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  BFH-Urteil vom 18.10.1989 (I R 203/84) BStBl. 1990 II S. 68

1. Ein Vertrag über eine stille Beteiligung zwischen Familienangehörigen ist nur dann durchgeführt, wenn die Gewinnanteile entweder ausbezahlt werden oder im Falle einer Gutschrift eindeutig bis zur Auszahlung jederzeit abrufbar gutgeschrieben bleiben.

2. Ein Darlehensvertrag steht der Auszahlung nur dann gleich, wenn er zivilrechtlich wirksam zustande kommt.

3. Mit dem Abschluß eines Darlehensvertrages wird dem stillen Gesellschafter gegenüber keine Verbindlichkeit i. S. des § 181 BGB erfüllt.

EStG § 4 Abs. 4; HGB § 337 Abs. 1 a.F. (§ 232 Abs. 1 n.F.); BGB §§ 181, 184 Abs. 1, 1629, 1795 Abs. 2.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Kaufmann. Er hat vier Kinder, die in den Jahren 1960 bis 1972 geboren sind. Durch notariellen Vertrag vom 21. Dezember 1973 schenkte der Kläger jedem seiner Kinder aus seinem Geschäftskapital 30.000 DM und nahm sie mit Vermögenseinlagen in dieser Höhe als stille Gesellschafter in sein Unternehmen mit Wirkung vom 1. Dezember 1973 auf. Bei der Beurkundung des Vertrages wurden die Kinder durch einen Pfleger vertreten. Der Kläger stellte die Bilanzen 1973 und 1974 am 6. Juni und am 12. November 1975 auf. Er zahlte die Gewinnanteile nicht an die Kinder aus.

Durch Darlehensverträge vom 19. Dezember 1975, die zwischen den Kindern und der KG geschlossen wurden, in die das Einzelunternehmen eingebracht worden war, wurde vereinbart, daß die gutgeschriebenen Gewinnanteile im Jahre 1975 mit 5 v.H. verzinst werden und daß weitere Gewinnanteile der Gesellschafter verzinslich im Unternehmen belassen werden konnten. Bei dieser Vereinbarung waren die Kinder durch die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) vertreten. Das Finanzgericht (FG) nimmt in dem Urteil auf die Vereinbarung Bezug.

Der Kläger behandelte die Gewinnanteile der stillen Gesellschafter in den Jahren 1973 und 1974 als Betriebsausgaben. Nach einer Außenprüfung wurden die stillen Gesellschaften zwischen dem Kläger und seinen Kindern vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) nicht anerkannt.

Gegen die die Streitjahre betreffenden Bescheide legten die Kläger erfolglos Einspruch ein.

Die von den Klägern erhobene Klage wies das FG als unbegründet ab.

Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung des § 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Sie beantragen, den Einspruchsbescheid vom 28. April 1982 und das Urteil des FG aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Voraussetzungen des § 4 Abs. 4 EStG sind hinsichtlich der Gewinnanteile nicht gegeben.

1. Die zwischen dem Kläger und seinen Kindern bestehenden stillen Beteiligungen können der Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden. Verträge zwischen Familienangehörigen können nur dann steuerlich berücksichtigt werden, wenn sie vereinbarungsgemäß tatsächlich durchgeführt werden (so speziell für den Fall der stillen Beteiligung Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 8. August 1974 IV R 101/73, BFHE 113, 361, BStBl II 1975, 34). Im Streitfall fehlt es an der tatsächlichen Durchführung der Vereinbarung. Die Kinder hatten gemäß § 337 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches - HGB - (jetzt § 232 Abs. 1 HGB) Anspruch auf Auszahlung der auf sie entfallenden Gewinnanteile am Schluß jedes Geschäftsjahres. Eine von § 337 Abs. 1 HGB abweichende Regelung ist in dem Vertrag über die Begründung der stillen Beteiligungen nicht vorgesehen. Nach der zum Inhalt der Verträge gehörenden Regelung in § 337 Abs. 1 HGB wurde nicht verfahren.

2. Der Senat kann offenlassen, ob eine Gutschrift der Gewinnanteile bereits als Vollzug des Vertrages über die stille Gesellschaft anzusehen ist. Der Senat geht zugunsten der Kläger davon aus, daß dies grundsätzlich zum Vollzug des Vertrages genügt, und außerdem davon, daß im Streitfall die Gewinnanteile zunächst den stillen Gesellschaftern gutgeschrieben wurden. Dennoch wurde nach der zum Inhalt des Vertrages gehörenden Vorschrift des § 337 Abs. 1 HGB nicht so verfahren, daß die Handhabung der Besteuerung zugrunde gelegt werden kann. Dies hätte vorausgesetzt, daß die Gewinnanteile nicht nur gutgeschrieben wurden, sondern auch eindeutig gutgeschrieben blieben, bis sie ausbezahlt wurden, wobei der Auszahlung ein wirksam abgeschlossenes Darlehensverhältnis gleichstünde. Die Behandlung der Gewinnanteile bis zu ihrer Auszahlung ist im Regelungsbereich des Vertrags über die stille Gesellschaft und unterliegt deshalb der Nachprüfung an Hand der Grundsätze, die die Rechtsprechung für die Verträge zwischen Familienangehörigen entwickelt hat.

Im Streitfall wurde mit den stillen Gesellschaftern jeweils ein zivilrechtlich unwirksames Darlehensverhältnis vereinbart (vgl. unten 3), das die stillen Gesellschafter tatsächlich daran hinderte, ihre weiter bestehenden Ansprüche auf sofortigen Abruf der Gewinnanteile geltend zu machen.

3. Das Darlehensverhältnis kann nicht als Ersatz für die Auszahlung und damit als Vollzug der Verträge über die stille Beteiligung zugrunde gelegt werden, weil im Verhältnis zwischen Eltern und Kindern im Steuerrecht nur zivilrechtlich wirksame Verträge berücksichtigt werden (BFH-Urteil vom 30. Januar 1980 I R 194/77, BFHE 130, 265, BStBl II 1980, 449). Die Darlehensverhältnisse waren zivilrechtlich nicht wirksam abgeschlossen.

Die Klägerin konnte den Vertrag nicht wirksam für ihre Kinder abschließen. Die Kinder wurden gemäß § 1.629 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) durch ihren Vater und ihre Mutter gemeinschaftlich vertreten. Eine Vertretung durch die Eltern und damit auch durch einen Elternteil war deshalb nicht möglich, weil der Vater, nämlich der Kläger, von der gesetzlichen Vertretung ausgeschlossen war (Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluß vom 27. Juni 1974 2 Z 38/74, Zeitschrift für das gesamte Familienrecht 1976, 168-Leitsatz). Der Kläger schloß zwar die Vereinbarung vom 19. Dezember 1975 nicht in seinem Namen, sondern namens der KG, in die das bisherige Einzelunternehmen des Klägers eingebracht worden war. Dies ergibt sich aus der Tz. 22 des Betriebsprüfungsberichts und aus den Darlehensverträgen vom 19. Dezember 1975, die das FG, beide durch Bezugnahme, festgestellt hat. Obwohl der Kläger die Vereinbarung nicht im eigenen Namen schloß, ist er gemäß § 1.629 Abs. 2 Satz 1 i.V. m. § 1.795 Abs. 2 i.V. m. § 181 BGB von der Vertretung ausgeschlossen. Nach § 181 BGB kann der Vertreter nicht im Namen des Vertretenen mit sich als Vertreter eines Dritten ein Rechtsgeschäft vornehmen.

Die Anwendbarkeit des § 181 BGB ist nicht deswegen ausgeschlossen, weil das abgeschlossene Rechtsgeschäft den Kindern lediglich einen Vorteil brachte (BFH-Urteil vom 23. Juni 1976 I R 140/75, BFHE 120, 165, BStBl II 1977, 78). Die Kinder wurden durch den Vertrag verpflichtet, Gewinnanteile als Darlehen zu belassen, während sie nach dem ursprünglichen Vertrag berechtigt waren, die Gewinnanteile zu entnehmen.

Gegen die Anwendung des § 181 BGB können die Kläger nicht mit Erfolg geltend machen, mit dem Abschluß der Darlehensverträge seien Verbindlichkeiten gegenüber den Kindern erfüllt worden (§ 181 BGB). Ein Insichgeschäft besteht nur dann ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit, wenn die Verbindlichkeit durch das Insichgeschäft glatt, ohne Abweichung von der geschuldeten Leistung, erfüllt wird und durch die Erfüllung nicht zugleich rechtsgeschäftlich eine neue Verbindlichkeit begründet wird (Soergel, Bürgerliches Gesetzbuch, 12. Aufl., § 181 Rdnr. 43). Die abgeschlossenen Darlehensverträge sind danach nicht als Erfüllung der Verbindlichkeit des Unternehmers anzusehen, die auf Auszahlung der Gewinnanteile ging.

Der Senat geht bezüglich der Verträge vom 19. Dezember 1975 zugunsten der Kläger davon aus, daß die stillen Beteiligungen der Kinder an der KG fortbestanden, in die das Einzelunternehmen eingebracht wurde; denn nur für diesen Fall konnte die mit der KG getroffene Vereinbarung sich auf die stillen Beteiligungen auswirken (zur Frage, inwieweit das mit einem Einzelunternehmen bestehende stille Gesellschaftsverhältnis sich an einer KG fortsetzt, in die das Einzelunternehmen eingebracht wird, vgl. BFH-Urteil vom 18. Dezember 1970 VI R 248/69, BFHE 101, 478, BStBl II 1971, 426).

Aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 18. September 1975 II ZB 6/74, BGHZ 65, 93 = Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1976, 49) kann nicht abgeleitet werden, daß die Darlehensverträge vom 19. Dezember 1975 wirksam zustande gekommen sind. Aus dem Urteil ergibt sich insbesondere nicht, daß der Kläger die Darlehensverträge sowohl als Vertreter der Kinder als auch als Vertreter der KG abschließen konnte und deshalb auch die Klägerin die Darlehensverträge namens der Kinder mit dem Kläger als Vertreter der KG abschließen konnte. Dies gilt auch dann, wenn man zugunsten der Kläger unterstellt, daß sich die stillen Beteiligungen an der KG fortsetzten (vgl. oben). Nach dem angeführten BGH-Urteil besteht keine rechtliche Verhinderung der Eltern, ihre Kinder zu vertreten, wenn bei einer KG, an der der Vater als persönlich haftender Gesellschafter und seine Kinder als Kommanditisten beteiligt sind, Gesellschafterbeschlüsse über Maßnahmen der Geschäftsführung oder sonstige gemeinsame Gesellschaftsangelegenheit gefaßt werden. Eine rechtliche Verhinderung der Eltern wurde daher verneint, wenn sich der persönlich haftende Gesellschafter bei der Aufstellung von Bilanzen und Gewinn- und Verlustrechnungen im Rahmen des Gesellschaftsvertrags und der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung hält. Die Notwendigkeit einer Pflegschaftsanordnung wurde jedoch für den Fall bejaht, daß in die Rechte der Kommanditisten nach dem Gesellschaftsvertrag eingegriffen wird, so daß eine Vertragsänderung notwendig ist. Wendet man die Erwägungen in dem Urteil des BGH auf die stillen Beteiligungen an, so ist der Elternteil, an dessen Unternehmen die stille Beteiligung besteht, von der gesetzlichen Vertretung ausgeschlossen, wenn es darum geht, die den Kindern gemäß § 337 Abs. 1 HGB zustehenden Gewinnauszahlungsansprüche einzuschränken. Entsprechendes gilt für den Fall, daß ein Elternteil das Unternehmen vertritt, an dem die stille Beteiligung der Kinder besteht (§ 181 BGB).

Im Urteil des BFH vom 29. Januar 1976 IV R 102/73 (BFHE 118, 181, 186, 187, BStBl II 1976, 328) wurde bezüglich des tatsächlichen Vollzugs eines Vertrags über eine KG die Meinung vertreten, daß in KG zwischen Fremden vielfach die Kommanditisten ihre Gewinnanteile tatsächlich nicht entnehmen, z.B. weil die wirtschaftliche Lage des Unternehmens es erforderlich mache, daß alle Gesellschafter in gleicher Weise auf Entnahmen verzichteten oder weil die KG die stehengelassenen Gewinnanteile günstig verzinse. Der erkennende Senat weicht mit seiner Entscheidung nicht von diesem Urteil ab. Einmal war die dort geäußerte Meinung für die vom IV. Senat getroffene Entscheidung nicht erheblich; denn das Urteil verneinte die Mitunternehmerstellung der Kommanditisten aus anderen Gründen. Zum anderen besteht zwischen dem Fall, daß bei einer KG die Gesellschafter übereinstimmend auf Gewinnentnahmen aus bestimmten Gründen verzichten, und der Nichtauszahlung der Gewinnanteile der stillen Gesellschaft ein erheblicher Unterschied. Die Nichtauszahlung der Gewinne im Falle der stillen Gesellschaft begünstigt einseitig den Inhaber des Unternehmens, an dem die stille Gesellschaft besteht. Der Unterschied ist so gewichtig, daß es im Streitfall nicht darauf ankommt, aus welchen Gründen von der Auszahlung der Gewinnanteile abgesehen wurde.

Die Kläger haben in einem an den BFH gerichteten Schriftsatz geltend gemacht, die Darlehensverträge seien von dem Ergänzungspfleger in einem Schreiben vom 9. Dezember bzw. 29. Dezember 1977 genehmigt worden. Der Senat kann offenlassen, ob er dieses Vorbringen berücksichtigen kann (§ 118 Abs. 2 FGO). Für die steuerliche Beurteilung ist nämlich davon auszugehen, daß bis zur Genehmigung kein wirksamer Darlehensvertrag bestand; daß die Genehmigung gemäß § 184 Abs. 1 BGB zurückwirkt, hat darauf keinen Einfluß (BFH-Urteil vom 1. Februar 1973 IV R 49/68, BFHE 108, 197, BStBl II 1973, 307).

4. Wird für die Besteuerung bis zur Genehmigung der Darlehensverträge durch den Ergänzungspfleger von der Unwirksamkeit des Darlehensverhältnisses ausgegangen, kann daraus nicht hergeleitet werden, die Verträge über die stillen Beteiligungen seien deshalb vollzogen, weil bis zur Genehmigung für die steuerrechtliche Beurteilung von einem Weiterbestehen der sich aus den Gutschriften ergebenden Ansprüche ausgegangen werden kann. Dem steht entgegen, daß die stillen Gesellschafter infolge der abgeschlossenen Darlehensverträge faktisch gehindert waren, ihre Rechte aus den Gutschriften geltend zu machen, kraft derer sie - im Gegensatz zu den Bedingungen der Darlehensverhältnisse - die ihnen zustehenden Beträge jederzeit abrufen hätten können. Eine derartige Unklarheit im Verhältnis der Rechtsbeziehungen zu den Kindern führt dazu, daß sich die Kläger für die Besteuerung nicht auf die weiterbestehenden Ansprüche der Kinder berufen können.

5. Der Senat weicht mit seiner Entscheidung nicht von dem Urteil des BFH vom 17. Juli 1984 VIII R 69/84 (BFHE 142, 215, BStBl II 1986, 48) ab. In dem vom VIII. Senat entschiedenen Fall war das Darlehensverhältnis, aufgrund dessen die Ehefrau den ihr zustehenden Arbeitslohn dem Ehemann zur Verfügung stellte, zivilrechtlich wirksam. An dieser Voraussetzung fehlt es im Streitfall.

6. Können damit die stillen Beteiligungen mangels Durchführung der Verträge nicht der Besteuerung zugrunde gelegt werden, muß der Senat nicht darauf eingehen, ob auch andere Gründe dagegen sprechen, die Verträge über die stillen Beteiligungen steuerlich anzuerkennen.

Er braucht nicht zu entscheiden, ob aus dem zur schenkungsweisen Einräumung eines Darlehensanspruchs ergangenen Urteil des VIII. Senats vom 10. April 1984 VIII R 134/81 (BFHE 141, 308, BStBl II 1984, 705) - wie das FG annahm - abzuleiten ist, daß die schenkungsweise Gewährung von Mitteln für die Einlage in eine stille Gesellschaft nach den gleichen Grundsätzen zu beurteilen ist und damit durch die bloße Umbuchung von Eigenkapitalmitteln des Geschäftsinhabers auf die Einlage des stillen Gesellschafters nicht bewirkt werden kann.

Der Senat muß auch nicht dazu Stellung nehmen, ob die stillen Beteiligungen deswegen nicht der Besteuerung zugrunde gelegt werden können, weil bei Beendigung der stillen Gesellschaften die Einlagen in drei Jahresraten zurückzuzahlen und insoweit keine Sicherheiten für die stillen Gesellschafter vorgesehen sind.