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BFH-Urteil vom 14.9.1988 (II R 116/85) BStBl. 1989 II S. 52

Ein sogenannter atypischer Maklervertrag kann auch dann nach § 1 Abs. 2 GrEStG der Steuer unterliegen, wenn der Grundstückseigentümer dem Makler keine Verkaufsvollmacht erteilt und sich auch nicht verpflichtet hat, die (von dem Makler) vermittelten Kaufverträge abzuschließen; es genügt, daß der Grundstückseigentümer einem Dritten (notariell beurkundete) Verkaufsvollmacht erteilt hat und diese ohne Verletzung seiner Pflichten aus dem Maklervertrag nicht widerrufen kann (Anschluß an die BFH-Urteile vom 2. Juli 1975 II R 49/74, BFHE 116, 413, BStBl II 1975, 863, und vom 10. November 1976 II R 95/71, BFHE 120, 412, BStBl II 1977, 166).

GrEStG § 1 Abs. 2.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg

Sachverhalt

I.

Streitig ist, ob ein dem Kläger erteilter Auftrag zum Nachweis oder zur Vermittlung von Kaufinteressenten für ein Grundstück den Tatbestand des § 1 Abs. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes Baden-Württemberg (GrEStG) erfüllt.

Eigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstückes waren die Eheleute J als Miteigentümer je zur Hälfte.

Am 23. Mai 1979 erteilte der Ehemann J dem Kläger schriftlich den unwiderruflichen Alleinauftrag, Kaufinteressenten für das Grundstück "zum derzeitigen Verkehrswert von DM 750.000" nachzuweisen oder zu vermitteln. Der Auftrag war bis zum 1. September 1979 befristet; er verlängerte sich jeweils um drei Monate, sofern nicht einen Monat vor Ablauf der Frist gekündigt wurde. Der Auftraggeber (Ehemann J) verpflichtete sich, in der Zeit bis zum 1. September 1979 alle Interessenten an den Kläger zu verweisen und den Verkauf des Grundstückes nur durch den Kläger abzuwickeln. Als Provision sollte der Kläger den über 750.000 DM hinausgehenden Teil des erzielten Kaufpreises erhalten.

Am 28. Mai 1979 "erklärten" die Eheleute J und der Kläger in notariell beurkundeter Form u.a.:

Sie (die Eheleute J) hätten durch Maklervertrag vom 23. Mai 1979 den Kläger beauftragt, das vorgenannte Grundstück samt dem darauf befindlichen Zehnfamilienhaus für 750.000 DM zu verkaufen. Das Haus solle in Eigentumswohnungen aufgeteilt werden. Zwei (namentlich genannten) Notariatsangestellten werde über den Tod der Eheleute J hinausreichende Vollmacht erteilt, alle erforderlichen Erklärungen zur Bildung des Wohnungseigentums abzugeben, die Wohnungseinheiten an Dritte zu veräußern sowie alle zur Durchführung der abzuschließenden Kaufverträge notwendigen Erklärungen und Anträge gegenüber dem Grundbuchamt abzugeben und für die entsprechende Umschreibung des Eigentums auf die jeweiligen Erwerber zu sorgen.

Der Kläger verpflichte sich, diejenigen Eigentumswohnungen, die bis zum 1. September 1979 noch nicht verkauft seien, bis spätestens 1. Oktober 1979 selbst zu übernehmen und als Kaufpreis den dann noch fehlenden Differenzbetrag bis 750.000 DM zu bezahlen. Der Notar werde beauftragt, die 750.000 DM an die Eheleute J zu überweisen. Der Kläger könne außerdem von den Käufern der Eigentumswohnungen 3 % Provision zuzüglich 12 % Mehrwertsteuer fordern.

In der folgenden Zeit wurde das Grundstück nach den Vorschriften des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) in zehn Eigentumswohnungen aufgeteilt. Neun Eigentumswohnungen (Miteigentumsanteile von insgesamt 900/1000) wurden durch Vermittlung des Klägers für insgesamt 737.415 DM an verschiedene Erwerber verkauft. Die verbliebene eine Eigentumswohnung (einen Miteigentumsanteil von 100/1000) erwarb der Kläger selbst.

Nach Ansicht des Finanzamts (FA) hatten es die genannten Rechtsvorgänge dem Kläger i.S. des § 1 Abs. 2 GrEStG ermöglicht, das Grundstück der Eheleute J auf eigene Rechnung zu verwerten. Mit Bescheid vom 7. Februar 1980 setzte es gegen den Kläger 47.250 DM Grunderwerbsteuer fest, berechnet nach einer Gegenleistung von 675.000 DM.

Nach erfolglosem Einspruch hob das Finanzgericht (FG) den Steuerbescheid auf.

Durch den Maklervertrag vom 23. Mai 1979 habe der Kläger weder die Möglichkeit noch die Befugnis erhalten, das Grundstück der Eheleute J auf eigene Rechnung zu verwerten. Da ihm keine Verkaufsvollmacht erteilt worden sei, habe er die zur Übertragung des Grundstückes erforderlichen notariellen Erklärungen nicht abgeben können. Den Notariatsangestellten, welche die Verkaufsvollmacht hatten, habe er keine Weisungen erteilen können. Außerdem habe er nicht alle mit dem Verkauf des Grundstückes verbundenen Risiken übernommen. Es sei nicht vereinbart worden, was zu geschehen habe, wenn der Käufer einer Eigentumswohnung seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkam und die Verkäufer aus diesem Grunde vom Kaufvertrag zurücktraten. Des weiteren fehle eine Regelung für den Fall, daß sich zwar für alle Eigentumswohnungen Kaufinteressenten fanden, die Summe der Kaufangebote den Betrag von 750.000 DM aber nicht erreichte. In beiden Fällen sei das wirtschaftliche Risiko mangels anderweitiger Vereinbarungen bei den Eheleuten J geblieben.

Mit der Revision beantragt das FA, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage.

1. Der Maklerauftrag und die notariell beurkundeten Erklärungen der Eheleute J und des Klägers vom 28. Mai 1979 hatten es dem Kläger i.S. des § 1 Abs. 2 GrEStG ermöglicht, das Grundstück der Eheleute J auf eigene Rechnung zu verwerten.

a) Der Maklerauftrag war auch von der Ehefrau J erteilt worden. Zwar wurde er am 23. Mai 1979 nur von dem Ehemann J erteilt und unterschrieben. In der notariell beurkundeten Erklärung vom 28. Mai 1979 bestätigten dagegen die Eheleute J, sie hätten am 23. Mai 1979 diesen "Maklervertrag" mit dem Kläger abgeschlossen. Auf den Inhalt dieses Maklervertrages werde Bezug genommen. Er habe nach wie vor Gültigkeit. Damit hatte die Ehefrau J zumindest nachträglich am 28. Mai 1979 dem Kläger einen Maklerauftrag erteilt, der denselben Inhalt hatte wie der vom Ehemann J am 23. Mai 1979 gegebene Auftrag.

Ob der Maklerauftrag gemäß § 313 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) hätte notariell beurkundet werden müssen, kann mit Rücksicht auf § 41 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) offenbleiben (vgl. das Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 10. November 1976 II R 95/71, BFHE 120, 412, BStBl II 1977, 166).

b) Die "Möglichkeit" zur Verwertung des Grundstückes i.S. des § 1 Abs. 2 GrEStG setzt eine Rechtsmacht voraus, die schwächer ist als diejenige des unbeschränkten Eigentümers (BFH-Urteil vom 12. Dezember 1973 II R 29/69, BFHE 111, 360, BStBl II 1974, 251, unter I. 4. der Gründe). Diese Rechtsmacht hatte der Kläger. Er war beauftragt, die Grundstückskäufer zu vermitteln und insbesondere auch einen Kaufpreis zu benennen. Der Abschluß der Kaufverträge zu dem betreffenden Kaufpreis war sichergestellt, und zwar durch die Vollmacht der Eheleute J für die Notariatsangestellten zum Abschluß der Kaufverträge in Verbindung mit den vertraglichen Vereinbarungen.

Nach diesen Vereinbarungen mußte der Kläger bis zum 1. Oktober 1979 in jedem Falle 750.000 DM zahlen. Dieser Zahlungspflicht des Klägers stand die Verpflichtung der Eheleute J gegenüber, bei den Verkaufsbemühungen des Klägers mitzuwirken und diese nicht zu behindern. Deshalb konnten sie nicht nach Belieben die bevollmächtigten Notariatsangestellten anweisen, den einen oder anderen Kaufvertrag über eine Eigentumswohnung abzuschließen oder nicht. Sie mußten vielmehr, wollten sie nicht ihre Vertragspflichten verletzen, den Abschluß von Kaufverträgen billigen. Daß sie Kaufverträge mit unsicheren Käufern nicht hinzunehmen brauchten, kann hier außer Betracht bleiben. Denn an solchen Verträgen konnte der Kläger selbst nicht interessiert sein.

Damit war der Kläger schuldrechtlich dahin abgesichert, daß die von ihm beabsichtigten Kaufverträge über Eigentumswohnungen durch die bevollmächtigten Notariatsangestellten abgeschlossen wurden. Diese schuldrechtliche Absicherung reichte für die Erfüllung des Tatbestandes des § 1 Abs. 2 GrEStG aus. Denn hierfür genügt jeder Rechtsvorgang oder Komplex von Rechtsvorgängen (BFH-Beschluß vom 3. Dezember 1968 II B 39/68, BFHE 94, 352, BStBl II 1969, 170). Dazu gehören auch schuldrechtliche Bindungen (BFHE 111, 360). Eine Befugnis des Klägers zur (dinglichen) Verfügung über das Grundstückseigentum bzw. die Eigentumswohnung in Form einer Vollmacht auch zur Auflassung und Abgabe der erforderlichen Erklärungen und Anträge gegenüber dem Grundbuchamt war entgegen der Auffassung des FG nicht erforderlich. Denn auch eine solche Vollmacht könnte keine "absolute" Rechtsmacht schaffen. Sie schützte nicht davor, daß der Vollmachtgeber das Grundstück selbst verkauft, aufläßt und mit seinem Eintragungsantrag beim Grundbuchamt einem gleichartigen Antrag des Bevollmächtigten zuvorkommt (§ 17 der Grundbuchordnung - GBO -). Der Bevollmächtigte wäre dann auf Schadensersatzansprüche angewiesen. Deshalb muß auch im vorliegenden Fall außer Betracht bleiben, daß die Eheleute J trotz allem den Abschluß der Kaufverträge über die Eigentumswohnungen hätten verhindern und damit die notariell beurkundeten vertraglichen Vereinbarungen vom 28. Mai 1979 hätten brechen können (BFH-Urteil vom 2. Juli 1975 II R 49/74, BFHE 116, 413, BStBl II 1975, 863).

2. Der Kläger konnte das Grundstück auf eigene Rechnung verwerten. Denn es war vereinbart, daß er einen Mehrerlös für sich behalten durfte.

Das FG bemängelt, der Kläger habe nicht alle mit dem Verkauf des Grundstücks verbundenen Risiken übernommen. Es sei nicht vereinbart worden, was zu geschehen habe, wenn der Käufer einer Eigentumswohnung seiner Zahlungsverpflichtung nicht nachkam und die Verkäufer aus diesem Grunde vom Kaufvertrag zurücktraten. Außerdem fehle eine Regelung für den Fall, daß sich zwar für alle Eigentumswohnungen Kaufinteressenten fanden, die Summe der Kaufgebote den Betrag von 750.000 DM aber nicht erreichte. In beiden Fällen sei das wirtschaftliche Risiko mangels anderweitiger Vereinbarungen bei den Eheleuten J verblieben.

Der Senat läßt offen, ob sich die vom FG genannten Fragen durch Auslegung der vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Eheleuten und dem Kläger klären lassen. Jedenfalls schadete es nicht, wenn den Eheleuten J einzelne Risiken oder Nachteile ihres Eigentums verblieben (BFHE 111, 360). Denn die Rechtsmacht nach § 1 Abs. 2 GrEStG ist - wie ausgeführt - schwächer als das Eigentum an dem Grundstück und schließt daher nicht aus, daß auch der Grundstückseigentümer noch in irgendeiner Weise auf das Grundstück einwirken kann.

Da der Kläger nur neun der zehn Eigentumswohnungen verkauft hat, tritt die Steuerpflicht nach § 1 Abs. 2 GrEStG auch nur hinsichtlich der neun Wohnungen ein. Denn obwohl nach der genannten Vorschrift die Rechtsvorgänge die Verwertung des Grundstückes nur zu "ermöglichen" brauchen, sollen bloße (nicht ausgenutzte) Chancen nicht besteuert werden. Dementsprechend bleibt hier die nicht verwirklichte Chance zum Verkauf der zehnten Eigentumswohnung außer Betracht (vgl. BFHE 120, 412, BStBl. II 1977, 166).

3. Fehler bei der Berechnung der Steuer sind nicht ersichtlich. Der Kläger hat für die Einräumung der Verwertungsmacht an den neun Eigentumswohnungen (insgesamt 900/1000 Miteigentumsanteile) 9/10 von 750.000 DM = 675.000 DM gezahlt. Die Steuer von dieser Gegenleistung (§ 26 Abs. 1 GrEStG) beträgt 47.250 DM.

4. Der Senat entscheidet selbst in der Sache (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG-Urteil ist aufzuheben und die Klage abzuweisen.