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BFH-Urteil vom 26.8.1988 (VI R 50/87) BStBl. 1989 II S. 304

Zur zeitlichen Anwendung des Bruttosteuersatzes bei der Lohnsteuerpauschalierung nach § 40 Abs. 1 EStG in sog. Übergangsfällen.

EStG 1983 § 40 Abs. 1 Satz 2, § 52 Abs. 1.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg (EFG 1987, 208)

Sachverhalt

 Bei der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin), einer KG, fand zwischen dem 3. Dezember 1981 und dem 28. Januar 1983 mit mehrmaligen Unterbrechungen eine Lohnsteueraußenprüfung für den Prüfungszeitraum 1. April 1976 bis 31. Dezember 1980 statt. Die Prüfung ergab, daß die Klägerin den Lohnsteuerabzug für eine Vielzahl von Arbeitnehmern unzutreffend durchgeführt hatte, was von ihr nicht angegriffen wird. Noch im Laufe des Jahres 1982 erklärte sich die Klägerin gegenüber dem Lohnsteueraußenprüfer bereit, die nachzuzahlende Lohnsteuer zu übernehmen, und bat um Pauschalierung gemäß § 40 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Zur Vorbereitung der Schlußbesprechung erstellte der Prüfer einen von ihm unterzeichneten Vorbericht, der das Datum 22. November 1982 trägt und vom Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt - FA -) mit Anschreiben vom 26. November 1982 an die Klägerin übersandt wurde. In diesem Vorbericht errechnete der Prüfer die Lohnsteuernachforderungsbeträge unter Anwendung pauschaler Nettosteuersätze. Die Schlußbesprechung, die zunächst noch für das Jahr 1982 vorgesehen war, fand auf Wunsch der Klägerin erst am 28. Januar 1983 statt. In dem im Anschluß daran erstellten Prüfungsbericht vom 4. März 1983 ist unter Tz. 20 vermerkt, daß das FA dem im Laufe der Prüfung gestellten Antrag der Klägerin auf Pauschalierung gemäß § 40 Abs. 1 Ziffer 2 EStG entsprochen habe. Das FA setzte in Anlehnung an den Prüfungsbericht in dem Lohnsteuernachforderungsbescheid vom 15. März 1983 die gemäß § 40 EStG mit Nettosteuersätzen berechneten Nachforderungsbeträge auf 93.880 DM fest.

Mit dem gegen diesen Bescheid eingelegten Einspruch und der anschließenden Klage wandte sich die Klägerin unter Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 5. November 1982 VI R 219/80 (BFHE 137, 46, BStBl II 1983, 91) gegen den Ansatz der Nettosteuersätze. Sie vertrat die Auffassung, aus dem Vorbericht vom 22. November 1982 ergebe sich, daß der Pauschalierungsantrag im Jahre 1982 gestellt und die Zustimmung des FA dazu im selben Jahre erteilt worden sei. Damit seien sämtliche tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 40 EStG erfüllt gewesen und die pauschale Lohnsteuer bereits vor dem 1. Januar 1983 entstanden.

Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung in seinem in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1987, 208 veröffentlichten Urteil im wesentlichen aus: Nach feststehender Rechtsprechung des BFH sei die pauschale Lohnsteuer der §§ 40 - 40b EStG keine Lohnsteuer des Arbeitnehmers, sondern eine originär in der Person des Arbeitgebers entstehende Unternehmenssteuer eigener Art, die keinen steuerpflichtigen geldwerten Vorteil des Arbeitnehmers bewirke. Unabhängig davon, ob man die im steuerrechtlichen Schrifttum gegen diese Rechtsprechung erhobene Kritik für berechtigt halte, sei mit dem BFH darin übereinzustimmen, daß sich die pauschale Lohnsteuer des § 40 Abs. 1 EStG dem einzelnen Arbeitsverhältnis nicht konkret zuordnen lasse. Die pauschale Lohnsteuer werde nämlich unabhängig davon erhoben, ob überhaupt und in welcher Höhe beim einzelnen Arbeitnehmer eine Steuerschuld entstehe und ob der Arbeitgeber beim einzelnen Arbeitnehmer Rückgriff nehmen könne. Ebenso habe der pauschal besteuerte Arbeitslohn bei der Jahressteuerfestsetzung außer Ansatz zu bleiben; die pauschale Lohnsteuer sei auf die Jahressteuer des Arbeitnehmers nicht anzurechnen. Allein dies habe zur Folge, daß die Übernahme und Bezahlung der pauschalen Lohnsteuer durch den Arbeitgeber keinen Zufluß eines geldwerten Vorteils beim einzelnen Arbeitnehmer darstelle. Die durch die Neufassung des § 40 Abs. 1 Satz 2 EStG 1983 (i.d.F. des Haushaltsbegleitgesetzes vom 20. Dezember 1982, BGBl I, 1857, BStBl I, 972) ausdrücklich angeordnete Anwendung des Nettosteuersatzes gelte nur für Arbeitslohn, welcher für nach dem 1. Januar 1983 beginnende Lohnzahlungszeiträume gezahlt werde. Dies folge aus der Anwendungsvorschrift des § 52 Abs. 1 Satz 2 EStG. Diese Vorschrift und nicht § 52 Abs. 1 Satz 1 EStG sei im Bereich der Lohnsteuererhebung maßgebend. Die vorliegend streitigen Löhne seien den Arbeitnehmern vor dem 1. Januar 1983 zugeflossen. Die Übernahme der darauf entfallenden pauschalen Lohnsteuer sei kein erst im Zeitpunkt der Pauschalierung zufließender sonstiger Bezug. Daran ändere auch nichts die Neufassung des § 40 Abs. 1 Satz 2 EStG ab 1983. Zwar sei nach dieser Vorschrift bei der Ermittlung des pauschalen Steuersatzes zu berücksichtigen, daß die Übernahme der pauschalen Lohnsteuer durch den Arbeitgeber für den Arbeitnehmer eine in Geldeswert bestehende Einnahme i.S. des § 8 Abs. 1 EStG darstelle. Aus dieser Formulierung sei aber nur zu schließen, daß das Gesetz lediglich zum Zwecke der Ermittlung des Steuersatzes unterstelle, die pauschale Lohnsteuer sei eine Einnahme des Arbeitnehmers. Hierdurch werde allein der Nettosteuersatz definiert. Eine weitergehende Anwendung dahingehend, daß ein in der tatsächlichen Lebenswirklichkeit nicht vorhandener und nicht konkretisierbarer Zufluß der pauschalen Lohnsteuer beim einzelnen Arbeitnehmer nunmehr tatsächlich vorliege, habe das Gesetz nicht treffen wollen und können.

Mit der Revision begehrt das FA die Aufhebung der Vorentscheidung und die Abweisung der Klage. Es ist der Auffassung, im Streitfall sei die pauschale Lohnsteuer nach § 40 Abs. 1 Satz 2 EStG 1983 unter Anwendung eines Nettosteuersatzes zu berechnen. Zwar könne dem FG darin gefolgt werden, daß die Übernahme der pauschalen Lohnsteuer durch den Arbeitgeber keinen sonstigen Bezug für den Arbeitnehmer darstelle. Die Annahme eines sonstigen Bezuges könne auch nicht aus der Neufassung des § 40 Abs. 1 Satz 2 EStG 1983 begründet werden, denn diese Vorschrift könne nicht zur Auslegung des § 52 Abs. 1 EStG 1983 herangezogen werden, da es ja gerade um den zeitlichen Geltungsbereich des § 40 Abs. 1 Satz 2 EStG 1983 gehe. Im übrigen sei mit dem FG davon auszugehen, daß § 40 Abs. 1 Satz 2 EStG 1983 keine konstitutive Bedeutung habe, sondern lediglich Zwecken der Steuerberechnung diene. Das FG habe aber zu Unrecht die Anwendungsvorschrift des § 52 Abs. 1 Satz 2 EStG 1983 angewendet, denn die pauschale Lohnsteuer sei keine Abzugssteuer. Der zeitliche Anwendungsbereich des § 40 Abs. 1 Satz 2 EStG 1983 werde hingegen durch § 52 Abs. 1 Satz 1 EStG 1983 geregelt. Auf die pauschale Lohnsteuer, die sich kalenderjahrunabhängig auf nachzuversteuernde Beträge beziehe, seien daher die Vorschriften anzuwenden, die im Zeitpunkt der Entstehung des Steueranspruchs Geltung hätten. Die pauschale Lohnsteuer entstehe durch Erlaß des Lohnsteuerpauschalierungsbescheides. Im Streitfall sei die pauschale Lohnsteuer nach dem 31. Dezember 1982 entstanden. Gegen dieses Ergebnis könnten keine verfassungsrechtlichen Bedenken hergeleitet werden. Im Streitfall liege allenfalls eine unechte Rückwirkung vor. Mit Inkrafttreten der Neufassung des § 40 EStG 1983 seien noch nicht alle für das Entstehen der Steuer wesentlichen Sachverhalte erfüllt, da der Nachforderungsbescheid erst nach dem 31. Dezember 1982 ergangen sei. Ein schutzwürdiges Interesse der Klägerin am Fortbestand einer Regelung, die von einer Bruttobesteuerung ausgehe, sei nicht gegeben.

Die Klägerin tritt der Revision mit den Gründen der Vorentscheidung entgegen. Im übrigen bezieht sie sich auf die ebenfalls die Anwendung von Nettosteuersätzen ablehnenden Entscheidungen des FG Berlin vom 3. März 1986 VIII 664/83 (EFG 1987, 127) und des FG Münster vom 12. November 1986 VIII-IX 6819/83 L (EFG 1987, 143). Schließlich führt die Klägerin noch aus, die pauschale Lohnsteuer sei bereits vor dem 1. Januar 1983 und damit unter dem zeitlichen Geltungsbereich des § 40 Abs. 1 EStG vor 1983 entstanden. Eine Steuerschuld entstehe, sobald der Tatbestand verwirklicht sei, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpfe. Zum Entstehungstatbestand der pauschalen Steuer i.S. des § 40 Abs. 1 EStG gehöre neben dem Zufluß des zu versteuernden Arbeitslohns der Pauschalierungsantrag und die Zustimmung des FA zur Pauschalierung. Diese Umstände seien sämtlich vor dem 1. Januar 1983 eingetreten gewesen. Der erst im Jahre 1983 ergangene Nachforderungsbescheid gehöre hingegen nicht mehr zum Entstehungstatbestand der pauschalen Lohnsteuer.

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist unbegründet.

Das FG hat im Ergebnis zutreffend die nachzuversteuernden Löhne mit einem Bruttosteuersatz belegt. Es hat zu Recht die Anwendung des § 40 Abs. 1 Satz 2 EStG ab 1983 und damit den Ansatz eines Nettosteuersatzes auf die vor dem 1. Januar 1983 gezahlten Löhne und sonstigen Bezüge abgelehnt.

Die zeitliche Anwendung des § 40 Abs. 1 Satz 2 EStG 1983 wird durch § 52 Abs. 1 Satz 2 EStG 1983 geregelt. Nach dieser Vorschrift sind die den Steuerabzug vom Arbeitslohn regelnden Vorschriften des EStG 1983 erstmals auf den laufenden Arbeitslohn, der für einen nach dem 31. Dezember 1982 endenden Lohnzahlungszeitraum gezahlt wird, und auf sonstige Bezüge anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 1982 zufließen. Dem steht nicht entgegen, daß es sich bei der Pauschalsteuer des § 40 EStG nach der Rechtsprechung des Senats (Urteil in BFHE 137, 46, BStBl II 1983, 91) um eine Unternehmenssteuer eigener Art handelt. Selbst wenn die Pauschalsteuer diesen Charakter hat, ändert das nichts daran, daß es letztlich um die vom Arbeitgeber vorzunehmende Besteuerung des Arbeitslohns und damit um den Steuerabzug vom Arbeitslohn im weiteren Sinne geht. Dies wird hinreichend deutlich durch die Gesetzesgliederung, die § 40 EStG unter den Unterabschnitt "Steuerabzug vom Arbeitslohn (Lohnsteuer)" einordnet. Wenn § 52 Abs. 1 Satz 2 EStG die zeitliche Anwendung des Gesetzes "beim Steuerabzug vom Arbeitslohn" regelt und dabei die gleiche Formulierung des 2. Unterabschnitts des VI. Abschnitts des EStG verwendet, so kann das nur bedeuten, daß damit die zeitliche Anwendung der §§ 38 bis 42f EStG angesprochen ist.

Ob der Arbeitgeber zum Zeitpunkt der Übernahme der pauschalen Lohnsteuer dem jeweiligen Arbeitnehmer in Höhe der Befreiung von seiner individuellen Steuerschuld einen geldwerten Vorteil zuwendet, kann dahinstehen. Denn dieser individuelle Vorteil soll durch § 40 Abs. 1 Satz 2 EStG ab 1983 nicht erfaßt werden. Andernfalls müßte - nur zum Zwecke der Berechnung des Erhöhungsbetrages - die Summe der individuellen Vorteile errechnet werden, womit der in der Durchschnittsberechnung liegende Vereinfachungsvorteil hinfällig würde. Bei dieser Berechnung müßten auch die zur Zeit der Pauschalierung bestehenden Verhältnisse berücksichtigt werden, was insbesondere bei ausgeschiedenen Arbeitnehmern zu erheblichen Schwierigkeiten führte.

Vielmehr kommt im Gesetzeswortlaut, es sei "zu berücksichtigen", daß die Übernahme der pauschalen Lohnsteuer eine in Geldeswert bestehende Einnahme "darstellt", lediglich zum Ausdruck, daß der für pauschalierte Löhne nach den Verhältnissen des Zuflußjahres ermittelte Durchschnittssteuersatz auf einen Nettosteuersatz hochzurechnen ist.

Der Gesetzgeber hatte diese Formulierung dazu verwendet, um den Nettosteuersatz zu definieren. Während in den §§ 40 Abs. 2, 40a und 40b EStG feste Steuersätze vorgesehen sind, ist der Steuersatz des § 40 Abs. 1 EStG ein von den Umständen des Einzelfalles abhängiger variabler Steuersatz. Diesen Steuersatz hat der Gesetzgeber als Nettosteuersatz ausgestaltet. Zur Umschreibung dieses Nettosteuersatzes mußte er die entsprechenden Formulierungen verwenden.

Damit regelt § 52 Abs. 1 Satz 2 EStG 1983 bezogen auf den vorliegenden Streitfall, daß der Nettosteuersatz des § 40 Abs. 1 Satz 2 EStG 1983 erstmals auf laufenden Arbeitslohn, der für einen nach dem 31. Dezember 1982 endenden Lohnzahlungszeitraum gezahlt wird, und auf sonstige Bezüge anzuwenden ist, die nach dem 31. Dezember 1982 zufließen. Da im Streitfall die Pauschalierung von laufendem Lohn für vorher endende Lohnzahlungszeiträume bzw. von vorher zugeflossenen sonstigen Bezügen streitig ist, verbleibt es für die pauschale Besteuerung dieser Lohnzuflüsse bei der vor dem 1. Januar 1983 geltenden Rechtslage und damit bei dem Ansatz eines Bruttosteuersatzes.