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BFH-Urteil vom 8.2.1989 (II R 53/86) BStBl. 1989 II S. 349

Es ist sachgerecht, wenn die Verwaltung bei der Bewertung von Anteilen, die nicht ohne Einfluß auf die Geschäftsführung sind, die Ertragsaussichten seit dem 31. Dezember 1976 in der Weise berücksichtigt, daß sie den Abzug von Körperschaftsteuer nur noch insoweit zuläßt, als sie auf die nicht abzugsfähigen Ausgaben entfällt (Anschluß an BFHE 141, 284, BStBl II 1984, 657). Dies gilt auch hinsichtlich der Anteile, die beschränkt steuerpflichtigen Gesellschaftern zustehen.

Der Abschlag von 30 v.H. ist als Ausdruck vorsichtiger Bewertung regelmäßig als ausreichend anzusehen.

BewG § 11 Abs. 2 Satz 2.

Vorinstanz: FG Hamburg (EFG 1986, 330)

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine GmbH mit einem Stammkapital von 500.000 DM. Hauptgesellschafterin der Klägerin ist eine Anstalt liechtensteinischen Rechts mit einem Anteil von nominell 499.000 DM.

Streitig ist die Feststellung des gemeinen Wertes der Anteile an der Klägerin für die Stichtage 31. Dezember 1976, 31. Dezember 1977 und 31. Dezember 1978. Gestritten wird dabei um die Ermittlung des Ertragshundertsatzes. Die Klägerin ist der Auffassung, daß der anzusetzende Durchschnittsertrag um die bei einer Vollausschüttung entstehende Körperschaftsteuer von 36 v.H. zu kürzen sei; von diesem Betrag sei noch ein 30 %-iger Abschlag vorzunehmen. Hieraus ergebe sich ein Ertragshundertsatz von ... v.H.

Das beklagte Finanzamt (FA) hat es abgelehnt, die Körperschaftsteuer abzuziehen und ist demgemäß zu einem Ertragshundertsatz von ... v.H. gekommen.

Die Einsprüche der Klägerin gegen die Feststellungsbescheide sind im wesentlichen zurückgewiesen worden.

Die Klägerin hat Klage erhoben und weiterhin geltend gemacht, daß der Ertrag um die Körperschaftsteuer zu kürzen sei. Denn ihrer Hauptgesellschafterin stehe ein Recht auf Anrechnung der Körperschaftsteuer deshalb nicht zu, weil sie nicht unbeschränkt steuerpflichtig sei.

Während des finanzgerichtlichen Verfahrens hat das FA Änderungsbescheide erlassen und den Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben.

Die Klägerin hat beantragt, diese Bescheide zum Gegenstand des Verfahrens zu machen.

Das Finanzgericht (FG) hat die Hauptgesellschafterin beigeladen und der Klage im wesentlichen stattgegeben. In seiner Entscheidung (vgl. Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1986, 330) hat es die Auffassung vertreten, daß der Abschn. 78 Abs. 3 der Vermögensteuer-Richtlinien 1977 (VStR 1977), der die Erhöhung der sich nach den Abs. 1 und 2 ergebenden Jahresergebnisse um 127 v.H. der nach einem Körperschaftsteuersatz von 56 v.H. abgezogenen Steuer vorsieht, nicht den gesetzlichen Anforderungen entspreche. Der Gesetzgeber habe gegen § 9 Abs. 2 Satz 3 des Bewertungsgesetzes (BewG) insoweit verstoßen, als er persönliche Verhältnisse berücksichtigt habe, nämlich die Frage der Anrechenbarkeit bzw. Nichtanrechenbarkeit der Körperschaftsteuer. Sei danach die Anrechenbarkeit der Körperschaftsteuer als persönliches Merkmal des Anteilseigners anzusehen, so müsse der Zuschlag der Körperschaftsteuer generell unterbleiben. Berechtigt sei lediglich ein Zuschlag in Höhe von 45,5 v.H., der nach folgender Formel zu berechnen sei:

   

(64 ./. 44) x 100

 --------------------  = 45,5 v.H.

     44

Das FA hat Revision eingelegt und beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen. Es ist der Meinung, es müsse bei der Anteilsbewertung davon ausgegangen werden, daß den Anteilseignern, unabhängig von der Anrechenbarkeit der Körperschaftsteuer, 100 v.H. des Betriebsergebnisses vor Abzug dieser Steuer zur Verfügung stehe. Das FG eliminiere demgegenüber das dem Körperschaftsteuergesetz (KStG) wesentliche Moment des Anrechnungsverfahrens.

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage gegen die Änderungsbescheide vom 16. August 1984.

Der Senat vermag dem FG nicht darin zu folgen, daß Abschn. 78 Abs. 3 VStR 1977 nicht im Einklang mit § 9 Abs. 2 Satz 3 BewG steht, wonach ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse bei der Schätzung des gemeinen Wertes unberücksichtigt bleiben. Bei der durch Abschn. 78 Abs. 3 VStR 1977 vorgesehenen Hinzurechnung der zuvor gemäß Abschn. 78 Abs. 1 VStR 1977 abgezogenen Körperschaftsteuer handelt es sich nicht um die Berücksichtigung persönlicher Verhältnisse. Bei den Vorschriften des § 36 Abs. 2 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) über die Anrechnung der Körperschaftsteuer auf die ausgeschütteten Gewinne, bzw. des § 50 Abs. 5 Satz 2 EStG über die Abgeltungswirkung der Körperschaftsteuer auf die ausgeschütteten Gewinne handelt es sich vielmehr um eine Regelung, die der Verhinderung der Doppelbelastung von Gewinnen der Kapitalgesellschaften mit Körperschaftsteuer und Einkommensteuer dient und somit eine objektive Bedingung für die Wertbemessung der Anteile darstellt.

Auszugehen ist von § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG, wonach der gemeine Wert von Anteilen (bei Fehlen zeitnaher Verkäufe) unter Berücksichtigung des Vermögens und der Ertragsaussichten zu schätzen ist. Die Berücksichtigung der Ertragsaussichten erfolgt nach dem von der Rechtsprechung gebilligten Stuttgarter Verfahren durch Vergleich mit alternativen Kapitalanlagen (Abschn. 79 Abs. 1 VStR 1977). Der Ertrag dieser alternativen Kapitalanlagen aber wird vor Abzug der Steuern vom Einkommen angesetzt. Dies ergibt sich sowohl aus Abschn. 79 Abs. 1 VStR 1977, wonach bei einer gedachten alternativen Anlage mit einer Verzinsung von 10 v.H. gerechnet werden kann, als auch aus entsprechenden betriebswirtschaftlichen Überlegungen, die die Ermittlung des Ertragswertes von Anteilen an Kapitalgesellschaften betreffen (vgl. Wirtschaftsprüferhandbuch 1985/86, 9. Aufl., S. 1118).

Bevor die Doppelbelastung der Gewinne von Kapitalgesellschaften mit Körperschaftsteuer und Einkommensteuer beseitigt worden war, hatte die Verwaltung noch den Abzug der Körperschaftsteuer zugelassen. Nach Inkrafttreten der Körperschaftsteuerreform aber war eine Änderung dieses Verfahrens unabwendbar. Der Senat folgt dem III. Senat (vgl. dessen Urteil vom 4. Mai 1984 III R 61/83, BFHE 141, 284, BStBl II 1984, 657) darin, daß die von der Verwaltung vorgenommenen Änderungen sachgerecht sind, wie die folgenden Überlegungen zeigen:

a) Wenn bei der Schätzung des gemeinen Werts von Anteilen die Ertragsaussichten der nächsten fünf Jahre berücksichtigt werden (Abschn. 79 Abs. 1 VStR 1977), so ist es folgerichtig, die Ertragsaussichten nach vergleichbaren Kriterien anzusetzen, wie dies bei der Ermittlung des Ertragswertes geschieht.

Maßgebend für die Ermittlung des Ertragswertes ist die finanzielle Verfügbarkeit der Erfolgsüberschüsse (Wirtschaftsprüferhandbuch, a.a.O., S. 1064), wobei es im Grundsatz nicht darauf ankommt, ob die Gewinne tatsächlich ausgeschüttet werden (Grundsatz der Vollausschüttung, Wirtschaftsprüferhandbuch, a.a.O., S. 1119).

Da die Körperschaftsteuer (wirtschaftlich gesehen) als Vorauszahlung auf die Einkommensteuer der Anteilseigner anzusehen ist, bei Thesaurierung der Gewinne als potentielle Vorauszahlung, kann ein Abzug der Körperschaftsteuer bei einem Vergleich der Gewinne mit der Rendite alternativer Kapitalanlagen nicht mehr in Betracht kommen (vgl. in diesem Zusammenhang die Stellungnahme des Hauptfachausschusses des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. - HFA - 2/1983, Die Wirtschaftsprüfung - WPg - 1983, S. 468, 477).

Wenn bei der Schätzung des Ertragswertes von Anteilen von dem Grundsatz der angenommenen Vollausschüttung ausgegangen wird, so ist das für die steuerliche Anteilsbewertung schon deshalb gerechtfertigt, weil diese Annahme nur für die Anteile mit Einfluß auf die Geschäftsführung gilt. Für die anderen Anteile kommt es bei der steuerlichen Bewertung allein auf die vorgenommenen Ausschüttungen zuzüglich der Anrechnungsbeträge an (vgl. Abschn. 80 Abs. 2 VStR).

Demnach ergibt sich nach der Körperschaftsteuerreform, daß die Gewinne der Kapitalgesellschaften im Ergebnis nur einmal den Steuern vom Einkommen unterliegen, zunächst der Körperschaftsteuer, nach Ausschüttung der Einkommensteuer (oder nochmals der Körperschaftsteuer) unter Anrechnung der Körperschaftsteuer. Angesichts dieser Tatsache ist ein Abzug der Körperschaftsteuer von den voraussichtlichen Erträgen nicht mehr gerechtfertigt.

Etwas anderes gilt lediglich hinsichtlich der Körperschaftsteuer auf die nichtabzugsfähigen Aufwendungen. Insoweit ist der Abzug jedoch durch Abschn. 78 Abs. 1, 3 VStR 1977 sichergestellt. Soweit die Stellungnahme HFA 2/1983 die Körperschaftsteuerbelastung der zum Zwecke der Substanzerhaltung nötigen Rücklagen berücksichtigt wissen will, hält der Senat diesen Gesichtspunkt für ausreichend berücksichtigt durch den Abzug von 30 v.H. der voraussichtlichen Erträge vor Abzug der Körperschaftsteuer (Abschn. 78 Abs. 5 VStR 1977). Eine darüber hinausgehende freiwillige Thesaurierung von Gewinnen braucht bei den Anteilen, die Einfluß auf die Geschäftsführung gewähren, nicht berücksichtigt zu werden.

Der Senat folgt allerdings nicht der in Abschn. 78 Abs. 5 VStR 1977 gegebenen Begründung für den Abzug von 30 v.H. der voraussichtlichen Erträge soweit, als dort auf das Verhältnis der ausschüttungsfähigen Erträge zu den tatsächlichen Erträgen abgestellt wird. Maßgebend bleibt vielmehr allein der Grundsatz der Vollausschüttung, wobei allenfalls wegen der notwendigen Substanzerhaltung ein gewisser Abschlag berechtigt ist. Die Bundesregierung hat auch die Begründung für den Abzug der 30 v.H. inzwischen geändert (vgl. Abschn. 78 Abs. 3 VStR 1983/1986).

Der erkennende Senat hat bereits früher den Abzug von 30 v.H. als Ausdruck vorsichtiger Bewertung bezeichnet und ist somit nicht der früheren Begründung der Verwaltung gefolgt (vgl. das Senatsurteil vom 12. März 1980 II R 143/76, BFHE 130, 336, 339, BStBl II 1980, 463; so auch das Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 4. Mai 1984 III R 61/83, BFHE 141, 284, 289, BStBl II 1984, 657, zur Anteilsbewertung auf den 31. Dezember 1976).

Da der Abzug der 30 v.H. somit anders zu begründen ist, als dies die VStR früher getan haben, bedarf es keiner Auseinandersetzung mit der mathematisch untermauerten Kritik im Schrifttum (vgl. Clemm, Deutsches Steuerrecht - DStR - 1979, 462; Siegel, Der Betrieb - DB - 1981, 2398).

Im vorliegenden Fall, in dem die Beigeladene 99,8 v.H. der Anteile innehat, ist ein Abzug von 30 v.H. ausreichend, um dem Gesichtspunkt vorsichtiger Bewertung Rechnung zu tragen.

b) Eine andere Beurteilung ist auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil die beigeladene Hauptgesellschafterin nur beschränkt steuerpflichtig und deshalb hinsichtlich der Körperschaftsteuer nicht anrechnungsberechtigt ist. Im Ergebnis ist auch für sie im Inland die Doppelbelastung beseitigt. Die Körperschaftsteuer ermäßigt sich bei angenommener Vollausschüttung auf 36 v.H. wie bei den anrechnungsberechtigten Anteilseignern. Die Anrechnung der Ausschüttungsbelastung auf die Körperschaftsteuer wird durch die in § 50 Abs. 5 Satz 2 EStG angeordnete Abgeltung ausreichend ersetzt (vgl. Blümich/Falk, Einkommensteuergesetz, § 50 Tz. 40; Herrmann/Heuer/Raupach, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 50 EStG Tz. 203). Im Ergebnis tritt dadurch im Inland eine vergleichbare Belastung wie bei den unbeschränkt Steuerpflichtigen ein, nämlich 16 v.H. auf die angenommene und um die Ausschüttungsbelastung erhöhte Vollausschüttung und 36 v.H. Ausschüttungsbelastung (zusammen 52 v.H.). Nach Auffassung des Senats steht die Abgeltungswirkung hinsichtlich der Kapitalertragsteuer und der Ausschüttungsbelastung der Anrechnung auf die Körperschaftsteuer oder Einkommensteuer eines Anteilseigners gleich. Eine unterschiedliche Behandlung der Anteile, je nachdem, ob eine Anrechnungsberechtigung besteht oder nicht, kommt danach nicht in Betracht.