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BFH-Beschluß vom 13.9.1988 (VII B 64/88) BStBl. 1989 II S. 45

Zur Frage der Statthaftigkeit der Beschwerde gegen die Nichtbescheidung eines Antrags auf Prozeßkostenhilfe durch das FG.

FGO §§ 128 Abs. 1, 142 Abs. 1; ZPO § 127 Abs. 2.

Sachverhalt

Die Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) klagen vor dem Finanzgericht (FG) gegen das Finanzamt (FA) auf Erstattung von Lohnsteuer aus einem zu ihren Gunsten wegen Unterhaltsansprüchen gegen den Erstattungsberechtigten ergangenen Pfändungs- und Überweisungsbeschluß. Sie beantragten mit der Klageschrift vom 29. Januar 1987 - beim FG eingegangen am 2. Februar 1987 -, ihnen Prozeßkostenhilfe (PKH) zu gewähren und ihnen die Prozeßbevollmächtigten als Vertreter beizuordnen. Das FG hat über die Klage und über den Antrag auf PKH noch nicht entschieden.

Mit Schriftsatz vom 16. März 1988 - eingegangen am 18. März 1988 - legten die Antragsteller beim FG wegen der ausstehenden Entscheidung über die PKH Beschwerde ein. Sie machen geltend, über ihren PKH-Antrag müsse beschleunigt entschieden werden. Es sei verfahrenswidrig, daß das FG Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung (Verfügung vom 2. September 1987) im Hinblick auf die Hauptsache treffe, obwohl über das PKH-Gesuch noch nicht entschieden sei. Dadurch könnten ihnen Nachteile entstehen, weil die hinreichende Erfolgsaussicht später anders beurteilt werden könnte als jetzt. Die Nichtbescheidung des PKH-Antrages sei unter diesen Voraussetzungen gleichbedeutend mit seiner Ablehnung, so daß die Beschwerde statthaft sei.

Das FA beantragt, die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Es meint, die Beschwerde sei unzulässig, weil eine beschwerdefähige Entscheidung des FG noch nicht ergangen sei. Durch schlüssiges Verhalten könne über den Antrag auf PKH nicht entschieden werden.

Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen. Es hat ausgeführt, nach seiner Auffassung sei über den Antrag auf PKH noch nicht entschieden worden. Die Hauptsache stehe turnusmäßig im Jahre 1990 zur Entscheidung an. Über den PKH-Antrag werde noch im Jahre 1988 entschieden.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unzulässig.

1. Nach § 142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 127 Abs. 2 Satz 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO) findet gegen ablehnende Entscheidungen über die PKH die Beschwerde statt, es sei denn, daß das Berufungsgericht die Entscheidung getroffen hat. Die Beschwerde setzt also auch in PKH-Sachen eine dem Antragsteller nachteilige gerichtliche Entscheidung voraus. Für das finanzgerichtliche Verfahren ergibt sich dies insbesondere aus § 128 Abs. 1 FGO, wonach den Beteiligten die Beschwerde an den Bundesfinanzhof (BFH) gegen Entscheidungen des FG, die nicht Urteile oder Vorbescheide sind, und gegen Entscheidungen des Vorsitzenden dieses Gerichts zusteht, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist. An einer derartigen Entscheidung fehlt es im Streitfall.

Die Beschwerde der Antragsteller ist nicht statthaft, weil das FG über ihren Antrag auf PKH und Beiordnung der Rechtsanwälte noch nicht entschieden hat. Das Gericht entscheidet über die Bewilligung oder Versagung von PKH durch Beschluß (vgl. § 127 Abs. 1 Satz 1 ZPO; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 12. Aufl., § 142 FGO Tz. 92). Ein solcher Beschluß des FG ist noch nicht ergangen. Das FG hat vielmehr in seinem Nichtabhilfebeschluß zur vorliegenden Beschwerde ausgeführt, daß aus seiner Sicht eine Entscheidung über den Antrag auf PKH noch nicht erfolgt sei, und diese Entscheidung bis zum Ablauf des laufenden Jahres in Aussicht gestellt.

Die Statthaftigkeit der Beschwerde läßt sich entgegen der Ansicht der Antragsteller auch nicht daraus herleiten, daß diese bereits in ihrer Klageschrift vom 29. Januar 1987 um PKH nachgesucht haben und die Entscheidung des FG über den Antrag seit dieser Zeit aussteht. Allein der Zeitablauf seit der Einreichung des PKH-Antrags und eine lang dauernde Untätigkeit des FG machen die Beschwerde nicht zulässig (vgl. Oberverwaltungsgericht - OVG - Bremen, Beschluß vom 10. Oktober 1983 2 B 96/83, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1984, 992; OVG Münster, Beschluß vom 30. Januar 1985 8 B 159/85, Kostenrechtsprechung ZPO, § 127 Nr. 62). Die FGO sieht im finanzgerichtlichen Verfahren für den Fall der Verzögerung der begehrten Entscheidung durch das FG keine Untätigkeitsbeschwerde vor (BFH-Beschluß vom 31. Januar 1967 IV B 30/66, BFHE 88, 108, BStBl II 1967, 292; Tipke/Kruse, a.a.O., § 128 FGO Tz. 8). Der Senat ist bereits in seinem Beschluß vom 7. August 1984 VII B 27/84 (BFHE 141, 494, BStBl II 1984, 838) davon ausgegangen, daß die Einlegung der Beschwerde vor der gerichtlichen Entscheidung über den PKH-Antrag auch dann nicht möglich ist, wenn das FG diese Entscheidung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Hauptsache hinauszögert. Er hat für diesen Fall, um den Rechtsschutz des Antragstellers zu gewährleisten, die erst nach Beendigung der Instanz gegen die Versagung der PKH eingelegte Beschwerde mit der Begründung für zulässig erklärt, daß dem Antragsteller eine vorherige Beschwerde nicht möglich war.

2. In der Rechtsprechung der Zivilgerichte und im zivilprozessualen Schrifttum wird indes die Auffassung vertreten, daß eine vorwerfbare unangemessene Verzögerung der Entscheidung über die PKH einer Ablehnung des Antrags gleichkomme und dagegen die Beschwerde nach den §§ 127 Abs. 2, 567 ZPO gegeben sei (vgl. Zöller/Schneider, Zivilprozeßordnung, 15. Aufl., § 119 Rdnr. 20 a.E., m.w.N.; Baumbach/Lauterbach/Albers/ Hartmann, Zivilprozeßordnung, 46. Aufl., § 118 Anm. 1 B und § 127 Anm. 7 B a); Schneider, Der Deutsche Rechtspfleger 1985, 430, 433; Landesarbeitsgericht - LAG - Berlin, Beschluß vom 28. November 1983 9 Ta 14/83, Monatsschrift für Deutsches Recht - MDR - 1984, 258; Oberlandesgericht -OLG- Celle, Beschluß vom 5. März 1985 2 W 16/85, MDR 1985, 591, 592; anderer Ansicht OVG Bremen in NJW 1984, 992). Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob er dem auch für das finanzgerichtliche Verfahren folgen würde. Denn im Streitfall ist dadurch, daß das FG über den PKH-Antrag der Antragsteller bislang noch nicht entschieden hat, deren Rechtsschutz nicht in einer verfassungsrechtlich unzulässigen Weise, die einer Rechtsschutzverweigerung gleichkommt, erschwert worden. Die Voraussetzungen, unter denen nach der vorstehend zitierten Auffassung die Beschwerde auch ohne vorangegangene förmliche gerichtliche Entscheidung ausnahmsweise statthaft sein soll, liegen somit nicht vor.

Zwar soll ein PKH-Gesuch im allgemeinen beschleunigt verbeschieden werden. Dem mit dem Gesuch befaßten Richter ist jedoch grundsätzlich keine starre Frist gesetzt, sondern ein gewisser Spielraum dafür eröffnet, inwieweit er durch umfassende Anhörung der Beteiligten eine Klärung der Tatsachen- und Rechtslage vor der Entscheidung über den Antrag auf PKH anstrebt. Allerdings darf nicht in einer für den Antragsteller und dessen Anwalt unzumutbaren Weise der Prozeß praktisch im PKH-Verfahren ausgetragen werden (Bundesgerichtshof - BGH -, Urteil vom 5. Oktober 1959 III ZR 111/58, NJW 1960, 98). Als vorwerfbare unzulässige Verzögerung der Entscheidung über die PKH, gegen die die Beschwerde gegeben sein soll, werden demgemäß in Rechtsprechung und Schrifttum die Fälle genannt, in denen Beweiserhebungen und Verhandlungen zur Hauptsache durchgeführt werden, obwohl die Entscheidung über den PKH-Antrag noch aussteht, d.h. also Verfahrenshandlungen durchgeführt werden, die mit weiteren Gebührenfolgen (vgl. § 31 der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte - BRAGO -) verbunden sind (vgl. Zöller/Schneider, a.a.O., § 119 Rdnr. 20; LAG Berlin, MDR 1984, 258; OLG Celle, MDR 1985, 592). Ein derartiger Sachverhalt ist im Streitfall nicht gegeben.

Das FG hat ausweislich der vorliegenden Akten noch nicht zur Hauptsache verhandelt und auch keine Beweisaufnahme durchgeführt. Es entspricht dem Regelfall im finanzgerichtlichen Verfahren, daß die Entscheidung zur Hauptsache aufgrund einer einzigen mündlichen Verhandlung ergeht. Mit dieser Verhandlung ist nach den Ausführungen des FG im Beschluß über die Nichtabhilfe der vorliegende Beschwerde erst im Jahre 1990 zu rechnen, während die Entscheidung über den PKH-Antrag noch für das Jahr 1988 in Aussicht gestellt worden ist. Mit der in der Beschwerde angeführten Verfügung des FG vom 2. September 1987 ist den Antragstellern lediglich eine Gegenäußerung zu einem Schriftsatz des FA anheimgestellt worden. Diese gerichtliche Maßnahme, die keinerlei eigenständige Gebührenfolgen auslöst, betrifft nicht nur das Hauptsacheverfahren, sondern ist wegen der nach den §§ 142 Abs. 1 FGO, 114 ZPO erforderlichen Erfolgsaussicht auch für die Entscheidung über den Antrag auf PKH von Bedeutung. Inwieweit durch den von den Antragstellern beanstandeten Schriftsatzaustausch diesen im Hinblick auf ihren PKH-Antrag dadurch Nachteile entstehen können, daß die hinreichende Erfolgsaussicht später anders beurteilt werden könnte als zuvor, ist mit der Beschwerde nicht dargelegt worden und auch nicht ersichtlich. Eine außerordentliche Beschwerde gegen die Untätigkeit des Gerichts entsprechend § 567 ZPO ist aber allenfalls dann zulässig, wenn mit dem tatsächlichen Stillstand des Verfahrens ein willkürliches Verhalten des angegangenen Gerichts und damit eine Versagung des Rechtsschutzes aufgezeigt ist (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluß vom 29. September 1983 15 W 56/83, NJW 1984, 985). Diesen Anforderungen an die Substantiierung und Plausibilität genügt der Beschwerdevortrag der Antragsteller nicht. Der Senat weist im übrigen darauf hin, daß die PKH rückwirkend und sogar noch nach Abschluß des Verfahrens bewilligt werden kann, wenn der Bewilligungsantrag mit den erforderlichen Unterlagen zu Beginn des Verfahrens gestellt, aber infolge Verzögerung durch das angerufene Gericht erst viel später verbeschieden worden ist (vgl. Beschluß des Senats in BFHE 141, 494, 496, BStBl II 1984, 838, m.w.N.).