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  BFH-Urteil vom 21.2.1990 (II R 78/86) BStBl. 1990 II S. 490

"Kurs" i.S. des § 11 Abs. 1 BewG ist auch der im Kursblatt einer Börse angegebene Kurs mit dem Zusatz "G".

Dieser Kurs ist jedoch für die Bewertung nicht maßgebend, wenn er im geregelten Freiverkehr veröffentlicht wurde und erwiesen ist, daß ihm kein Kaufangebot innerhalb der Dreißig-Tage-Frist des § 11 Abs. 1 Satz 2 BewG zugrunde liegt.

BewG § 11 Abs. 1.

Vorinstanz: FG Nürnberg (EFG 1986, 545)

Sachverhalt

I.

Die Beteiligten streiten darum, ob die Aktien der Klägerin mit dem im Bundessteuerblatt veröffentlichten Börsenkurs oder im Verfahren nach § 113a des Bewertungsgesetzes (BewG) zu bewerten sind.

Das Grundkapital der Klägerin von .... DM ist in .... Aktien zu je .... DM aufgeteilt. Die Aktien sind in den geregelten Freiverkehr an der Bayerischen Börse einbezogen. Im Kursblatt dieser Börse war ein Kurs von "1.750, - G" angegeben. Dementsprechend hat der Bundesfinanzminister in der Bekanntmachung der Kurse und Rücknahmepreise, die bei der Hauptfeststellung der Einheitswerte der gewerblichen Betriebe und bei der Hauptveranlagung zur Vermögensteuer maßgebend sind, den Kurs für eine Aktie der Klägerin im Nennwert von .... DM mit 1.750 DM angegeben.

Unaufgefordert reichte die Klägerin beim beklagten Finanzamt (FA) eine Erklärung zur gesonderten Feststellung des Wertes der Aktien ein. Sie errechnete darin den gemeinen Wert der Aktien nach dem sog. Stuttgarter Verfahren mit 175 v.H. des Nennwerts.

Das FA lehnte den Antrag auf gesonderte Feststellung des Wertes der Aktien im Verfahren nach § 113a BewG ab. Den Einspruch wies es zurück. Der genannte Börsenkurs sei maßgebend für die Bewertung der Aktien.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Mit der vom FG zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin weiterhin ihr Klageziel.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Der Senat teilt grundsätzlich die Auffassung des FG, daß "Kurs" i.S. des § 11 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 3 BewG auch ein im geregelten Freiverkehr veröffentlichter Kurs mit dem Zusatz "G" ist.

§ 11 BewG nennt in seinen Absätzen 1 und 2 als Bewertungsmaßstab Vorgänge innerhalb und außerhalb des Börsenverkehrs. Dabei ist der Kreis der bewertungserheblichen Vorgänge außerhalb der Börse enger gezogen als derjenige der Vorgänge innerhalb der Börse.

Außerhalb der Börse ist als Wertmaßstab nur der Preis aus (zeitnahen) "Verkäufen" maßgebend (§ 11 Abs. 2 Satz 2 BewG). Ein bloßes Angebot hat keine Bedeutung. Denn es besteht die Möglichkeit, daß ein solches Angebot unrealistische Preisvorstellungen des Anbietenden ausdrückt. Diese Gefahr hält der Gesetzgeber im Börsenverkehr für ausgeschlossen. Den Vorgängen innerhalb der Börse räumt er daher eine größere Bedeutung ein. Hier läßt § 11 Abs. 1 BewG den (zeitnahen) notierten Kurs im amtlichen Handel und im geregelten Freiverkehr auch dann gelten, wenn er mit dem Zusatz "G" versehen ist und daher nur eine nicht befriedigte Nachfrage als Grundlage hat. Das Gesetz spricht zwar vom geregelten Freiverkehr und vom amtlichen "Handel", meint damit aber offensichtlich nicht "Verkäufe", sondern nur den Börsenverkehr als Institution im Gegensatz zum Wertpapierverkehr außerhalb der Börse. Denn es verwendet den Begriff "Kurs", der verschiedene "Zusätze" und "Hinweise" gestattet, u.a. den im vorliegenden Fall verwendeten Hinweis "G" (vgl. § 28 II der Bayerischen Börsenordnung vom 16. Oktober 1975). Damit wird von dem Begriff des Kurses auch die nicht befriedigte Nachfrage erfaßt. Hätte der Gesetzgeber im amtlichen Handel und geregelten Freiverkehr nur abgeschlossene Kaufverträge (Verkäufe) als Bewertungsmaßstab gelten lassen wollen, hätte er den Begriff "Börsenpreis" gemäß § 29 des Börsengesetzes (BörsG) verwenden können. Dieser umfaßt nur einen Teilbereich des Kurses; denn er hat nur tatsächlich abgeschlossene Geschäfte zur Grundlage. Ein Geldkurs ist daher kein Börsenpreis (vgl. Schwark, Börsengesetz, § 29 Rdnrn. 1 und 2).

Von dem Grundsatz, daß der Begriff des amtlich notierten Kurses zumindest den Börsenpreis i.S. des § 29 BörsG umfaßt, ist der Senat auch schon in dem Urteil vom 23. Februar 1977 II R 63/70 (BFHE 121, 509, BStBl II 1977, 427) ausgegangen. Er hat aber offengelassen, ob auch sog. Brief- oder Geldkurse von § 13 BewG 1934 (jetzt § 11 BewG 1965) erfaßt wurden. Diese Frage beantwortet er jetzt (teilweise) dahin, daß grundsätzlich auch ein im amtlichen Handel und im geregelten Freiverkehr notierter Geldkurs ein Kurs i.S. des § 11 Abs. 1 BewG ist. Denn diese Kursnotierung enthält die Aussage, daß am Markt die Bereitschaft besteht, Aktien zu dem festgesetzten Kurs zu kaufen.

Das angefochtene Urteil muß jedoch aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen werden, weil die Klägerin einwendet, dem hier notierten Geldkurs habe kein Kaufangebot innerhalb des nach § 11 Abs. 1 Satz 2 BewG maßgebenden Dreißig-Tage-Zeitraumes zugrunde gelegen. Diesem Einwand wird das FG durch Vernehmung des Börsenmaklers nachgehen müssen, und zwar aus folgenden Gründen:

Der im geregelten Freiverkehr notierte Geldkurs ist dem im amtlichen Handel notierten Geldkurs nicht gleichwertig. Der Handel mit Wertpapieren im geregelten Freiverkehr vollzieht sich zwar entsprechend den sog. Usancen im nichtamtlichen Handel ebenfalls nach festen Regeln. Jedoch bestimmt § 43 Satz 1 BörsG ausdrücklich, daß für solche zum (amtlichen) Handel nicht zugelassene Wertpapiere "eine amtliche Feststellung des Preises nicht erfolgen" darf. Dementsprechend unterscheidet auch § 30 der Bayerischen Börsenordnung vom 16. Oktober 1975 zwischen den im amtlichen Handel festgestellten Kursen und den Preisen von Wertpapieren, die im Freiverkehr gehandelt werden. Erstere werden "im amtlichen Kursblatt .... bekanntgegeben", letztere können (nur) "veröffentlicht" werden.

Werden demnach nur im amtlichen Handel die Kurse amtlich festgestellt, so haben diese Kurse auch im Rahmen des § 11 Abs. 1 BewG ein größeres Gewicht als die im geregelten Freiverkehr veröffentlichten Kurse. Die Kapitalgesellschaft oder ihre Anteilseigner können nicht mit Erfolg einwenden, dem amtlich festgestellten Geldkurs liege kein Kaufangebot in dem nach § 11 Abs. 1 Satz 2 BewG maßgebenden Dreißig-Tage-Zeitraum zugrunde. Selbst wenn sich diese Behauptung bestätigt, müssen Finanzbehörden und Finanzgerichte den amtlich festgestellten Kurs berücksichtigen, wenn er nicht gestrichen wird (vgl. § 29 Abs. 3 BörsG).

Der im geregelten Freiverkehr veröffentlichte Kurs hat dagegen auch bewertungsrechtlich schwächere Wirkung. Da er nicht amtlich festgestellt ist, kann er den Einwand, der veröffentlichte Geldkurs habe kein Kaufangebot innerhalb des genannten Dreißig-Tage-Zeitraumes zur Grundlage, nicht ausschließen. Erweist sich der Einwand als zutreffend, so ist der Kurs für die Bewertung nicht maßgebend.