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  BFH-Urteil vom 21.9.1989 (IV R 115/88) BStBl. 1990 II S. 86

1. Verdeckte Einlagen können auch von den Gesellschaftern einer von der Körperschaftsteuer befreiten landwirtschaftlichen Genossenschaft erbracht werden.

2. Die verdeckte Einlage kann in unangemessen niedrigen Preisen für Lieferungen an die Genossenschaft bestehen. In Höhe des Preisvorteils ergeben sich nachträgliche Anschaffungskosten auf die Beteiligung und zusätzliche Erträge im Unternehmen des als Genosse beteiligten Landwirts.

3. Eine verdeckte Einlage kann jedoch nur angenommen werden, wenn ein an der Genossenschaft nicht beteiligter Landwirt Lieferungen zu dem vereinbarten Preis nicht vorgenommen hätte. Daß die Genossenschaft ihrem Mitglied in der Vergangenheit höhere Preise gewährt hat, läßt noch nicht auf eine verdeckte Einlage schließen.

KStG 1977 § 5 Abs. 1 Nr. 14, § 8 Abs. 3 Satz 2.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) werden als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie sind jeweils Inhaber von landwirtschaftlichen Betrieben und ermitteln ihren Gewinn durch Bestandsvergleich gemäß § 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Sie waren in den Streitjahren 1978 bis 1981 an zwei Kartoffel-Gemeinschaftsbrennereien beteiligt, die in der Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft betrieben wurden. Da die Absatzmöglichkeiten an das Branntweinmonopol aufgrund der bestehenden Brennrechte gekürzt worden waren, erwarben diese Genossenschaften zur Sicherung ihres Absatzes weitere Brennrechte. Die Kaufpreise wurden überwiegend mit Hilfe von Bankkrediten, zum kleineren Teil auch aus eigenen Mitteln der Genossenschaften entrichtet. Die Darlehen wurden innerhalb von fünf Jahren getilgt, die Genossenschaften schrieben die Anschaffungskosten der Brennrechte ebenfalls innerhalb von fünf Jahren ab.

In den Jahren, in denen die Brennrechte erworben bzw. die Darlehen getilgt wurden, erhielten die Genossenschaftsmitglieder geringere Preise für ihre Kartoffellieferungen als in den Vorjahren. In der Minderung der Auszahlungspreise sah der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) nach einer Betriebsprüfung bei den Klägern nachträgliche Anschaffungskosten auf die Genossenschaftsanteile und erhöhte insoweit den Gewinn der Kläger. Als maßgebend sah das FA die von den Genossenschaften entrichteten Tilgungsbeträge an, die es den Genossenschaftsmitgliedern entsprechend ihren Belieferungsrechten zuteilte.

Die hiergegen gerichtete Klage hatte Erfolg; das Finanzgericht (FG) sah keine Anhaltspunkte dafür, daß die Anschaffung der Brennrechte mittels verminderter Auszahlungen an die Genossen erfolgt sei.

Hiergegen richtet sich die vom FG zugelassene Revision des FA, mit der Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt wird.

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist unbegründet.

1. Zu Recht hat das FA angenommen, daß eine verdeckte Einlage der Kläger in das Vermögen der Genossenschaften zu nachträglichen Anschaffungskosten auf ihre Beteiligungen geführt hätte. Das gilt wie für Beteiligungen an Kapitalgesellschaften (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 26. Oktober 1987 GrS 2/86, BFHE 151, 523, BStBl II 1988, 348, m.w.N.) so auch für Beteiligungen an Genossenschaften (BFH-Urteil vom 11. August 1971 VIII R 13/66, BFHE 103, 414, BStBl II 1972, 117). Hierauf hat keinen Einfluß, daß die Genossenschaften als landwirtschaftliche Verwertungsgenossenschaften entsprechend § 5 Abs. 1 Nr. 14 Buchst. c des Körperschaftsteuergesetzes (KStG 1977) von der Körperschaftsteuer befreit waren. Dies hat zwar zur Folge, daß sich die sonst mit einer verdeckten Einlage des Gesellschafters verbundene Wirkung einer Verringerung des körperschaftsteuerpflichtigen Einkommens nicht einstellte. Hiervon ist die Beurteilung einer verdeckten Einlage beim Gesellschafter aber nicht abhängig; dies ist hinsichtlich der verdeckten Einlage in eine nicht der deutschen Steuerpflicht unterliegende Kapitalgesellschaft entschieden (BFH-Urteil vom 22. November 1983 VIII R 37/79, BFHE 140, 63) und muß gleichermaßen für eine von der Körperschaftsteuerpflicht befreite Kapitalgesellschaft und Genossenschaft gelten.

2. Eine verdeckte Einlage wird angenommen, wenn der Gesellschafter seiner Kapitalgesellschaft einen einlagefähigen Vermögensvorteil zuwendet und diese Zuwendung ihre Ursache im Gesellschaftsverhältnis hat. Das Gesellschaftsverhältnis ist dann ursächlich, wenn ein Nichtgesellschafter bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns der Gesellschaft den Vermögensvorteil nicht eingeräumt hätte. Diese Grundsätze sind auch anwendbar, wenn es sich beim Gesellschafter, wie im Streitfall, nicht um einen Kaufmann, aber einen sonstigen Unternehmer handelt (vgl. BFH-Urteil vom 9. März 1983 I R 182/78, BFHE 139, 139, BStBl II 1983, 744).

In der Rechtsprechung ist anerkannt, daß in der Vereinbarung eines zu niedrigen Preises für Lieferungen des Gesellschafters an die Kapitalgesellschaft eine verdeckte Einlage gesehen werden kann; in Höhe des Preisverzichts ergeben sich für den Gesellschafter nachträglich Anschaffungskosten auf die Beteiligung und in gleicher Höhe zusätzliche Erträge in seinem Unternehmen (vgl. BFH-Urteil vom 14. August 1974 VIII R 168/72, BFHE 114, 41, BStBl II 1975, 123, m.w.N.). Hiervon ist auch im Falle von Lieferungen eines Genossenschaftsmitglieds an die Genossenschaft auszugehen. Auch wenn der Zweck einer Genossenschaft in der Förderung des Erwerbs und der Wirtschaft ihrer Mitglieder besteht (§ 1 des Genossenschaftsgesetzes - GenG -), erzielt sie bei der Verfolgung dieses Zwecks doch eigene, der Körperschaftsteuer unterliegende Einkünfte. Darum bedarf es der Prüfung, ob Lieferungen der Genossenschaft an ihre Mitglieder wegen der Preisgestaltung eine Zuwendung in Form einer verdeckten Gewinnausschüttung oder umgekehrt Lieferungen der Mitglieder an die Genossenschaft eine verdeckte Einlage enthalten, die jeweils den Gewinn der Genossenschaft nicht beeinflussen dürfen. Hierbei kann auch das wirtschaftliche Verhalten eines Nichtgesellschafters berücksichtigt werden; daß Genossenschaften den Überschuß eines abgelaufenen Wirtschaftsjahres ihren Mitgliedern nicht nur im Wege der Gewinnverteilung, sondern auch durch eine Rückvergütung auf erhaltene Zahlungen oder eine dem gleichstehende Nachzahlung auf geleistete Zahlungen zur Verfügung stellen können, macht diesen Fremdvergleich nicht überflüssig (vgl. BFH-Urteil vom 9. März 1988 I R 262/83, BFHE 153, 38, BStBl II 1988, 592, betreffend verdeckte Gewinnausschüttung).

3. In der Frage, ob ein für Lieferungen vereinbarter Preis durch das Geschäftsverhältnis veranlaßt oder durch das Gesellschaftsverhältnis beeinflußt ist, kann jedoch nicht schematisch verfahren werden. Maßgebend sind jeweils die Verhältnisse des Einzelfalls (vgl. Urteile in BFHE 114, 41, BStBl II 1975, 123; vom 16. April 1980 I R 75/78, BFHE 133, 19, BStBl II 1981, 492); dabei kann berücksichtigt werden, daß auch ein ordentlicher Kaufmann im Hinblick auf eine sichere und umfangreiche Absatzmöglichkeit Preiszugeständnisse machen wird. Das FG hat hierzu festgestellt, daß die für die Lieferungen der Genossen gewährten Preise sich an den wirtschaftlichen Gegebenheiten der Genossenschaften orientiert hätten und daß ein günstigeres Jahresergebnis Anlaß zu einer Nachzahlung gewesen sei. Mögen danach auch die Ertragsverhältnisse der Genossenschaft den Preis beeinflußt haben, ergeben sich doch keine Anhaltspunkte dafür, daß ein nicht an der Genossenschaft beteiligter Landwirt Lieferungen zu diesem Preis nicht vorgenommen hätte.

Den tatsächlichen Feststellungen des FG läßt sich allerdings entnehmen, daß die Genossenschaften die erworbenen Brennrechte innerhalb von fünf Jahren abgeschrieben haben und daß die damit verbundene Ertragsbelastung zu einer Verringerung der Lieferpreise führte; den Genossenschaften bot sich dadurch die Möglichkeit, die für den gleichen Zeitraum aufgenommenen Anschaffungsdarlehen zurückzuzahlen. Auch hieraus läßt sich jedoch nicht folgern, daß die Preise der Genossenschaften unter die sonst für Kartoffellieferungen erzielbaren Preise gefallen waren oder daß ein Nichtgesellschafter den Preisnachteil im Hinblick auf die gesicherte Absatzmöglichkeit nicht in Kauf genommen hätte; nur dann wären die Voraussetzungen einer verdeckten Einlage erfüllt. Für abweichende Verhältnisse hat das FA nichts vorgetragen und insoweit auch keine Aufklärungsrüge erhoben.

4. Dem FA ist einzuräumen, daß die Kläger nachträgliche Anschaffungskosten auf ihre Beteiligungen zu aktivieren hätten, wenn sie zur Finanzierung der Brennrechtskäufe Zuschüsse an die Genossenschaften geleistet hätten (vgl. Urteil in BFHE 103, 414, BStBl II 1972, 117); in diesem Fall hätten sich ihre Erlöse aus den Kartoffellieferungen nicht verringert, sofern die Genossenschaft nicht doch Abschreibungen auf die Brennrechte vorgenommen hätte.

Die im Streitfall gewählte Gestaltung beruht auf der Befreiung der landwirtschaftlichen Bearbeitungs- und Verwertungsgenossenschaften in § 5 Abs. 1 Nr. 14 Buchst. c KStG 1977. Sie erlaubt es diesen Genossenschaften, Gewinne zu Lasten der Auszahlungen und Gewinnausschüttungen an die Mitglieder einzubehalten und aus diesen steuerfrei gewonnenen Beträgen Investitionen vorzunehmen. Vorliegend ist dasselbe Ergebnis ersichtlich dadurch erreicht worden, daß die Genossenschaften Abschreibungen auf die Brennrechte vorgenommen haben, die nach § 33c GenG i.d.F. vor Inkrafttreten des Bilanzrichtlinien-Gesetzes (BiRiLiG) nicht erforderlich waren, und dadurch stille Reserven geschaffen haben. § 5 Abs. 1 Nr. 14 Buchst. c KStG 1977 nimmt aber die Erlangung derartiger Steuervorteile durch die Einbehaltung und Verwendung von Gewinnen in Kauf.

Die genannten Genossenschaften waren bereits nach § 33 der Körperschaftsteuer-Durchführungsverordnung (KStDV) 1949 steuerbefreit. Die Vorschrift wurde durch das Zweite Steueränderungsgesetz 1973 (2. StÄndG 1973) vom 18. Juli 1974 (BGBl I, 1489, BStBl I, 521) in § 4 Abs. 4 Ziff. 11 c KStG übernommen. Mit der Steuerbefreiung sollte die doppelte Besteuerung des von der Genossenschaft erzielten Gewinns beseitigt werden, damit kleinwirtschaftliche Betriebe mit landwirtschaftlichen Großbetrieben konkurrenzfähig würden, die die Aufgabe der Genossenschaft im eigenen Betrieb erfüllen könnten (vgl. BFH-Gutachten vom 8. September 1953 I D 2/52 S, BFHE 58, 329, BStBl III 1954, 38). Bereits damals ergab sich aber ein weitergehender Steuervorteil, wenn erzielte Gewinne nicht durch Gewinnausschüttungen oder Warenrückvergütungen an die Genossen weitergeleitet wurden; der BFH hat für möglich gehalten, daß die Genossenschaft im Hinblick auf den hierauf nicht gerichteten Zweck des Gesetzes die Steuerbefreiung verliere, wenn sie ihre Überschüsse in erheblichem Umfang zur Ansammlung von Betriebskapital verwende (vgl. BFHE 58, 329, BStBl III 1954, 38). Die Begünstigung ist im KStG 1977 aufrechterhalten worden, obwohl die Doppelbelastung der ausgeschütteten Gewinne von Genossenschaften durch ihre Einbeziehung in das Anrechnungsverfahren (§ 43 KStG 1977) aufgehoben worden ist. Wirkungen und Zweck der Begünstigung bestehen deshalb nunmehr vor allem in der Steuerbefreiung des einbehaltenen Gewinns (vgl. Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19. Aufl., § 5 KStG Anm. 410).

Von dieser Begünstigung haben die Genossenschaften im Streitfall Gebrauch gemacht. Ob gegen die Befreiung von der Körperschaftsteuer verfassungsrechtliche Bedenken bestehen, ob ferner angesichts der veränderten Zweckrichtung der Vorschrift noch die im BFH-Gutachten angeführten Begrenzungen bestehen und ob bejahendenfalls nach den im Streitfall gegebenen Verhältnissen den Genossenschaften die Steuerbefreiung zu versagen ist, kann im anhängigen Rechtsstreit nicht entschieden werden. Auf die Frage, ob die Kläger verdeckte Einlagen bewirkt haben, hätte diese Entscheidung keinen Einfluß.

5. Das FA vertritt im Revisionsverfahren zusätzlich die Auffassung, die Kläger hätten mit dem Erwerb der Brennrechte auch eigene Belieferungsrechte gegenüber den Genossenschaften erlangt und hierfür Anschaffungskosten in Höhe der Minderung der Lieferpreise gehabt. Ein derartiges Belieferungsrecht ist jedoch Bestandteil des Genossenschaftsanteils (Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 9. Juni 1960 II ZR 164/58, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1960, 1858; vom 8. Februar 1988 II ZR 228/87, NJW 1988, 1729). Wie dargelegt, ließen sich auch keine Anschaffungskosten für ein derartiges Recht erkennen.