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  BFH-Urteil vom 13.10.1989 (III R 144/84) BStBl. 1990 II S. 84

Personenkraftfahrzeuge, die in Berlin langfristig an Dritte verleast werden, sind nicht im Sinne des § 19 Abs. 2 Satz 2 BerlinFG "im eigenen gewerblichen Betrieb ausschließlich an Selbstfahrer vermietet". Eine Berlin-Zulage für solche Personenkraftwagen kann deshalb nicht gewährt werden.

BerlinFG § 19 Abs. 2 Satz 2.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) hat ihren Sitz in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) und eine Zweigniederlassung in Berlin (West). In letzterer verleast sie Personenkraftwagen. Das Verleasen erfolgt in der Hauptsache an Gewerbetreibende über einen Zeitraum zwischen 36 und 42 Monaten. Die Klägerin ist Eigentümerin der Personenkraftwagen; sie werden in ihrer Bilanz als Anlagevermögen behandelt. Halter der Fahrzeuge sind die Kunden.

Durch einen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheid wurde der Klägerin u.a. für im Streitjahr 1976 in Berlin neu angeschaffte Personenkraftwagen eine Investitionszulage nach § 19 des Berlinförderungsgesetzes (BerlinFG) in Höhe von .... DM gewährt. Im Anschluß an eine Betriebsprüfung forderte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) diesen Betrag durch Änderungsbescheid wieder zurück. Das FA ist der Auffassung, daß durch die langfristige Vermietung der Personenkraftwagen an Dritte die Voraussetzungen des § 19 Abs. 2 BerlinFG nicht erfüllt seien. Eine Investitionszulage könne nach dem BerlinFG für Personenkraftwagen nur gewährt werden, wenn diese im eigenen gewerblichen Betrieb des Investors kurzfristig an Selbstfahrer vermietet würden, nicht jedoch bei langfristigem Verleasen.

Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage führte zum Erfolg. Das Finanzgericht (FG) war der Ansicht, daß weder der Wortlaut des § 19 Abs. 2 BerlinFG noch der Sinn und Zweck der Vorschrift eine Beschränkung der Zulage auf nur kurzfristig an Selbstfahrer vermietete Personenkraftwagen vorsehe. Da die Fahrzeuge aus der Sicht der Klägerin ausschließlich im eigenen Betrieb an Selbstfahrer vermietet würden, seien die Voraussetzungen für eine Zulage erfüllt.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung des § 19 Abs. 2 BerlinFG. Es sei zwar richtig, daß sich aus dem Wortsinn des § 19 Abs. 2 BerlinFG keine Beschränkung auf eine kurzfristige Vermietung an Selbstfahrer ergebe. Nach der Zielsetzung des Gesetzes sei es jedoch eindeutig, daß mit § 19 Abs. 2 Satz 2 BerlinFG keine Förderung von im Leasing-Verfahren für mehrere Jahre vermieteten Personenkraftfahrzeugen beabsichtigt sei. Nachdem nämlich ursprünglich gar keine Förderung von Personenkraftfahrzeugen vorgesehen gewesen sei, sei die umstrittene Regelung lediglich deshalb in das Gesetz eingefügt worden, um die Benachteiligung des Fahrschul-, Taxi- und Mietwagengewerbes zu beseitigen. Nichts deute jedoch darauf hin, daß neben diesen Wirtschaftszweigen auch Leasing-Unternehmen mit Gebrauchsüberlassungen von mehreren Jahren gefördert werden sollten.

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Die Klägerin ist der Ansicht, daß der Begriff "Selbstfahrer" vom Wortlaut her keine zeitliche Einschränkung der Vermietungsdauer enthalte. Auch aus der Entstehungsgeschichte des § 19 Abs. 2 BerlinFG könne nicht hergeleitet werden, daß nur die kurzfristige Vermietung begünstigt sein solle. Vielmehr werde der Sinn und Zweck des BerlinFG, die Wirtschaftskraft Berlins zu stärken, auch bei langfristigen Vermietungen erreicht.

Im Gegensatz zur Ansicht des FA könne das Erfordernis der Verwendung des begünstigten Wirtschaftsguts "im eigenen Gewerbebetrieb" nicht dahin verstanden werden, daß der Personenkraftwagen nur in dem Gewerbebetrieb, zu dessen Anlagevermögen er gehört, zur Vermietung an Selbstfahrer verwendet werden kann. So gesehen wäre nämlich die Voraussetzung für die Begünstigung grundsätzlich nicht zu erlangen, es sei denn, der Mieter beschränke sich auf Fahrten innerhalb des Firmengeländes. Schließlich sei auch der Auffassung des FA zu widersprechen, daß Berliner Leasing-Unternehmen gegenüber westdeutschen Konkurrenten einen Wettbewerbsvorteil hätten, da sie von Berlin aus auch in die Bundesrepublik Personenkraftwagen verleasen könnten. Vielmehr wären diese Fälle, da die Personenkraftwagen auf den Halter zugelassen sind, sehr leicht auszuscheiden, so daß nur für die in Berlin zugelassenen Personenkraftwagen eine Zulage festzusetzen wäre.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Entgegen der Auffassung der Vorinstanz sieht das BerlinFG eine Zulage für die Anschaffung langfristig vermieteter (verleaster) Personenkraftwagen nicht vor.

1. Nach § 19 Abs. 2 Satz 1 BerlinFG in der für das Streitjahr geltenden Fassung wird für die Anschaffung neuer abnutzbarer beweglicher Wirtschaftsgüter, die zum Anlagevermögen eines Betriebs (einer Betriebstätte) in Berlin (West) gehören und mindestens drei Jahre nach ihrer Anschaffung in einem solchen Betrieb (in einer solchen Betriebstätte) verbleiben, eine Investitionszulage gewährt. Die Anschaffung von Personenkraftwagen war zunächst gänzlich von der Förderung ausgeschlossen. Der Grund für diesen Ausschluß lag darin, daß Personenkraftwagen regelmäßig nicht ausschließlich betrieblich, sondern auch privat genutzt werden und man sich von einer Förderung des privaten Verbrauchs keine Stärkung der Wirtschaftskraft Berlins versprach (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 1. Juli 1977 III R 98/75, BFHE 123, 272, BStBl II 1977, 864).

Da diese Regelung zu dem unbefriedigenden Ergebnis führte, daß die Taxi- und Mietwagenunternehmen sowie die Fahrschulen gänzlich von der Begünstigung durch die Investitionszulage ausgeschlossen waren, während alle anderen Unternehmen, gleichgültig welche Tätigkeit sie ausübten, in den Genuß der Zulage gelangten, wird seit 1964 die Berlin-Zulage auch für Personenkraftwagen gewährt, allerdings nur für solche, die im eigenen gewerblichen Betrieb ausschließlich der Beförderung von Personen gegen Entgelt dienen oder an Selbstfahrer vermietet oder für Fahrschulzwecke verwendet werden (§ 19 Abs. 2 Satz 2 BerlinFG).

2. Es ist zwischen den Verfahrensbeteiligten außer Streit, daß die von der Klägerin angeschafften Personenkraftwagen weder der Beförderung von Personen gegen Entgelt dienen - es handelt sich hierbei um die herkömmlichen Taxen - noch daß sie für Fahrschulzwecke verwendet werden. Die Klägerin ist jedoch der Auffassung, daß sie die angeschafften Personenkraftwagen "im eigenen gewerblichen Betrieb" an "Selbstfahrer" vermiete. Der Senat kann dieser Auffassung nicht folgen. Die Klägerin erfüllt beide Voraussetzungen nicht.

3. Wenn die Klägerin Personenkraftwagen verleast, so bleiben sie zwar weiterhin in ihrem Anlagevermögen. Das Gesetz verlangt aber mehr. Die Vermietung muß im "eigenen gewerblichen Betrieb" erfolgen. Damit ist nicht nur gemeint, daß der Vermieter in Berlin einen Betrieb haben muß. Denn dieses Erfordernis ergibt sich bereits aus § 19 Abs. 1 Satz 1 BerlinFG. Mit dem Vermieten "im eigenen gewerblichen Betrieb" kann damit nur gemeint sein, daß das Fahrzeug während der Vermietung im eigenen Gewerbebetrieb verbleiben muß. § 19 Abs. 2 Satz 2 BerlinFG stellt sich damit als Ausnahmeregelung von dem in § 19 BerlinFG geltenden Grundsatz dar, daß das Vermieten von Wirtschaftsgütern an Dritte mit einem Betrieb in Berlin grundsätzlich unschädlich ist. Ein Wirtschaftsgut verbleibt aber nur dann im eigenen gewerblichen Betrieb, wenn es kurzfristig vermietet wird; nur dann ist gewährleistet, daß der Vermieter in kurzen Abständen die Verfügungsmacht über das Wirtschaftsgut wieder zurückerhält (vgl. zu einer ähnlichen Problematik das BFH-Urteil vom 23. Mai 1986 III R 66/85, BFHE 147, 193, BStBl II 1986, 916). Beim langfristigen Vermieten (Verleasen) von Personenkraftwagen verbleibt das Fahrzeug dagegen nicht mehr im "eigenen gewerblichen Betrieb" des Investors, sondern es befindet sich im Betrieb des Mieters (Leasingnehmers).

Wollte man der Klägerin folgen und das zeitlich unbegrenzte Vermieten (Verleasen) von Personenkraftfahrzeugen in Berlin zulassen, so würde § 19 Abs. 2 Satz 2 BerlinFG seine Bedeutung als einer einschränkenden Regelung verlieren. Sie wäre sogar überflüssig, weil das Vermieten (Verleasen) von Wirtschaftsgütern in Berlin ohnehin grundsätzlich nicht zulagenschädlich ist. Für die hier vertretene Auffassung spricht auch die Tatsache, daß die Vermietung an Selbstfahrer im Gesetz in unmittelbarer sachlicher Nähe zur Beförderung von Personen gegen Entgelt in Taxen genannt wird. Der Gesetzgeber wollte damit nur einem vom Erscheinungs- und Tätigkeitsbild her ähnlichen, weiteren Gewerbezweig die Begünstigung der Zulage zukommen lassen. Dabei war die Überlegung entscheidend, daß es für die Gewährung der Zulage keinen Unterschied machen kann, ob die Fahrt in einem fremden Fahrzeug mit Chauffeur unternommen oder ob selbst gefahren wird.

4. Der Gesetzgeber hat bei der Neuregelung im Jahre 1964 an die Verordnung über die Überwachung von gewerbsmäßig an Selbstfahrer zu vermietende Personenkraftwagen und Krafträdern (Selbstfahrerüberwachungs-Verordnung) vom 4. April 1955 (BGBl I 1955, 186) i.d.F. der Änderungsverordnung vom 7. Juli 1960 (BGBl I 1960, 485) angeknüpft. Auch diese Verordnung hatte nur die kurzfristige Nutzungsüberlassung von Personenkraftwagen an Dritte zum Inhalt. Denn nur in diesen Fällen hat es einen Sinn, eine besondere Anmeldung des Gewerbebetriebs bei der Zulassungsstelle und einen besonderen Versicherungsnachweis zu verlangen.

Daß der (straßenverkehrsrechtliche) Verordnungsgeber der Jahre 1955 bzw. 1960 nur die kurzfristige Vermietung regeln wollte, ergibt sich auch aus der 1969 durchgeführten Änderung (BGBl I 1969, 875). Damals wurde durch die Einführung des § 3 in die Verordnung der zwischenzeitlich eingetretenen Entwicklung von langfristigen Leasing-Verträgen Rechnung getragen (Begründung der Änderungsverordnung, BRDrucks 317/69 vom 3. Juni 1969, Ziff. II Nr. 2). Für diese Vertragsgestaltung, bei denen die Mieter auch Halter der Fahrzeuge werden, erwies sich eine besondere Anmeldung bei der Zulassungsstelle und ein besonderer Versicherungsnachweis nicht mehr als notwendig.

Es gibt jedoch keine Anhaltspunkte dafür, daß der Steuergesetzgeber des § 19 BerlinFG die vom Verordnungsgeber unter straßenverkehrsrechtlichen Gesichtspunkten vorgenommene Ausweitung des Selbstfahrerbegriffs auf langfristige Mietverträge in § 3 der Verordnung mitmachen wollte. Vielmehr ist nach wie vor vom Selbstfahrerbegriff des Jahres 1964, dem Zeitpunkt des Beginns der Personenkraftwagenförderung in § 19 Abs. 2 Satz 2 BerlinFG auszugehen, und der umfaßt lediglich die kurzfristige Vermietung.

Auch die Verwaltungsübung knüpfte bisher an die Verordnung 1955/1960 an (vgl. Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 5. Mai 1977, BStBl I 1977, 246 Tz. 152, und vom 31. Dezember 1986, BStBl I 1987, 51 Tz. 149).

Schließlich wird die hier vertretene Auffassung durch das Steuerreformgesetz 1990 vom 25. Juli 1988 (BGBl I 1988, 1093 f.) gestützt. Danach erhält § 19 BerlinFG eine völlig neue Fassung. Nunmehr ist in Abs. 2 Satz 3 Ziff. 1 Buchst. c bb ausdrücklich geregelt, daß nur die kurzfristige Vermietung an Selbstfahrer zulagebegünstigt ist. Nach Abs. 2 Satz 4 umfaßt die kurzfristige Vermietung einen Zeitraum von bis zu drei Monaten. Diese Neuregelung sollte lediglich die bisherige Verwaltungsübung sicherstellen (BTDrucks 11/2157 vom 19. April 1988, S. 181). Eine Änderung der bisherigen Gesetzeslage sollte damit nicht verbunden sein.

5. Die Auffassung der Klägerin, die Vermietung von Personenkraftwagen im eigenen gewerblichen Betrieb an Selbstfahrer lasse auch das längerfristige Verleasen zu, ergäbe auch deshalb keinen Sinn, weil dann der Selbsterwerb eines Personenkraftwagens durch einen Gewerbetreibenden in Berlin von der Zulage ausgeschlossen, der "Erwerb" eines solchen Fahrzeuges im Wege eines Leasing-Vertrags aber begünstigt wäre. Vom Zweck des Gesetzes her gesehen, Personenkraftwagen grundsätzlich von der Zulage auszuschließen und Ausnahmen nur in sehr begrenztem Umfang zuzulassen, ließe sich ein unterschiedliches Ergebnis in den genannten Fällen nicht rechtfertigen.

6. Die Vorentscheidung entspricht nicht den dargestellten Rechtsgrundsätzen. Sie war deshalb aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Klage war abzuweisen.