R 212/72, BFHE 113, 274, BStBl II 1975, 70; Beschluß in BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213).

a) Die Entscheidung, ob betriebsbedingte Aufwendungen vorliegen und die Befriedigung privater Interessen nahezu ausgeschlossen ist, kann nur aufgrund einer Würdigung aller Umstände des einzelnen Falles getroffen werden. Es ist deshalb in jedem Einzelfall zu prüfen, ob und in welchem Umfang private Gründe die Reise mitveranlaßt haben. Dabei ist die Reise insgesamt und als Einheit zu beurteilen, weil die einzelnen Teile einer solchen Reise von der Planung und der Durchführung her nur im Zusammenhang gesehen werden können (BFH-Urteile vom 15. Juli 1976 IV R 90/73, BFHE 120, 28, BStBl II 1977, 54 - betreffend die Teilnahme eines Arztes am Krebskongreß in Tokio -; vom 28. Oktober 1976 IV R 35/76, BFHE 121, 35, BStBl II 1977, 238 - betreffend die Teilnahme eines Zahnarztes am Zahnärztekongreß in Mexiko City -; vom 12. April 1979 IV R 106/77, BFHE 127, 533, BStBl II 1979, 513 - betreffend das Halten von Vorträgen auf Fachkongressen -; Beschluß in BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213).

b) Für die Beurteilung der Frage, ob für eine Reise in nicht unerheblichem Umfang Gründe der privaten Lebensführung eine Rolle gespielt haben, kommt es in erster Linie auf den Zweck dieser Reise an.

Reisen, denen offensichtlich ein unmittelbarer betrieblicher (beruflicher) Anlaß zugrunde liegt (wie etwa das Aufsuchen eines Geschäftsfreundes, das Halten eines Vortrages auf einem Fachkongreß oder die Durchführung eines Forschungsauftrags), sind in aller Regel ausschließlich der betrieblichen (beruflichen) Sphäre zuzurechnen, selbst wenn solche Reisen in mehr oder weniger großem Umfang auch zu privaten Unternehmungen genutzt werden. Bei solchen Reisen tritt die Bedeutung von privaten Unternehmungen regelmäßig in den Hintergrund.

Anders dagegen sind Auslandsreisen zu beurteilen, denen ein solcher konkreter Bezug zur betrieblichen (beruflichen) Tätigkeit fehlt. Hierher gehören insbesondere Reisen zu Informationszwecken (Gruppenreisen zu Studienzwecken, Kongreßreisen). Wegen des Fehlens eines unmittelbaren betrieblichen Anlasses spielen bei dieser Art von Reisen häufig auch nichtbetriebliche (private) Interessen an der Durchführung der Reise eine Rolle. Nach der Rechtsprechung des BFH müssen in derartigen Fällen die Beurteilungsmerkmale, die jeweils für eine private oder betriebliche (berufliche) Veranlassung der Reise sprechen, gegeneinander abgewogen werden (vgl. insbesondere BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213). In diesem Zusammenhang kann es z.B. auf die Art der dargebotenen Information, den Teilnehmerkreis, die Reiseroute und den Charakter der aufgesuchten Orte als beliebte Ziele des Tourismus, die fachliche Organisation, die Gestaltung der Wochenenden und Feiertage sowie die Art des benutzten Beförderungsmittels ankommen.

3. Das FG hat im Streitfall an mehreren Stellen des angefochtenen Urteils (insbesondere im Zusammenhang mit den rechtlichen Schlußfolgerungen am Ende der Entscheidung) erkennen lassen, daß nach seiner Ansicht die Aufwendungen für eine Auslandsgruppenreise zu Informationszwecken erst dann vom Abzug als Betriebsausgaben ausgeschlossen sind, wenn die "privaten Interessen" (bzw. die "privaten Gründe") überwiegen. Diese Ansicht steht im Gegensatz zur Auffassung des BFH, nach der es zum Ausschluß des Betriebsausgabenabzugs genügt, wenn bei Reisen zu Informationszwecken das Hereinspielen der Lebensführung ins Gewicht fällt und nicht von ganz untergeordneter Bedeutung ist (Beschluß in BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213).

Geht man von der Rechtsprechung des BFH aus, so ergibt sich im Streitfall, daß die von den Klägern unternommene Reise wegen der im Verlauf der Reise gebotenen steuerrechtlichen Seminarveranstaltungen zwar betrieblich veranlaßt, gleichwohl aber nach den besonderen Umständen der Reise in nicht unerheblichem Umfang auch von privaten Motiven beeinflußt war. Daß den Reiseteilnehmern neben den Fachveranstaltungen auch Erholung, Vergnügen und persönliches Erleben geboten wurde, geht schon daraus hervor, daß das Steuerberater-Symposium auf einem mit entsprechenden Freizeiteinrichtungen versehenen Passagierschiff stattfand und mit einer Seereise verbunden war, der in der Reisebranche an sich schon ein hoher Freizeitwert zuerkannt wird. Wie sich aus dem zeitlichen Umfang des Fachprogramms ergibt, hatten die Tagungsteilnehmer ausreichend Gelegenheit, von den an Bord der "Finnjet" gebotenen Freizeitmöglichkeiten Gebrauch zu machen. Angesichts der nur verhältnismäßig kurzen Reisedauer kommt dabei auch dem halbtägigen Landausflug nach Helsinki, der ausschließlich privaten Charakter hatte, eine erhebliche Bedeutung zu; bei kurzen Reisen, die sich über das Wochenende erstrecken, sind derartige Privatveranstaltungen als Indiz für eine private Mitveranlassung der Reise zu werten.

Da die private Mitveranlassung der Reise hiernach nicht ganz unbedeutend war, können die Reiseaufwendungen der Kläger nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden. Das FG ist von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen. Sein Urteil ist deshalb aufzuheben und die Klage abzuweisen.