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  BFH-Urteil vom 11.10.1989 (I R 208/85) BStBl. 1990 II S. 88

1. Erhebt eine Genossenschaft Mitgliedsbeiträge von ihren Mitgliedern, so rechtfertigt dieser Umstand es nicht, die allgemeinen Betriebsausgaben der Genossenschaft gemäß § 8 Abs. 1 KStG 1977 i.V. m. § 3c EStG zu kürzen.

2. Unter einer verdeckten Gewinnausschüttung i. S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1977 ist auch bei einer Genossenschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch das Genossenschaftsverhältnis veranlaßt ist und in keinem Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung steht.

3. Zur Beurteilung der Frage, ob eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) durch das Genossenschaftsverhältnis veranlaßt ist, ist auf das Handeln eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einer Genossenschaft abzustellen.

KStG 1977 § 8 Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 6; EStG § 3c, § 4 Abs. 1.

Vorinstanz: FG Berlin (EFG 1986, 308)

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine eingetragene Genossenschaft, deren Satzungszweck "der Erwerb von Grundstücken zur Förderung des Kleingarten- und Heimstättenbaus durch die Mitglieder" ist. In Erfüllung dieses Satzungszweckes erwarb die Klägerin Kleingartengelände zu Eigentum. Dieses überließ sie den Mitgliedern und anderen Interessenten zur Nutzung. Zur Finanzierung der durch das Grundvermögen ausgelösten Aufwendungen erhob sie ursprünglich von den Parzellenbenutzern ein Pacht- und Wohngeld sowie eine Wassergeldumlage. Außerdem mußte jedes neue Mitglied ein Eintrittsgeld entrichten.

Durch Beschluß der Generalversammlung der Klägerin vom 28. Februar 1979 wurde die Satzung der Klägerin geändert. Nunmehr hatte jeder Genosse einen Jahresbeitrag zu entrichten, dessen Höhe von der Generalversammlung festgesetzt wurde. Nach dem Beschluß der Generalversammlung vom 15. März 1980 betrug der Jahresbeitrag 4 DM pro Genossenschaftsanteil und 0,35 DM je qm genutzter Fläche. Die Klägerin behandelte diese Mitgliedsbeiträge und die Eintrittsgelder als Einnahmen, die gemäß § 8 Abs. 6 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1977 bei der Einkünfteermittlung außer Ansatz zu lassen sind.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) wandte § 8 Abs. 6 KStG 1977 nur auf die Eintrittsgelder sowie auf die Mitgliedsbeiträge an, die von den Genossenschaftsanteilen erhoben wurden. Gleichzeitig kürzte er die Betriebsausgaben der Klägerin gemäß § 3c des Einkommensteuergesetzes (EStG) in dem Verhältnis, in dem die "steuerfreien" Mitgliedsbeiträge zu den Gesamteinnahmen der Klägerin standen. Dadurch ergab sich eine festzusetzende Körperschaftsteuer 1979 in Höhe von 207 DM, 1980 in Höhe von 3.619 DM und 1981 in Höhe von 6.275 DM.

Der Einspruch der Klägerin hatte insoweit Erfolg, als das FA die Körperschaftsteuer 1981 auf 5.793 DM herabsetzte. Im übrigen wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage der Klägerin überwiegend statt. Es setzte die Körperschaftsteuer 1979 und 1980 auf jeweils 0 DM und die Körperschaftsteuer 1981 auf 2.109 DM herab. Es behandelte die Eintrittsgelder und die pro Genossenschaftsanteil berechneten Mitgliederbeiträge als Einlagen, die gemäß § 8 Abs. 1 KStG 1977 i.V. m. § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG nicht steuerbare Vermögensmehrungen seien. Auf nicht steuerbare Vermögensmehrungen sei § 3c EStG nicht anwendbar. Das FG-Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 1986, 308 veröffentlicht.

Mit seiner vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung des § 8 Abs. 6 KStG 1977 und des § 3c EStG.

Das FA beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Die Klägerin war in den Streitjahren eine eingetragene Genossenschaft. Sie galt deshalb als Kaufmann i. S. des Handelsgesetzbuches - HGB - (§ 17 Abs. 2 des Genossenschaftsgesetzes - GenG -). Als solcher war sie zur Führung von Büchern gemäß §§ 38 ff. HGB a. F. verpflichtet. Die von ihr erzielten Einkünfte sind steuerrechtlich als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu beurteilen (§ 8 Abs. 2 KStG 1977) und durch Betriebsvermögensvergleich zu ermitteln (§ 8 Abs. 1 KStG 1977 i.V. m. § 5 Abs. 1 EStG). Dabei sind u.a. die Vorschriften über die Einlagen und über die Betriebsausgaben zu beachten (§ 5 Abs. 4 EStG 1977).

2. Der Senat läßt dahingestellt, ob die von der Klägerin vereinnahmten Mitgliedsbeiträge und Eintrittsgelder Einnahmen i. S. des § 8 Abs. 6 KStG 1977 oder Einlagen i. S. des § 8 Abs. 1 KStG 1977 i.V. m. § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG 1977 sind. Jedenfalls hat es das FG zu Recht abgelehnt, die Betriebsausgaben der Klägerin gemäß § 8 Abs. 1 KStG 1977, § 3c EStG zu kürzen. Es fehlt an einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen den vom FA nicht abgesetzten Betriebsausgaben und den Mitgliedsbeiträgen bzw. Eintrittsgeldern. Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteil vom 29. Januar 1986 I R 22/85, BFHE 146, 132, BStBl II 1986, 479) ist ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen Einnahmen und Aufwendungen nur dann anzunehmen, wenn die Einnahmen und Aufwendungen durch dasselbe Ereignis veranlaßt sind. Dagegen reicht die bloße Finanzierung von Aufwendungen durch steuerfreie Einnahmen nicht aus, um einen unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang zu begründen. So liegen die vom FG festgestellten Umstände des Streitfalls. Die von der Klägerin als Betriebsausgaben geltend gemachten Aufwendungen wurden dadurch ausgelöst, daß die Klägerin Eigentümerin von Grundbesitz war und diesen den sog. Parzellenbenutzern überließ. Die Aufwendungen entstanden nicht schon durch die bloße Mitgliedschaft der Genossen in der Klägerin. Umgekehrt waren die Eintrittsgelder und die Mitgliedsbeiträge schon allein aufgrund der Mitgliedschaft in der Klägerin zu zahlen. Die Zahlungen sind losgelöst von der Nutzung des Grundbesitzes durch die Mitglieder zu beurteilen.

3. Das FG hatte auch keine Veranlassung, den Sachverhalt in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht darauf zu prüfen, ob die Klägerin Gewinne i. S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1977 an ihre Mitglieder verdeckt ausschüttete, indem sie ihnen den Grundbesitz gegen ein unangemessen niedriges Entgelt zur Nutzung überließ. Unter einer verdeckten Gewinnausschüttung i. S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1977 ist auch bei einer Genossenschaft i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 2 KStG 1977 eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch das Genossenschaftsverhältnis veranlaßt ist und in keinem Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung steht. Dabei ist bei der Beurteilung der Frage, ob eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) durch das Genossenschaftsverhältnis veranlaßt ist, auf das Handeln eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einer Genossenschaft abzustellen. Dieser muß dem Zweck der Genossenschaft entsprechend handeln. Der Zweck einer Genossenschaft ist aber auf die Förderung des Erwerbs oder der Wirtschaft ihrer Mitglieder gerichtet (§ 1 Abs. 1 GenG). So gesehen reichte es aus, wenn die Klägerin die Höhe der von allen Mitgliedern zu erhebenden Leistungsentgelte nach dem Kostendeckungsprinzip ermittelte. Es ist deshalb keine verhinderte Vermögensmehrung anzunehmen, wenn die Klägerin mit Rücksicht auf ihre geänderte Beitragsordnung das Entgelt ihrer Mitglieder für die Überlassung von Kleingartengelände minderte.

4. Da die Vorentscheidung mit diesen Grundsätzen in Einklang steht, verletzt sie kein Bundesrecht. Die Revision war deshalb als unbegründet zurückzuweisen.