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BFH-Beschluß vom 2.12.1988 (X R 92/88) BStBl. 1989 II S. 147

Die Einlegung der Revision beim BFH ist nicht geeignet, die Revisionsfrist zu wahren. Das gleiche gilt für die im Rahmen eines Antrags auf Wiedereinsetzung nachzuholende Einlegung der Revision.

 FGO §§ 56 Abs. 2 Satz 3, 120 Abs. 1

Vorinstanz: Hessisches FG (EFG 1987, 515)

Sachverhalt

Das Finanzgericht (FG) hat die Klagen wegen Einkommensteuer 1983 als unzulässig zurückgewiesen, weil der Prozeßbevollmächtigte der Kläger und Revisionskläger (Kläger) seine Vertretungsmacht nicht innerhalb der Ausschlußfrist durch Vorlage der schriftlichen Originalvollmacht nachgewiesen habe; die innerhalb der Frist vorgelegte Telekopie der Vollmachtsurkunde reiche nicht aus (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1987, 515).

Auf die Beschwerde der Kläger hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Beschluß vom 6. Mai 1988 (X B 93/87) die Revision gegen das Urteil wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Der Beschluß wurde dem Prozeßbevollmächtigten der Kläger am 24. Mai 1988 zugestellt.

Auf einen Antrag auf Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist vom 25. Juli 1988 teilte der Vorsitzende des erkennenden Senats unter Hinweis auf § 56 der Finanzgerichtsordnung (FGO) dem Prozeßbevollmächtigten der Kläger mit, daß laut telefonischer Auskunft bisher beim FG keine Revisionsschrift eingegangen sei. Dieses Schreiben vom 27. Juli 1988 wurde dem Prozeßbevollmächtigten am 29. Juli 1988 mit Postzustellungsurkunde zugestellt.

Am 12. August 1988 ging der Antrag der Kläger auf Wiedereinsetzung in die Revisionsfrist ein. Beigefügt war dem Antrag die Kopie eines an das FG gerichteten Schriftsatzes mit der Revisionseinlegung vom 21. Juni 1988 sowie ein an den BFH gerichtetes Schreiben vom 11. August 1988, mit dem die Kläger Revision einlegen. Das Schreiben wurde an das Hessische FG, bei dem die Revision gemäß § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO einzulegen war, weitergeleitet. Dies wurde dem Prozeßbevollmächtigten der Kläger mit Schreiben vom 16. August 1988, zugestellt am 17. August 1988, mitgeteilt.

Die im Rahmen der beantragten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nachgeholte Revision vom 11. August 1988 ist beim Hessischen FG am 17. August 1988 eingegangen. Dies wurde dem Prozeßbevollmächtigten der Kläger unter Hinweis auf die §§ 56 Abs. 2 und 120 Abs. 1 Satz 1 FGO vom Vorsitzenden des Senats mit Schreiben vom 12. September 1988, zugestellt am 15. September 1988, mitgeteilt.

Mit weiterem Schreiben vom 19. November 1988 trug der Prozeßbevollmächtigte der Kläger vor, bei der Einlegung der Revision beim BFH sei er der Auffassung von Koch in Gräber (Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 56 Anm. 57) gefolgt, wonach bei Versäumung der Revisionsfrist die Revision auch beim BFH eingelegt werden könne.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unzulässig.

a) Die Revision der Kläger ist nicht innerhalb der Revisionsfrist eingelegt worden.

Die Revision ist bei dem FG innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Revision (§ 115 Abs. 5 FGO) schriftlich einzulegen (§ 120 Abs. 1 Satz 1 FGO).

Der Beschluß über die Zulassung der Revision ist dem Prozeßbevollmächtigten der Kläger am 24. Mai 1988 zugestellt worden. Die einmonatige Revisionsfrist endete danach am Freitag, dem 24. Juni 1988 (§ 54 Abs. 2 FGO i.V.m. § 222 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung - ZPO -, § 188 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -). Innerhalb dieser Frist ist beim FG keine Revision eingelegt worden.

b) Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 FGO hinsichtlich der am 17. August 1988 eingelegten Revision liegen nicht vor.

Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§ 56 Abs. 1 FGO). Der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen (§ 56 Abs. 2 Satz 1 und 3 FGO). Weggefallen ist das Hindernis, sobald der Kläger bzw. bei Vertretung durch einen Prozeßbevollmächtigten dieser von der Versäumung der Frist Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen müssen (BFH-Beschluß vom 30. Juni 1967 VI R 248/66, BFHE 89, 330, BStBl III 1967, 613). Die zweiwöchige Wiedereinsetzungsfrist endete mit dem Ablauf des Tages der letzten Woche, der durch seine Benennung dem Tag entspricht, in den das für den Fristbeginn maßgebliche Ereignis - hier Kenntnis von der Versäumung der Revisionsfrist - fällt (§ 54 Abs. 2 FGO, § 222 Abs. 1 ZPO, § 188 Abs. 2 BGB).

Der Prozeßbevollmächtigte hat spätestens im Zeitpunkt der Zustellung der Mitteilung des Vorsitzenden des erkennenden Senats am Freitag, dem 29. Juli 1988, Kenntnis davon erhalten, daß bisher keine Revisionsschrift beim FG eingegangen war. Die Zwei-Wochen-Frist für die Wiedereinsetzung endete danach am Freitag, dem 12. August 1988. Der am 12. August 1988 beim BFH eingegangene Antrag auf Wiedereinsetzung war danach rechtzeitig gestellt.

Dahingestellt bleiben kann, ob die Fristversäumnis unverschuldet war, weil die Ehefrau des Prozeßbevollmächtigten die Revisionsschrift rechtzeitig zur Post gegeben hat; denn eine Wiedereinsetzung ist nur zulässig, wenn innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist die versäumte Rechtshandlung - hier die Einlegung der Revision - nachgeholt wird (§ 56 Abs. 2 Satz 3 FGO). Die zusammen mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachgeholte, beim BFH eingereichte Revision vom 11. August 1988 ist beim FG am 17. August 1988, mithin nach Ablauf der Wiedereinsetzungsfrist, eingegangen. Der Eingang des Schriftsatzes innerhalb der Frist beim BFH konnte die Wiedereinsetzungsfrist nicht wahren.

Nach § 56 Abs. 2 Satz 3 FGO ist alles nachzuholen, was sonst innerhalb der Frist hätte geschehen müssen (z.B. BFH-Beschlüsse vom 3. Februar 1976 VII B 55/74, BFHE 118, 147, BStBl II 1976, 429; vom 29. Januar 1986 II R 5/86, BFHE 145, 499, BStBl II 1986, 301). Für die nachzuholende Prozeßhandlung sind deshalb alle diese Prozeßhandlung betreffenden Formalien zu beachten (für die Revision vgl. § 120 Abs. 1 FGO).

Die Einlegung der Revision beim BFH ist nach ständiger Rechtsprechung nicht geeignet, die Revisionsfrist zu wahren (z.B. BFH-Beschlüsse vom 15. Januar 1973 VIII R 14/72, BFHE 108, 18, BStBl II 1973, 246, und vom 5. Juni 1985 VII R 65/85, BFH/NV 1986, 161). Für die im Rahmen eines Antrags auf Wiedereinsetzung nachzuholende Einlegung der Revision gilt nichts anderes.

Das Bundesverwaltungsgericht - BVerwG - (ihm folgend Koch in Gräber, a.a.O.) hat im Beschluß vom 3. Januar 1961 III ER 414/60 (BVerwGE 11, 322, Neue Juristische Wochenschrift 1961, 573) die Auffassung vertreten, die Revisionseinlegung bei dem Revisionsgericht zusammen mit dem Wiedereinsetzungsantrag sei entgegen § 57 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über das Bundesverwaltungsgericht (BVerwGG) unschädlich, weil das Revisionsgericht über den Wiedereinsetzungsantrag zu entscheiden habe (§ 22 Abs. 3 BVerwGG). Die Ausführungen des BVerwG waren indes für dessen Entscheidung nicht rechtserheblich. Der erkennende Senat folgt dieser Ansicht nicht. Mit der Entscheidungsbefugnis des Revisionsgerichts über den Wiedereinsetzungsantrag läßt sich eine Abweichung von der gesetzlich geregelten Empfangszuständigkeit für die Revision (§ 120 Abs. 1 FGO) nicht begründen, denn auch über die Revision entscheidet nur das Revisionsgericht. Das FG hat - anders als bei Beschwerden (vgl. § 115 Abs. 5 Satz 1 und § 130 FGO) - keine eigene Entscheidungsbefugnis. Praktikabilitätserwägungen wie etwa der Umstand, daß sich die Akten bereits beim Revisionsgericht befinden, können aus Gründen der Rechtssicherheit weder zugunsten noch zuungunsten des Rechtsmittelführers zu einer Abweichung von der klaren und eindeutigen gesetzlichen Regelung über die Empfangszuständigkeit führen.

c) Eine Wiedereinsetzung in die Wiedereinsetzungsfrist kommt nicht in Betracht.

Dahingestellt bleiben kann, ob eine solche Wiedereinsetzung schon deshalb nicht gewährt werden kann, weil die Fristversäumnis nicht unverschuldet war. Die Wiedereinsetzung kann im Streitfall ausgeschlossen werden, weil der mit Schreiben vom 19. November 1988 sinngemäß gestellte Wiedereinsetzungsantrag nach Ablauf der Wiedereinsetzungsfrist beim BFH eingereicht wurde.

Der Vorsitzende des erkennenden Senats hat dem Prozeßbevollmächtigten der Kläger mit Schreiben vom 12. September 1988, zugestellt am Donnerstag, dem 15. September 1988, unter Hinweis auf die §§ 120 Abs. 1 Satz 1 und 56 Abs. 2 FGO mitgeteilt, daß die Revision vom 11. August 1988 beim FG erst am 17. August 1988 eingegangen ist. Selbst wenn der Prozeßbevollmächtigte, wie er vorträgt, zunächst der Auffassung gewesen wäre, für die Nachholung der Revision genüge auch deren Einlegung beim BFH, hätte er spätestens aufgrund des Schreibens des Vorsitzenden erkennen können, daß die Einlegung auch der nachgeholten Revision beim BFH der gesetzlichen Förmlichkeitsregelung nicht genügte. Der Antrag auf Wiedereinsetzung hätte daher innerhalb von zwei Wochen nach Erhalt des Schreibens des Senatsvorsitzenden gestellt und die Tatsachen zur Begründung des Antrags innerhalb dieser Frist vorgetragen werden müssen (z.B. BFH-Urteil vom 27. März 1985 II R 118/83, BFHE 144, 1, BStBl II 1985, 586, m.w.N.). Der Antrag vom 19. November 1988 war danach verspätet.