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BFH-Urteil vom 21.10.1988 (VI R 18/86) BStBl. 1989 II S. 356

Ein neuer Flügel mit Anschaffungskosten von rd. 30.000 DM kann bei einer Dozentin an einem städtischen Konservatorium und Korrepetitorin für Examenskandidaten auf dem Gebiet der Musik ein Arbeitsmittel i. S. des § 9 Abs. 1 Nr. 6 EStG sein.

EStG 1980 § 9 Abs. 1 Nrn. 1, 6 und 7.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist als Dozentin an einem städtischen Konservatorium tätig. Sie kaufte am 26. November 1980 einen Steinway-Flügel zu einem Preis von 30.609 DM. Für einen Teil des Kaufpreises nahm sie ein Darlehen auf, für das sie im Streitjahr 1980 603,12 DM Zinsen gezahlt hat.

Die Klägerin machte in ihrer Einkommensteuererklärung 1980 die Anschaffungskosten für den Flügel in voller Höhe als Werbungskosten geltend.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) versagte im Einkommensteuerbescheid 1980 die von der Klägerin geltend gemachten Aufwendungen für den Flügel. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Die Klägerin begehrte mit der Klage die Berücksichtigung einer Absetzung für Abnutzung (AfA) auf den Flügel von 170 DM für den Monat Dezember 1980 unter Zugrundelegung einer Nutzungsdauer von 15 Jahren und den Abzug von Schuldzinsen von 603 DM.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es führte u.a. aus:

Der Flügel sei als Arbeitsmittel anzuerkennen, da er nach Überzeugung des Gerichts weitaus überwiegend der Förderung des Berufs der Klägerin diene. Das Schwergewicht ihrer Tätigkeit liege nicht wie bei einer Lehrerin an einem Gymnasium im theoretischen, sondern im praktischen Bereich. Sie müsse die hohe Schule des Klavierspiels beherrschen, um diese Fähigkeit anderen vermitteln zu können.

Die Klägerin sei zudem als Korrepetitorin für Examenskandidaten auf dem Gebiet der Musik tätig. Die Kandidaten, die ihre Prüfung als Instrumentalsolisten ablegen wollten, könnten nur dann gerecht beurteilt werden, wenn die Korrepetitorin sie auf gleichem Niveau begleite, d.h. wenn sie sich in Ausdruck, Schnelligkeit und Dynamik dem Solisten voll anpasse. Die Vorbereitung hierzu erfordere von der Klägerin ein ständiges Üben daheim.

Bei ihr als beruflich engagierter Musikerin sei die Verwendung des Musikinstruments im privaten Bereich von untergeordneter Bedeutung. Denn ein Berufsmusiker pflege nach mehrstündigem Üben nicht noch eine Zeitlang "zur eigenen Erbauung" Stücke zu spielen, die für ihn beruflich nicht von Bedeutung seien. Die Klägerin könne nicht darauf verwiesen werden, daß sie sich zu einem niedrigeren Preis einen gebrauchten Flügel hätte anschaffen können.

Die AfA sei - wie beantragt - nur in Höhe des auf den Monat Dezember 1980 entfallenden Teils anzuerkennen, weil die AfA-Vereinfachungsregelung erst ab dem Veranlagungszeitraum 1981 in Abschn. 30 Abs. 3 Satz 2 der Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) eingeführt worden sei. Bei der geringen Höhe der begehrten AfA könne es dahingestellt bleiben, ob die von der Klägerin mit 15 Jahren veranschlagte Nutzungsdauer angemessen sei. Es sei zu erwägen, ob nicht in den Folgejahren der Ansatz einer Nutzungsdauer von etwa 30 Jahren zutreffender sei.

Gegen das Urteil hat das FA Revision eingelegt. Im Rahmen der Revisionsbegründung weist das FA darauf hin, daß die Klägerin den Flügel auch bei Kammermusikabenden zur privaten Musikausübung benutzt habe.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Das FG hat ohne Rechtsverstoß die im Klageverfahren geltend gemachte AfA auf den im Streitjahr angeschafften Flügel von 170 DM und die Schuldzinsen für den Kredit zur Anschaffung des Flügels in Höhe von 603 DM zu Recht als Werbungskosten bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit zum Abzug zugelassen.

Nach § 9 Abs. 1 Nr. 6 EStG 1980 sind Werbungskosten auch Aufwendungen für Arbeitsmittel. Arbeitsmittel sind bei den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit die Wirtschaftsgüter, die unmittelbar dieser Tätigkeit zu dienen bestimmt sind. Die Güter müssen ausschließlich oder zumindest weitaus überwiegend nur zur Einnahmeerzielung beruflich genutzt werden (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 18. Februar 1977 VI R 182/75, BFHE 121, 444, BStBl II 1977, 464). Eine geringfügige private Mitbenutzung ist unschädlich. Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, ist unter Würdigung aller Umstände nach der tatsächlichen Zweckbestimmung, d.h. nach der Funktion des Wirtschaftsgutes im Einzelfall, festzustellen.

Das FG hat im Streitfall den Sachverhalt dahin gewertet, daß der Flügel als Arbeitsmittel anzuerkennen ist, weil die Klägerin ihn so gut wie ausschließlich beruflich genutzt hat. Diese Würdigung ist rechtlich möglich. Der Senat ist an sie gebunden, da das FA hiergegen keine zulässigen und begründeten Revisionsrügen vorgebracht hat (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Das FG hat ohne Rechtsirrtum darauf abgestellt, daß die Klägerin zur Vorbereitung ihrer beruflichen Tätigkeit als Dozentin am städtischen Konservatorium und als Korrepetitorin für Examenskandidaten darauf angewiesen ist, auf dem Flügel zu Hause in erheblichem Umfang zu üben. Das FG konnte rechtsirrtumsfrei davon ausgehen, daß bei einer solchen beruflichen Tätigkeit ungleich höhere Anforderungen an das Klavierspiel gestellt werden als etwa an eine Musiklehrerin an einem Gymnasium. Das FG konnte ohne Rechtsverstoß daraus den Schluß ziehen, daß die Klägerin einen Flügel mit Anschaffungskosten von 30.609 DM als ein für sie geeignetes Arbeitsmittel halten konnte.

Die Höhe des Aufwandes spricht daher im Streitfall nicht für eine private Mitveranlassung von nicht unerheblicher Bedeutung. Das FA beruft sich insoweit zu Unrecht auf das Urteil des Senats vom 10. März 1978 VI R 111/76 (BFHE 125, 52, BStBl II 1978, 459). Der Senat läßt es dahingestellt, ob er an den Grundsätzen dieser Entscheidung noch in vollem Umfang festhält (vgl. auch Urteil des Senats vom 10. Oktober 1986 VI R 193/83, BFH/NV 1987, 88, und die bei v. Bornhaupt in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 9 Rdnr. H 100, Stichwort: "Konzertflügel", erwähnte, teilweise widersprüchliche Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und der FG). Er braucht hierauf nicht einzugehen, da diese Entscheidung einen anderen Sachverhalt betraf. Entscheidend kam es damals darauf an, daß die Steuerpflichtige, eine Musiklehrerin an einem Gymnasium, die von ihr zu Hause erarbeiteten Feinheiten des Klavierspiels in der Schule, in der sie unterrichtete, gar nicht vorführen und verwerten konnte, da Flügel und Klavier dort in einem praktisch unbespielbaren Zustand waren. Der Senat wies in dieser Entscheidung zugleich darauf hin, daß die Verhältnisse z.B. bei einer Pianistin, die öffentliche Konzerte gibt, anders liegen könnten. So ist es hier. Die Klägerin unterrichtete nicht Schulklassen in Musik, sondern bildet Personen im Klavierspiel aus, die ihrerseits Musikerzieher bzw. Berufsmusiker in diesem Fach werden wollen.

Das FG konnte den Sachverhalt ohne Rechtsverstoß auch dahin würdigen, daß die Klägerin den Flügel nur untergeordnet privat genutzt hat. Dies wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß sie gelegentlich private häusliche Kammermusikabende veranstaltet hat.

Das FG ist ebenfalls zu Recht davon ausgegangen, daß die Anschaffungskosten von 30.609 DM im Streitjahr nicht in vollem Umfang als Werbungskosten zum Abzug zuzulassen sind, sondern daß als Werbungskosten nur der Wertverzehr in Form der AfA nach Maßgabe des § 9 Abs. 1 Nr. 7 EStG berücksichtigungsfähig ist (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 8. Februar 1974 VI R 326/70, BFHE 111, 341, BStBl II 1974, 306). Es ist im Ergebnis auch nicht zu beanstanden, daß das FG für das Streitjahr 1980 eine AfA in Höhe von 170 DM berücksichtigt hat. Das FG konnte die Frage offenlassen, ob die der AfA zugrunde zu legende Nutzungsdauer des Flügels 15 Jahre oder 30 Jahre beträgt. Hierauf kommt es im Streitfall deshalb nicht an, weil der Klägerin bei Anschaffung des Flügels am 26. November 1980 die AfA für die Monate November und Dezember 1980 zustand, was bei einer 30jährigen Nutzungsdauer des Flügels ebenfalls zu der von der Klägerin begehrten AfA von 170 DM führt. Über den Antrag, eine AfA von nur 170 DM zu berücksichtigen, konnte das FG nicht hinausgehen, auch wenn die Nutzungsdauer des Flügels nur mit 15 Jahren zu veranschlagen sein sollte.

Das FG konnte im Streitfall auch die Schuldzinsen für den Kredit zur Anschaffung des Flügels von 603 DM als Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 EStG zulassen. Handelt es sich um die Anschaffung eines Arbeitsmittels, so sind Zinsen für die Aufnahme eines Kredits zur Anschaffung dieses Wirtschaftsguts Werbungskosten im Sinne dieser Vorschrift. Denn im Hinblick auf den Einsatz des Flügels als Arbeitsmittel stehen die Zinsen mit den Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit ebenfalls im wirtschaftlichen Zusammenhang (vgl. auch BFH-Urteil vom 1. Oktober 1982 VI R 192/79, BFHE 136, 488, BStBl II 1983, 17).