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BFH-Beschluß vom 8.9.1988 (IV R 97/82) BStBl. 1989 II S. 27

Dem Großen Senat des BFH wird gemäß § 11 Abs. 4 FGO folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt:

Kann eine Kontokorrentverbindlichkeit, die sowohl durch betrieblich als auch durch privat veranlaßte Überweisungs- und Auszahlungsvorgänge entstanden ist, bei Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG in vollem Umfang Betriebsschuld sein mit der Folge, daß die hierauf entfallenden Zinsaufwendungen Betriebsausgaben sind?

EStG § 4 Abs. 1 und 4, § 5 Abs. 1, § 12 Nr. 1.

Sachverhalt

A. Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Steuerberater. Er ermittelt seinen Gewinn nach § 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Er war in den Streitjahren 1972 bis 1975 Eigentümer eines Einfamilienhauses, in dem er wohnte und seine Praxis betrieb.

Der Rechtsstreit geht u.a. um die Frage, in welchem Umfang der Kläger Zinsaufwendungen als Betriebsausgaben absetzen kann. Der Kläger hatte in den Bilanzen für die Streitjahre Kreditschulden als betriebliche Verbindlichkeiten angesetzt. Die auf diese Verbindlichkeiten entfallenden Zinsen machte er bei den Einkommensteuerveranlagungen für die Streitjahre als Betriebsausgaben geltend. Dieser Sachbehandlung folgte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) nicht. Aufgrund von Feststellungen, die im Rahmen einer im Jahre 1977 durchgeführten Betriebsprüfung getroffen wurden, ließ das FA nur einen Teil der Zinsaufwendungen zum Abzug als Betriebsausgaben zu.

Im einzelnen handelt es sich um folgende Vorgänge:

1. Hypothekendarlehen

Der Kläger hatte ein hypothekarisch gesichertes Darlehen aufgenommen und die Darlehensmittel u.a. zur Begleichung von Aufwendungen für Bauarbeiten an dem von ihm bewohnten Haus verwendet. Bei den Bauarbeiten handelt es sich um den Ausbau der Mansarde, um einen Anbau sowie um ein Schwimmbad im Garten. Die neu geschaffenen Gebäudeteile waren ausschließlich für die private Nutzung durch den Kläger und seiner Familie bestimmt; auch das Schwimmbad wurde vom Kläger und seiner Familie, gelegentlich aber auch von den in der Praxis des Klägers tätigen Angestellten benutzt.

Das FA buchte den Teil der Verbindlichkeiten, dessen Mittel für private Bauarbeiten verwendet wurden, erfolgsneutral aus und berücksichtigte die auf diesen Teil entfallenden Zinsaufwendungen (1972: 4.951,36 DM; 1973: 3.226,26 DM, 1974: 1.457,14 DM; 1975: 1.450,45 DM) nicht als Betriebsausgaben.

2. Investitionsdarlehen

Der Kläger hatte im Jahre 1972 ein Investitionsdarlehen in Höhe von 36.000 DM von der Sparkasse aufgenommen und die Darlehensmittel teilweise für den Ausbau der betrieblich genutzten Garage, teilweise für den eigenen Wohnzwecken dienenden Gebäudeteil sowie für private Anschaffungen verwendet. Die Darlehensschuld wurde im Januar 1974 durch Aufnahme eines Kredits bei der A-Bank abgelöst.

Das FA buchte 75 v.H. der Verbindlichkeit erfolgsneutral aus und erkannte den hierauf entfallenden Teil der Zinsaufwendungen nicht als Betriebsausgaben an.

3. WKV-Kredit

Ein weiterer für private Zwecke aufgenommener Kredit (WKV-Kredit)wurde vom Kläger zunächst - bis zum Jahre 1973 - als private Verbindlichkeit, die hierauf entfallenden Zinsen demgemäß als private Zinsaufwendungen behandelt. In den Bilanzen des Klägers war die WKV-Kreditverbindlichkeit nicht als Schuldposten angesetzt. Für die Jahre 1974 bis 1975 machte der Kläger die auf diesen Kredit entfallenden Zinsen als Betriebsausgaben geltend.

Das FA sah die Kreditverbindlichkeit als private Schuld und die hierauf entfallenden Zinsen demgemäß als private Aufwendungen an.

4. Kontokorrentverbindlichkeiten bei der Sparkasse und der B-Bank

Der Kläger unterhielt bei der Sparkasse und bei der B-Bank Kontokorrentkonten, die in den Jahren 1972 bis 1974 Schuldsalden aufwiesen. Die Salden beruhten teils auf betrieblich, teils auf privat veranlaßten Kontenbewegungen.

Das FA schätzte den betrieblichen Teil der Kontokorrentverbindlichkeiten für den Prüfungszeitraum 1972 bis 1975 auf insgesamt 40.000 DM und ließ nur die hierauf entfallenden Zinsaufwendungen zum Abzug zu.

5. Kontokorrentverbindlichkeit bei der A-Bank

Im Januar 1974 nahm der Kläger bei der A-Bank einen Kontokorrentkredit in Höhe von 260.000 DM auf. Die Kreditmittel verwendete er zur Ablösung anderer Verbindlichkeiten bei der Sparkasse (92.000 DM), der C-Bank (45.497,40 DM) und der D-Bank (20.187,74 DM). Außerdem beglich der Kläger mit den Kreditmitteln betriebliche (18.140,87 DM) und private (65.671,37 DM) Steuerschulden.

Das FA schätzte den betrieblichen Teil der Kontokorrentschulden auf 27 v.H. Den hierauf entfallenden Teil der Zinsaufwendungen ließ es zum Abzug zu. Dementsprechend wurde auch die für den Kredit in Rechnung gestellte Abschlußgebühr nur in Höhe von 27 v.H. als Betriebsausgabe angesehen.

Auf der Grundlage der vom FA vertretenen Rechtsauffassung ergingen geänderte Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) führte aus, das FA habe die streitigen Schuldzinsen zu Recht in einen betrieblichen und einen privaten Anteil im Wege der Schätzung aufgeteilt und die auf die private Lebensführung entfallenden Schuldzinsen nur insoweit zum Abzug zugelassen, als dies nach der bis zum 31. Dezember 1973 geltenden Regelung des § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG möglich gewesen sei. Als Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG) seien Schuldzinsen nur abziehbar, wenn die zugrunde liegende Schuld mit dem Betrieb des Steuerpflichtigen im wirtschaftlichen Zusammenhang stehe. Begründe der Steuerpflichtige im Rahmen seines Betriebs eine Verbindlichkeit und weise er diese in seiner Bilanz aus, so spreche eine Vermutung dafür, daß es sich um eine Betriebsschuld handle. Verwende er jedoch Teilbeträge eines Kredits für private Zwecke, so seien diese Beträge dem privaten Bereich zuzuordnen; die von der Kontenbezeichnung und der Aufnahme in die Bilanz ausgehende Indizwirkung für eine bestimmte Zuordnung sei dann widerlegt. Werde ein Konto für die Abwicklung betrieblicher und privater Vorgänge benutzt, so seien seine Salden zum Nachweis der betrieblich bedingten Veranlassung aufzuteilen, soweit eine eindeutige Abgrenzung möglich sei (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 19. Juni 1975 VIII R 13/74, BFHE 116, 478, BStBl II 1975, 811; vom 18. November 1980 VIII R 194/78, BFHE 132, 522, BStBl II 1981, 510; vom 19. März 1981 IV R 169/80, BFHE 133, 383, BStBl II 1983, 721).

Bei der vom Kläger eingegangenen Hypothekenverbindlichkeit habe das FA zutreffend den Teil aus dem Betriebsvermögen ausgeschieden, der zur Begleichung der Aufwendungen für die Bauarbeiten (Mansarde, Anbau und Schwimmbecken) gedient habe; denn diese Bauaufwendungen seien für Gebäudeteile gemacht worden, die vom Kläger ausschließlich privat benutzt wurden. Auch das auf dem Grundstück befindliche Schwimmbad diene der privaten Lebensführung. Es erhalte nicht bereits dadurch betrieblichen Charakter, daß es gelegentlich von den Angestellten des Klägers benutzt werde. - Die Mittel aus dem Investitionsdarlehen seien, wie das FA zutreffend angenommen habe, zu einem Anteil von 75 v.H. privat und lediglich zu 25 v.H. für betriebliche Zwecke verwendet worden. - Das WKV-Darlehen sei als private Verbindlichkeit aufgenommen und auch buchmäßig im Jahre 1973 so behandelt worden. Die Behauptung des Klägers, die Mittel aus diesem Kredit seien in erheblichem Umfang für die Bestreitung betrieblicher Ausgaben verwendet worden, ändere an der Zuordnung der Verbindlichkeit zum Privatvermögen schon deshalb nichts, weil der Kläger in der Zeit der Kreditaufnahme durch überhöhte Privatentnahmen eine betriebliche Überschuldung herbeigeführt habe; es habe deshalb keiner Prüfung bedurft, ob die Angaben des Klägers über die einzelnen Geldüberweisungen zuträfen. Für die Einordnung der Kontokorrentschulden (Sparkasse, A-Bank und B-Bank) sei die tatsächliche Mittelverwendung maßgebend. Bei der Überziehung eines Kontokorrentkontos infolge privat veranlaßter Ausgaben könnten die darauf entfallenden Zinsen nicht als Betriebsausgaben gewertet werden. Durch die unmittelbare Inanspruchnahme eines Bankkredits für private Zwecke werde eine private Verbindlichkeit begründet; das Betriebsvermögen werde durch diesen Vorgang nicht berührt (BFH-Urteil vom 24. November 1967 VI R 71/66, BFHE 91, 37, BStBl II 1968, 177). Hiernach habe das FA im Streitfall die Kontokorrentzinsen des Klägers dem Grunde nach zu Recht in privat veranlaßte Aufwendungen und Betriebsausgaben aufgeteilt und der Höhe nach zutreffend auf den prozentualen Anteil der Mittelverwendung geschätzt. Anhaltspunkte für eine andere Schätzung seien weder aus den sehr allgemein gehaltenen Einwendungen des Klägers noch aus dem sonstigen Akteninhalt zu gewinnen gewesen.

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Der Zinsabzug könne nicht mit dem Argument verwehrt werden, daß überhöhte Privatentnahmen zu einer betrieblichen Überschuldung geführt hätten. Entscheidend sei, daß jeweils der betriebliche von dem privaten Teil der Schuld nach der Verwendung des Geldes getrennt werde. Er habe nur den Abzug der betrieblich veranlaßten Zinsen begehrt. Zu den einzelnen Kreditverbindlichkeiten führt er aus:

1. Hypothekenverbindlichkeit. Soweit es sich um die Aufwendungen für die Mansarde handle, sei der Standpunkt des FG, es habe sich um privat veranlaßte Aufwendungen gehandelt, verständlich. Dagegen müßten die auf das Schwimmbad entfallenden Aufwendungen als betrieblich veranlaßt angesehen werden. Denn das Schwimmbad sei mehr durch das Büropersonal des Klägers als durch ihn und seine Familie genutzt worden.

2. Investitionsdarlehen. Hinsichtlich der betrieblichen und privaten Verwendung habe sich das FG zu Unrecht an die Begründung im Kreditantrag gehalten. Es sei einleuchtend, "daß die wirklichen Beweggründe der Bank gegenüber nicht genannt werden".

3. WKV-Kredit. Der WKV-Kredit sei infolge eines Buchungsfehlers ursprünglich als privat behandelt worden. Dies sei jedoch später richtiggestellt worden.

4. Kontokorrentverbindlichkeiten. Nach dem BFH-Urteil vom 24. Mai 1984 IV R 221/83 (BFHE 141, 316, BStBl II 1984, 706) seien auch die zur Tilgung der Einkommensteuer entnommenen Kredite keine Privatschulden; deshalb seien auch die hierauf entfallenden Zinsanteile als Betriebsausgaben anzusehen.

Der Kläger beantragt sinngemäß, unter Aufhebung des FG-Urteils und unter Abänderung der angefochtenen Bescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidung das steuerpflichtige Einkommen für 1972 auf ... DM, für 1973 auf ... DM, für 1974 auf ... DM und für 1975 auf ... DM anzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Die Entscheidung hängt von der Beantwortung der Vorlagefrage ab.

Entscheidungsgründe

B. Stellungnahme zu der vorgelegten Rechtsfrage

1. Allgemeines zum Abzug von Schuldzinsen

Bis zum Veranlagungszeitraum 1973 konnten private - d.h. nicht auf Einkünfte im Sinne des EStG bezogene - Schuldzinsen als Sonderausgaben vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG in der bis 1973 geltenden Fassung). Die Möglichkeit des Abzugs von privaten Schuldzinsen als Sonderausgaben ist durch Art. 1 Nr. 3 des Steueränderungsgesetzes 1973 (StÄndG 1973) vom 26. Juni 1973 (BGBl I S. 676) beseitigt worden. Diese gesetzliche Maßnahme hat das Bundesverfassungsgericht als verfassungsgemäß angesehen (Beschluß vom 13. März 1979 2 BvR 72/76, BStBl II 1979, 322).

Die frühere Regelung hat für den Streitfall insofern noch Bedeutung, als es um die Einkommensteuer für die Jahre 1972 und 1973 geht. Soweit der Kläger in diesen Jahren Zinsen für private Schuldverbindlichkeiten aufgewendet hatte, konnte er sie gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG a.F. als Sonderausgaben abziehen; das FA und das FG haben dies berücksichtigt. Für die Jahre 1974 und 1975 fehlte es indessen an solchen Abzugsmöglichkeiten. Zinsaufwendungen, die in diesen Jahren entstanden sind, konnten ggf. nur im Rahmen der einzelnen Einkunftsarten als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abgesetzt werden.

Im Streitfall kommt es deshalb darauf an, ob die vom Kläger für die Jahre 1974 und 1975 aufgewendeten Zinsen ganz oder nur zum Teil als Betriebsausgaben bei seinen Einkünften aus selbständiger Arbeit (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG) abgezogen werden können.

2. Bisherige Rechtsprechung zum Schuldzinsenabzug bei Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 und § 5 Abs. 1 EStG

a) Zinsaufwendungen sind als Betriebsausgaben abziehbar, wenn sie "durch den Betrieb veranlaßt sind" (§ 4 Abs. 4 EStG). Diese Voraussetzungen liegen vor bei Zinsaufwendungen, die für Betriebsschulden zu leisten sind.

Die Annahme einer Betriebsschuld hängt davon ab, daß der die Schuld auslösende Vorgang einen wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Betrieb aufweist (BFH-Urteil vom 23. Juni 1983 IV R 192/80, BFHE 139, 50, BStBl II 1983, 725). Bei Verbindlichkeiten, die durch Kreditaufnahme entstehen, besteht ein solcher wirtschaftlicher Zusammenhang, wenn die Kreditmittel für betriebliche Zwecke verwendet werden, z.B. um Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens anzuschaffen, herzustellen, zu erneuern, zu verbessern, um andere Betriebsschulden abzulösen oder zu sichern oder um dem Betrieb liquide Mittel zuzuführen (BFH-Urteil vom 21. Mai 1987 IV R 39/85, BFHE 150, 38, BStBl II 1987, 628; vgl. auch Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, 7. Aufl., § 4 Anm. 42).

Steuerpflichtige, die ihren Gewinn nach § 5 EStG durch Betriebsvermögensvergleich ermitteln, weisen ihre Verbindlichkeiten in der Handelsbilanz aus. Der Ausweis in der Handelsbilanz ist für die einkommensteuerrechtliche Gewinnermittlung allerdings nur insoweit maßgebend, als das Einkommensteuerrecht nichts anderes vorsieht (BFH-Urteil vom 17. Januar 1980 IV R 156/77, BFHE 130, 258, BStBl II 1980, 434). Abweichungen vom Handelsrecht können sich insbesondere aus § 4 EStG ergeben. Hiernach können private Verbindlichkeiten nicht in der Steuerbilanz angesetzt werden, da (positives oder negatives) Privatvermögen der steuerlichen Gewinnermittlung nicht zugrunde gelegt werden darf (BFH-Urteil vom 12. September 1985 VIII R 336/82, BFHE 145, 327, BStBl II 1986, 255).

Deshalb können auch Darlehensverbindlichkeiten (und die hierauf beruhenden Zinsaufwendungen) nicht in die einkommensteuerrechtliche Gewinnermittlung einbezogen werden, wenn die durch Eingehung solcher Verbindlichkeiten erworbenen Kreditmittel nicht für betriebliche, sondern für private Zwecke verwendet werden. Werden die Kreditmittel teils für private, teils für betriebliche Zwecke verwendet, so kann folgerichtig nur der Teil als Betriebsschuld angesetzt werden, der zur Verwendung für betriebliche Zwecke vorgesehen ist.

Entsprechendes gilt für solche Steuerpflichtige, die ihren Gewinn nicht nach § 5 EStG, sondern - wie der Kläger im Streitfall - nach § 4 Abs. 1 EStG ermitteln.

b) Verbindlichkeiten, die durch Aufnahme eines Kontokorrentkredits entstehen, werden in der Rechtsprechung des BFH nicht einheitlich beurteilt. Auffassungsunterschiede bestanden bisher insbesondere zwischen dem IV. und dem I. Senat.

aa) Nach der bisherigen Ansicht des IV. Senats ist die am Jahresschluß ermittelte Kontokorrentschuld der betrieblichen Sphäre zuzurechnen, wenn das Kontokorrentkonto der Abwicklung des laufenden betrieblichen Geldverkehrs dient. Das gelte auch dann, wenn über das betriebliche Kontokorrentkonto auch außerbetriebliche Einzahlungen und Auszahlungen abgewickelt werden (BFHE 139, 50, BStBl II 1983, 725), insbesondere, wenn durch die Entstehung oder Erhöhung des betrieblichen Kontokorrentkredits private Entnahmen finanziert werden. Es bestehe eine Vermutung dafür, daß eine Kreditaufnahme über ein solches Konto betrieblich veranlaßt ist.

Die grundsätzliche Zurechnung des Kontokorrentkredits zur betrieblichen Sphäre werde allerdings für gewisse Fälle eingeschränkt. Die durch Entnahmen bedingten Kreditaufnahmen hätten dann keinen betrieblichen Charakter, wenn "bei wirtschaftlicher Betrachtung klar erkennbar ist, daß mit der Erhöhung des Schuldsaldos ein Kredit für außerbetriebliche Zwecke aufgenommen wird"; ein solcher Fall sei "bei außergewöhnlichen Aufwendungen zu privaten Zwecken" (etwa für den Bau eines Privathauses) anzunehmen (Urteil in BFHE 139, 50, BStBl II 1983, 725; ebenso BFH- Urteil vom 13. Dezember 1984 VIII R 258/80, BFH/NV 1985, 24). Nicht als "außergewöhnliche Aufwendungen zu privaten Zwecken", sondern als Aufwendung für den "typischen Lebensbedarf" hat der Senat in Anwendung dieser Grundsätze die Entrichtung von Einkommen- und Körperschaftsteuer angesehen; eine durch derartige Zahlungen bedingte Erhöhung des Kontokorrentkredits stehe dem betrieblichen Charakter der Schuld nicht entgegen (Urteil in BFHE 141, 316, BStBl II 1984, 706).

bb) Abweichend von der dargelegten Auffassung des IV. Senats beurteilt der I. Senat des BFH die Abziehbarkeit von Kontokorrentzinsen als Betriebsausgaben.

Nach Ansicht des I. Senats kann die betriebliche Veranlassung eines Kontokorrentkredits nicht anders als bei anderen Krediten gesehen werden. Werde auf einem zum Betriebsvermögen gehörenden Kontokorrentkonto für private Zwecke ein Kredit aufgenommen, so sei die durch die Entnahme ausgelöste Verbindlichkeit nicht betrieblich veranlaßt; die hierauf entfallenden Schuldzinsen könnten deshalb nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden.

Es könne jedoch eine dem Privatvermögen zugeordnete Verbindlichkeit unter bestimmten Voraussetzungen durch Umschuldung zu einer Betriebsschuld werden. Eine solche Umschuldung sei grundsätzlich dadurch möglich, daß im Betrieb vorhandenes Eigenkapital entnommen und durch Fremdkapital ersetzt werde. Der Steuerpflichtige sei berechtigt, einerseits sämtliche in seinem Betrieb als Einnahmen erzielten Barmittel zu entnehmen und andererseits alle anfallenden Betriebsausgaben und Anschaffungskosten durch Darlehen zu finanzieren. Er könne also laufend Barmittel entnehmen, sie zur Tilgung des aufgenommenen Kontokorrentkredits verwenden und in gleicher Höhe einen neuen Kontokorrentkredit aufnehmen, um auf diese Weise sein Betriebsvermögen umzuschichten. Wirtschaftlich gesehen könnte der Steuerpflichtige anstelle der Tilgung des einen und der Neuaufnahme des anderen Kontokorrentkredits auch den Verwendungszweck des ersten Kredits verändern, um auf diese Weise seine Privatschuld durch eine Betriebsschuld zu ersetzen. Eine solche Umschuldung sei auch steuerrechtlich anzuerkennen, wenn eine entsprechende Absicht des Steuerpflichtigen hinreichend klar zum Ausdruck komme (BFH-Urteile vom 17. April 1985 I R 101/81, BFHE 143, 563, BStBl II 1985, 510, und vom 5. Juni 1985 I R 289/81, BFHE 144, 57, BStBl II 1985, 619).

3. Einwendungen gegen diese Rechtsprechung

An dieser Rechtsprechung ist Kritik geübt worden.

a) Gegen die Rechtsprechung des IV. Senats wird eingewendet, die durch private Aufwendungen veranlaßten Zinsen könnten keine Betriebsausgaben sein, auch wenn sie über ein betriebliches Kontokorrentkonto abgewickelt werden. Auch bei der Gewinnermittlung nach §§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 EStG könnten Zinsaufwendungen nur insoweit abgezogen werden, als sie auf betrieblich veranlaßte Überweisungen oder Abhebungen entfielen (Weber-Grellet in Kirchhoff/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 4 Rdnr. D 274). Es treffe auch nicht zu, daß bei Überziehung eines betrieblichen Kontokorrentkontos die betriebliche Veranlassung vermutet werden könne. Eine solche Vermutung sei ohne Rechtsgrundlage (Tipke, Steuerrecht, 11. Aufl., S. 260); sie widerspreche dem Grundsatz, daß der Steuerpflichtige die Feststellungslast für die von ihm geltend gemachten Betriebsausgaben trage (Weber-Grellet, a.a.O.).

Die Kritik gegen die Rechtsprechung des IV. Senats richtet sich außerdem gegen die Abgrenzungsmerkmale, die zur Aussonderung privat veranlaßter Kreditaufnahmen verwendet werden ("Beträge, die eindeutig für eine außergewöhnliche private Verwendung größeren Umfangs gedacht sind"). Wenn die Entnahme von Barmitteln überhaupt zur Entstehung eines betrieblich veranlaßten Mittelbedarfs führen könne, so müsse dies für alle Entnahmen gelten, gleichgültig, für welchen Zweck die entnommenen Mittel verwendet werden. Eine Abgrenzung zwischen "gewöhnlichen" und "außergewöhnlichen" Privatausgaben sei nicht möglich (Siegel, Steuer und Wirtschaft - StuW - 1985, 207, 210 f.).

Schließlich sei es nicht zu rechtfertigen, daß die Kontokorrentzinsen in unterschiedlichem Umfang abgezogen werden könnten, je nachdem, auf welche Weise der Steuerpflichtige seinen Gewinn ermittle. Steuerpflichtige, die ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln, könnten als Betriebsausgaben nur diejenigen Kontokorrentzinsen abziehen, die auf betrieblich veranlaßte Zahlungsvorgänge entfielen (BFH-Urteil vom 23. Juni 1983 IV R 185/81, BFHE 139, 56, BStBl II 1983, 723). Diese Steuerpflichtigen dürften aber nicht schlechter gestellt werden als Steuerpflichtige mit Gewinnermittlung nach §§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 EStG (Schmidt/Heinicke, a.a.O., § 4 Anm. 43 c) und d), m.w.N.).

b) Der Auffassung des I. Senats wird entgegengehalten, daß eine private Verbindlichkeit nicht durch einen Willensakt des Verpflichteten zu Betriebsvermögen gemacht werden könne (Schreiben des Bundesministers der Finanzen - BMF - vom 27. Juli 1987 IV B 2 - S 2134 - 1/87, BStBl I 1987, 508, unter Berufung auf die BFH-Urteile vom 1. Juni 1978 IV R 109/74, BFHE 125, 254, BStBl II 1978, 618, und vom 12. September 1985 VIII R 336/82, BFHE 145, 327, BStBl II 1986, 255; vgl. ferner Schmidt/Heinicke, a.a.O., § 4 Anm. 42 b) bb). Außerdem ist gegen die Auffassung des I. Senats einzuwenden, daß die Besteuerung nur an verwirklichte, nicht aber an fiktive Sachverhalte anknüpfen darf (vgl. BFH-Urteil vom 19. Mai 1983 IV R 138/79, BFHE 138, 248, BStBl II 1983, 380). Schließlich muß bezweifelt werden, ob sich der Zeitpunkt, in dem die "Umschuldung" stattfinden soll, mit hinreichender Sicherheit bestimmen läßt.

4. Auffassung des vorlegenden Senats

a) Zur Rechtsnatur der Kontokorrentverbindlichkeit

Das Kontokorrentverhältnis wird durch einen Vertrag begründet, durch den "die beiderseitigen Ansprüche und Leistungen nebst Zinsen in Rechnung gestellt und in regelmäßigen Zeitabschnitten durch Verrechnung und Feststellung des für den einen oder anderen Teil sich ergebenden Überschusses ausgeglichen werden" (§ 355 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches - HGB -). Die gegenseitigen Ansprüche werden am Ende einer Rechnungsperiode saldiert und "anerkannt". Mit diesem Saldoanerkenntnis gehen die in die laufende Rechnung aufgenommenen Ansprüche und Leistungen unter. Übrig bleibt nur eine neue, auf einem selbständigen Verpflichtungsgrund beruhende, vom früheren Schuldgrund losgelöste Forderung, die anstelle der bisherigen Einzelforderungen tritt (Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 28. Juni 1968 I ZR 156/66, BGHZ 50, 277). Dies gilt auch für ein Bank-Kontokorrentverhältnis (Canaris in Staub, Handelsgesetzbuch, Anhang nach § 357 "Bankvertragsrecht", Anm. 672 ff.; Schlegelberger, Handelsgesetzbuch, 5. Aufl., § 355 Anm. 13; Baumbach/Duden/Hopt, Handelsgesetzbuch, 27. Aufl., § 355 Anm. 3 C; BFH-Urteile vom 9. September 1980 VIII R 64/79, BFHE 131, 482, BStBl II 1981, 125, und vom 7. Oktober 1986 IX R 65/82, BFH/NV 1987, 151). Das Bankkonto selbst ist kein Wirtschaftsgut; es dient nur als Rechnungsabschlußgrundlage (Schmidt/Heinicke, a.a.O., § 4 Tz. 43 b) cc). Weist das Konto am Ende der Verrechnungsperiode zu Lasten des Bankkunden eine Verbindlichkeit auf, so hat sich diese durch Schuldumschaffung entstandene Verbindlichkeit von ihrer ursprünglichen Rechtsgrundlage gelöst.

b) Zur Zuordnung einer Kontokorrentverbindlichkeit zum Betriebsvermögen

Hinsichtlich der Zuordnung der Kontokorrentverbindlichkeit zum Betriebsvermögen bzw. zum außerbetrieblichen Vermögen besteht im Senat keine einheitliche Rechtsauffassung.

aa) Die Mehrheit des Senats hält an der bisherigen - unter B.2. b) aa) dargelegten - Rechtsauffassung mit gewissen Einschränkungen fest.

Die Mehrheit ist der Ansicht, daß eine Kontokorrentschuld als Betriebsschuld anzusehen ist, wenn das Kontokorrentkonto der Abwicklung des laufenden betrieblichen Geldverkehrs dient; daran ändert sich nichts, wenn über dieses Konto auch private Entnahmen finanziert werden. Nach Auffassung der Mehrheit gilt dies unabhängig davon, ob sich eine Vermutung für die betriebliche Veranlassung der Schuld begründen läßt oder nicht (zur Frage, ob eine solche Vermutung zu rechtfertigen ist, vgl. unten B.4. b) bb).

Hinsichtlich des Umfangs, in dem die auf private Entnahmevorgänge entfallenden Zinsaufwendungen bei der Gewinnermittlung nach §§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 EStG als Betriebsausgaben abziehbar sind, vertritt die Mehrheit des Senats die Ansicht, daß nicht nur die auf "gewöhnliche" Privataufwendungen entfallenden Teile des Kontokorrentkredits, sondern jede privat veranlaßte Kreditaufnahme zu einer Betriebsschuld führen kann. An der bisher gemachten Einschränkung, daß entnahmebedingte Kreditaufnahmen keinen betrieblichen Charakter haben, "wenn bei wirtschaftlicher Betrachtung klar erkennbar ist, daß mit der Erhöhung des Schuldsaldos ein Kredit für außerbetriebliche Zwecke aufgenommen wird" (Urteil in BFHE 139, 50, BStBl II 1983, 725), hält die Mehrheit nicht mehr fest.

Die Entstehung oder Erhöhung einer Kontokorrentverbindlichkeit durch private Überweisungs- und Auszahlungsvorgänge kann nach Ansicht der Mehrheit lediglich dann nicht mehr als betrieblich veranlaßte Kreditaufnahme anzusehen sein, wenn der Betrieb überschuldet ist. Wenn keine betrieblichen Eigenmittel mehr vorhanden sind, die entnommen und durch Fremdmittel ersetzt werden können, kann der zur Finanzierung privaten Geldbedarfs gewährte Kontokorrentkredit nicht mehr als betriebliche Verbindlichkeit angesehen werden (vgl. FG Düsseldorf, rechtskräftiges Urteil vom 10. Juni 1980 XXIII/IX 535/77 E, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1981, 7; FG Hamburg, nicht rechtskräftiges Urteil vom 17. April 1986 I 62/82, EFG 1986, 549; Trimpop, Finanz-Rundschau - FR - 1976, 578; Kreile/Söffing, Deutsche Steuer-Zeitung/Ausgabe A - DStZ/A - 1977, 259, 263; Brewi/Schön, Deutsches Steuerrecht - DStR - 1978, 99; Söffing, FR 1984, 185, 193; Siegel, StuW 1985, 207). Die auf solche Verbindlichkeiten entfallenden Schuldzinsen können dann folgerichtig auch nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden. Bei Zugrundelegung der Mehrheitsmeinung müßte entschieden werden, unter welchen tatsächlichen Voraussetzungen anzunehmen ist, daß es an einer zur Finanzierung von Entnahmen erforderlichen Deckung fehlt.

bb) Eine Minderheit des Senats vertritt folgende Rechtsauffassung:

Läßt sich eine Kontokorrentverbindlichkeit ohne weiteres in einen betrieblichen und einen privaten Teil zerlegen (Beispiel: Die Mittel aus einem Kontokorrentkredit werden zu 60 v.H. für betriebliche und zu 40 v.H. für private Zwecke verwendet), so gilt insoweit nichts anderes als für andere Kreditverbindlichkeiten auch. In einem solchen Fall ist nur der betriebliche Teil des Kredits dem Betriebsvermögen zuzurechnen (vgl. BFH-Urteil vom 19. März 1981 IV R 169/80, BFHE 133, 383, BStBl II 1983, 721).

Werden dagegen über das Kontokorrentkonto eine Vielzahl von betrieblichen und privaten Vorgängen abgewickelt und läßt sich wegen des Umfangs der Kontenbewegungen nicht ohne weiteres bestimmen, welcher Teil der am Ende der Verrechnungsperiode ausgewiesenen Schuld dem betrieblichen und welcher dem privaten Bereich zuzuordnen ist, so muß diese Bestimmung auf andere Weise vollzogen werden.

Die nach der bisherigen Rechtsprechung in diesem Zusammenhang für wesentlich gehaltene Vermutung, die Kreditaufnahme sei in vollem Umfang betrieblich veranlaßt, wenn der Kredit über ein der Abwicklung des laufenden betrieblichen Geldverkehrs dienendes Kontokorrentkonto aufgenommen wird, läßt sich nach - insoweit einhelliger - Ansicht des Senats nicht mehr aufrechterhalten.

Die bisher für zutreffend erachtete Vermutungswirkung widerspricht dem Grundsatz, daß der Steuerpflichtige die objektive Beweislast (Feststellungslast) dafür trägt, daß Minderungen des Betriebsvermögens, die der Steuerpflichtige als betrieblich veranlaßt ansieht, tatsächlich betrieblich veranlaßt waren und deshalb Betriebsausgaben sind (BFH-Urteil vom 24. Juni 1976 IV R 101/75, BFHE 119, 164, BStBl II 1976, 562; vgl. hierzu auch Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 96 Anm. 22 ff.).

Wenn aber keine Vermutung für eine grundsätzliche Zuordnung der Kontokorrentschuld zum betrieblichen Bereich besteht, muß sie nach Ansicht der Minderheit - ebenso wie bisher in den Fällen der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG - aufgeteilt werden. Als ein zur Aufteilung geeignetes Verfahren kommt die Zinszahlenstaffelmethode in Betracht (vgl. Urteil in BFHE 139, 56, BStBl II 1983, 723). Da sich die Anwendung dieser Methode in der Praxis als schwierig erwiesen hat (vgl. hierzu Bordewin in Hartmann/Böttcher/Nissen/ Bordewin, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, §§ 4 bis 5 Tz. 51 g; Kempermann/Ditzen, DStZ 1985 63), hätte die Minderheit keine Bedenken, in Fällen, in denen die Zinszahlenstaffelmethode nicht oder nur mit erheblichen Schwierigkeiten zum Ziel führt, die Höhe des betrieblichen und des privaten Teils der Schuld im Wege der Schätzung (§ 162 Abs. 1 der Abgabenordnung - AO 1977 -) zu ermitteln.

In der Rechtsprechung des BFH ist zwar die Auffassung vertreten worden (vgl. z.B. Urteil vom 18. November 1980 VIII R 194/78, BFHE 132, 522, BStBl II 1981, 510, unter 2 d), daß "gemischte" (d.h. teils betrieblich, teils privat veranlaßte) Bankschulden im Hinblick auf das Aufteilungs- und Abzugsverbot des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG (hierzu BFH-Beschluß vom 19. Oktober 1970 GrS 2/70, BFHE 100, 309, BStBl II 1971, 17) nicht zulässig seien. Würden sich für die "gemischten" Zinsaufwendungen keine objektiven Merkmale finden lassen, die eine zutreffende und leicht nachprüfbare Trennung in betrieblich und privat veranlaßte Aufwendungen ermöglichen, so könnten diese Zinsen nicht aufgeteilt und abgezogen werden (BFH-Urteil vom 13. März 1986 IV R 118/84, BFH/NV 1986, 466).

Diese Rechtsprechung läßt sich jedoch nach Ansicht der Minderheit des Senats nicht mehr halten. Bei grundsätzlicher Anerkennung der bisherigen Rechtsprechung zum Aufteilungs- und Abzugsverbot geht die Minderheit davon aus, daß von dem Verbot in gewissen Fällen Ausnahmen zulässig sind. Solche Ausnahmen wurden bisher schon insbesondere für Kfz-Kosten (Beschluß in BFHE 100, 309, BStBl II 1971, 17), Flugzeugkosten (BFH-Urteil vom 4. August 1977 IV R 157/74, BFHE 123, 158, BStBl II 1978, 93), Telefonkosten (BFH-Urteil vom 21. November 1980 VI R 209/79, BFHE 132, 63, BStBl II 1981, 131) sowie für Kosten einer Hausgehilfin (BFH-Urteil vom 8. November 1979 IV R 66/77, BFHE 129, 134, BStBl II 1980, 117) gemacht. Gemeinsam ist diesen Ausnahmen, daß sie Fälle betreffen, in denen eine getrennte Erfassung der betrieblichen und privat veranlaßten Aufwendungen insofern möglich ist, als die für die Entstehung der Aufwendungen maßgebenden betrieblichen und privaten Anlässe zeitlich nacheinander verwirklicht werden (Offerhaus in Lademann/Söffing/ Brockhoff, Einkommensteuergesetz, § 12 Anm. 26). Um einen Fall dieser Art handelt es sich nach der Minderheitsmeinung auch bei den Zinsaufwendungen für Kontokorrentverbindlichkeiten. Diese Aufwendungen könnten zwar - jedenfalls bei Anwendung entsprechender Berechnungsmethoden (Zinszahlenstaffelmethode) - genau aufgeteilt werden. Die praktischen Schwierigkeiten bei der Anwendung solcher Methoden legen es jedoch nahe, in entsprechenden Fällen eine Abgrenzung zwischen betrieblich und privat veranlaßten Aufwendungen auch im Wege einer Schätzung zuzulassen. Die Finanzverwaltung ist bisher schon hiernach verfahren. Sie hat die Ermittlung der betrieblich und privat veranlaßten Kontokorrentzinsen durch Schätzungen ausdrücklich zugelassen (Oberfinanzdirektion - OFD - Köln, Verfügung vom 9. Januar 1986 S 2144 - 26 - St 113, FR 1986, 149). Auch die Rechtsprechung des BFH hat dem praktischen Bedürfnis nach Aufteilung durch Schätzung in gewissen Fällen Rechnung getragen (so der vorlegende Senat in seinem Urteil in BFHE 134, 57, BStBl II 1983, 723; ebenso der IX. Senat in seinem Urteil vom 10. Juni 1986 IX R 11/86, BFHE 147, 318, BStBl II 1986, 894; zum Meinungsstand vgl. Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 7. Aufl., § 12 Anm. 8 "Zinsen").

C. Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage

Die dem Großen Senat vorgelegte Rechtsfrage ist für den Erlaß des vom erkennenden Senat in Aussicht genommenen Urteils entscheidungserheblich. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

Vertritt man die Auffassung, daß eine Kontokorrentverbindlichkeit durch betrieblich und privat veranlaßte Überweisungs- und Auszahlungsvorgänge entstanden ist, bei Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG in vollem Umfang Betriebsschuld ist, so wäre die Revision begründet. Denn das FG hat den Abzug von Kontokorrentzinsen nur insoweit zugelassen, als sie auf den betrieblichen Teil der Kontokorrentschuld entfallen.

Folgt man dagegen der Auffassung, daß die Kontokorrentverbindlichkeit in einen betrieblichen und einen privaten Teil aufzuteilen ist, so wäre die Revision unbegründet. Denn das FG hat die Kontokorrentverbindlichkeiten des Klägers in betrieblich und privat veranlaßte Teile im Wege der Schätzung aufgeteilt. An diese zu den tatsächlichen Feststellungen des FG gehörenden Schätzungen wäre der BFH als Revisionsinstanz gemäß § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gebunden, wenn sie keinen Rechtsirrtum enthalten, nicht gegen anerkannte Schätzungsgrundsätze, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen und nicht auf einem Verfahrensmangel beruhen (BFH-Urteil vom 15. Januar 1985 IX R 81/83, BFHE 143, 61, BStBl II 1985, 252). Mängel dieser Art sind im Streitfall nicht gerügt worden und auch sonst nicht erkennbar.

Würde dagegen die Auffassung des I. Senats zutreffen, daß bei einem Kontokorrentkredit - ebenso wie in anderen Kreditfällen - die Zinsaufwendungen nur insoweit abziehbar sind, als sie auf betrieblich veranlaßte Kreditvorgänge entfallen, müßte ebenfalls eine Aufteilung in betrieblich und privat veranlaßte Kreditzinsen stattfinden. In diesem Fall müßte allerdings weiter geprüft werden, ob nicht eine Umwandlung des privat veranlaßten Teils der Kontokorrentschuld in eine Betriebsschuld in dem Sinne stattgefunden hat, wie sie der I. Senat (BFHE 143, 563, BStBl II 1985, 510; BFHE 144, 57, BStBl II 1985, 619) für richtig erachtet; es bedürfte dann noch weiterer Sachverhaltsaufklärung. Dies müßte zur Aufhebung und Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG führen.

D. Rechtsgrundlage der Vorlage

1. Der Senat ist der Auffassung, daß die vorgelegte Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat. Die unterschiedlichen Auffassungen einzelner Senate des BFH zu dieser Frage, die Vielzahl kritischer Veröffentlichungen zu der bisherigen Rechtsprechung des BFH und deren teilweise Ablehnung durch den BMF (Schreiben vom 27. Juli 1987 IV B 2 - S 2134 - 1/87, BStBl I 1987, 508) machen eine Entscheidung des Großen Senats erforderlich (§ 11 Abs. 4 FGO).

2. Darüber hinaus weicht der Senat sowohl mit seiner Mehrheits- als auch mit seiner Minderheitsmeinung von den Urteilen in BFHE 143, 563, BStBl II 1985, 510, und in BFHE 144, 57, BStBl II 1985, 619, sowie von dem Urteil vom 13. Dezember 1984 VIII R 258/80 (BFH/NV 1985, 24) ab.

Auf Anfrage des vorlegenden Senats, ob der I. Senat der auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des IV. Senats weiterentwickelten Rechtsauffassung zustimme, hat der I. Senat erklärt, er halte angesichts der Kritik in der Öffentlichkeit an der auseinanderfallenden Rechtsprechung des BFH zur steuerrechtlichen Behandlung von Kontokorrentzinsen eine Klärung durch den Großen Senat für wünschenswert; er stimme der Abweichung deshalb nicht zu. Der VIII. Senat des BFH hat sich dieser Auffassung angeschlossen und der Abweichung ebenfalls nicht zugestimmt.