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BFH-Urteil vom 13.10.1988 (IV R 220/85) BStBl. 1989 II S. 39

Der Abschluß privater Differenzgeschäfte über Devisen oder Edelmetalle führt mit großer Wahrscheinlichkeit nicht zu einer gewerblichen Betätigung eines sonst nichtselbständig tätigen Steuerpflichtigen; allein im Hinblick auf diese Möglichkeit kann die Aussetzung der Vollziehung daher nicht von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden.

AO 1977 § 361 Abs. 2 Satz 3; FGO § 69 Abs. 3; EStG § 15 Abs. 2, § 22 Nrn. 2 und 3, § 23; GewStDV § 1.

Vorinstanz: FG Köln

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute; sie sind gemeinsam zur Einkommensteuer 1973 veranlagt worden. Der klagende Ehemann (Kläger) war Direktor eines Bankhauses. Er war Leiter der Auslandsabteilung; ihm unterstand auch der Devisenhandel. Der Kläger tätigte mit dem Bankhaus Termingeschäfte über Devisen und Edelmetalle. Er erzielte hieraus im Streitjahr einen Gewinn von 4,8 Mio. DM. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) sah darin einen Spekulationsgewinn i. S. von § 22 Nr. 2, § 23 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und setzte die Einkommensteuer entsprechend fest. Gegenüber dem Einkommensteuerbescheid machten die Kläger mit dem Einspruch geltend, die Termingeschäfte seien als reine Differenzgeschäfte nicht steuerpflichtig. Über den Einspruch ist noch nicht entschieden.

In der Folge setzte das FA die Vollziehung des Steuerbescheides im Streitpunkt aus (1977) oder hob sie nachträglich auf (1979); dies wurde jeweils von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht. Die Kläger erstreben die uneingeschränkte Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung. Die Sache befindet sich im zweiten Rechtsgang.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage zunächst statt, weil die Einnahmen aus den Termingeschäften mit großer Wahrscheinlichkeit steuerfrei seien und der Einspruch deshalb erfolgreich sein werde. Auf die Revision des FA entschied der Bundesfinanzhof (BFH), daß die Einnahmen nicht zu Einkünften aus Spekulationsgeschäften oder Einkünften aus Leistungen i. S. des § 22 Nr. 3 EStG geführt hätten. Das FG habe jedoch nicht geprüft, ob der Kläger aus seinen Aktivitäten Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt habe. Aus diesem Grund verwies der BFH die Sache an das FG zurück (Urteil vom 6. Dezember 1983 VIII R 172/83, BFHE 140, 82, BStBl II 1984, 132). Im zweiten Rechtsgang kam das FG aufgrund zusätzlicher tatsächlicher Feststellungen zu dem Ergebnis, daß eine gewerbliche Betätigung des Klägers nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden könne; es wies die Klage deshalb nunmehr ab.

Hiergegen richtet sich die Revision der Kläger, mit der sie die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügen. Durch Änderung des Geschäftsverteilungsplans ist die Sache auf den erkennenden Senat übergegangen.

Entscheidungsgründe

Auf die Revision muß das angefochtene Urteil aufgehoben und der Klage stattgegeben werden.

1. Entsprechend § 361 Abs. 2 Satz 3 der Abgabenordnung (AO 1977) konnte das FA die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung grundsätzlich von einer Sicherheitsleistung abhängig machen, wenn die Realisierung des Steueranspruchs bei einem Mißerfolg des Rechtsbehelfs in der Hauptsache gefährdet erschien. Nach der BFH-Entscheidung vom 22. Dezember 1969 V B 115-116/69 (BFHE 97, 240, BStBl II 1970, 127) entfällt jedoch das öffentliche Interesse an der Sicherheitsleistung, wenn mit Gewißheit oder großer Wahrscheinlichkeit in der Hauptsache ein günstiger Prozeßausgang für den Steuerpflichtigen zu erwarten ist. Dieser in einem Aussetzungsverfahren gemäß § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ausgesprochene Rechtsgrundsatz gilt auch für die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung durch die Finanzbehörde; sie kann nicht von einer Sicherheit abhängig gemacht werden, wenn im Einspruchsverfahren die genannten Erfolgsaussichten bestehen.

2. Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG ist davon auszugehen, daß die zwischen dem Kläger und der Bank abgeschlossenen Termingeschäfte nicht effektiv durch den Austausch von Währungen am Termintage zum vereinbarten Kurs abgewickelt werden sollten, sondern daß nur die Differenz zwischen dem Terminkurs und dem Kassakurs gezahlt werden sollte. Dafür spricht, daß die Geschäfte den Kauf und Verkauf hoher Fremdwährungsbeträge zum Gegenstand hatten, die der Kläger weder beschaffen noch verwenden konnte. Tatsächlich ist zwischen dem Kläger und der Bank stets nur die Differenz zwischen Termin- und Kassakurs abgerechnet worden. Gleiches gilt für die vereinbarten Termingeschäfte über Edelmetalle.

Solche Differenzgeschäfte führen nach der Auffassung des VIII. Senats des BFH weder zu Einkünften aus Spekulationsgeschäften nach § 22 Nr. 2, § 23 EStG noch aus sonstigen Leistungen gemäß § 22 Nr. 3 EStG (Urteil vom 8. Dezember 1981 VIII R 125/79, BFHE 135, 426, BStBl II 1982, 618); der IX. Senat des BFH hat sich dieser Beurteilung angeschlossen (Urteil vom 25. August 1987 IX R 65/86, BFHE 151, 132, BStBl II 1988, 248). Der VIII. Senat hat diese Auffassung auch im ersten Rechtsgang in seinem zurückverweisenden Urteil (BFHE 140, 82, BStBl II 1984, 132) vertreten. An diese Rechtsauffassung war das FG bei seiner erneuten Entscheidung gebunden (§ 126 Abs. 5 FGO); die Bindung besteht im zweiten Rechtsgang auch für den BFH, selbst wenn nunmehr ein anderer Senat mit dem Streitfall befaßt ist (vgl. Urteil vom 19. November 1970 IV 150/65, BFHE 101, 36, BStBl II 1971, 209). Der erkennende Senat hat demgemäß nur noch zu beurteilen, ob im Verhalten des Klägers eine gewerbliche Tätigkeit gesehen werden kann und seine Einnahmen damit Gewinn aus einem Gewerbebetrieb darstellen. Dies ist aber nach der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Betrachtung mit großer Wahrscheinlichkeit nicht der Fall.

3. Als gewerbliche Tätigkeit ist eine selbständige, nachhaltige, in Gewinnerzielungsabsicht unternommene Tätigkeit anzusehen, die sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt und weder der Land- und Forstwirtschaft noch der selbständigen Arbeit zuzurechnen ist (§ 1 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung - GewStDV -, § 15 Abs. 2 EStG i. d. F. des Steuerentlastungsgesetzes 1984). Während für das Vorliegen einer selbständigen, nachhaltigen und in Gewinnerzielungsabsicht unternommenen Tätigkeit hinreichende Anhaltspunkte bestehen, läßt sich dies nicht mit der gebotenen Wahrscheinlichkeit für das Merkmal der Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr sagen.

a) Von einer Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr ist zu sprechen, wenn eine Tätigkeit am Markt gegen Entgelt und für Dritte äußerlich erkennbar angeboten wird (BFH-Urteil vom 9. Juli 1986 I R 85/83, BFHE 147, 245, BStBl II 1986, 851, m. w. N.). Durch dieses Merkmal werden solche Tätigkeiten ausgeklammert, die von Gewinnabsicht getragen, aber nicht auf einen Leistungs- oder Güteraustausch gerichtet sind (BFH a.a.O.; Schmidt, Einkommensteuergesetz, 6. Aufl., § 15 Anm. 7).

Wenn ein Differenzgeschäft weder einen Anschaffungs- oder Veräußerungsvorgang noch eine sonstige Leistung beinhaltet, bleibt für die Annahme wenig Raum, durch den Abschluß eines solchen Geschäfts mit einer Bank werde dieser eine Tätigkeit gegen Entgelt angeboten. So wird auch im Umsatzsteuerrecht angenommen, daß bei der Durchführung von Differenzgeschäften ein Leistungsaustausch nicht stattfindet, den Teilnehmern vielmehr zu Spieleinnahmen verholfen wird (Verfügung der Oberfinanzdirektion Hamburg vom 4. Dezember 1974 S 7100-43/74 - St 25, Steuererlasse in Karteiform - StEK -, Umsatzsteuergesetz 1967, § 1 Nr. 227; Besprechung der Umsatzsteuer-Referenten der Länder I/1977 vom 10. bis 12. Januar 1977 - S 7100 -, StEK, Umsatzsteuergesetz 1967, § 1 Nr. 260; eingehend Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, Umsatzsteuergesetz - Mehrwertsteuer -, Kommentar, § 1 Anm. 307 - Warentermingeschäfte -; ähnlich BFH-Urteil vom 28. November 1985 V R 169/82, BFHE 145, 253, BStBl II 1986, 160, hinsichtlich der Ausgabe von Privatoptionen).

b) Die tatsächlichen Feststellungen des FG im zweiten Rechtsgang machen ein gegenteiliges Ergebnis nicht wahrscheinlich. Sie enthalten insbesondere keine Anzeichen dafür, daß die Bank die Termingeschäfte für Rechnung des Klägers am Devisenmarkt abgeschlossen hat, indem sie für ihn Fremdwährungen per Termin kaufte oder verkaufte und am Termintage die Währungsbeträge am Kassamarkt veräußerte oder beschaffte. Ob und in welcher Weise sich die Bank gegen das Kursrisiko aus den mit dem Kläger geschlossenen Geschäften durch Gegengeschäfte sicherte, ist nicht bekannt, bedarf jedoch keiner Aufklärung; denn dabei hätte es sich um Maßnahmen gehandelt, die die Bank im eigenen Interesse, nicht aber für Rechnung des Klägers unternahm.

Nach den Feststellungen des FG hat der Kläger allerdings Differenzgeschäfte in erheblichem Umfang abgeschlossen, sich dabei eigene berufliche Kenntnisse zunutze gemacht und die Einrichtungen der Bank für den Devisenhandel in Anspruch genommen. Auch hieraus wird sich aber die Erbringung einer Marktleistung durch den Kläger nicht folgern lassen. Differenzgeschäfte mit einer Bank mögen im Rahmen einer ohnehin gewerblichen Betätigung Bestandteil eines Gewerbebetriebs sein können; sie erscheinen aber nicht dafür tauglich, einen Gewerbebetrieb überhaupt erst zu begründen. Hiervon ist ersichtlich auch der IX. Senat in BFHE 151, 132, BStBl II 1988, 248 ausgegangen; er hat die Möglichkeit gewerblicher Einkünfte nicht in Erwägung gezogen.

c) Danach bedarf es keiner Überlegungen, ob der Abschluß der Differenzgeschäfte als ihrer Art nach gewerbliche Tätigkeit noch als private Vermögensverwaltung angesehen werden kann.