| Home | Index | EStG | Neuzugang | Impressum  
       

 

 

 

 

 

 

BFH-Urteil vom 29.10.1987 (VIII R 5/87) BStBl. 1989 II S. 96

Ist der Ehemann Alleinanteilseigner einer GmbH und hat die GmbH von einer Bruchteilsgemeinschaft, an der der Ehemann mit 75 v.H. und die Ehefrau mit 25 v.H. beteiligt ist, Grundbesitz gemietet oder gepachtet, so liegt keine personelle Verflechtung im Sinne der Betriebsaufspaltung vor, wenn die Ehegatten vereinbart haben, daß sie über die Nutzung des ihnen gemeinsam gehörenden Grundbesitzes nur einvernehmlich (einstimmig) entscheiden wollen.

EStG § 15 Abs. 2; GewStG § 2.

Vorinstanz: FG Nürnberg

Sachverhalt

Der inzwischen verstorbene K. M. war bis zum Tode von Frau S im Jahre 1970 mit 75 v.H., von da an mit 100 v.H., an einer GmbH beteiligt. Diese betrieb ihr Unternehmen, ein ... werk, auf einem Grundstück, das zunächst im Eigentum von K. M. (1/6), seiner Ehefrau, der Klägerin und Revisionsklägerin zu 1 - Klägerin zu 1 - (1/6), Frau S (2/6) und den Eheleuten R (2/6) stand.

Die auf dem Grundstück stehenden Gebäude wurden durch Kriegseinwirkung nahezu völlig zerstört. Aus diesem Grunde wurde 1952 der zwischen den Grundstückseigentümern und der GmbH bestehende Mietvertrag geändert. Als monatliche Miete wurden 1.050 DM vereinbart, "da die Vermietung seit der Zerstörung der Betriebsgebäude ... im wesentlichen nurmehr die Grundstücksfläche umfaßt".

Die GmbH aktivierte ihre Aufwendungen (gemeint sind offensichtlich die Aufwendungen zum Wiederaufbau der Gebäude) nicht. Ende 1956 war der Wiederaufbau soweit vollendet, daß die Fabrikations- und Lagerräume wieder voll genutzt werden konnten.

Ende 1967 übertrugen die Eheleute R ihre Grundstücksanteile an K. M. und die Klägerin zu 1. Am 2. Januar 1968 wurde ein neuer Mietvertrag geschlossen. Nach ihm sind Büroräume, ein Lagerraum, zwei Hallenbauten, ein Hinterhaus, ein Vorbau, ein Durchgang, ein Tiefbrunnen und Hofräume vermietet. Als jährliche Nettopacht wurden 21.600 DM vereinbart. Die GmbH mußte sämtliche Kosten und Abgaben tragen.

Nach dem Tode von Frau S gehört das Grundstück K. M. zu 2/3 und der Klägerin zu 1 zu 1/3.

K. M. und die Klägerin zu 1 erklärten in ihren gemeinsamen Steuererklärungen 1972 bis 1974 die Einkünfte der Grundstücksgemeinschaft als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) sah die Einkünfte aufgrund einer 1976 durchgeführten Betriebsprüfung als Einkünfte aus Gewerbebetrieb an (unechte Betriebsaufspaltung) und erließ 1978 erstmals entsprechende Gewerbesteuermeßbescheide für die Streitjahre (1972 bis 1974). Der hiergegen gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage insoweit im ersten Rechtszug ab.

Der erkennende Senat hat mit Urteil vom 12. November 1985 VIII R 240/81 (BFHE 145, 401, BStBl II 1986, 296) das im ersten Rechtszug ergangene FG-Urteil aufgehoben, weil die tatsächlichen Feststellungen des FG nicht ausreichten, um entscheiden zu können, ob die Grundstücksgemeinschaft als gewerbesteuerpflichtiges Besitzunternehmen im Sinne einer Betriebsaufspaltung anzusehen sei.

Das FG wies die Klage im zweiten Rechtszug ab. Zur Begründung führte es aus: Nach dem im ersten Rechtszug ergangenen Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) habe der Senat nur zu prüfen, ob das Stimmrecht des K. M. "in Angelegenheiten, welche die rechtlichen und geschäftlichen Beziehungen zwischen der Grundstücksgemeinschaft und der GmbH betrafen" nach der tatsächlichen Handhabung "ausgeschlossen" gewesen sei. Dies sei nicht der Fall. Das FG sei an die Beurteilung des BFH gebunden, daß "dann die Voraussetzungen einer personellen Verflechtung der Grundstücksgemeinschaft und der GmbH erfüllt" gewesen seien. Das FG sei nicht befugt, eine von der gesetzlichen Regelung über die Gemeinschaft nach Bruchteilen abweichende Vereinbarung zwischen K. M. und der Klägerin zu 1 über das Stimmrecht zugunsten der Kläger zu würdigen bzw. zu berücksichtigen. Dies gelte selbst dann, wenn aufgrund einer solchen bürgerlich-rechtlich zulässigen Vereinbarung K. M. nicht über die Stimmenmehrheit in der Grundstücksgemeinschaft verfügt hätte.

Daß K. M. von der Ausübung seines Stimmrechts in der Grundstücksgemeinschaft nicht ausgeschlossen gewesen sei, ergebe sich daraus, daß K. M. und die Klägerin zu 1 für die Grundstücksgemeinschaft in bezug auf die Rechtsgeschäfte mit der GmbH ab 1970 Einstimmigkeit vereinbart hätten. Bei einer solchen Vereinbarung jedoch sei keiner der Teilhaber von der Ausübung seines Stimmrechts ausgeschlossen.

Hinsichtlich der Voraussetzung der sachlichen Verflechtung geht das FG davon aus, daß mit dem Mietvertrag vom 2. Januar 1968 auch die Gebäude an die GmbH vermietet worden seien. Dem stehe nicht entgegen, daß der Mietzins nur nach dem Wert des Grund und Bodens bemessen worden sei und daß die GmbH die Herstellungskosten der Gebäude so gut wie ausschließlich getragen habe.

Das vermietete Grundstück einschließlich der aufstehenden Gebäude sei für die GmbH eine wesentliche Betriebsgrundlage.

Die Gebäude müßten über den Grund und Boden hinweg in die Gesamtverflechtung miteinbezogen werden.

Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Aufhebung der angefochtenen Gewerbesteuermeßbescheide (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

In den Streitjahren lag zwischen der GmbH und der zwischen K. M. und der Klägerin zu 1 bestehenden Grundstücksgemeinschaft keine personelle Verflechtung vor.

1. Das FG hat im zweiten Rechtszug festgestellt, daß K. M. und die Klägerin zu 1 im Oktober 1970 übereingekommen waren, Angelegenheiten, die den an die GmbH zur Nutzung überlassenen Grundbesitz betrafen, nur einvernehmlich zu regeln. Diese Vereinbarung galt auch für die Streitjahre. Sie ist als Abweichung von der gesetzlichen Regelung in § 745 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB - (Mehrheitsprinzip) zulässig; denn § 745 Abs. 1 BGB enthält dispositives Recht. K. M. konnte daher in den Streitjahren in der Grundstücksgemeinschaft seinen geschäftlichen Betätigungswillen nicht durchsetzen. Die Voraussetzungen für die Annahme einer personellen Verflechtung (vgl. das im ersten Rechtszug ergangene Senatsurteil in BFHE 145, 401, BStBl II 1986, 296) liegen damit nicht vor.

2. Dem steht nicht entgegen, daß der Mietvertrag über den Grundbesitz bereits vor dem Zeitpunkt abgeschlossen worden ist, in dem die Einstimmigkeit vereinbart wurde.

Dies ergibt sich zunächst einmal schon daraus, daß der ursprüngliche Mietvertrag von 1941, auf den sich nach den Feststellungen des FG der Vertrag von 1968 stützt, zu einer Zeit abgeschlossen worden ist, zu der K. M. nur mit 1/6 an der Grundstücksgemeinschaft beteiligt war. Auch zusammen mit Frau S beherrschte K. M. 1941 nicht die Grundstücksgemeinschaft, da Frau S und K. M. an dieser bis Ende 1967 zusammen nur mit 3/6 beteiligt waren, also ihren geschäftlichen Betätigungswillen hier nicht durchsetzen konnten.

Abgesehen davon könnte für die Streitjahre selbst dann keine personelle Verflechtung angenommen werden, wenn der Mietvertrag mit der GmbH zu einem Zeitpunkt abgeschlossen worden wäre, in dem K. M. in der Grundstücksgemeinschaft seinen Willen hätte durchsetzen können; denn maßgebend für die Beantwortung der Frage, ob eine Person oder Personengruppe ihren Willen im Besitz- oder Betriebsunternehmen durchsetzen können, können nur die Verhältnisse im Streitjahr sein. Das gilt selbst dann, wenn das Mietverhältnis - wie im Streitfall - zu einem Zeitpunkt abgeschlossen worden ist, zu dem noch keine Einstimmigkeit vereinbart worden war und demzufolge die im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses beide Unternehmen beherrschende Person oder Personengruppe ohne Rücksicht auf die Nur-Besitzteilhaber den Mietvertrag nach ihrem Willen gestalten konnte. Denn mit der Vereinbarung der Einstimmigkeit hat die sowohl am Besitzunternehmen als auch am Betriebsunternehmen beteiligte Person oder Personengruppe die Möglichkeit verloren, den Mietvertrag entsprechend den Belangen der mietenden Betriebs-GmbH anzupassen.

3. Entgegen seiner Auffassung hätte das FG die von ihm im zweiten Rechtszug getroffene Feststellung, daß K. M. und die Klägerin zu 1 ab 1970 hinsichtlich der Grundstücksgemeinschaft Einstimmigkeit vereinbart hatten, in dem vorstehend entschiedenen Sinn berücksichtigen müssen; denn es bestand insoweit keine Bindung nach § 126 Abs. 5 FGO. Eine solche ist nicht gegeben, wenn das Revisionsgericht aufgrund des im ersten Rechtszug vorliegenden und bekannten Sachverhalts keine Veranlassung hatte, eine Rechtsfrage zu prüfen (BFH-Urteil vom 17. April 1969 V R 123/68, BFHE 95, 558, BStBl II 1969, 505). Der erkennende Senat hatte im ersten Rechtszug aufgrund der vom FG getroffenen Feststellungen keine Veranlassung zur Prüfung der Frage, ob die Voraussetzungen einer personellen Verflechtung unter dem Gesichtspunkt der Einstimmigkeit (vgl. BFH-Urteil vom 9. November 1983 I R 174/79, BFHE 140, 90, BStBl II 1984, 212) zu verneinen seien; denn die tatsächlichen Feststellungen des FG im ersten Rechtszug enthielten nichts, was auf die Vereinbarung einer Einstimmigkeit hätte hindeuten können. Die Ausführungen des Senats in seinem im ersten Rechtszug ergangenen Urteil bezogen sich daher nur auf die sich aus den im ersten Rechtszug vom FG getroffenen Feststellungen, daß K. M. an der Grundstücksgemeinschaft mit 2/3 beteiligt war und demzufolge - wenn kein tatsächlicher Stimmrechtsausschluß vorlag - aufgrund seiner 2/3-Mehrheit seinen Willen in der Grundstücksgemeinschaft durchsetzen konnte. Sie beinhalten hingegen keine Entscheidung darüber, daß - wie das FG meint - in einem solchen Fall eine personelle Verflechtung selbst dann vorliege, wenn Einstimmigkeit unter den Teilhabern vereinbart sei. Eine solche Entscheidung wäre auch mit dem Urteil des I. Senats in BFHE 140, 90, BStBl II 1984, 212 nicht vereinbar.