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  BFH-Urteil vom 7.9.1989 (IV R 128/88) BStBl. 1990 II S. 19

Zum Abzug von Aufwendungen für den Bezug von Tageszeitungen, Wochenzeitschriften und eines Radiogeräts bei einem Kulturkritiker.

EStG § 4 Abs. 4, § 12 Nr. 1.

Vorinstanz: FG Berlin

Sachverhalt

Der Kläger, Revisionskläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erzielt Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit als Journalist (Kulturkritiker). Bei den Einkommensteuerveranlagungen 1983 und 1984 machte der Kläger u.a. die Kosten für den Bezug der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, der Frankfurter Rundschau, der Süddeutschen Zeitung und der Zeitschriften Spiegel und Die Zeit als Betriebsausgaben geltend; der Kläger bezieht außerdem die Tageszeitungen Tagesspiegel und Tageszeitung. Ferner zog der Kläger 1984 die Anschaffungskosten für ein (zweites) Radiogerät (Weltempfänger) in Höhe von 545 DM als Betriebsausgaben ab. Der Beklagte, Revisionsbeklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) erkannte weder die Ausgaben für den Bezug der Tageszeitungen und Zeitschriften noch die Anschaffungskosten für das Radiogerät als Betriebsausgaben an. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

Auf die Klage ließ das Finanzgericht (FG) die Kosten für den Bezug der drei überregionalen Tageszeitungen, nicht hingegen die Bezugskosten des Spiegel und Die Zeit und die Anschaffungskosten des Radiogerätes zum Abzug als Betriebsausgaben zu.

Dagegen richten sich die vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) zugelassenen Revisionen des Klägers und des FA, mit denen Verletzung materiellen Rechts gerügt wird.

Der Kläger beantragt, weitere Betriebsausgaben in Höhe von 1.280,80 DM für 1983 und von 1.720,80 DM für 1984 zu berücksichtigen und die Revision des FA als unbegründet zurückzuweisen.

Das FA beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen und die Revision des Klägers als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist unbegründet, die des FA hingegen begründet; letztere führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Abweisung der Klage.

1. Die Kosten für den Bezug der Zeitungen und Zeitschriften und der Anschaffung des Radiogerätes sind nicht als Betriebsausgaben abziehbar. Dem Abzug steht das Abzugsverbot des § 12 Nr. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) entgegen. Zwar sind Aufwendungen als Betriebsausgaben abziehbar, wenn ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen ihnen und dem Betrieb (Beruf) besteht (vgl. Senatsurteil vom 14. April 1988 IV R 205/85, BFHE 153, 129, BStBl II 1988, 771, m. w. N.). Berühren jedoch diese Aufwendungen zugleich die private Lebensführung, besteht nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) grundsätzlich ein Aufteilungs- und Abzugsverbot (vgl. Beschlüsse des Großen Senats des BFH vom 19. Oktober 1970 GrS 2/70, BFHE 100, 309, BStBl II 1971, 17; vom 19. Oktober 1970 GrS 3/70, BFHE 100, 317, BStBl II 1971, 21, und vom 27. November 1978 GrS 8/77, BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213).

2. Nach der Rechtsprechung des BFH gehören Aufwendungen für den Bezug regionaler wie überregionaler Tageszeitungen zu den unter § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG fallenden Lebenshaltungskosten. Der Senat hat dies im Urteil vom 5. April 1962 IV 127/60 U (BFHE 75, 279, BStBl III 1962, 368) für eine regionale und im Urteil vom 30. Juni 1983 IV R 2/81 (BFHE 139, 151, BStBl II 1983, 715) für eine überregionale Tageszeitung (Frankfurter Allgemeine Zeitung) ausgesprochen. Nichts anderes gilt für den Bezug der Wochenzeitschriften "Der Spiegel" und "Die Zeit". Beide Zeitschriften berichten in einem breit gefächerten Spektrum über allgemein interessierende Themen aus Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur, Sport und anderen Bereichen und können deshalb unter dem Gesichtspunkt des Abzugsverbots nicht anders als Tageszeitungen behandelt werden. Ebenso wie die vom Kläger bezogenen Tageszeitungen können sie deshalb auch nicht als Fachzeitschriften angesehen werden. Die Erwägungen, die den VI. Senat veranlaßt haben, die Kosten für den Bezug des "Handelsblatts" zum Betriebsausgabenabzug zuzulassen (Urteil vom 12. November 1982 VI R 193/79, Der Betrieb 1983, 372) treffen weder auf die Tageszeitungen (vgl. Urteil in BFHE 139, 151, BStBl II 1983, 715) noch auf Wochenzeitungen wie "Die Zeit" und den "Spiegel" zu. Radiogeräte bieten vielfältige Möglichkeiten der Unterhaltung und der Information und werden üblicherweise nicht nur zur Unterrichtung und Fortbildung auf dem betrieblichen oder beruflichen Gebiet des jeweiligen Halters genutzt. Ebenso wie die Kosten eines Fernsehgeräts fallen deshalb auch die Kosten eines Radiogeräts unter das Abzugs- und Aufteilungsverbot, sofern nicht wegen seiner Funktion im Einzelfall, z.B. bei einem in Betriebsräumen von Arbeitnehmern genutzten Gerät, ein Bezug zur Lebensführung ausscheidet (vgl. Beschlüsse in BFHE 100, 309, BStBl II 1971, 17, und BFHE 100, 317, BStBl II 1971, 21) oder es sich um ein Autoradio handelt, das unselbständiger Bestandteil eines zum Betriebsvermögen gehörenden Kraftfahrzeugs ist (BFH-Urteil vom 24. Oktober 1972 VIII R 201/71, BFHE 107, 294, BStBl II 1973, 78).

3. Gemischte Aufwendungen sind allerdings nach der vorbezeichneten Rechtsprechung abziehbar, wenn der private Anlaß unbedeutend ist und nicht ins Gewicht fällt. Betrachtet man bei den Zeitungen und Zeitschriften jede einzeln, so liegt auf der Hand, daß die Aufwendungen für sie unter das Abzugsverbot fallen. Dieses könnte nur dann nicht eingreifen, wenn man, wie das FG, eine Art von Gesamtbetrachtung anstellt und mit Rücksicht darauf, daß der Kläger auch zwei regionale Tageszeitungen bezieht und deren Kosten nicht als Betriebsausgaben abzieht, unterstellt, die anderen Tageszeitungen würden ausschließlich oder so gut wie ausschließlich genutzt, um Informationen für die berufliche Arbeit zu gewinnen. Dazu ist aber zu bedenken, daß zahlreiche Steuerpflichtige auch ohne jeden betrieblichen oder beruflichen Bezug ständig mehrere Tageszeitungen und daneben auch Wochenzeitungen beziehen. Insbesondere ist die Ergänzung der Unterrichtung durch eine regionale Tageszeitung durch den Bezug überregionaler Tageszeitungen weit verbreitet. Der Bezug mehrerer (auch von mehr als zwei) Tageszeitungen dient dann sowohl dem Zweck einer besonders umfassenden Information als auch der Möglichkeit, unterschiedliche Wertungen der Tagesereignisse in Form von Kommentaren und Glossen zu erfahren. Es entspricht auch nicht der Lebenserfahrung, daß beim Bezug verschiedener Tageszeitungen allgemeine Informationen nur aus einer (oder mehreren) bestimmten Zeitungen, die berufsbezogenen Informationen hingegen ausschließlich aus den anderen Zeitungen entnommen werden. Typisch ist vielmehr, daß sämtliche Zeitungen sowohl unter dem einen wie auch unter dem anderen Gesichtspunkt durchgesehen werden. Abweichende für den Senat nach § 118 Abs. 2 FGO bindende Feststellungen tatsächlicher Art, aus denen sich ergäbe, daß der Kläger entgegen der Lebenserfahrung bestimmten Zeitungen nur ihn beruflich interessierende Informationen entnommen, andere hingegen nicht auf solche, sondern nur auf ihn lediglich allgemein wie jeden anderen Zeitungsleser interessierende Nachrichten und Berichte durchgesehen hätte und wie dabei konkret verfahren wurde, enthält das FG-Urteil nicht.

4. Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, daß auch die weitere Ausnahme vom Abzugs- und Aufteilungsverbot nicht eingreift, wonach eine Aufteilung in einen abziehbaren und einen nicht abziehbaren Teil der Aufwendungen möglich ist, wenn zwar der private Nutzungsanteil nicht unbedeutend ist, die Aufteilung sich aber leicht und einwandfrei nach einem objektiven Maßstab durchführen läßt. Die Aufteilung der Aufwendungen für Tageszeitungen in solche für regionale und solche für überregionale Blätter ist, wie dargelegt, kein geeigneter Maßstab, da alle Zeitungen Informationen über den Kläger nur allgemein und ihn speziell beruflich interessierende Themen vermitteln. Bei den Wochenzeitschriften wie beim Radio und auch bei jeder einzelnen Tageszeitung läßt sich auch nicht nach objektiven Kriterien bestimmen, in welchem Umfang das Einzelobjekt zur Erlangung beruflicher und außerberuflicher Informationen genutzt wurde.

5. Das FG hat dies alles im Grundsatz nicht verkannt, sondern meint, seine Entscheidung auf das Senatsurteil vom 11. November 1976 IV R 3/73 (Steuerrechtsprechung in Karteiform, EStG bis 1974, § 12 Ziff. 1, Rechtsspruch 402, Betriebs-Berater 1978, 1.293) stützen zu können. Im Urteil IV R 3/73 hat der Senat einen Teil der Aufwendungen einer Sängerin für bürgerliche Kleidung, Kosmetika und Friseur mit der Begründung zum Betriebsausgabenabzug zugelassen, die Aufwendungen seien aus beruflichen Gründen ungewöhnlich hoch gewesen. es würde zu einer unzutreffenden Besteuerung, d.h. zu einer gegen das Gebot der Gleichmäßigkeit der Besteuerung verstoßenden erheblichen Belastung führen, wenn diese außergewöhnlich hohen Aufwendungen bei der Ermittlung der Einkünfte insgesamt nicht als Betriebsausgaben berücksichtigt würden. An dieser Rechtsprechung hält der Senat nicht fest; auf das Urteil des Senats vom 6. Juli 1989 IV R 91-92/87 (BFHE 158, 221) wird verwiesen.

6. Verfehlt ist der Einwand des Klägers, angestellte Journalisten oder solche, die den Zugriff auf Archive, Bibliotheken usw. hätten, hätten ihm gegenüber einen Wettbewerbsvorsprung, wenn seine Aufwendungen nicht zum Betriebsausgabenabzug zugelassen würden. Bei angestellten Journalisten sowie bei Nutzung von Zeitschriften in Archiven und Bibliotheken fällt zwar insoweit beim Benutzer kein Aufwand an. Die tatsächlichen eigenen Aufwendungen für Tageszeitungen können aber auch diese Personen nach § 12 Nr. 1 EStG regelmäßig nicht als Betriebsausgaben abziehen. Darauf, ob nur eine oder mehrere Zeitungen und Zeitschriften gehalten werden, kommt es, wie dargelegt, nicht an.

Danach war die Revision des Klägers als unbegründet zurückzuweisen. Auf die Revision des FA war das FG-Urteil aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Klage wird abgewiesen.