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BFH-Urteil vom 7.6.1988 (VIII R 76/85) BStBl. 1989 II S. 97

1. Beitragszahlungen an eine Vereinigung, die nach ihrer Satzung Ziele verfolgt, welche geeignet sind, der Erhaltung und Fortentwicklung des Betriebes zu dienen, und deren Geschäftsführung mit ihren satzungsgemäßen Zielen übereinstimmt (Berufsverband), sind als Betriebsausgaben abziehbar.

2. Stimmt die Geschäftsführung eines Berufsverbandes mit seinen satzungsgemäßen Zielen nicht überein, dann wird dadurch der Abzug der Beitragszahlungen als Betriebsausgaben nur dann ausgeschlossen, wenn der Steuerpflichtige dies wußte oder für ernsthaft möglich gehalten und in Kauf genommen hat.

3. Der Wirtschaftsrat der CDU ist nach seiner Satzung ein Berufsverband.

EStG § 4 Abs. 4; KStG 1977 § 5 Abs. 1 Nr. 5

Vorinstanz: Niedersächsisches FG (EFG 1985, 227)

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH & Co. KG. Sie betreibt Selbstbedienungswarenhäuser. An ihr waren die S GmbH als persönlich haftende Gesellschafterin und Dr. L als Kommanditist beteiligt.

Die Klägerin zahlte in den Streitjahren Mitgliedsbeiträge an den Wirtschaftsrat der CDU (Wirtschaftsrat). Sie berücksichtigte diese Zahlungen (360 DM für 1978 und 1.600 DM für 1979) gewinnmindernd.

Der Wirtschaftsrat ist ein eingetragener Verein mit Sitz in Bonn. Er ist "ein Zusammenschluß deutscher Unternehmer auf berufsständischer Basis mit dem Zweck, jeweilige Berufs- und Standesinteressen wahrzunehmen und zu koordinieren, sowie im Bereich des wirtschaftlichen Lebens an der Verwirklichung und Weiterentwicklung einer Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung im Sinne einer freiheitlichen sozialen Marktwirtschaft mitzuarbeiten. Diesem Zweck soll in erster Linie dienen:

a) Zusammenarbeit mit den Parlamenten und Behörden in allen wirtschafts- und sozialpolitischen Fragen;

b) beratende Unterstützung entsprechender Fachgremien;

c) Durchführung und Förderung von Maßnahmen zur Unterstützung eines freiheitlichen Unternehmertums auf der Grundlage der sozialen Marktwirtschaft;

d) Durchführung von Veranstaltungen, Seminaren, Kolloquien und Arbeitskreisen über wirtschafts- und sozialpolitische Fragen;

e) Veröffentlichung der in diesem Rahmen erarbeiteten Untersuchungsergebnisse und die entsprechende Öffentlichkeitsarbeit".

Der Vereinszweck ist nicht auf Gewinnerzielung gerichtet. Mitglieder des Wirtschaftsrates können selbständige oder beauftragte Unternehmer der gewerblichen Wirtschaft sein sowie Firmen und juristische Personen des privaten Rechts. In begrenzter Zahl können auch Nichtunternehmer aufgenommen werden.

Der Wirtschaftsrat ist untergliedert in Landesverbände, die Landesverbände wiederum in Sektionen. Der Landesverband Niedersachsen hat seinen Sitz in Hannover.

Der Wirtschaftsrat wird steuerlich beim Finanzamt Bonn-Innenstadt geführt. Dieses Finanzamt hatte den Wirtschaftsrat zunächst als Berufsverband i. S. von § 5 Abs. 1 Nr. 5 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) anerkannt. Nach einem Mitteilungsschreiben dieses Finanzamts vom 27. Juli 1981 soll ... "aufgrund neuer Erkenntnisse der Wirtschaftsrat der CDU e. V. entgegen den bisherigen Feststellungen nicht als Berufsverband im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 5 KStG, sondern als politischer Verein im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 7 KStG anzusehen ..." sein.

Nach einer Betriebsprüfung bei der Klägerin stellte sich der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) auf den Standpunkt, daß die an den Wirtschaftsrat gezahlten Beiträge nicht als Betriebsausgaben anzuerkennen seien.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Finanzgericht (FG) zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Nach § 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind Betriebsausgaben Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlaßt sind. Aufwendungen sind durch den Betrieb veranlaßt, wenn sie objektiv mit dem Betrieb zusammenhängen und subjektiv dem Betrieb zu dienen bestimmt sind (Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 21. November 1983 GrS 2/82, BFHE 140, 50, BStBl II 1984, 160). Dabei ist, worauf das FG zutreffend hinweist, darauf abzustellen, daß der Entschluß zu einem Aufwand auf betrieblichen Erwägungen beruht. Nicht erforderlich hingegen ist, daß der Aufwand im Ergebnis auch dem Betrieb dient; denn wäre diese Voraussetzung für die Annahme einer Betriebsausgabe erforderlich, dann könnten Aufwendungen, die sich als Fehlmaßnahmen herausstellen, nicht als Betriebsausgaben abziehbar sein.

Ein objektiver Zusammenhang mit einem Betrieb ist bei Beitragszahlungen an einen Verein oder eine ähnliche Institution gegeben, wenn es sich dabei um einen Berufsverband handelt, der Ziele verfolgt, welche die Erhaltung und Fortentwicklung des Betriebs betreffen.

a) Entgegen der Ansicht des FG verfolgte der Wirtschaftsrat in den Streitjahren (1978 und 1979) nach seiner Satzung Ziele, welche die Erhaltung und Fortentwicklung des Betriebs der Klägerin dienen konnten. Das ergibt sich aus dem nicht zur Veröffentlichung bestimmten Urteil des V. Senats des BFH vom 28. Januar 1988 V R 48/85. Der erkennende Senat schließt sich diesem Urteil an. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Begründung dieses Urteils verwiesen.

Zwar betraf das Urteil V R 48/85 nicht die Streitjahre, sondern die Jahre 1975 und 1976. In diesen Jahren war jedoch - wie sich aus dem Sachverhalt des Urteils des V. Senats ergibt - die Satzung des Wirtschaftsrats in den entscheidenden Teilen mit der in den Streitjahren geltenden übereinstimmend.

b) Allerdings reicht es für die Anerkennung einer Vereinigung als Berufsverband noch nicht aus, wenn die Vereinigung nach ihrer Satzung Ziele verfolgt, welche die Erhaltung und Fortentwicklung des Betriebs des den Beitrag zahlenden Steuerpflichtigen betreffen. Vielmehr muß auch die tatsächliche Geschäftsführung des Verbandes mit den satzungsmäßigen Zielen übereinstimmen (BFH-Urteil vom 18. September 1984 VIII R 324/82, BFHE 142, 251, BStBl II 1985, 92). Dies wäre zu verneinen, wenn die Tätigkeit des Wirtschaftsrats durch Verfolgung von allgemein-politischen Belangen ein berufsverbandsschädliches Ausmaß im Sinne der Grundsätze des BFH-Gutachtens vom 17. Mai 1952 I D 1/52 S (BFHE 56, 591, BStBl III 1952, 228) erreicht hätte. Auch insoweit verweist der Senat auf das BFH-Urteil vom 28. Januar 1988 V R 48/85.

Die Klägerin kann demzufolge die von ihr in den Streitjahren an den Wirtschaftsrat geleisteten Beitragszahlungen als Betriebsausgaben abziehen, wenn die Geschäftsführung des Wirtschaftsrates seinen satzungsgemäßen Zielen entsprach.

Sollte die Geschäftsführung des Wirtschaftsrats in den Streitjahren nicht mit seinen satzungsmäßigen Zielen übereingestimmt haben, dann wird dadurch der Abzug der Beitragszahlungen als Betriebsausgaben noch nicht ausgeschlossen. Ein Abzug der Beitragszahlungen als Betriebsausgaben kommt in diesem Fall nur dann nicht in Betracht, wenn die zuständigen Organe der Klägerin wußten, daß die Geschäftsführung des Wirtschaftsrats in Widerspruch zu seinen satzungsmäßigen Zielen stand; gleiches gilt, wenn die Organe der Klägerin dies ernstlich für möglich gehalten und in Kauf genommen haben (vgl. BFH-Urteil vom 4. März 1986 VIII R 188/84, BFHE 146, 151, 154, BStBl II 1986, 373). Im Urteil in BFHE 142, 251, BStBl II 1985, 92 hatte der Senat über diese Problematik nicht zu entscheiden.

2. Da das FG davon ausgegangen ist, daß der Wirtschaftsrat nach seiner Satzung kein Berufsverband ist, mußte seine Entscheidung aufgehoben werden.

a) Bei seiner erneuten Verhandlung wird das FG feststellen müssen, ob die Geschäftsführung des Wirtschaftsrats seinen satzungsgemäßen Zielen entsprach. Es wird die Ausführungen in dem BFH-Urteil vom 28. Januar 1988 V R 48/85 zu beachten haben.

Kommt das FG zu dem Ergebnis, daß die Geschäftsführung des Wirtschaftsrats seinen satzungsgemäßen Zielen entsprach, sind die Beitragszahlungen als Betriebsausgaben abziehbar.

b) Kommt das FG zu dem Ergebnis, daß die tatsächliche Geschäftsführung des Wirtschaftsrats nicht seinen satzungsgemäßen Zielen entsprach, so wird es weiter feststellen müssen, ob die für die Beitragszahlungen zuständigen Organe der Klägerin dies wußten oder ob nach den Umständen des Einzelfalls davon auszugehen ist, daß sie dies ernstlich für möglich hielten und in Kauf nahmen. Nur wenn dies der Fall war, ist der Betriebsausgabenabzug zu versagen.

3. Bei dieser Rechtslage braucht der Senat zu der Frage eines Vertrauensschutzes keine Stellung zu nehmen, da die Vorstellungen der Organe der Klägerin bereits bei der Entscheidung der Frage, ob Betriebsausgaben vorliegen, zu berücksichtigen sind.