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BFH-Urteil vom 26.10.1988 (I R 228/84) BStBl. 1989 II S. 155

Verpachtet ein Steuerpflichtiger die wesentlichen Grundlagen seines Einzelunternehmens an eine GmbH, deren Anteile ausschließlich von der Ehefrau des Steuerpflichtigen gehalten werden, so rechtfertigt dies auch dann noch keine Annahme einer faktischen Betriebsaufspaltung, wenn der Steuerpflichtige als Geschäftsführer der GmbH angestellt wird und ihr aufgrund seiner beruflichen Ausbildung und Erfahrung das Gepräge gibt.

GewStG § 2 Abs. 1 Satz 1.

Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betrieb bis zum 30. Juni 1977 ein Einzelunternehmen. Durch Vertrag vom 18. April 1977 gründeten er und seine Ehefrau die G-GmbH, deren Zweck die Herstellung und der Vertrieb bestimmter Produkte war. Die Ehefrau übernahm einen Geschäftsanteil in Höhe von 49.000 DM und der Kläger einen solchen in Höhe von 1.000 DM des Stammkapitals. Mit Vertrag vom 19. September 1977 übertrug der Kläger seinen Anteil auf seine Ehefrau. Beide Gesellschafter waren alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführer der GmbH.

Das Einzelunternehmen des Klägers bestand über den 30. Juni 1977 hinaus fort. Der Kläger verpachtete allerdings den betrieblichen Grundbesitz einschließlich Gebäude und Zubehör sowie die zum Betriebsvermögen gehörenden Maschinen und Einrichtungsgegenstände an die G-GmbH.

Nach einer Außenprüfung behandelte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Vermietungstätigkeit des Klägers als eine gewerbliche, weil er eine faktische Betriebsaufspaltung aufgrund der engen personellen und sachlichen Verflechtungen annahm. Der Einspruch und die Klage gegen den entsprechend geänderten Gewerbesteuermeßbescheid 1977 vom 28. August 1980 blieben ohne Erfolg.

Mit seiner vom Bundesfinanzhof (BFH) zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung des § 2 Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) i.V. m. § 1 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung (GewStDV) und des § 76 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

Er beantragt, das Urteil des Finanzgerichts (FG) Rheinland-Pfalz vom 20. Juli 1983 aufzuheben und unter Änderung des Gewerbesteuermeßbescheides 1977 vom 28. August 1980 in der Form der Einspruchsentscheidung vom 25. Februar 1982 den Gewerbesteuermeßbetrag 1977 neu festzusetzen.

FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zu einer Entscheidung durch den erkennenden Senat in der Sache selbst (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO i.V. m. Art. 3 § 4 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit - VGFG-EntlG -).

1. Das FG hat § 76 FGO nicht verletzt. Dies bedarf keiner Begründung (Art. 1 Nr. 8 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs - BFH-EntlG -).

2. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG ist Steuergegenstand der Gewerbesteuer jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird. Nach § 1 Abs. 1 GewStDV 1974 ist jede selbständige nachhaltige Betätigung, die mit Gewinnabsicht unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, Gewerbebetrieb, wenn die Betätigung weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufes noch als eine andere selbständige Arbeit anzusehen ist. Die bloße Verpachtung von Grundstücken und Sachinbegriffen, insbesondere von beweglichem Betriebsvermögen, ist in der Regel Vermögensverwaltung und stellt deshalb keinen Gewerbebetrieb dar (§ 9 GewStDV 1974). Etwas anderes gilt jedoch für Verpachtungsbetriebe, die im Zuge einer sog. echten oder unechten Betriebsaufspaltung entstanden sind (vgl. zur näheren Begründung den Beschluß des Großen Senats vom 8. November 1971 GrS 2/71, BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63, und das BFH-Urteil vom 12. November 1985 VIII R 240/81, BFHE 145, 401, BStBl II 1986, 296; zur Verfassungsmäßigkeit: Beschluß des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 14. Januar 1969 1 BvR 136/62, BVerfGE 25, 28, BStBl II 1969, 389). In den Fällen der Betriebsaufspaltung geht die Verpachtung über den Rahmen einer bloßen Vermögensverwaltung hinaus, wenn die verpachteten Wirtschaftsgüter zu den wesentlichen Grundlagen des Betriebes der Betriebsgesellschaft (Pächterin) gehören (sachliche Voraussetzung) und enge personelle Verflechtungen zwischen Besitz- und Betriebsunternehmen bestehen (personelle Voraussetzung).

3. Die sachliche Voraussetzung einer Betriebsaufspaltung ist auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des FG ohne weiteres gegeben, weil danach die vom Kläger an die G-GmbH verpachteten Grundstücke einschließlich Gebäude, Zubehör, Maschinen und Einrichtungsgegenstände zu den wesentlichen Grundlagen des Betriebes der G-GmbH gehörten.

4. Auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des FG ist jedoch die personelle Voraussetzung einer Betriebsaufspaltung im Streitfall zu verneinen.

a) Die personelle Voraussetzung einer Betriebsaufspaltung ist gegeben, wenn eine oder mehrere Personen zusammen (Personengruppe) sowohl das Besitzunternehmen als auch die Betriebsgesellschaft in dem Sinne beherrschen, daß sie in der Lage sind, in beiden Unternehmen einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen durchzusetzen (personelle Verflechtung; vgl. Urteil in BFHE 145, 401, BStBl II 1986, 296). Für die Durchsetzung eines entsprechenden Willens in einem Unternehmen ist in der Regel der Besitz der Mehrheit der Stimmrechte erforderlich (vgl. BFH-Urteile vom 28. November 1979 I R 141/75, BFHE 129, 279, BStBl II 1980, 162, und vom 18. Februar 1986 VIII R 125/85, BFHE 146, 266, BStBl II 1986, 611). Daran fehlt es im Streitfall, weil nach den mit keinen Rügen angefochtenen tatsächlichen Feststellungen des FG der Kläger alleiniger Inhaber des "Besitzunternehmens" war und seine Ehefrau ab dem 19. September 1977 alle Anteile und Stimmrechte an der G-GmbH hielt.

b) In besonders gelagerten Fällen kann allerdings die Fähigkeit, den Willen in dem Betriebsunternehmen durchzusetzen, auch ohne Anteilsbesitz durch eine besondere tatsächliche Machtstellung vermittelt werden (vgl. BFH-Urteile vom 29. Juli 1976 IV R 145/72, BFHE 119, 462, BStBl II 1976, 750, und vom 27. November 1985 I R 115/85, BFHE 145, 221, BStBl II 1986, 362). Dazu reicht jedoch die bloße eheliche Beziehung zu dem Mehrheitsgesellschafter der Betriebsgesellschaft nicht aus. Art. 6 des Grundgesetzes (GG) verbietet es, widerlegbar zu vermuten, Eheleute verfolgten regelmäßig gleichgerichtete wirtschaftliche Interessen (vgl. BVerfG-Beschluß vom 12. März 1985 1 BvR 571/81, 494/82 und 47/83, BVerfGE 69, 188, BStBl II 1985, 475). Es müssen zusätzlich zur ehelichen Lebensgemeinschaft Beweisanzeichen für die Annahme einer personellen Verflechtung durch gleichgerichtete wirtschaftliche Interessen sprechen.

In seinem Urteil in BFHE 145, 221, BStBl II 1986, 362 hat der erkennende Senat entschieden, daß folgende Umstände es nicht rechtfertigen, die Anteile der Ehefrau an einem Unternehmen dem Ehemann zuzurechnen:

a) Jahrelanges konfliktfreies Zusammenwirken der Eheleute innerhalb der Gesellschaft,

b) Herkunft der Mittel für die Beteiligung der Ehefrau an der Betriebsgesellschaft vom Ehemann,

c) "Gepräge" der Betriebsgesellschaft durch den Ehemann,

d) Erbeinsetzung der Ehefrau durch den Ehemann als Alleinerbe, gesetzlicher Güterstand der Zugewinngemeinschaft, beabsichtigte Alterssicherung der Ehefrau.

Der VIII. Senat hat dieser Entscheidung ausdrücklich zugestimmt (BFHE 146, 266, BStBl II 1986, 611). Der IV. Senat hat in seinem Urteil vom 24. Juli 1986 IV R 98-99/85 (BFHE 147, 256, BStBl II 1986, 913) eine personelle Verflechtung lediglich aufgrund einer tatsächlichen Machtstellung bejaht, wenn die Eheleute durch die mehrere Unternehmen umfassende planmäßige, gemeinsame Gestaltung der wirtschaftlichen Verhältnisse den Beweis dafür liefern, daß sie aufgrund ihrer gleichgerichteten wirtschaftlichen Interessen zusätzlich zur ehelichen Lebensgemeinschaft eine Zweck- und Wirtschaftsgemeinschaft eingegangen sind.

c) Das FG hat die von ihm angenommene Machtstellung des Klägers, den eigenen Willen in der G-GmbH durchsetzen zu können, aus folgenden Umständen abgeleitet:

aa) Der Kläger sei Eigentümer des Betriebsvermögens, das die G-GmbH als wesentliche Grundlage ihres Betriebes nutze. Jedoch begründet dieser Umstand nur die sachliche Voraussetzung einer Betriebsaufspaltung. Aus ihm kann dagegen keine personelle Verflechtung abgeleitet werden, weil sich aus der Verpachtung keine über die Verpächterstellung hinausgehende Machtposition in bezug auf die Durchsetzung eines geschäftlichen Betätigungswillens ergibt.

bb) Der Kläger sei alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der G-GmbH. Jedoch kommt es für die personelle Verflechtung nicht auf den Aufgabenbereich als Geschäftsführer, sondern auf die Fähigkeit an, einen bestimmten Betätigungswillen als Gesellschafter durchzusetzen. Diese Fähigkeit wird in der Regel nur durch den Anteilsbesitz vermittelt, weshalb sich im Falle der faktischen Betriebsaufspaltung die tatsächliche Machtstellung auf die Ausübung der Mehrheit der Gesellschafterrechte beziehen muß. Mit der Mehrheit der Gesellschafterrechte kann der Geschäftsführer abberufen oder bestellt werden. Soweit dies in der Satzung oder im Anstellungsvertrag vorgesehen ist, können mit der Mehrheit der Gesellschafterrechte dem Geschäftsführer Einzelweisungen erteilt werden. Umgekehrt kann der Geschäftsführer selbst nur innerhalb des Aufgabenbereiches tätig werden, der durch den Anstellungsvertrag festgelegt ist. Deshalb begründet die Geschäftsführerstellung regelmäßig noch keine faktische Machtstellung im Sinne einer personellen Verflechtung.

cc) Der Kläger sei aufgrund seines erlernten Berufes und seiner langjährigen Tätigkeit derjenige, der den für die Betriebsführung unumgänglichen Sachverstand aufweise. Jedoch folgt aus dieser Feststellung nur, daß der Kläger der Betriebsführung der G-GmbH das "Gepräge" gab. Dies reicht nicht aus, um eine personelle Verflechtung zu begründen (vgl. Urteil in BFHE 145, 221, BStBl II 1986, 362). Die prägende Tätigkeit des Klägers bezieht sich nur auf die Geschäftsführung der G-GmbH, nicht aber auf die Ausübung der Gesellschafterrechte.

5. Tragen mithin die tatsächlichen Feststellungen des FG dessen Entscheidung nicht, so kann diese keinen Bestand haben. Sie war aufzuheben. Die Sache ist entscheidungsreif. Der Streitfall läßt keine Anhaltspunkte dafür erkennen, daß eine personelle Verflechtung aus einem vom FG nicht näher festgestellten Umstand abgeleitet werden könnte. Insbesondere ist der Sachverhalt wesentlich anders als der im Urteil des IV. Senats in BFHE 147, 256, BStBl II 1986, 913 gelagert. Deshalb ist der Senat nach § 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO i.V. m. Art. 3 § 4 VGFG-EntlG verfahren. Der angefochtene Gewerbesteuermeßbescheid war teilweise aufzuheben. Das FA war zu verpflichten, den aufgehobenen Teil nach Maßgabe der Entscheidungsgründe zu ersetzen.