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  BFH-Urteil vom 29.9.1989 (III R 304/84) BStBl. 1990 II S. 62

Eine auswärtige Unterbringung i.S. des § 33a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG 1977 liegt nicht vor, wenn ein Gymnasiast während der Schulferien an einem dreiwöchigen Sprachkursus im Ausland teilnimmt (Anschluß an das BFH-Urteil vom 25. März 1983 VI R 188/81, BFHE 138, 89, BStBl II 1983, 457).

EStG 1977 § 33a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2.

Vorinstanz: FG Berlin

Sachverhalt

I.

Der 1962 geborene Sohn J der Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) besuchte im Streitjahr (1979) in Berlin (West) ein Gymnasium. Vom 19. Juli bis zum 9. August 1979 nahm er - während der Sommerferien - an einem Sprachkursus in Eastbourne/England teil. Er wohnte während dieser Zeit in einer englischen Familie und hatte täglich vier Stunden Unterricht. Zum Abschluß des Kurses erhielt er von der veranstaltenden Schule eine Teilnahmebescheinigung.

Die Kläger wendeten für die Reise und den dreiwöchigen Aufenthalt ihres Sohnes insgesamt 1.066,80 DM auf. Sie beantragten deswegen in ihrer Einkommensteuererklärung für 1979 den Abzug eines anteiligen Ausbildungsfreibetrages nach § 33a Abs. 2 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1977 in Höhe von 300 DM. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) gewährte den Freibetrag - auch im Einspruchsverfahren - nicht.

Die Klage hatte hingegen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) war der Auffassung, der Sprachkurs sei Teil der Berufsausbildung des Sohnes gewesen. Dieser habe sich deswegen - während seine Mitschüler Ferien hatten - auch "zur" Berufsausbildung i.S. des § 33a Abs. 2 Nr. 2 EStG 1977 in England aufgehalten. Schließlich sei er dort auch "auswärtig" im Sinne dieser Vorschrift untergebracht gewesen. Unter einer "auswärtigen" Unterbringung sei jede Unterbringung außerhalb des regelmäßigen Haushalts, hier des Haushalts der Eltern, zu verstehen. Ob das auch für kurzfristige auswärtige Aufenthalte, wie z.B. in einem Schullandheim oder bei einer mehrtägigen Klassenreise gelte, könne dahingestellt bleiben. Denn im Streitfall sei diese Bagatellgrenze deutlich überschritten.

Dagegen richtet sich die vom seinerzeit für die Streitsache noch zuständigen VI. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) zugelassene Revision des FA. Es rügt die Verletzung materiellen Rechts und macht geltend, für die Annahme einer auswärtigen Unterbringung i.S. des § 33a Abs. 2 Nr. 2 EStG 1977 sei ein Wohnen von einer "gewissen Dauerhaftigkeit" erforderlich.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger haben sich im Revisionsverfahren nicht geäußert.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage.

Das FG hat den Begriff der auswärtigen Unterbringung i.S. des § 33a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG 1977 verkannt. Seine Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt.

1. Nach § 33a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG 1977 werden auf Antrag 1.800 DM im Kalenderjahr vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen, wenn das Kind - neben anderen, hier nicht streitigen Voraussetzungen - zur Berufsausbildung auswärtig untergebracht ist. Für jeden vollen Kalendermonat, in dem diese Voraussetzungen nicht vorgelegen haben, ermäßigt sich der Betrag um je 1/12 (§ 33a Abs. 4 EStG 1977).

2. Der VI. Senat des BFH hatte bereits in seinem Urteil vom 26. Mai 1971 VI R 203/68 (BFHE 102, 385, BStBl II 1971, 627) entschieden, daß der Begriff der auswärtigen Unterbringung ein auf eine bestimmte Dauer abgestelltes Wohnen außerhalb des elterlichen Haushalts bzw. ein auswärtiges Wohnen von gewisser Dauerhaftigkeit voraussetze. Er hat an dieser Auslegung in zwei späteren, zeitlich nach dem angefochtenen Urteil des FG ergangenen Entscheidungen festgehalten (Urteile vom 5. November 1982 VI R 47/79, BFHE 137, 42, BStBl II 1983, 109, und vom 25. März 1983 VI R 188/81, BFHE 138, 89, BStBl II 1983, 457). In dem ersten Urteil ist insbesondere darauf hingewiesen, daß durch den Freibetrag nach § 33a Abs. 2 Nr. 2 EStG nicht die - mehr oder weniger aufwendigen - Ausbildungskosten für das Kind berücksichtigt werden sollen; denn diese seien bereits durch das Kindergeld abgegolten. Dem zweiten Urteil (in BFHE 138, 89, BStBl II 1983, 457, von dem nur der Leitsatz veröffentlicht ist) lag ein Sachverhalt zugrunde, der mit dem des vorliegenden Falles nahezu identisch ist. Der VI. Senat hat dort die Gewährung des Freibetrages abgelehnt, weil der Aufenthalt in England nur der Teilnahme an einem Sprachkursus im Ausland von verhältnismäßig kurzer Dauer gedient habe. Mit derartigen Ferienkursen sei keine räumliche Selbständigkeit des Kindes während einer ganzen Ausbildung oder während eines bestimmten Ausbildungsabschnitts wie bei einem Studiensemester oder Studientrimester verbunden.

Der erkennende Senat schließt sich der Auffassung des VI. Senats an. Soweit danach eine auswärtige Unterbringung die räumliche (und wirtschaftliche) Selbständigkeit des Kindes voraussetzt, hat der erkennende Senat bereits im Urteil vom 6. November 1987 III R 259/83 (BFHE 151, 420, BStBl II 1988, 138) ebenso entschieden. Er folgt dem VI. Senat nunmehr auch hinsichtlich des Erfordernisses einer längeren Dauer einer solchen Selbständigkeit.

Neue Gesichtspunkte, die für die gegenteilige, vom FG vertretene Ansicht sprechen könnten, sind nicht erkennbar. Soweit ersichtlich, geht auch das neuere Schrifttum übereinstimmend davon aus, daß eine "auswärtige" Unterbringung eine gewisse Dauer erfordere; d.h. die Unterbringung müsse darauf angelegt sein, die räumliche (und hauswirtschaftliche) Selbständigkeit des Kindes während einer ganzen Ausbildung oder eines bestimmten Ausbildungsabschnittes zu gewährleisten (so z.B. Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 8. Aufl., § 33a Anm. 4 c; siehe auch Borggreve in Littmann/Bitz/Meincke, Das Einkommensteuerrecht, 15. Aufl., § 33a Rdnr. 55 a; Fitsch in Lademann/Söffing/Brockhoff, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 33a Anm. 75; Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuergesetz und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19. Aufl., § 33a EStG Anm. 211 am Ende; sowie Oepen in Blümich, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz und Gewerbesteuergesetz, 13. Aufl., § 33a EStG, Abschn. V Nr. 2).

3. Danach hat das FA den Klägern den Abzug der streitigen Kosten gemäß § 33a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG 1977 zu Recht versagt. Der Sohn der Kläger war im Streitjahr weder während der ganzen Ausbildung noch während eines bestimmten Ausbildungsabschnittes auswärtig untergebracht. Bezogen auf den Besuch des Gymnasiums fand der Sprachkursus in den Schulferien vielmehr zwischen zwei Ausbildungsabschnitten statt. Der Sprachkurs selbst kann schon wegen der geringen Anzahl der Unterrichtsstunden und der kurzen Dauer nicht als eigener, gesondert zu wertender Ausbildungsabschnitt im vorstehenden Sinne angesehen werden. Eine nur dreiwöchige Abwesenheit von zu Hause reicht für die Annahme der nach § 33a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG 1977 erforderlichen Ausgliederung aus dem Haushalt der Eltern nicht aus.